Frau Künast und das LG Berlin

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Gelöschter Nutzer

Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ehrlich gesagt verstehe ich aber de lege ferenda ohnehin nicht, weshalb Beleidigungen und dergleichen strafbar sein sollten.

Bedarf es bei bloßen Worten wirklich der rechtlichen Ultima ratio? Zu welchem Zweck? Warum sollte diese "Ehre", die wir in anderen Zusammenhängen selbst verulken (Machismo etc), derart geschützt werden?

Sollte nicht im privaten Bereich die drohende Ächtung bzw gesellschaftliche Konsequenzen genügen (ich werde im Bekannten- und Kollegenkreis nicht beleidigt, daran dürfte auch die Straflosigkeit nichts ändern)? Sofern wirtschaftliche Konsequenzen drohen (geschäftlicher Bereich), genügen doch zivilrechtliche Alternativen (Unterlassung, Schadensersatz).
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David
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von David »

Was ist dann mit Fotos von Menschen in Notlagen/Unfallopfern? Oder Volksverhetzung? Wo zieht man da die Grenze? Sollte man bspw auch Polizisten und andere Einsatzkräfte beschimpfen dürfen, wie es einem beliebt oder soll das strafbar bleiben? Wenn ja, warum?
Liz
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Liz »

"Passiert mir nicht" scheint mir kein valides Kriterium für die Strafwürdigkeit eines bestimmten Verhaltens zu sein. Irgendwann ist eben immer doch das erste Mal...
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Tibor
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Tibor »

TF bringt es am Ende auf den Punkt:
Charakterisierungen als "Drecks-Fotze" oder "Stück Scheisse" oder Hinweise wie der, eine Person sei "als Kind wohl ein wenig viel gefickt" worden, lösen sich auch bei großzügiger Betrachtung von dem, was man als "sachlichen" Hintergrund ansehen könnte. Sie dienen erkennbar ausschließlich dazu, möglichst stark herabwürdigende Verletzungen der persönlichen Ehre zu verursachen. Es ist nicht erkennbar, was derartige Beschimpfungen für einen wie immer gearteten kommunikativen Wert haben könnten, welcher über ihr bloßes formales Vorhandensein hinausginge.

https://m.spiegel.de/panorama/justiz/da ... 87973.html
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Liz »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Samstag 21. September 2019, 18:45 Naja, es ist ja doch ein Unterschied, ob irgendwelche dummen Trolle solche Sachen in irgendeiner Kommentarsektion auf irgendeinem Profil schreiben, oder ob man zB von angesicht zu angesicht auf die gleiche Weise angefeindet wird.
Ist es das? Letzteres ist natürlich nochmals intensiver, aber das ändert nichts daran, dass derartige Beschimpfungen den Adressaten, wenn sie ihn erreichen, doch in irgendeiner Form treffen und bei beständiger Wiederholung auch ihre Spuren hinterlassen. Und es ist ja nicht so, als würde es sich aufs Internet beschränken. Es führt vielmehr dazu, dass bestimmte Umgangsformen gesellschaftlich als "normal" angesehen werden.
Ich bezweifle auch, dass sich eine Frau Künast durch die Kommentare ernstlich angegriffen fühlt. Ich denke da geht es mehr darum, diese Leute aus der Anonymität zu holen.
Letzteres sicherlich; bei Ersterem wäre ich mir nicht sicher. Kann es einem egal sein? Eigentlich ja. Aber es untergräbt eben doch das (Ur)Bedürfnis des Einzelnen nach Respekt und Anerkennung, wenn er permanent aufs Übelste beleidigt wird und ihm letztlich jeglicher Wert als Person abgesprochen wird.
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Tibor
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Tibor »

PS gerade weil es ein Anspruch auf Nennung des Beleidigers war, hätte dieser mE zugunsten von Künast ausfallen müssen, weil erst damit ein „Schlagabtausch“ iS Diskussion/Meinung möglich wird. Auch erst dann ist es möglich zu prüfen, ob man einen Strafantrag stellen will. Die anonymen Hetzer werden ja gerade nur wegen der Anonymität so ausfallend. Auf keiner Demo oder Diskussionsveranstaltung würde eine natürliche Person Angesicht zu Angesicht derartig vom Leder ziehen.

