Na sieh an, eine inhaltliche Auseinandersetzung gelingt doch.
famulus hat geschrieben: ↑Freitag 7. August 2020, 11:13
Meine Meinung: Die Begrifflichkeiten sind Schall und Rauch, das bringt niemanden weiter und jeder, der sich vorschnell auf diese Diskussion einlässt, begibt sich m.E. aufs Glatteis (siehe Muirne).
Ja, deshalb versuche ich mich ja an einer Definition, die natürlich sicherlich nicht perfekt ist. Außer man möchte konstatieren, dass es ohnehin kein "Naturrecht" gibt, aber dann würde meine These ja bestätigt.
Mit "Naturrecht" meine ich "Recht, das unabhängig von der gesetzlich fixierten Rechtsauffassung eines bestimmten Staates o. Ä. in der Vernunft des Menschen begründet ist" (
https://www.dwds.de/wb/Naturrecht)
Diese sehr grundlegende Definition bedarf natürlich weiterer Präzisierung. Dabei sind mir insbesondere die Abgrenzung zum positiven Recht - vermag das "Naturrecht" mehr zu leisten als dieses? (ansonsten wäre das Konzept unergiebig) - und der "Gerechtigkeitsmehrwert" - vermag das Naturrecht zu belegen, dass positives Recht (vgl. legale Sklaverei o.Ä.) "Unrecht" ist - wichtig.
Dass jede Gesellschaft, die fortzubestehen beabsichtigt, willkürlich oder unwillkürlich gewisse Übereinkünfte zugrunde legt, dürfte unumstritten und gewissermaßen sozialevolutionär zwingend sein.
Da bin ich bei dir.
Diese Konsense haben sich in allen Fällen, in denen Menschen länger aufeinander eingelassen haben, z.T. unabhängig voneinander recht ähnlich herausgebildet.
Kommt ein bisschen darauf an (s. die Diskussion oben: grundsätzliches Tötungsverbot ja, aber das Verbot der Todesstrafe, Blutrache, Auge um Auge usw. wohl kaum).
Jetzt kann man hingehen und diese offensichtlich auch vor etwaigen Kodifizierungen gültigen - jedenfalls ihnen wohl zugrundeliegenden und zumindest doch unabhängig von ihnen existenten - Grundvoraussetzungen friedvollen und nachhaltigen Zusammenlebens „Naturrecht“, „übergesetzliches Recht“ o.ä. nennen oder es halt bleiben lassen.
Ja, das kann man schon tun, aber da kommen wir zu einem ganz entscheidenden Problem, welches ich oben herausgearbeitet habe:
Suchender_ hat geschrieben: ↑Donnerstag 6. August 2020, 20:48
Entweder man sagt, das Naturrecht ist so eng gefasst (universelle Vorstellungen so gut wie aller Menschen), dass es sich ohnehin zu keinem wirklich problematischen Fall verhält. Dann aber wäre das Naturrecht neben dem positiven Recht eine bloße Leerformel. Oder man fasst den Begriff weiter und erstreckt ihn auch auf ein Sklavereiverbot (usw.), aber dann bekommt man historisch-kulturelle Begründungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten: wie erklärt man, dass die Sklaverei früher weit verbreitet und anerkannt war? Dass das Töten von Nachbarstämmen oder Feinden auch jenseits des Krieges für unbedenklich gesehen wurde? All das passt nicht so recht zu universellen Werten, die angeblich in dem allgemeinen menschlichen Gerechtigkeitssinn zeit- und ortübergreifend begründet sein sollen.
Dann muss es möglich sein, so ein System unabhängig davon zu beseitigen oder abzuurteilen, ob es formal zu beanstanden ist oder nicht.
Aber daraus lässt sich ein Naturrecht nicht begründen. Aus einem Sollen kann man nicht auf ein Sein schließen.
Um meine entscheidenden Punkte kurz zusammenzufassen:
1. Ich kritisiere das Naturrecht, soweit es als überpositives, geltendes Recht gesehen wird, welches sich in konkreten Fällen, die wir persönlich aus heutiger Sicht (ich natürlich auch) als "krasses Unrecht" ansehen würden (etwa Sklaverei).
2. So verstanden (1.) lässt sich das Naturrecht m.E. nicht begründen, da es evident
nicht den Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend entspricht.
3. Natürlich kann man - wie du es wohl machst - das Naturrecht nur als das "bare minimum" aller Vorstellungen verstehen, die wirklich von fast allen Menschen überall geteilt werden (wohl etwa: "töte keinen Menschen grundlos").
4. Dann aber kommt dem Naturrecht seine ihm oft zugesprochene Bedeutung (Abgrenzung zum Rechtspositivismus, Begründung höherer Werte) aber nicht zu. Gerade in den "heißen" Fällen (etwa Sklaverei usw.) kann es nichts leisten, da es eben nur der absolute Minimalkonsens ist.
Insgesamt halte ich das "Naturrecht" damit entweder für nicht begründbar (1.-2.) oder für gänzlich unergiebig (3.-4.).