Glaubt ihr an Naturrecht?

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Gelöschter Nutzer

Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

famulus hat geschrieben: Freitag 7. August 2020, 12:15 Ich verstehe in diesem Kontext den Rückgriff auf „Kein Sein aus Sollen“ nicht. Natürlich „ist“ kein Naturrecht ohne den Menschen einfach so da.
Ich meine damit: wenn Naturrecht höhere Werte darstellen soll, die über UNSERE heutigen Moralvorstellungen hinausgehen (die eben nicht kongruent sind mit dem, was Menschen weltweit oder seit Anbeginn der Zeit gedacht haben), dann genügt es nicht zu sagen: "es muss ein Naturrecht geben, weil sonst könnte ich "böses Recht" nicht kritisieren". Das Naturrecht erhebt ja gerade den Anspruch ein "Recht" zu sein, als solches bedarf es aber einer Geltungsgrundlage.

Die Kritik des Naturrechts in Bezug auf seine Eigenschaft als überpositives Recht ist nach meinem Verständnis sinnlos, weil es natürlich nur als Maßstab für das positive Recht bzw. als Leitfaden bei Fehlen positiven Rechts überhaupt relevant sein kann. Freilich "brauche" ich kein Naturrecht bei Bestehen eines ihm entsprechenden positiven Rechts.
Ich kritisiere das Naturrecht in dieser Form, weil es sich nicht begründen lässt. Bleib doch mal konkret beim Beispiel Sklaverei: widerspricht sie den „Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend“? Nein. Sie war über Jahrtausende in den meisten Gesellschaften anerkannt.

Woher du nimmst, dass Naturrecht „evident nicht den Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend entspricht“, weiß ich nicht. Eher muss man doch wohl umgekehrt vorgehen und das Naturrecht als Ausfluss der „Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend“ begreifen.
Ich habe es doch erklärt: mir geht es ganz entscheidend um den INHALT des sog. Naturrechts:

1. Entweder es ist ein absoluter Minimalkonsens: "du sollst nicht "grundlos" töten". Als solches wäre es nutzlos gegenüber dem positiven Recht, weil dieser Minimalkonsens ohnehin in so gut wie jeden Recht enthalten ist.
2. Oder es geht weit darüber hinaus: du sollst nicht versklaven, Blutrache üben usw. Dieser Inhalt ist aber gerade nicht mit den „Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend“ kongruent und deshalb nicht begründbar als Teil des Naturrechts.
Ich verstehe auch deinen Schluss zur Bedeutungslosigkeit des Naturrechts in Bezug auf die Beurteilung von Normen als gesetzliches Unrecht nicht. Wie erklärst du dir denn und wie bewertest du die strafrechtliche Aburteilung von einem Staatsdiener, der nach jeweiligem positivem Recht rechtmäßig tausende Deutsche in Verbrennungsöfen gestopft oder einen Staatsbürger bei/nach dessen Grenzübertritt in den Rücken geschossen hat? Wie würdest du den nach positivem Recht legitimiert vollzogenen Holocaust bzw. dessen Vollstrecker denn nach Zusammenbruch des alten Systems rechtsstaatlich behandeln wollen? „War halt so“?
Es geht mir konkret um die Begründung des Naturrechts. "Ich will aber das, was ich aus heutiger Sicht als krasses Unrecht begreife, rechtlich verurteilen können", ist keine hinreichende Begründung.
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famulus
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von famulus »

Aber die Annahme, Naturrecht müsse „über UNSERE heutigen Moralvorstellungen hinausgehen“, ist doch in nichts begründet, sondern eine deiner für mich nicht nachvollziehbaren Grundannahmen, die nicht einmal aus der von dir selbst eingebrachten Definition des Begriffs folgt.