Das ist eine Sonderstellung von „Anonymität im Netz“; kennen wir hier im Forum auch. Hier gab es auch mal solche Spezies die meinten im Forum zu maulen, in Blogs aufzufallen und immer quer zu schießen. Einer hat sich durch zu viel persönliche Preisgabe iE selbst enttarnt (Uni, LLM, Dissthema) und dann war es mir ein Leichtes ihn auf Xing zu besuchen; täglich. Er schreibt im Forum nicht mehr unter dem alten Account. Ist ja doof, wenn man weiß, wer der Mäuler ist.
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Liz »

@Tibor: Guter Punkt.

Es scheint mir aber auch ein Problem der Rudelbildung zu sein. Der kleine Niemand fühlt sich auf einmal an seinem heimischen PC ganz furchtbar wichtig und mächtig, wenn er auf Gleichgesinnte trifft und angestachelt wird, die anderen noch ein bisschen zu übertreffen.
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von thh »

Tibor hat geschrieben: Samstag 21. September 2019, 22:00Auf keiner Demo oder Diskussionsveranstaltung würde eine natürliche Person Angesicht zu Angesicht derartig vom Leder ziehen.
Es wäre schön, wenn Du recht hättest.
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Fyrion
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Fyrion »

David hat geschrieben: Samstag 21. September 2019, 19:12 Was ist dann mit Fotos von Menschen in Notlagen/Unfallopfern? Oder Volksverhetzung? Wo zieht man da die Grenze? Sollte man bspw auch Polizisten und andere Einsatzkräfte beschimpfen dürfen, wie es einem beliebt oder soll das strafbar bleiben? Wenn ja, warum?
Hallo, i bims, 1 Vertreter des angloamerikanischen Verständnisses von (Meinungs-)Freiheit. Die Antwort ist: warum nicht? Nicht derjenige, der etwas nicht verbieten möchte, ist in der Erklärungspflicht, sondern derjenige, der den Grundzustand von absoluter Freiheit einschränkt. Jedes Verbot muss unbedingt notwendig sein und einem übergeordneten Ziel von allgemeinem Interesse dienen.
Deswegen ist es mE sinnvoll zwischen Meinungsäußerung (= Beleidigung) und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden. Während Tatsachenbehauptung objektive Schäden anrichten sind Beleidigungen einfach ein Nichts. Wie er schöne englische Kinderreim sagt "sticks and stones can break my bones, but words can never hurt me". Das Schutzgut des Beleidigungsverbots ist die ÄHRE!!!! Was zur Hölle das sein soll, wird wohl ein Kommentator des Art. 1 GG beantworten müssen (vermutlich auch nur negativ definierbar als "keine Ahnung, aber ich weiß, wann meine ÄHRE verletzt ist, Habibi". Ich sehe nicht, dass wir so ein absurdes "Schutzgut" wie Ehre im Jahr 2019 ernsthaft noch verteidigen sollten. Vielmehr gehört jedem, der sich von irgendwas beleidigt fühlt der Vogel gezeigt und der Rat erteilt endlich mal erwachsen zu werden. #Meinmeinung. Ihr Schlampen \:D/
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famulus
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von famulus »

Suchender_ hat geschrieben: Samstag 21. September 2019, 18:55 Ehrlich gesagt verstehe ich aber de lege ferenda ohnehin nicht, weshalb Beleidigungen und dergleichen strafbar sein sollten.
Hä? De lege ferenda?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
Gelöschter Nutzer

Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Sollte klarstellen, dass ich keine Verwunderung darüber ausdrücken wollte, dass Beleidigungen nach geltendem Recht strafbar sind.
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Sektnase »

Fyrion hat geschrieben: Dienstag 24. September 2019, 18:13 Ihr Schlampen
Anzeige ist raus!
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Fyrion
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Fyrion »


Anzeige ist raus!
Manch nicht diese, Habibi :(
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von surcam »

