Referendariat trotz Jugendstrafe?

"Off-Topic"-Forum. Die Themen können von den Usern frei bestimmt werden.
Es gelten auch hier die Foren-Regeln!

Moderator: Verwaltung

Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2277
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Strich »

Ich wusste das das kommt ^^
Die Antwort ist aber auch simpel: Es steht dem Staat nicht zu, zu entscheiden, was man mit einer absolvierten Ausbildung dann auch tatsächlich anfängt.
Er muss ihn nicht einstellen, wenn er besser geeignete Bewerber hat, die für eine spätere Einstellung in Betracht kommen. Das läuft aber letztlich wieder auf das Kapazitätsargument hinaus, welches, wie gesagt, durch die finanzielle Vollübernahme des Bewerbers (in aller Regel) überwunden werden kann.

Oder anders gewendet: Du belegst in der Bestenauslese Platz 1 aller Bewerbungen, teilst aber mit, dass du sehr sehr wahrscheinlich nicht in dem Beruf wirst arbeiten wollen (du willst Privatlehrer werden oder wissenschaftlich arbeiten(!) in dem Fall hättest du auch nix mit Kindern zu tun), meinst du es wäre zulässig, diesen Bewerber abzulehnen?
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Freedom
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1112
Registriert: Dienstag 22. Oktober 2013, 20:09

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Freedom »

Tibor hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 17:50 Warum sollte man einen Lehramtsstudenten erst ein Ref ablegen lassen, wenn er sowieso für eine Einstellung nicht in Betracht kommt?
Wenn er auch wegen Urkundenfälschung verurteilt wurde, löst sich das Problem doch von selbst auf. :-w :D
Digiwas?
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Muirne »

Das Referendariat kostet den Staat auch richtig viel Geld. Ich finde es wirklich sinnlos ihn dafür zuzulassen, wenn der einzige Beruf, der damit angestrebt wird, nachher nicht ausgeübt werden kann.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Benutzeravatar
Muirne
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6243
Registriert: Sonntag 2. Januar 2011, 22:46

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Muirne »

Strich hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 17:54

Oder anders gewendet: Du belegst in der Bestenauslese Platz 1 aller Bewerbungen, teilst aber mit, dass du sehr sehr wahrscheinlich nicht in dem Beruf wirst arbeiten wollen (du willst Privatlehrer werden oder wissenschaftlich arbeiten(!) in dem Fall hättest du auch nix mit Kindern zu tun), meinst du es wäre zulässig, diesen Bewerber abzulehnen?
Als Privatlehrer und als jemand, der in die Wissenschaft will, muss man aber doch kein Ref machen. Viel sinnvoller ist es die Fächer so zu studieren und zu promovieren. Das Ref als solches ist doch auf den Lehrerberuf (Staatsdienst) ausgelegt.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3246
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Liz »

Strich hat geschrieben:Ich wusste das das kommt ^^
Die Antwort ist aber auch simpel: Es steht dem Staat nicht zu, zu entscheiden, was man mit einer absolvierten Ausbildung dann auch tatsächlich anfängt.
Er muss ihn nicht einstellen, wenn er besser geeignete Bewerber hat, die für eine spätere Einstellung in Betracht kommen. Das läuft aber letztlich wieder auf das Kapazitätsargument hinaus, welches, wie gesagt, durch die finanzielle Vollübernahme des Bewerbers (in aller Regel) überwunden werden kann.

Oder anders gewendet: Du belegst in der Bestenauslese Platz 1 aller Bewerbungen, teilst aber mit, dass du sehr sehr wahrscheinlich nicht in dem Beruf wirst arbeiten wollen (du willst Privatlehrer werden oder wissenschaftlich arbeiten(!) in dem Fall hättest du auch nix mit Kindern zu tun), meinst du es wäre zulässig, diesen Bewerber abzulehnen?