Das Naturrecht (ich verwende den Begriff aus reiner Bequemlichkeit jetzt auch) muss nicht über irgendwelche Moralvorstellungen hinausgehen, sondern ist als ewiger und sicherlich auch ständigem Wandel unterliegender „Grundkonsens“ vielmehr deren Ausfluss. Günstigstenfalls steht es gar nicht im Widerspruch mit dem niedergeschriebenen Recht, geht also auch nicht darüber hinaus - das heißt ja aber nicht, dass es WEGEN der Kodifizierung den zugrundeliegenden Grundkonsens nicht gibt. Wenn es aber zu Widersprüchen kommt, kann es zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens erforderlich sein, ihm - ggf. entgegen kodifiziertem Recht - Geltung zu verschaffen. Das ist m.E. hypothetisch zwingend möglich, weil eben jedes kodifizierte System als menschengemacht fehlerhaft und bis ins perverse (z.B. staatlich organisierte industrielle Vernichtung von Menschen) missbrauchbar sein kann. Und dass das „Wille zur Verurteilung wegen krassen Unrechts“-Argument eines späteren Rechtsstaats keine hinreichende Begründung für eine Aburteilung sein könne, erscheint mir wiederum begründungsbedürftig. Ich interessiere mich immer noch für „deine“ Lösung der Holocaust-/Mauerschützenfälle.

Was lässt sich am Naturrecht vor diesem Hintergrund nicht begründen? Es lässt sich freilich innerhalb des kodifizierten Systems nicht begründen - das liegt ja in der Natur der Sache. Ich kann so gesehen aber auch das Grundgesetz nicht „begründen“, weil es hierfür überhaupt keine positivrechtliche (Ermächtigungs-/Geltungs-) Grundlage gab. Irgendwann läuft alles auf transzendentale Erwägungen („Grundnorm“, „Naturrecht“) zurück, ob man das will oder nicht.

Natürlich sind Abgrenzungs- und Inhaltsfüllungsfragen kritisch. Für überzeugend halte ich den Ansatz aber nicht, das gesamte Konstrukt mit der Begründung zu negieren, dass es in Einzelfällen knifflig werde - das hat jede allgemeine Regelung so an sich. Und natürlich hast du im Ausgangsbeitrag suggeriert, es „gebe“ für dich kein Naturrecht. Inzwischen geht es für dich nur noch um „Inhalt“ und „Begründung“?
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Gelöschter Nutzer

Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich sehe Naturrecht als den vergeblichen Versuch, den eigenen gegenwärtigen moralischen Vorstellungen ein allgemeingültiges, raum- und zeitübergreifendes rechtliches Gewand zu geben. Dieser ist aber m.E. von vornherein zum Scheitern verurteilt, jedenfalls sofern man sich nicht auf Trivialitäten ("niemand soll den anderen ohne jeden Anlass töten") beschränkt.

Unser gesetztes Recht beruht weitgehend auf unseren heutigen Moralvorstellungen. Diese sind aber nicht durch eine höhere Macht oder grundlegende menschliche Erkenntnis für alle Ewigkeit festgeschrieben. Sie beruhen teilweise auf historischen Erfahrungen, andererseits auf gesellschaftlich-kulturellen Besonderheiten und Entwicklungen.

Moralvorstellungen sind insoweit zu einem gewissen Grad aber subjektiv, relativ und auch willkürlich. Da passt Freedoms Beispiel aus dem Buch ganz gut: werden wir in 100 Jahren das Töten von Tieren für barbarisch halten?

Wenn - aus unserer Sicht - schlimme Verbrechen begangen werden, dann müssen wir uns eben von der Vorstellung verabschieden, dass diese zwangsläufig gegen ein höheres "Naturrecht" verstoßen. Das ist eher ein Wunschdenken als eine Beschreibung der Wirklichkeit.

