Klare Formulierung?

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Strich
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Klare Formulierung?

Beitrag von Strich »

Aus einer Antwort-Wahl-Prüfung (vulgo Maltepil Tscheus):

Wählen Sie eine oder mehrere Antworten:
a) ...
b) Die höchste Stufe der Rechtsnorm bildet das Grundgesetz, welches nur mit qualifizierter Mehrheit des Bundestages geändert werden kann.
c) ...
d) ...
e) ...

Ist diese Antwortmöglichkeit richtig oder falsch?
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batman
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von batman »

Nicht falsch, aber auch nicht gänzlich richtig. Wenn a) und c) bis e) evident falsch sind, hat der Ersteller b) für die richtige Antwort gehalten ;)
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Ara
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Ara »

Was ist denn an der Antwort das Strittige? Die undeutliche Verwendung von "nur"?

Ich verstehe die Antwort schon so, dass "nur durch qualifizierte Mehrheit des Bundestages" eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung sein soll.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Strich
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Strich »

Ara hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 13:17 ...
Ich verstehe die Antwort schon so, dass "nur durch qualifizierte Mehrheit des Bundestages" eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung sein soll.
Genau so habe ich es auch verstanden und halte das auch für einigermaßen eindeutig. Die Frage stammt aus einer Klausur für Pädagogen.
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Blaumann
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Blaumann »

Die Antwort ist bereits inhaltlich streitig, da nach Auffassung des EuGH das Europarecht Anwendungsvorrang vor allen nationalen Normen, also auch dem Grundgesetz, genießt. Gegenauffassung: Das BVerfG.

Warum korrigierst Du Pädagogenklausuren? Wegen Corona nicht mehr genug Pfandflaschen auf dem Marktplatz?
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Strich
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Strich »

Wer sagt, dass ich die korrigiere?

Btw Gegenauffassung auch Art 23 GG.
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Blaumann
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Blaumann »

Haltlose Vermutung als Grundlage zielgerichteter Trollerei.

Wenn der EuGH recht hätte, wär's egal, ob Art. 23 GG einem Anwendungsvorrang entgegenstünde, weil der Anwendungsvorrang Art. 23 GG zurücktreten ließe. Es lebe der Zirkelschluss. :D
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Strich
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Strich »

Das Europarecht kann seine Legitimität mangels eigener Verfassung nur aus dem Grundgesetz ableiten. Mögen die Eurparechtler nicht gern hören, aber eine andere Auffassung würde unguten Geister beschwören.
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Theopa »

...wobei das GG auch die Schaffung von Recht das im Rang oberhalb des GG steht zulässt bzw. nicht untersagt, natürlich vorbehaltlich Art. 79 Abs. 3.
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Strich »

Wo ist der Unterschied zwischen Nichtanwendung und Nichtgeltung?
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Blaumann
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Blaumann »

Theopa hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 17:55 ...wobei das GG auch die Schaffung von Recht das im Rang oberhalb des GG steht zulässt bzw. nicht untersagt, natürlich vorbehaltlich Art. 79 Abs. 3.
Dafür bräuchte es jedoch gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 79 Abs. 2 GG einer Zustimmung des verfassungsändernden Gesetzgebers. Lag die bei der Ratifikation von EUV und AEUV vor? Und war dem Gesetzgeber bei der Ratifikation bewusst, dass er damit wesentliche Elemente der Verfassung im Anwendungsbereich des Europarechts außer Kraft setzt?

Der Widerspruch der beiden Auffassungen ist schon deutlich. Witzigerweise ist das BVerfG dann selbst inkonsequent und behauptet, dass im Anwendungsbereich des Europarechts die deutschen Grundrechte nicht geprüft werden müssten, da die EU-Grundrechte ausreichenden Schutz gewähren würden (= es also dann offensichtlich doch einen Anwendungsvorrang des Europarechts geben muss).

Die Logik dahinter erschließt sich mir nicht, aber ich muss zugeben, dass es eine Weile her ist, dass ich mir diese Entscheidungen zu Gemüte geführt habe.
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Brainiac »

Strich hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 18:37 Wo ist der Unterschied zwischen Nichtanwendung und Nichtgeltung?
Auch wenn ich weiß, damit in eine Falle zu tappen: Begrenzte Unanwendbarkeit der verdrängten Norm auf Kollisionsfälle vs. Unanwendbarkeit in allen (auch keine Normenkollision auslösenden) Fällen.
Klar, kann man die Nichtanwendung auch als faktische partielle Nichtgeltung verstehen (bzw. immer höchstens eine partielle Nichtgeltung nur für Kollisionsfälle für zulässig halten). Aber das entspricht eben nicht der hergebrachten Dogmatik, die im Übrigen nicht nur Selbstzweck ist, sondern auch Kompetenzfolgen nach sich zieht (Unterschiede in der Frage, wer über Nichtanwendbarkeit und wer über Nichtgeltung entscheiden darf).
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von gola20 »

Strich hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 11:55 Aus einer Antwort-Wahl-Prüfung (vulgo Maltepil Tscheus):

Wählen Sie eine oder mehrere Antworten:
a) ...
b) Die höchste Stufe der Rechtsnorm bildet das Grundgesetz, welches nur mit qualifizierter Mehrheit des Bundestages geändert werden kann.
c) ...
d) ...
e) ...