Und warum sollte man sich, wenn man für die spätere Berufstätigkeit, auf die die Ausbildung vorbereitet, nicht geeignet ist, in die Ausbildung einkaufen dürfen und damit letztlich anderen, qualifizierten Bewerbern den Platz wegnehmen? Denn neue Ausbildungskapazitäten lassen sich nicht unbegrenzt schaffen, gerade dort, wo die Ausbildung auch durch Praktiker erfolgt, bleibt dann weniger Zeit für anderes. Und warum sollte sich dann eigentlich nur der Sexualstraftäter ins Lehramtsreferendariat und der Profi-Betrüger ins Rechtsreferendariat einkaufen können und nicht auch der Referendar aus reichem Elternhaus, wenn die Wartezeit sonst zu lang ist?
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2277
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Strich »

Oh plllssss Liz challange me harder ^^
Liz hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 20:57 ...
Und warum sollte man sich, wenn man für die spätere Berufstätigkeit, auf die die Ausbildung vorbereitet, nicht geeignet ist, in die Ausbildung einkaufen dürfen und damit letztlich anderen, qualifizierten Bewerbern den Platz wegnehmen?
Diese Frage enthält drei Komponenten:
1. "spätere Berufstätigkeit", welche soll das sein? Willst du den Leuten vorher "vorschreiben", was sie mit ihrer Ausbildung anzufangen haben? Denn genau das sagst du dem Kandidaten, den ich entworfen habe.
2. nicht geeignet misst du wie? Dient die "Geeignetheit" nicht eher der Auslese für das knappe Gut "Kapazität" oder dient es auch noch anderen Zwecken? Falls ja, welche? Falls nein:
3. Man nimmt niemandem Kapazitäten weg, wenn man anbietet, diese Kapazitäten zu finanzieren.
Liz hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 20:57 Denn neue Ausbildungskapazitäten lassen sich nicht unbegrenzt schaffen, gerade dort, wo die Ausbildung auch durch Praktiker erfolgt, bleibt dann weniger Zeit für anderes.
Wenn, und nur dann(!), sie sich nicht unbegrenzt schaffen lassen, auch nicht mit dem Geld des Bewerbers, dann kann eine erneute Auslese ansetzen.
Liz hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 20:57 Und warum sollte sich dann eigentlich nur der Sexualstraftäter ins Lehramtsreferendariat und der Profi-Betrüger ins Rechtsreferendariat einkaufen können und nicht auch der Referendar aus reichem Elternhaus, wenn die Wartezeit sonst zu lang ist?
M.E. darfs sich jeder einkaufen, wenn die vorhandenen Kapazitäten erschöpft sind und neue geschaffen werden könnten. Ich weiß gar nicht, wie du auf die Idee kommst, mir zu unterstellen, ich hätte gesagt, der eine dürfe das und der andere nicht.

Nochmal:

Kapazität Kategorie A: Vom Staat geschaffene Ausbildungskapazitäten. Für diese bewirbt sich Sexualstraftäter X/reicher Schnöseljunge Y/whoever und wird unter Verweis auf die spätere Nichteinsetzbarkeit abgelehnt, weil geeignetere Bewerber zur Verfügung stehen. Mit dieser Fallgruppe habe ich kein Problem.
X bietet nun an, seinen Ausbildungsplatz vollzufinanzieren und verzichtet sogar auf die Einstellung als Lehrer. Er wolle in die Wissenschaft zurück.
M.E. muss der Staat nun Kapazität Kategorie B schaffen, dem X berechnen und ihn einstellen (wenn keine sonstigen Gründe entgegenstehen, Kontakt zu Kindern unter Aufsicht etc. wir hatten das schon)
Lassen sich auch auf diesem Wege keine Kapazitäten schaffen, einfach weil niemand mehr für Geld erhältlich ist, der die Ausbildung machen kann, erst dann kann man m.E. X erneut ablehnen, ultra posse nemo obligatur.
Muirne hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 18:45 ...
Als Privatlehrer und als jemand, der in die Wissenschaft will, muss man aber doch kein Ref machen. Viel sinnvoller ist es die Fächer so zu studieren und zu promovieren. Das Ref als solches ist doch auf den Lehrerberuf (Staatsdienst) ausgelegt.
Damit wird den Leuten vorgeschrieben, was sinnvoll ist und was nicht. Ich sehe es diametral anders als du: Ich halte es für sehr sehr sinnvoll einen Blick in die Praxis geworfen zu haben, bevor man sich wieder in die Wissenschaft begibt. Aber darauf kommt es m.E. nicht einmal an. Es interessiert mich einfach nicht, was die Leute mit der Ausbildung anfangen wollen. Auch wenn sie das nur für sich selbst zu Selbstfindung machen wollen, ist das ok.