Stattdessen bietet das positive Recht doch eine alternative pragmatische Lösung: Wenn wir der Ansicht sind, dass ein Verbrechen so schlimm ist, dass es bestraft werden muss (heutige Moralvorstellungen), dann legen wir das eben so fest (positives Recht) bzw. legen das geltende Recht, soweit zulässig, so aus. Dabei muss man sich nur eben bewusst sein, dass dies nicht zwangsläufig die Anwendung "höheren" Rechts ist, sondern schlicht die praktische Umsetzung (durch positives Recht) unserer heutigen Vorstellungen, die nicht jedermann teilen muss und wird.
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famulus
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von famulus »

"Wir" ist in dem Fall aber halt nur derjenige, der die faktische Macht dazu hat, dem die Kodifizierung der Moralvorstellungen der Masse aber ggf. selbst schaden würde. Nicht zwangsläufig du, der dann wegen seiner Herkunft aufgrund eines neuen Gesetzes im Knast oder KZ sitzt. Darum geht es doch und das gab es ja nun unbeschreiblich eindrucksvoll genau hier. Positives Recht kann jedes Verbrechen legalisieren und jede Macht auf ewige Zeiten zementieren. Wie sieht deine Lösung ohne überpositives Recht aus? Würdest du die früheren Richter des Volksgerichtshofs in deinen neuen Landgerichten, die früheren KZ-Aufseher in deinen neuen JVAs oder die früheren Mauerschützen in deiner neuen Bundespolizei einsetzen, weil die ja damals schließlich jeweils nur positives Recht vollzogen haben? Wie würdest du vorgehen?
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Gelöschter Nutzer

Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Du musst Moral und Recht unterscheiden. Nicht jedes Gesetz zu jeder Zeit entspricht unseren Moralvorstellungen.

""Wir" ist in dem Fall aber halt nur derjenige, der die faktische Macht dazu hat, dem die Kodifizierung der Moralvorstellungen der Masse aber ggf. selbst schaden würde."

Ja, aber das gilt für jedes Recht.

"Positives Recht kann jedes Verbrechen legalisieren und jede Macht auf ewige Zeiten zementieren."

Das gilt für jedes Recht. "Naturrecht" kann genauso als Begründung für verquere Vorstellungen dienen: "Menschen haben ihre Feinde schon immer umgebracht; seit Jahrtausenden gilt "Auge um Auge, Zahn um Zahn"; seit Jahrtausenden herrscht die Todesstrafe".

Auch die Nazis waren wohl eher (im weiteren Sinne) "Naturrechtler". Du setzt Naturrecht automatisch mit unseren heutigen Moralvorstellungen gleich. Das ist aber eine bloße petitio principii, weil das, was wir heute für richtig halten, gerade nicht notwendig den Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend entspricht. Naturrecht ist schlicht der Versuch, das, was wir heute für richtig halten, zu verbrämen, ihm eine Art transzendentalen Anstrich zu geben.

"Wie sieht deine Lösung ohne überpositives Recht aus?"

Das habe ich doch schon erklärt: Wenn wir der Ansicht sind, dass ein Verbrechen so schlimm ist, dass es bestraft werden muss (heutige Moralvorstellungen), dann legen wir das eben so fest (positives Recht) bzw. legen das geltende Recht, soweit zulässig, so aus. Dabei muss man sich nur eben bewusst sein, dass dies nicht zwangsläufig die Anwendung "höheren" Rechts ist, sondern schlicht die praktische Umsetzung (durch positives Recht) unserer heutigen Vorstellungen, die nicht jedermann teilen muss und wird.

Aber wie gesagt, ich vermisse immer noch eine Begründung dafür, dass die unsere heutigen zentralen Werte (keine Sklaverei usw.) dem Naturrecht, also den den Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend entsprechen. Den einzigen Grund, den du wirklich genannt hast, ist: das müsse so sein, sonst könne man das, was wir heute als Unrecht sehen, nicht bestrafen, wenn es in der Vergangenheit geschah. Aber das stimmt, wie ausgeführt, schlicht nicht. Das ist nur eine Frage der Schaffung und Anwendung des heutigen positiven Rechts.
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von famulus »

