Der Begriff Unrechtsstaat

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PerryManson
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Der Begriff Unrechtsstaat

Beitrag von PerryManson »

MODEDIT: Aus dem Meldethread entnommen; Titel vom MOD

Brainiac hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 09:12 Berlin halt. Der Rest des Bundes dürfte die meisten moralischen Ansprüche an dieses Land längst aufgegeben haben.
Das ist keine Berliner Besonderheit. Auch Brandenburg, Hamburg und Bremen sahen sich außerstande einer Erklärung zu folgen, in der die DDR als "Unrechtsstaat" bezeichnet wird. Das ist schon besorgniserregend kaum 20 Jahre nach der Wiedervereinigung.
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Ara
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Ara »

PerryManson hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:09
Brainiac hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 09:12 Berlin halt. Der Rest des Bundes dürfte die meisten moralischen Ansprüche an dieses Land längst aufgegeben haben.
Das ist keine Berliner Besonderheit. Auch Brandenburg, Hamburg und Bremen sahen sich außerstande einer Erklärung zu folgen, in der die DDR als "Unrechtsstaat" bezeichnet wird. Das ist schon besorgniserregend kaum 20 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Oh oh arbeiten wir wieder an der AfD Legende? Du hast vergessen zu erwähnen, warum sich die drei Länder bei der Erklärung enthalten haben. Es ging nicht darum, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, sondern es gab einen erheblichen Streit zuvor, ob gerade ein Bundesland wie Hessen - wessen Polizei insbesondere zu der Zeit in der Kritik stand von Nazis durchzogen zu sein - solch harsche Worte wählen sollte.

Zu behaupten die drei Länder die sich enthalten haben, haben dies getan, weil sie die DDR nicht als nen Unrechtsstaat (was ist das überhaupt?) sehen, ist schlicht falsch. Sie haben lediglich die vorformulierte Erklärung von Hessen nicht aktiv unterstützt.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Tibor
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Tibor »

PerryManson hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:09
Brainiac hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 09:12 Berlin halt. Der Rest des Bundes dürfte die meisten moralischen Ansprüche an dieses Land längst aufgegeben haben.
Das ist keine Berliner Besonderheit. Auch Brandenburg, Hamburg und Bremen sahen sich außerstande einer Erklärung zu folgen, in der die DDR als "Unrechtsstaat" bezeichnet wird. Das ist schon besorgniserregend kaum 20 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Mittlerweile sind es 30.

Das Politikum Unrechtsstaat ist nun einmal auch eine Frage der Zeit. Die DDR war es je nach Blickwinkel ganz bestimmt, weil sie aus aktueller Sicht wesentliche Dinge nicht gewährleistete bzw. gewährleisten wollte bzw. nach ihrer Grundstruktur völlig andere Akzente setzte (Planung, Sozialismus) und dies eben entsprechende Überwachung zwingend notwendig erscheinen ließ. Die Mauer war da nur ein i-Tüpfelchen.

Wenn man nun den Blickwinkel des "kleinen Mannes" aus der DDR nimmt, der eben in der DDR zur Schule ging, ne Lehre gemacht und dann bis 1990im VEB / Kombinat malocht hat, der glücklich war mit Zelturlaub auf Usedom und Wilthner Goldkrone zu Weihnachten, der sich eben "arrangiert" hatte und eben nach den Regeln "Was geht mich das Elend anderer an" bzw. "wer artig ist, hat nichts zu befürchten" lebte, dann wird man eben feststellen, dass das Gros der Bürger (die nun zwischen 60-80 sind) die DDR eben nicht als Unrechtsstaat wahrgenommen haben. Es wird viele dieser Bürger geben (und das dürfte selbst jetzt noch in die Millionen gehen), die sich persönlich als Wendeverlierer sehen (obgleich das ggf objektiv nicht zutrifft) und die sich "ihre Vergangenheit" nicht schlechtgeredet lassen wollen: "Es war ja eben doch nicht alles schlecht.".

Für diese Bürger wäre aber eine Aussage der LINKEN (als ex PDS und SED-Nachfolge), die DDR war Unrechtsstaat, ein Schlag in den Magen, weil es eben eine Totalität suggeriert, nach der eben doch alles (!) schlecht war.