So ist es doch auch derzeit. Ich kann sogar völlig kostenlos in diesem Land Universitäten in Anspruch nehmen, ohne mit der dort erlangten Ausbildung irgendwas anfangen zu müssen. Und das ist auch richtig so!
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5292
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 12:25Kapazität Kategorie A: Vom Staat geschaffene Ausbildungskapazitäten. Für diese bewirbt sich Sexualstraftäter X/reicher Schnöseljunge Y/whoever und wird unter Verweis auf die spätere Nichteinsetzbarkeit abgelehnt, weil geeignetere Bewerber zur Verfügung stehen. Mit dieser Fallgruppe habe ich kein Problem.
X bietet nun an, seinen Ausbildungsplatz vollzufinanzieren und verzichtet sogar auf die Einstellung als Lehrer. Er wolle in die Wissenschaft zurück.
M.E. muss der Staat nun Kapazität Kategorie B schaffen, dem X berechnen und ihn einstellen (wenn keine sonstigen Gründe entgegenstehen, Kontakt zu Kindern unter Aufsicht etc. wir hatten das schon)
Warum? Woraus ergibt sich eine staatliche Verpflichtung, Ausbildungskapazitäten oder gar modifizierte Ausbildungsgänge zu schaffen, weil jemand eine bestimmte Ausbildung absolvieren möchte, dies aber v.a. deshalb nicht kann, weil er gravierende Straftaten begangen hat - ungeachtet der Frage, ob der Betreffende diese Ausbildung finanzieren würde oder nicht?
Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 12:25Ich kann sogar völlig kostenlos in diesem Land Universitäten in Anspruch nehmen, ohne mit der dort erlangten Ausbildung irgendwas anfangen zu müssen. Und das ist auch richtig so!
Auch das sehe ich im Übrigen anders.
markus87
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5042
Registriert: Freitag 6. August 2010, 23:30

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von markus87 »

Strich hat irgendwoher die fixe Idee, es dürfe keine Kapazitäten geben bzw. der Kauf zusätzlicher Kapazitäten müsse ermöglicht werden. Das ist natürlich Schwachsinn.

Gesendet von meinem SM-G973F mit Tapatalk

Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2277
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Strich »

markus87 hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 13:46 Strich hat irgendwoher die fixe Idee, es dürfe keine Kapazitäten geben bzw. der Kauf zusätzlicher Kapazitäten müsse ermöglicht werden. Das ist natürlich Schwachsinn.

Gesendet von meinem SM-G973F mit Tapatalk
Schwachsinn ist diese verkürzte Darstellung. Selbstverständlich muss es Kapazitäten geben, wenn sie auf Kosten des Staates geschaffen werden (so wie die ganzen Studienplätze in der Humanmedizin).

Warum der Kauf zusätzlicher Kapazitäten Schwachsinn sein soll. erschließt sich mir nicht.
thh hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 12:57 ...
Warum? Woraus ergibt sich eine staatliche Verpflichtung, Ausbildungskapazitäten oder gar modifizierte Ausbildungsgänge zu schaffen, weil jemand eine bestimmte Ausbildung absolvieren möchte, dies aber v.a. deshalb nicht kann, weil er gravierende Straftaten begangen hat - ungeachtet der Frage, ob der Betreffende diese Ausbildung finanzieren würde oder nicht?
Ja das ist eine gute Frage! Es ergibt sich natürlich keine staatliche "Verpflichtung". Mit dieser Fragestellung tust du so, als müsse der Staat gar nichts zur Verfügung stellen, sondern mache das alles überobligatorisch. (es ist also etwas verkürzt, auch wenn ich immer ungenau von Verpflichtung gesprochen habe). Indes scheint mir das verkehrt herum gedacht zu sein:
Der Ausgangspunkt ist doch Art 12 GG. Ich kann beruflich machen was ich will. Wenn der Staat jetzt kommt und sagt, man könne nur Arzt werden, wenn man eine Zulassung dafür erhält und diese Zulassung erhält man nur nach 6 jährigem Studium, dann schränkt er mein Grundrecht aus Art 12 GG ein. Ich hoffe, soweit sind wir uns noch einig (andernfalls habe ich wohl im 2. Semester was tierisch missverstanden ^^).
Wenn man das so sieht, dann ist auch die Schaffung von Kapazitäten eine Einschränkung des Grundrechts, die zu rechtfertigen ist. Im Rahmen der
Verhältnismäßigkeit sind doch dann die beteiligten Interessen abzuwägen. Welche Interessen hat der Staat an genau 100 Studienplätzen Humanmedizin an der Universität Pusemuckel? Wohl nur fiskalische, weil er nicht mehr Hochschullehrer einstellen, nicht mehr Praktikaplätze anbieten und nicht mehr Lehrmaschinen zur Verfügung stellen kann, weil das der Haushalt nicht hergibt. Wenn jetzt aber kostenneutral für den Haushalt ein Studienplatz geschaffen werden könnte, dann entfällt schlicht das fiskalische Interesse des Staates.
Es stellt also keine Verpflichtung des Staates dar, neue Kapazitäten zu schaffen. Er ist halt lediglich nicht mehr berechtigt, über die Kapazität in das Grundrecht aus Art 12 GG einzugreifen.