Ich habe den Eindruck, dass du nachhaltig auszuweichen bzw. misszuverstehen versuchst, kann aber auch nicht ausschließen, dass ich dir aus in meiner Person liegenden Gründen schlicht nicht folgen kann. Ich habe inhaltlich jedenfalls (bis auf nochmalige Wiederholungen) nichts mehr beizutragen und würde mich freuen, wenn sich noch andere mit einbrächten.
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Blaumann »

Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. August 2020, 12:33 Ich kritisiere das Naturrecht in dieser Form, weil es sich nicht begründen lässt. Bleib doch mal konkret beim Beispiel Sklaverei: widerspricht sie den „Moralvorstellungen der meisten Menschen zeit- und ortsübergreifend“? Nein. Sie war über Jahrtausende in den meisten Gesellschaften anerkannt.
In der zeit- und ortsübergreifenden Moralvorstellung der meisten Menschen dürften Leben, Leib, Freiheit und Eigentum anderer Menschen ein grundsätzlicher Wert zukommen, in die nicht ohne triftigen Grund eingegriffen werden darf. Den jeweiligen Zivilisationsgrad einer Gesellschaft (nach unseren heutigen Wertmaßstäben) erkennst Du daran, welche Anforderungen sie an einen solchen triftigen Grund stellt.

Anhand der Sklaverei im Alten Rom kann meines Erachtens recht gut erkennen, wie sich eine Institution, die ursprünglich eine Ausnahme darstellte und in erster Linie der ökonomischen Ausbeutung von Kriegsgefangenen diente (die eben als besiegte Feinde perse als rechtslos betrachtet wurden), immer weiter ausweitete und verselbstständigte. Mit dieser Verselbstständigung bedurfte sie aber auch einer fortlaufenden moralischen Legitimierung. Was letztlich dazu führte, dass es fortlaufende Bemühungen gab, das Los der Sklaven durch Gesetze zu verbessern und die Instituion letztlich insgesamt abgeschafft wurde.
Entweder es ist ein absoluter Minimalkonsens: "du sollst nicht "grundlos" töten". Als solches wäre es nutzlos gegenüber dem positiven Recht, weil dieser Minimalkonsens ohnehin in so gut wie jeden Recht enthalten ist.
Am Beispiel des durch Führerbefehl legalisierten NS-Mordes erkennt man recht eindeutig, das dem nicht so ist.
Gelöschter Nutzer

Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@famulus: Aber schau, wir haben noch eine einigermaßen sinnvolle Diskussion geführt.

@Blaumann:

Ich finde, dein Beitrag zeigt den häufigen Fehlschluss. Es mag Grundwerte geben, die prinzipiell die meisten Menschen teilen. Die kann man von mir aus auch "Naturrecht" nennen. Diese Grundwerte sind aber sehr eng gefasst und entsprechen einem "Minimalkonsens", der etwa Trivialitäten wie "du sollst niemanden grundlos töten" enthält.

Meines Erachtens kann man aus diesen eng gefassten Grundsätzen aber keine weitergehenden Schlüsse auf konkrete, kritische Fälle ziehen. Anders gesagt: aus dem grundsätzlichen Wert des menschlichen Leibes und Lebens (so weit noch Naturrecht) kann man gerade nicht zwangsläufig konkrete, naturrechtliche Aussagen über schwierige Themen wie etwa Sklaverei, Blutrache, Todesstrafe, Folter usw. ziehen.

Denn wenn sich die von fast allen Menschen geteilten grundsätzlichen Wertvorstellungen eben auf ein bestimmtes Minimum beschränken (was gerade der Fall ist), dann kann man daraus keine allgemeine Regel ableiten, die auch auf andere Fälle anwendbar ist. Der Minimalkonsens erfasst eben beispielsweise nur das "völlige grundlose" Töten - aber viele andere Varianten des Totschlags und Mordes sind davon bei einer geschichtlich-vergleichenden Betrachtung gerade nicht erfasst, wie etwa das Umbringen der angeblichen "Feinde" usw.
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von famulus »

Also glaubst du jetzt auch an ein (im Zweifel ggü. positivem Recht vorrangiges) Naturrecht - nur eben beschränkt auf die elementaren gesellschaftlichen Übereinkünfte wie das Verbot grundlosen Tötens?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Das kommt ein bisschen auf die Definition des Begriffs "Naturrecht" an.