Und hier muss man klar sagen, dass die Wählerstimmverluste ein klares Bekenntnis verhindern.

Und nein, das war post 1945 in den alten Bundesländern nicht anders. 1975 war die CDU auch noch nicht soweit, dass man sich von der Zeit vor 1945 vollständig distanziert hat. Der Kniefall von Warschau am 7. Dezember 1970 durch Brandt kam ganz bestimmt nicht in der breiten Bevölkerung (West) gut an. Und auch 1985 erntete Weizsäcker für seine Rede zum 8.5. nicht nur Beifall.

Deswegen wird man auch die "Verarbeitung" der DDR erst wirklich in 10-20 Jahren entsprechend abschließen können, wenn nämlich nicht mehr Krethi und Plethi "Aber es war ja doch nicht alles schlecht." rufen.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von OJ1988 »

Ein "Unrechtsstaat" ist jeder Staat, in dem sich im Zweifelsfall nicht die eigenen Gesetze, sondern der Wille der politischen Führung durchsetzt. Und das war in der DDR zweifelsohne so.
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Tibor
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Tibor »

OJ1988 hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:56 Ein "Unrechtsstaat" ist jeder Staat, in dem sich im Zweifelsfall nicht die eigenen Gesetze, sondern der Wille der politischen Führung durchsetzt. Und das war in der DDR zweifelsohne so.
Das mag objektiv zutreffend sein, wenn du aber von einer Wählergruppe wiedergewählt werden willst, die dich schon immer wählt, weil sie dich schon immer gewählt haben, dann wirst du diese Aussage so nicht tätigen wollen, nicht gegenüber dem kleinen Mann, der schon mit dem Begriff Rechtsstaat nichts anfangen kann.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von OJ1988 »

Tibor hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 13:06
OJ1988 hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:56 Ein "Unrechtsstaat" ist jeder Staat, in dem sich im Zweifelsfall nicht die eigenen Gesetze, sondern der Wille der politischen Führung durchsetzt. Und das war in der DDR zweifelsohne so.
Das mag objektiv zutreffend sein, wenn du aber von einer Wählergruppe wiedergewählt werden willst, die dich schon immer wählt, weil sie dich schon immer gewählt haben, dann wirst du diese Aussage so nicht tätigen wollen, nicht gegenüber dem kleinen Mann, der schon mit dem Begriff Rechtsstaat nichts anfangen kann.
Danke, Oberstleutnant Offensichtlich ;)
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Tibor
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Tibor »

Colonel Obvious!
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von PerryManson »

Ara hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:40
Oh oh arbeiten wir wieder an der AfD Legende? Du hast vergessen zu erwähnen, warum sich die drei Länder bei der Erklärung enthalten haben. Es ging nicht darum, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, sondern es gab einen erheblichen Streit zuvor, ob gerade ein Bundesland wie Hessen - wessen Polizei insbesondere zu der Zeit in der Kritik stand von Nazis durchzogen zu sein - solch harsche Worte wählen sollte..
Typische Argumentation. Erst wird die Afd-Keule geschwungen, nach dem Motto, jeder der nicht Linke/Grün ist, ist gleich AfD.
Und die Begründung ist schon ein starkes Stück. Weil in Hessen - angeblich - die Polizei von Nazis unterwandert ist, war die DDR also kein Unrechtsstaat.
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Und wo sind da bitte harsche Worte?

Tibor hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:50
Wenn man nun den Blickwinkel des "kleinen Mannes" aus der DDR nimmt,
Da gebe ich dir völlig recht. Viele ehemalige DDR-Bürger sehen sich in ihrer eigenen persönlichen Vergangenheit nicht zu Unrecht unzureichend gewürdigt. Diesen Leute stehe ich ihre Ostalgie zu. In der augenblicklichen Diskussion tun sich aber eher verwöhnte Töchterchen und Söhnchen aus dem Westen als Mustersozialisten hervor, die in den Genuss aller Errungenschaften des kapitalistisch-demokratischen Systems gekommen sind und davon profitiert haben. Die "Ossis" werden von denen doch gerne pauschal als Nazis beschimpft. Und da schließt sich der Kreis wieder.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von OJ1988 »