Nichts anderes prüfen im Übrigen die Gerichte bei den innerkapazitären (Konkurenz zu anderen Bewerbern) und außerkapazitären (Kapazität der Studienplätze falsch ermittelt, es müsste einer mehr sein, den müsste der Kläger bekommen) Studienplatzklagen.

thh hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 12:57
Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 12:25Ich kann sogar völlig kostenlos in diesem Land Universitäten in Anspruch nehmen, ohne mit der dort erlangten Ausbildung irgendwas anfangen zu müssen. Und das ist auch richtig so!
Auch das sehe ich im Übrigen anders.
Das kannst du anders "sehen", das ist de lege lata anders: An den Universitäten kannst du alles mögliche (kostenlos) studieren und wirst bei der Immatrikulation nicht gefragt, was du später mal werden willst.

Edit:
Und zu den "modifizierten" Ausbildungsgängen verhält es sich ähnlich. Vorweggeschickt: Das habe ich bisher nicht für die Referendariate gefordert. Ich habe nur angemerkt, dass man auch jetzt schon umsetzen kann, dass der Betrüger nicht in Kontakt mit echten Entscheidungen kommt. Es gibt ja jetzt schon Referendare, bei denen das so ist.
Gleichwohl erscheint mir auch hier ein Blick auf die Verhältnismäßigkeit angebracht:
Demjenigen, dem ich mit geringem Anpassungsbedarf eine Ausbildung ermöglichen kann, muss ich doch auch die Ausbildung ermöglichen. Anderfalls muss derjenige auf sein Grundrecht aus Art 12 GG verzichten, nur weil ich nicht bereit bin, ihn bei der Einteilung des Sitzungsdienstes nicht einzuteilen? Ist das euer Ernst? Ich finde den Verstoß gegen das Übermaßverbot hier offensichtlich.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5292
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von thh »

Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 14:32Selbstverständlich muss es Kapazitäten geben, wenn sie auf Kosten des Staates geschaffen werden (so wie die ganzen Studienplätze in der Humanmedizin).
Es gibt einen Anspruch für jedermann, Humanmedizin zu studieren? Seit wann das?
Oder gibt es diesen Anspruch nur dann, wenn man das Studium selbst voll finanziert? Seit wann das?
Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 14:32Wenn man das so sieht, dann ist auch die Schaffung von Kapazitäten eine Einschränkung des Grundrechts, die zu rechtfertigen ist. Im Rahmen der
Verhältnismäßigkeit sind doch dann die beteiligten Interessen abzuwägen. Welche Interessen hat der Staat an genau 100 Studienplätzen Humanmedizin an der Universität Pusemuckel? Wohl nur fiskalische, weil er nicht mehr Hochschullehrer einstellen, nicht mehr Praktikaplätze anbieten und nicht mehr Lehrmaschinen zur Verfügung stellen kann, weil das der Haushalt nicht hergibt. Wenn jetzt aber kostenneutral für den Haushalt ein Studienplatz geschaffen werden könnte, dann entfällt schlicht das fiskalische Interesse des Staates.
Das ist eine rein theoretische Erwägung, weil sich weder Hochschullehrer noch Assistenten noch Klinikkapazitäten mit einem Bruchteil voller AK nur für die Dauer schaffen lassen, die der Student sie benötigt.

