Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

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markus87
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von markus87 »

Inwiefern?

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Tibor
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von Tibor »

Naja, es geht eben nicht nur um die Lösung von Problemen/Fällen anhand des positiven Rechts. Es geht auch um die Sachverhaltsgestaltung nach Maßgabe aktuellen und ggf zukünftigen Rechts. Letztlich geht es auch um die Gestaltung des positiven Rechts selbst. Es geht um Systematisierung von (Teil)Rechtssystemen anhand von Werten/Zwecken, um bspw Regelungslücken des positiven Rechts zu finden, um diese zu nutzen oder zu füllen. Letztlich ist Jura ohne philosophische-, sozialwissenschaftliche-, wirtschaftswissenschaftliche- und geschichtliche Erkenntnisse des Rechts nur oberflächlich verständlich. Aber gut, man kann auch einfach sagen: „Indem die Wissenschaft das Zufällige zu ihrem Gegenstande macht, wird sie selbst zur Zufälligkeit; drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur.“ (Kirchmann)
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markus87
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von markus87 »

Ja natürlich. Für alle diese Bereiche gilt aber mein Satz "Die Anforderungen an logisches Denken sind dabei aber stets niedrig." Muss ja auch nicht sein, dass man den Anspruch nur über die Logik definiert. Was die Frage aufwirft: wann ist etwas anspruchsvoll?

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Tibor
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von Tibor »

Und warum tut sich dann das Gros der Absolventen der Juristerei schon schwer um die sprichwörtlichen zwei Ecken zu denken?
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Liz
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von Liz »

markus87 hat geschrieben: Samstag 13. Oktober 2018, 22:29 Die juristische Logik zu verstehen ist nicht besonders anspruchsvoll. Von den hunderten Klausuren, die ich schon gesehen habe, war es bei keiner schwierig die Musterlösung zu verstehen. Schwierig ist Jura insofern, als es extrem viel Stoff ist, der nicht direkt abgefragt wirkt sondern anhand von Fällen. Dies erhöht die Komplexität erheblich und das Schwierigste ist die Subsumtion eines in der Regel einzigartigen Falls. Es droht immer die Gefahr, dass man Aspekte übersieht oder falsch einordnet. Die Anforderungen an logisches Denken sind dabei aber stets niedrig.
Diese Einschätzung beruht aber vielleicht auch eher auf Deinen eigenen Fähigkeiten zum logischen Denken. Ich fand Mathe auch immer einfach, aber es gibt genügend Menschen, für die bleibt z. B. sowas Banales wie Bruchrechnung selbst bei redlichem Bemühen zeitlebens ein großes Rätsel.
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von markus87 »

Ja natürlich, aber das ist ja kein Widerspruch. Erfassen wir die Fähigkeit zum logischen Denken mal auf einer Skala von 0-10 und gehen davon aus, dass der Durchschnittsmensch bei 3 liegt. Um in Jura auf 18 Punkte zu kommen, braucht man schon eine 6 auf der Skala. Für 9 Punkte eine 4. Ich nenne das "nicht besonders anspruchsvoll" (hinsichtlich des Aspekts des logischen Denkens. Um auf 18 Punkte zu kommen, braucht man noch ganz andere Eigenschaften wie ein perfekt organisiertes Gedächtnis und eine extrem hohe Auffassungsgabe jenseits von Logik). So ein Gefühl, sich das Gehirn zu zermattern habe ich in der Rechtswissenschaft nie, aber schon bei stochastischen Problemen oder in der Informatik, und bei letzterem so häufig dass ich es mir nicht zugetraut hätte Informatik oder Mathematik zu studieren, obwohl ich die 15 Punkte im Matheabi aus dem Ärmel geschüttelt habe. Ich sehe mich selbst auf der Skala vielleicht zwischen 7 und 8 und bin deshalb recht zuversichtlich einschätzen zu können, dass man für Jura maximal 6 braucht (es war für mich nie ein Mysterium ex post zu verstehen, was mir zu 18 Punkten gefehlt hatte) und als hervorragender Mathematiker mindestens 9 (und auch schon im ersten Mathesemester mit Fragestellungen konfrontiert wird, wo es unter 9 echt schwer wird).
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j_laurentius
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von j_laurentius »