Tibor hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 13:42 Colonel Obvious!
Fast, Oberstleutnant entspricht Lieutenant Colonel.
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batman
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von batman »

Gut, dass die anerkannten Politexperten dieses Forums uns im Jahre XY nach der Wiedervereinigung vor der Rückkehr des Sozialismus warnen. Es wird jetzt wirklich Zeit für die geistig-moralische Wende.
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Ara
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Ara »

PerryManson hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 14:12
Ara hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:40
Oh oh arbeiten wir wieder an der AfD Legende? Du hast vergessen zu erwähnen, warum sich die drei Länder bei der Erklärung enthalten haben. Es ging nicht darum, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, sondern es gab einen erheblichen Streit zuvor, ob gerade ein Bundesland wie Hessen - wessen Polizei insbesondere zu der Zeit in der Kritik stand von Nazis durchzogen zu sein - solch harsche Worte wählen sollte..
Typische Argumentation. Erst wird die Afd-Keule geschwungen, nach dem Motto, jeder der nicht Linke/Grün ist, ist gleich AfD.
Und die Begründung ist schon ein starkes Stück. Weil in Hessen - angeblich - die Polizei von Nazis unterwandert ist, war die DDR also kein Unrechtsstaat.
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Und wo sind da bitte harsche Worte?
Du verstehst es echt nicht oder? Die Enthaltung der Länder hatte NIX mit der Frage zu tun, ob die DDR ein Unrechtsstaat ist oder nicht. Es gab vor der Abstimmung einen STREIT, in dem sich vor allem Behrendt (Grün) aus Berlin mit der hessischen Justizministerin Kühne-Hörmann (CDU) stritt. Es soll wohl sehr persönlich geworden sein und Behrendt stellte in den Raum, ob gerade Hessen das richtige Bundesland sei, um andere Länder als Unrechtstaat zu bezeichnen (Bezogen auf den Lübke-Mord und der unterwanderten Polizei).

Und nun frag dich mal, warum es wohl sein könnte, dass nach diesem Streit der grüne Justizsenator Steffen nicht für den Vorschlag von Kühne-Hörmann gestimmt hat, sondern sich mit Behrendt enthalten hat? Ein Tipp: Es liegt nicht daran, dass Steffen damit ausdrücken wollte, dass die DDR kein Unrechtsstaat ist.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Swann »

Kindergarten ist es allemal.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Ara »

OJ1988 hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:56 Ein "Unrechtsstaat" ist jeder Staat, in dem sich im Zweifelsfall nicht die eigenen Gesetze, sondern der Wille der politischen Führung durchsetzt. Und das war in der DDR zweifelsohne so.
Puh! Gut dass du hier mal eben klargestellt hat, worüber sich Forscher, Politiker und Journalisten seit Jahren streiten. Ihnen fehlte sicher nur diese Definition ::roll:
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Brainiac »

Die von dir, Ara, dargestellte Argumentation hat aber durchaus ein Geschmäckle.
Klar kann es sein, dass man nur Hessen nicht folgen wollte und man sich dem Vorschlag - hätte ihn nur jedes andere Bundesland eingebracht - angeschlossen hätte.
Näher dürfte es aber liegen, dass die Begründung, Hessen sei selbst kaum rechtsstaatlich und müsse sich insofern zurückhalten und alleine daher wolle man eine objektive Wahrheit, da sie vom Land Hessen formuliert wurde, nicht unterstützen, lediglich vorgeschoben ist. Aus den von Tibor zutreffend erläuterten Gründen.
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von OJ1988 »

Ara hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 14:50
OJ1988 hat geschrieben: Freitag 22. Mai 2020, 12:56 Ein "Unrechtsstaat" ist jeder Staat, in dem sich im Zweifelsfall nicht die eigenen Gesetze, sondern der Wille der politischen Führung durchsetzt. Und das war in der DDR zweifelsohne so.
Puh! Gut dass du hier mal eben klargestellt hat, worüber sich Forscher, Politiker und Journalisten seit Jahren streiten. Ihnen fehlte sicher nur diese Definition ::roll:
Du wirkst ziemlich angefasst. Sollen wir die Woche mit einer neuen Runde Spielraumtheorie gemütlich ausklingen lassen?
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