Bestünde diese Möglichkeit, wäre es wohl kaum mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren, vermögenden Studenten den Berufszugang in jedem Fall zu ermöglichen, wenn sie ihn voll bezahlen können, anderen Studenten aber nicht.
Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 14:32Gleichwohl erscheint mir auch hier ein Blick auf die Verhältnismäßigkeit angebracht:
Demjenigen, dem ich mit geringem Anpassungsbedarf eine Ausbildung ermöglichen kann, muss ich doch auch die Ausbildung ermöglichen. Anderfalls muss derjenige auf sein Grundrecht aus Art 12 GG verzichten, nur weil ich nicht bereit bin, ihn bei der Einteilung des Sitzungsdienstes nicht einzuteilen?
Nein, weil er schwere Straftaten begangen hat und daher für eine staatliche Tätigkeit - und sei es nur zu Ausbildungszwecken - nicht in Betracht kommt.
Strich hat geschrieben: Freitag 21. Februar 2020, 14:32Ich finde den Verstoß gegen das Übermaßverbot hier offensichtlich.
Ich finde hingegen Deine Auffassung höchst seltsam.
Swann
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6456
Registriert: Donnerstag 28. Dezember 2006, 09:04

Re: Referendariat trotz Jugendstrafe?

Beitrag von Swann »

Strich hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 17:54 Das läuft aber letztlich wieder auf das Kapazitätsargument hinaus, welches, wie gesagt, durch die finanzielle Vollübernahme des Bewerbers (in aller Regel) überwunden werden kann.
Wie kommst du darauf? Wird diese Auffassung irgendwo in Rspr und Lit vertreten (nicht dass sie nur dann legitim wäre, mich interessiert es einfach). In der Sache kann ich an dieser Überlegung wenig finden. Einen allgemeinen Grundsatz, dass Kapazitätsgrenzen nicht für Selbstzahler gälten, kenne ich nicht und halte ich auch nicht für überzeugend. Oder meinst du, dass die Bundeswehr halt eine neue Ausbildungskompanie aufstellen muss, wenn ein UNITER-Landesverband beschließt, die KSK-Ausbildung als Selbstzahler zu buchen?
Swann
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6456
Registriert: Donnerstag 28. Dezember 2006, 09:04

Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Swann »

Strich hat geschrieben: Donnerstag 20. Februar 2020, 11:34 Ich weiß nicht, von welchem gesetzgeberischen Konzept du hier ausgehst, oder ob du möglicherweise der Meinung bist, das Referendariat sei unzurreichend an selbigem ausgerichtet, aber soweit ich das Referendariat erlebt habe, war es ohne Probleme möglich, die Strafstation beim Strafrichter, die Verwaltungsstation bei der Stadt oder beim VG und die Wahlstation eben wieder bei Gericht oder in der freien Wirtschaft (bei der ja alle ohne weiteres annehmen, dass man da schon irgendwie was finden wird, auch wenn die noch weniger verpflichtet sind, jemanden einzustellen) unterzukommen. In all diesen Bereichen war das Maximum der freien Betätigung mit der Leitung einer mündlichen Verhandlung unter Aufsicht erreicht. Ich sehe das Problem bei der Sitzungsvertretung bei der StA. Gut, wird er halt nicht eingeteilt, Aufwand nahe Null.
Die Zuverlässigkeit benötigt der Referendar nicht nur für die Sitzungsvertretung, wenn er eigenständig tätig wird, sondern allein schon deshalb, weil er in all den von dir genannten Ausbildungsstationen mit sensiblen Vorgängen befasst wird oder jedenfalls von ihnen Kenntnis erlangen kann und Gewähr dafür bieten muss, dass er das ihm dabei notwendig eingeräumte Vertrauen nicht missbraucht (etwa durch Bruch der Verschwiegenheitspflicht, Ausnutzen der Kenntnis persönlicher Umstände von Prozessbeteiligten, Manipulieren der ihm überlassenen Akten etc.).
Antworten