Wenn man damit ein unverrückbares, höheres, transzendentales Recht meint, welches quasi a priori existiert - dann nicht.

Wenn man damit nur beschreiben will, was fast alle Menschen über die Jahrtausende an bindenden Moralvorstellungen teilen (bedingt durch Evolution und das menschliche Zusammenleben), dann schon -- nur meine ich dann, dass der Begriff in diesem Falle letztlich keinen wirklichen Mehrwert bietet, weil er eben schon Teil so gut wie jedes positiven Rechts ist.

Selbst Rechtsordnungen, die auf Folter, Tod und Mord aufgebaut sind, haben meist (zumindest formal) ein derartiges Verbot - nur halten sie sich entweder nicht daran oder schaffen "Gründe" (vgl. "grundloses" Töten), weshalb man eben den angeblichen "Feind" doch töten darf.
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Strich »

Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. August 2020, 15:23 Das kommt ein bisschen auf die Definition des Begriffs "Naturrecht" an.

Wenn man damit ein unverrückbares, höheres, transzendentales Recht meint, welches quasi a priori existiert - dann nicht.

...
Ich steige bei solchen Diskussionen ja nur ungern ein, aber hier sind so viele unterschiedliche Kategorien in einen Topf geworfen (die du vermutlich alle auch noch pleonastisch meinst), dass es dauert, das zu entflechten. Gibt es überhaupt noch echte Naturrechtler? Das ist doch irgendwie die Diskussion von 1700? Allerspätestens seit Hegels Rechtslehere wird doch nur noch mit Vernunftrecht und positiven Recht operiert.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Dann versuche doch, die Grundlagen kurz allgemein verständlich darzulegen, wenn du denn an sie glaubst (vgl. die Frage).
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von jcoli »

Ohne besonderes Wissen und nur anhand der bisherigen Diskussion hier würde ich vielleicht folgenden Aspekt einbringen wollen:

gennant wurde als Definitionsversuch das,
"was fast alle Menschen über die Jahrtausende an bindenden Moralvorstellungen teilen (bedingt durch Evolution und das menschliche Zusammenleben)"

Der letzte Aspekt, die evolutionären, in der Natur des Menschen liegenden Gegebenheiten, würde ich aufgreifen. Es handelt sich vllt aber gerade nicht um die geteilten Moralvorstellungen, sondern diejenigen Aspekte, die unserer Vernunft (im aufklärerischen Sinne) entzogen sind, denen wir jedoch "von Natur aus" ausgeliefert sind. Solche Dinge, die qua Existenz "geregelt werden müssen (ggf nicht positiv)" könnte man unter Naturrecht (Recht als Destillat unseres Zusammenlebens) bezeichnen. Das ersetzt das positive Recht nicht, entkoppelt die Diskussion aber vom alltäglichen Gebrauch des Begriffs Moral. Auch wenn in einem Staat Sklaverei herrscht und anerkannt ist, ist dies ha Ausdruck einer vorherigen Anerkennung (und danach Aberkennung) von Freiheit als definierendes Element (iSv "es gibt die Freiheit -> wie gehen wir damit um?")

Vielleicht nimmt man dem Naturrecht dann auch viel von seiner Bedeutung. Aber so kann ich Frieden mit dem Begriff finden.
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von immer locker bleiben »

Suchender_ hat geschrieben: Donnerstag 6. August 2020, 17:17 Glaubt ihr an Naturrecht und warum?
Das ist gar keine Frage des Glaubens. ;)
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Re: Glaubt ihr an Naturrecht?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

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