Nach dem ersten Staatsexamen, als ich bis zum Ref-Beginn etwas Zeit zu überbrücken hatte, habe ich mich "spaßeshalber" mal ins Mathematikstudium an der FernUniversität Hagen eingeschrieben. Mathe war in der gymnasialen Oberstufe mein bestes Fach, keine Klausur schlechter als 13 Punkte, und ich hatte während der Schulzeit eigentlich immer angepeilt, nach dem Abitur etwas Naturwissenschaftliches zu studieren. Ich dachte, ich falle vom Glauben ab, als ich mir die Lehrmaterialien angesehen habe :-- Das hatte mit der Schulmathematik nichts mehr zu tun, man befasste sich mit hochabstrakten Dingen; wer möchte, kann sich gern mal bei Wikipedia zu den Begriffen "lineare Algebra" und "Funktionalanalysis" schlau machen, das war der Erstsemesterstoff. Sich da hineinzudenken und wirklich zu verstehen, worum es eigentlich geht und was man damit anfängt, fand ich VIEL anspruchsvoller als jedes noch so komplizierte juristische Problem. Die Juristerei ist wenigstens unmittelbar an das reale Leben angekoppelt und ihr Werkzeug ist in erster Linie die Sprache, aber das mathematische Hochreck ist etwas, wofür der menschliche Geist eigentlich nicht gemacht ist und was unheimlich viel Denkleistung abverlangt. Im Physikstudium soll es vergleichbar sein, wurde mir gesagt.
Gelöschter Nutzer

Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Was heißt "anspruchsvoller"?

Die Probleme bei der Beantwortung der Threadfrage:

- Was ist überhaupt der Maßstab? Kommt es auf die erforderliche Intelligenz iSv IQ an? Auf den Zeitaufwand für ein Bestehen/gutes Abschneiden?
- Fast niemand hat beides studiert, sodass es sich immer um eine Ferndiagnose handelt.
- Statistiken (Durchfallquoten usw.) sind schwer vergleichbar, da viele Faktoren nicht berücksichtigt werden können (wer studiert was, Talent, wie viele Leute studieren das jeweilige Fach).


Meine Einschätzung (Vermutung):

- Die intellektuelle Hürde, um in Jura "mehr oder weniger" (Bestehen und wenig mehr) oder etwas überdurchschnittlich abzuschneiden (z.B. knappes VB) ist niedriger als etwa in Mathe. Heißt: Man braucht weniger Grundintelligenz und die Fähigkeit zum logischen Denken, um das zu erreichen.
- Andererseits muss man mE in Jura "mehr machen" (quantitativ/Lernaufwand), selbst wenn man talentiert und intelligent ist. Ich vermute, dass ein hochintelligenter, talentierter Mathematiker weitaus weniger Zeit aufbringen muss, um Topleistungen in Mathe (z.B. 1,0) zu erzielen als umgekehrt der Top-Jurist in seinem Fach (vulgo: wer 12+ Punkte will, muss viel machen, selbst wenn er sehr talentiert ist; umgekehrt wird aber natürlich kein Schuh daraus [viel Zeit heißt nicht viel Ertrag, sondern ist eher die Grundvss. dafür])
- Jura zeichnet sich durch mehr Tücken und Ungewissheiten aus (keine exakte Wissenschaft), das macht Ergebnisse, Noten usw. unvorhersehbar. So kann z.B. selbst ein Top-Jurist mit 12-Punkte-Examen immer wieder 5-6 Punkte Klausuren schreiben.

Kurzum:

1. M.E. ist die "Einstiegshürde" iSv Intelligenz bei etwa Mathe deutlich höher als bei Jura.
2. Jura erfordert aber - für alle Notenstufen - mehr Fleiß.
3. Jura zeichnet sich u.a. durch seine Unberechenbarkeit und die Vielseitigkeit aus, die auch guten Kandidaten schaden kann. Das fehlt bei einer "exakten Wissenschaft" und macht Jura insoweit gewissermaßen anspruchsvoller.
halb eins
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von halb eins »

markus87 hat geschrieben: Sonntag 14. Oktober 2018, 10:43(...) Erfassen wir die Fähigkeit zum logischen Denken mal auf einer Skala von 0-10 und gehen davon aus, dass der Durchschnittsmensch bei 3 liegt. Um in Jura auf 18 Punkte zu kommen, braucht man schon eine 6 auf der Skala. Für 9 Punkte eine 4. (...). Ich sehe mich selbst auf der Skala vielleicht zwischen 7 und 8 (...) (es war für mich nie ein Mysterium ex post zu verstehen, was mir zu 18 Punkten gefehlt hatte).
Um mich mal dem Lama-Niveau anzupassen: https://www.youtube.com/watch?v=v57Qflr_I7E
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famulus
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von famulus »

