Allgemeiner Politik-Thread

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Theopa
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Theopa »

Joshua hat geschrieben: Montag 18. Oktober 2021, 11:06 Hinzufügen möchte ich : Und da sind sie auch besser verortet, wobei ich einen Spitzensteuersatz von bis zu 60% für richtig hielte. In Schweden hatten sie mal 90%. Nordisches Sozialstaatsmodell eben, hat keinen Reichen zum Bettelmann gemacht.
In Zeiten einklagbarer Teilzeit vielleicht nicht sooo ideal. Ich würde mir als Angestellter schon bei 60% ab Summe X (sofern diese nicht gerade schon bei 50.000 brutto angesetzt wird) ernsthaft überlegen dann eben die Stundenzahl zu reduzieren um höchstens knapp über dieser Grenze zu bleiben, bei 90% wäre das nicht einmal mehr eine Frage.

Auch eine gute Möglichkeit um richtig schöne Mehrkosten und wirtschaftliche Einbußen durch viel mehr Teilzeit-Akademiker (bei Ärzten/Richtern z.B. bereits jetzt ein Problem) und Reibungsverluste zu produzieren.
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Tibor
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Tibor »

Joshua hat geschrieben:Und wie die Ausfälle gegenfinanziert werden sollen.
Komisch, dass du die Finanzierungsfrage nie stellst, wenn es um die Erhöhung der R-Besoldung geht.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Joshua
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Joshua »

Du verkennst erstens, dass wir die Besoldungsfrage zu erheblichen Teilen unter der Prämisse verfassungsrechtlich zwingender Besoldungsgrundsätze diskutierten. Du verkennst zweitens, dass die Heraufsetzung der richterlichen Besoldung im Verhältnis zur signifikanten Absenkung des Mehrwertsteuersatzes nur ein verschwindend geringes Haushaltsloch risse.
[letzter Punkt unzutreffend, daher gelöscht]
Zuletzt geändert von Joshua am Montag 18. Oktober 2021, 19:16, insgesamt 1-mal geändert.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Joshua
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Joshua »

# 2
18.10.2021

Wofür gab es in diesem Jahr den Wirtschaftsnobelpreis?

Für die Einführung einer Schule, die wirtschaftswissenschaftliche Empirie nach dem Vorbild exakter naturwissenschaftlicher Experimente betreibt.

Also beim Mindestlohn (negative Effekte für die Beschäftigung?) NICHT: Ich vergleiche Norwegen und Australien (nur als Bsp.), da viel zu unterschiedliche Wirtschaftssysteme, sondern: Ich vergleiche zwei US-Bundesstaaten mit weithin gleichen Rahmenbedingungen, damit andere Faktoren für die Beschäftigungsentwicklung als der Mindestlohn (weitgehend) ausgeschlossen werden können ("controlling for other factors").

Krugman beschreibt das sehr anschaulich:
In the 1990s, however, some economists realized there was an alternative approach, that of exploiting “natural experiments” — situations in which the vagaries of history deliver something close to the kind of controlled trial researchers might want to conduct but can’t.

The most famous example is the research that Card conducted along with Alan Krueger on the effects of minimum wages. Most economists used to believe that raising the minimum wage reduces employment. But is this true? In 1992 the state of New Jersey increased its minimum wage while neighboring Pennsylvania didn’t. Card and Krueger realized that they could assess the effect of this policy change by comparing employment growth in the two states after the wage hike, essentially using Pennsylvania as the control for New Jersey’s experiment.

What they found was that the increased minimum wage had very little if any negative effect on the number of jobs, a result since confirmed by looking at many other instances. These results make the case not just for higher minimum wages, but for more aggressive attempts to reduce inequality in general.
Quelle: https://www.nytimes.com/2021/10/11/opin ... omics.html

Anderes Bsp.: Unemployment benefits reduzierten die Bereitschaft, Arbeit anzunehmen, nicht nennenswert.

Krugman schließt: Macht man es wie nach einem naturwissenschaftlichen Experiment, werden die Neoklassiker regelmäßig widerlegt.

Sehr schön!!!

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Joshua
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Joshua »

# 3

Mal was zum Thema Klassenjustiz, mangels Kenntnis der Akten aber natürlich mit dicken Fragezeichen jeweils versehen:
Ein Oberarzt des Essener Universitätsklinikums ist vor dem Landgericht der nordrhein-westfälischen Stadt wegen Totschlags zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass der 45-Jährige einem Patienten im November eine tödliche Kombination von Medikamenten verabreichte, wie ein Gerichtssprecher am Mittwoch mitteilte. Offenbar habe der Mediziner den 47-Jährigen "erlösen" wollen.

Um Sterbehilfe hätten jedoch weder der Patient noch seine Familie gebeten, weswegen die Tat als Totschlag gewertet wurde. Der Arzt habe dem Schwerkranken Dosierungen von Beruhigungsmitteln verabreicht, die "jenseits von Gut und Böse" gewesen seien, sagte der Sprecher. Dazu habe er dem Mann Kaliumchlorid gespritzt. Nach Auffassung der Kammer war die Tat einer Überforderungssituation geschuldet.
https://www.focus.de/gesundheit/news/ne ... 12540.html

Ist das eigentlich ein Fall von Klassenjustiz, wenn ein Oberarzt mit einer solchen Strafe davon kommt? Weil der Patient eh dem Tode geweiht war? Aber wie will man das abgrenzen? Weil der Arzt eine gutgemeinte Erlösungsphantasie verfolgte? Und was soll das mit der "Überforderungssituation"? Sind nicht ganz viele Fälle von Totschlag psychischen Extremsituationen geschuldet?