Fyrion hat geschrieben: Dienstag 24. September 2019, 18:13
David hat geschrieben: Samstag 21. September 2019, 19:12 Was ist dann mit Fotos von Menschen in Notlagen/Unfallopfern? Oder Volksverhetzung? Wo zieht man da die Grenze? Sollte man bspw auch Polizisten und andere Einsatzkräfte beschimpfen dürfen, wie es einem beliebt oder soll das strafbar bleiben? Wenn ja, warum?
Hallo, i bims, 1 Vertreter des angloamerikanischen Verständnisses von (Meinungs-)Freiheit. Die Antwort ist: warum nicht? Nicht derjenige, der etwas nicht verbieten möchte, ist in der Erklärungspflicht, sondern derjenige, der den Grundzustand von absoluter Freiheit einschränkt. Jedes Verbot muss unbedingt notwendig sein und einem übergeordneten Ziel von allgemeinem Interesse dienen.
Deswegen ist es mE sinnvoll zwischen Meinungsäußerung (= Beleidigung) und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden. Während Tatsachenbehauptung objektive Schäden anrichten sind Beleidigungen einfach ein Nichts. Wie er schöne englische Kinderreim sagt "sticks and stones can break my bones, but words can never hurt me". Das Schutzgut des Beleidigungsverbots ist die ÄHRE!!!! Was zur Hölle das sein soll, wird wohl ein Kommentator des Art. 1 GG beantworten müssen (vermutlich auch nur negativ definierbar als "keine Ahnung, aber ich weiß, wann meine ÄHRE verletzt ist, Habibi". Ich sehe nicht, dass wir so ein absurdes "Schutzgut" wie Ehre im Jahr 2019 ernsthaft noch verteidigen sollten. Vielmehr gehört jedem, der sich von irgendwas beleidigt fühlt der Vogel gezeigt und der Rat erteilt endlich mal erwachsen zu werden. #Meinmeinung. Ihr Schlampen \:D/
Auch wenn immer auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgestellt wird, findet die Meinungsfreiheit ihre Schranke hinsichtlich der persönlichen Ehre schon im Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 GG. Da braucht man m.E. also gar nicht lange zu diskutieren, ob die Ehre zu schützen ist oder nicht. Wie weit dieser Schutz geht, ist jedoch tatsächlich diskutabel.

Ich vermute auch -- ohne das US-amerikanische Verständnis von Meinungsfreiheit im Detail zu kennen --, dass auch einige der hier in Rede stehenden Ausdrücke justiziabel wären, weil man sie auch als Tatsachenbehauptung auffassen könnte (bspw. das "als-Kind-gefickt-werden" oder die "Schlampe" oder die "Drecks Fotze").
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Fyrion
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Re: Frau Künast und das LG Berlin

Beitrag von Fyrion »

Die Tatsachenbehauptung müsste jedoch auch zumindest geeignet sein objektive (lies: monetäre) Schäden anzurichten. Ich kann (nach US Rechtslage) also nicht behaupten, dass mein Anwalt ein Betrüger, Dieb und Halsabschneider ist. Ich kann sagen, dass er eine Schlampe oder Drecksfotze ist. Das wird jederzeit eindrucksvoll in US shows unter Beweis gestellt. Man kann sich ja mal den Spaß machen und zählen, wie oft zB ein John Oliver einen Donald Trump in einer Sendung über ihn als "Idiot, Morron, retarded" usw. bezeichnet. Glaub mir, wenn Big D ihn dafür verklagen könnte, hätte er es längst getan. Übrigens hat Oliver mE auch Erdogan (im Zusammenhang mit der Böhmermann Affäre) ordentlich beleidigt, weil es in den USA eben weder Königsschutz, noch Beleidungsschutz gibt.

Ob das in Art. 5 steht oder nicht ist für eine Diskussion um de lege ferenda ja wurscht, solange es nicht Art. 1 und 20 betrifft (selbst da wäre es mir wurscht, es geht ja nicht darum was ist, oder was möglich ist, sondern wie man meint, dass es sein sollte).
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