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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von thh »

juraidiot hat geschrieben: Samstag 13. Oktober 2018, 19:11Mehr als die Hälfte meiner Posts sind sachliche, gehaltvolle Beiträge.
Das erscheint mir wenig wahrscheinlich.
markus87 hat geschrieben: Samstag 13. Oktober 2018, 22:29Die juristische Logik zu verstehen ist nicht besonders anspruchsvoll. Von den hunderten Klausuren, die ich schon gesehen habe, war es bei keiner schwierig die Musterlösung zu verstehen.
Je nun, das ist im naturwissenschaftlichen Bereich - entsprechende Vorkenntnisse der Materie, namentlich der Formelsprache, vorausgesetzt, die auch im juristischen Bereich für ein Grundverständnis erforderlich sind - ähnlich.

Das Problem ist eben, die Lösung nicht nur zu verstehen, wenn man sie denn kennt, sondern zu finden.
j_laurentius hat geschrieben: Sonntag 14. Oktober 2018, 13:02Nach dem ersten Staatsexamen, als ich bis zum Ref-Beginn etwas Zeit zu überbrücken hatte, habe ich mich "spaßeshalber" mal ins Mathematikstudium an der FernUniversität Hagen eingeschrieben. Mathe war in der gymnasialen Oberstufe mein bestes Fach, keine Klausur schlechter als 13 Punkte, und ich hatte während der Schulzeit eigentlich immer angepeilt, nach dem Abitur etwas Naturwissenschaftliches zu studieren. Ich dachte, ich falle vom Glauben ab, als ich mir die Lehrmaterialien angesehen habe :-- Das hatte mit der Schulmathematik nichts mehr zu tun, man befasste sich mit hochabstrakten Dingen; wer möchte, kann sich gern mal bei Wikipedia zu den Begriffen "lineare Algebra" und "Funktionalanalysis" schlau machen, das war der Erstsemesterstoff.
Das sollte (!) beides eigentlich auch Stoffe der gymnasialen Oberstufe gewesen sein, wenn auch natürlich nicht in der für ein Studium erforderlichen Tiefe. Ansonsten gilt: "Mathematik" ist in der Schule größtenteils "Rechnen" und eben gerade nicht Mathematik.

Andererseits ist das ja im juristischen Bereich ähnlich. Wer glaubt, weil ein in Sozialkunde/Gemeinschaftskunde/Politik/wieauchimmerdasFachgeradeheißt gut gewesen sei, werde er auch ein Jurastudium mit links absolvieren, wird ebenfalls schnell eines Besseren belehrt werden.
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immer locker bleiben
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von immer locker bleiben »

Ich finde ja auch, dass Jura einfach ist ...

... ich vermute allerdings stark, dass ich das über jede beliebige Naturwissenschaft auch sagen würde, wenn ich sie studiert hätte.

Am Ende ist es glaube ich keine Frage der wissenschaftlichen Disziplin, sondern eine Frage der eigenen Begabung.
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Strich
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Re: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?

Beitrag von Strich »

Hmm ich habe zwei Semester Physik studiert und musste leider aufhören, weil es die Zeit nicht mehr hergab. Ich habe das Studium nach dem Ref angefangen und muss sagen, dass "der Körper der natürlichen Zahlen", die mathematische Logik und auch das Verständnis für (klassische) Mechanik mir wenig Probleme bereitet hat. Das juristische Denken ist dem der Naturwissenschaften sehr ähnlich. So war zumindest mein Gefühl. Was "schwierig" ist, ist die Einübung. Man muss eben bestimmte Lösungen erlernen. Wer noch nie eine geschickte 0 addiert oder mit einer noch geschickteren 1 multipliziert hat, wird bei einigen Rechenwegen Schwierigkeiten haben. Wer sich unter Ableitungen nichts "vorstellen" kann, weiß auch nicht, was man damit machen kann, wenn sie in Aufgaben auftauchen, die so gar nicht wie die Schulaufgaben aussehen.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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