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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von gola20 »

Was ist denn sonst die durchschnittliche Strafe bei Totschlag?

edit: Da die Mindeststrafe 5 Jahre beträgt,liegt eine Strafmilderung vor. Damit liegt die Mindeststrafe bei 2 Jahren. Fast das doppelte der Mindeststrafe für einen nicht vorbestraften Täter, der wahrscheinlich nie mehr straffällig wird, sehe ich jetzt nicht als übertrieben milde an.
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thh
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von thh »

Joshua hat geschrieben: Mittwoch 3. November 2021, 18:55Ist das eigentlich ein Fall von Klassenjustiz, wenn ein Oberarzt mit einer solchen Strafe davon kommt?
Das kann man, wie Du ja weißt und schreibst, ohne Kenntnis des Falles nicht beurteilen. Insofern macht es wenig Sinn, das ohne Kenntnis des Falles beurteilen zu wollen.
Joshua
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Joshua »

thh, das stimmt. Ich kann es nur unter einem ganz dicken Vorbehalt sagen, nach der Lektüre fast aller Artikel hierzu: Ich habe als Staatsanwalt selbst auch Kapitalverbrechen verhandelt, und für mich ist das - Stand jetzt - kein minder schwerer Fall; aber natürlich kann die Lektüre des Urteils hier noch andere Erkenntnisse bringen.

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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Joshua »

Transatlantische Redakteure haben Teile der SPD als „Problem“ ausgemacht bei dem Vorhaben, die Konfrontation gegen Russland in immer neue Höhen zu treiben. Zwar haben auch Sozialdemokraten bei der Russland-Frage bereits schwer enttäuscht – dennoch liegt in der aktuellen politischen Konstellation die Hoffnung auf außenpolitische Restvernunft bei dem kritischen Teil der SPD. Darum soll dieser Teil nun medial diffamiert werden.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=79893

In der Tat schlimm, wie dieser friedenspolitisch "traditionelle" Kern der SPD hier in einigen Leitmedien attackiert ist.

Verkehrte Welt: Friedenspolitik ist anrüchig, Konfrontation - wirtschaftlich, kulturell, militärisch - das neue Normal.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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famulus
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von famulus »

Weil man das ja so allgemein sagen kann und es nicht auf den konkreten Einzelfall ankommt...?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Tikka »

Wie wird man eigentlich "transatlantischer Redakteur" ? Muss man dafür seine Texte auf einem Schiff oder Flugzeug schreiben, dass sich über/auf dem Atlantik bewegt.
Frage für einen Freund.
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
Seeker
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Seeker »

Joshua hat geschrieben: Dienstag 18. Januar 2022, 17:32
Transatlantische Redakteure haben Teile der SPD als „Problem“ ausgemacht bei dem Vorhaben, die Konfrontation gegen Russland in immer neue Höhen zu treiben. Zwar haben auch Sozialdemokraten bei der Russland-Frage bereits schwer enttäuscht – dennoch liegt in der aktuellen politischen Konstellation die Hoffnung auf außenpolitische Restvernunft bei dem kritischen Teil der SPD. Darum soll dieser Teil nun medial diffamiert werden.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=79893

In der Tat schlimm, wie dieser friedenspolitisch "traditionelle" Kern der SPD hier in einigen Leitmedien attackiert ist.

Verkehrte Welt: Friedenspolitik ist anrüchig, Konfrontation - wirtschaftlich, kulturell, militärisch - das neue Normal.
Verkehrte Welt: Russland droht mit Krieg und du unterstellst Politikern, die eine klare diplomatische und strategische Reaktion fordern, sie würden die "Konfrontation" suchen? Wenn du von "Friedenspolitik" sprichst, meinst du wohl eher Appeasement gegenüber einem Aggressor.
Joshua
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von Joshua »

Interessant, dass die Artikel zunehmen, die Putin jetzt schlicht pathologisieren:
Putin im Cäsarenwahn? Der einsame Angstmacher im Kreml

Der russische Präsident, seit 21 Jahren an den Schalthebeln der Macht, trifft in Moskau inzwischen niemanden mehr, der ihm widerspricht.
Psychologen und Historiker warnen: Solche Konstellationen steigern stets das Risiko eines gefährlichen Realitätsverlusts.
Der renommierte Psychologe und Hirnforscher Ian Robertson sieht deshalb schon schwarz für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts.
Quelle: https://www.rnd.de/politik/wladimir-put ... obal-de-DE

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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von PatriciaRussell »

Ob man Politik interessant findet oder nicht ist fast egal. Man muss schließlich wählen, um gehört zu werden. Glücklicherweise leben wir in einer Demokratie, dass ist ja nicht in jedem Land der Fall. Ich glaube die Amerikaner hatten mit Trump mehr zu kämpfen, der war ja wirklich eine ganze Menge Arbeit. Man stelle sich mal vor, dass Leute den tatsächlich gewählt haben nachdem sie ihm bei seinen Reden zugehört haben. Einfach unglaublich. Zurzeit beschäftige ich mich viel mit den Datenschutz Verordnungen. Glücklicherweise kann uns da ja der [Mod: Werbelink gelöscht] weiterhelfen.
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famulus
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Re: Joshua's Politik-Tagebuch

Beitrag von famulus »

Wtf :)
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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