Ist diese Antwortmöglichkeit richtig oder falsch?
Das sind zwei Teilaussagen. Der zweite Teil ist richtig. Aus dem zweiten Teil ergibt sich die Blickrichtung für den ersten Teil. Und aus inländischer Sicht ist das GG die höchste Rechtsnorm.
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Blaumann
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Blaumann »

@unpseudo und Brainiac

Dass die verdrängte ("nicht-anwendbare") Norm außerhalb des Anwendungsbereichs des kollidierenden höherrangigen Rechts ihre Gültigkeit behält, ist doch keine Besonderheit des Europarechts. Das ist im nationalen deutschen Recht genauso. Trotzdem sprechen wir auf nationaler Ebene ganz unverkrampft davon, dass das verdrängte Recht aufgrund der Kollision mit höherrangigem Recht "nichtig" ist.

Gleiches gilt für die Normverwerfungskompetenz. Ein deutsches Verwaltungsgericht ist nicht für die Verwerfung von formellen Landesgesetzen zuständig. Trotzdem prüft es bei der Rechtsanwendung, ob ein Landesgesetz mit Bundesgesetzen kollidiert. Sollte das der Fall sein, wendet es ausschließlich das Bundesgesetz an, weil das Landesgesetz nichtig ist.

Mag sein, dass diese Unterscheidungen in anderen europäischen Rechtsordnungen eine Rolle spielen. Für das deutsche Recht kann ich das nicht erkennen. Ein EuR-Dozent meinte mal etwas polemisch, dass "Nicht-Anwendbarkeit" "souveränitätsschonender" klänge als Nichtigkeit. Deshalb bevorzuge der EuGH (und mit ihm die Europarechtler) diese Formulierung.
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Blaumann
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Re: Klare Formulierung?

Beitrag von Blaumann »

unpseudo hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 18:59
Blaumann hat geschrieben: Dienstag 16. März 2021, 18:41 Der Widerspruch der beiden Auffassungen ist schon deutlich. Witzigerweise ist das BVerfG dann selbst inkonsequent und behauptet, dass im Anwendungsbereich des Europarechts die deutschen Grundrechte nicht geprüft werden müssten, da die EU-Grundrechte ausreichenden Schutz gewähren würden (= es also dann offensichtlich doch einen Anwendungsvorrang des Europarechts geben muss).
Würde jetzt spontan sagen, dass das schon durchaus vereinbar mit der Brückentheorie sein sollte, wenn man davon ausgeht, dass die Kompetenz zur Wahrung der Grundrechte innerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts stillschweigend bzw. akzessorisch über Art. 23 GG abgegeben wurde. (Und dann gibts ja neuerdings auch die Grundrechtecharta der Union, die ja auch durch den deutschen Gesetzgeber "abgesegnet" worden ist.) In den mahnenden Worten des BVerfGs im Rahmen der Solange-II-Entscheidung steckt ja auch gerade im Kern, dass die Entscheidung, ob nun genug oder zu wenig an Grundrechtsschutz gewährt wird nicht etwa in der Entscheidungsprärogative der Union, sondern vielmehr in der Hand des über die deutsche Verfassung wachenden Bundesverfassungsgerichts liegt.
Klar, kann man sich mit irgendwelchen "vermittelnden" Eintopf-Theorien das politisch gewünschte Ergebnis herbeizaubern. Das macht die Sache aber nicht logisch. Der Anwendungsvorrang ist eine ziemlich simple Hop- oder Top-Frage.

Variante 1: Das Europarecht ist seinem Wesen nach Völkerrecht. Dann steht es nach der Verfassungsdogmatik unter dem Grundgesetz. Jede Aufgabe von Verfassungsrechten bedarf einer Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers. Solange es eine solche nicht gibt, ist jeder Rechtsakt der Union an der deutschen Verfassung und mithin auch an den Grundrechten zu messen.

Variante 2: Das Europarecht ist Recht eigener Art. Aus den Verträgen ergibt sich der Anwendungsvorrang gegenüber jeglichem nationalen Recht. Deutsches Recht, gleich welcher Rangstufe, hat im Anwendungsbereich des Europarechts nicht zu melden. Tschüss deutsche Grundrechte. Glück für dich, Bürger, dass es die EU-Grundrechtecharta und die Grundrechte aus den Verfassungstraditionen gibt.

Eine der beiden Seiten hat Recht, die andere Unrecht.

Der Mittelweg "Zurücktreten des deutschen Verfassungsrechts, solange wie dieses im Kern nicht ausgehöhlt wird", ist dogmatisch nicht erklärbar, sofern ich daran festhalte, dass Variante 1 im Kern Recht hat.
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