Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
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Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Vielleicht nur für die Älteren (hüstel) unter uns: Ausgehend von persönlicher Nahbereichsempirie und vor allem kritischer Selbstbeobachtung muss ich die im threadtitel aufgeworfene Frage bejahen. Für die Durchdringung mir unbekannter Rechtsprobleme brauche ich heute deutlich länger und bleibe oberflächlicher als vor zehn oder zwanzig Jahren. Klar kann ich viel durch Erfahrung kompensieren oder überkompensieren. In "meinen" Rechtsgebieten kenne ich die Standardprobleme und -lösungsansätze. Ich habe ein besseres Judiz als früher, erkenne die Probleme des Mandanten besser, formuliere besser. Ich verhandele besser und kann Teams führen. Das ändert aber alles nichts daran, dass die reine juristische Leistungsfähigkeit - also die Fähigkeit, abstrakte Denkgebäude nachzuvollziehen und zu entwerfen - nachgelassen hat.
Nach meiner Beobachtung liegt die "Hochphase" eines Anwalts (vielleicht ist das bei anderen Berufsgruppen anders?) so um die 40 Jahre - die juristische Leistungsfähigkeit ist noch vorhanden und die Erfahrung tritt dazu. Danach sollte man sich besser auf die Bereiche konzentrieren, in denen Erfahrung den Vorteil bringt. Es gibt für mich durchaus gute Gründe dafür, dass manche Kanzleien ein Höchstalter von 60 Jahren oder sogar 55 Jahren vorsehen.
Nach meiner Beobachtung liegt die "Hochphase" eines Anwalts (vielleicht ist das bei anderen Berufsgruppen anders?) so um die 40 Jahre - die juristische Leistungsfähigkeit ist noch vorhanden und die Erfahrung tritt dazu. Danach sollte man sich besser auf die Bereiche konzentrieren, in denen Erfahrung den Vorteil bringt. Es gibt für mich durchaus gute Gründe dafür, dass manche Kanzleien ein Höchstalter von 60 Jahren oder sogar 55 Jahren vorsehen.
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Fluide Intelligenz sinkt schon ab 25. Kristalline Intelligenz steigt bis ins hohe Alter. Die berufliche Leistungsfähigkeit sinkt dadurch altersbedingt erst in sehr hohem Alter.
Use it or lose it: Wie oft musst du denn abstrakte juristische Denkgebäude nachvollziehen? Bist du da auch noch so motiviert wie früher? Ich bin recht schnell genervt von praxisfernen juristischen Ausführungen.
Use it or lose it: Wie oft musst du denn abstrakte juristische Denkgebäude nachvollziehen? Bist du da auch noch so motiviert wie früher? Ich bin recht schnell genervt von praxisfernen juristischen Ausführungen.
- Tikka
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Ich bin bei dem Thema zum Glück von vornhinein mit einer niedrigen Fallhöhe ausgestattet.
Aber ja das Hineinarbeiten/Hineindenken in schwierigere fachliche Themen fällt mir auch schwerer. Ich vermute persönlich, dass das nicht unbedingt an der nachgelassenen intellektuellen Fähigkeit liegt, auch wenn der Verfall sicher nicht nur auf dem Kopf stattfindet.
Ich denke viel ist einfach Bequemlichkeit. Früher (tm) hatte man ja keine Wahl als sich regelmäßig in Themen reinzudenken/reinzuarbeiten. Mit zunehmender Berufserfahrung und einem entsprechendem "track record" an hereinarbeiten möchte man sich am liebsten auf den erworbenen Kompetenzen ausruhen. Denn Neues zu erlernen oder Altes neu zu erlernen ist mühsam und lästig (schon weil es nicht mehr eingeplant ist).
Neben der Unlust die Mühe in Kauf zu nehmen, merke ich schon, das ältere Semester mit Familie und Hobbies (count me in) eben gerade keine Lust mehr haben die Zeit zu investieren (die von der kostbaren Freizeit abgeht). Insbesondere wenn der Nutzen häufig überschaubar ist.
Zur Altersgrenze: Also bei meiner alten Kanzlei waren einige Kollegen durchaus noch mit über 70 (mehr oder minder) aktiv. Zwar musste der eine oder andere irgendwann mal höflich aber bestimmt zum Gehen aufgefordert werden, aber dennoch haben viele der alten Dino's über ihr hervorragendes, über Jahrzehnte gepflegtes, Netzwerk immer noch einiges an Land geholt. Die eigentliche (juristische) Arbeit haben ohnehin andere gemacht. Ein paar dieser alten Herren waren noch ganz schön auf Zack. Aber gut. Das ist ein anderes Thema.
Aber ja das Hineinarbeiten/Hineindenken in schwierigere fachliche Themen fällt mir auch schwerer. Ich vermute persönlich, dass das nicht unbedingt an der nachgelassenen intellektuellen Fähigkeit liegt, auch wenn der Verfall sicher nicht nur auf dem Kopf stattfindet.
Ich denke viel ist einfach Bequemlichkeit. Früher (tm) hatte man ja keine Wahl als sich regelmäßig in Themen reinzudenken/reinzuarbeiten. Mit zunehmender Berufserfahrung und einem entsprechendem "track record" an hereinarbeiten möchte man sich am liebsten auf den erworbenen Kompetenzen ausruhen. Denn Neues zu erlernen oder Altes neu zu erlernen ist mühsam und lästig (schon weil es nicht mehr eingeplant ist).
Neben der Unlust die Mühe in Kauf zu nehmen, merke ich schon, das ältere Semester mit Familie und Hobbies (count me in) eben gerade keine Lust mehr haben die Zeit zu investieren (die von der kostbaren Freizeit abgeht). Insbesondere wenn der Nutzen häufig überschaubar ist.
Zur Altersgrenze: Also bei meiner alten Kanzlei waren einige Kollegen durchaus noch mit über 70 (mehr oder minder) aktiv. Zwar musste der eine oder andere irgendwann mal höflich aber bestimmt zum Gehen aufgefordert werden, aber dennoch haben viele der alten Dino's über ihr hervorragendes, über Jahrzehnte gepflegtes, Netzwerk immer noch einiges an Land geholt. Die eigentliche (juristische) Arbeit haben ohnehin andere gemacht. Ein paar dieser alten Herren waren noch ganz schön auf Zack. Aber gut. Das ist ein anderes Thema.
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- Urs Blank
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Was bei mir auf jeden Fall erkennbar nachlässt, ist die schlichte Merkfähigkeit. Namen, Paragrafenziffern etc. Außerdem lässt natürlich die Konzentrationsfähigkeit nach.
Ansonsten sehe ich es ähnlich wie Tikka: Oft habe ich schlicht keine Lust mehr, mich in komplizierte Argumentationen hineinzufinden. Nicht selten denke ich auch, welch verstiegenen Quatsch unser Rechtssystem teils produziert: Immer noch eine Umdrehung mehr, noch eine Ausnahme von der Ausnahme von der Ausnahme, unverständliche Normen usw. Dann tröste ich mich damit, dass ich nicht dümmer werde, sondern nur die juristische Welt verrückter.
PS. Ich tippe dies schon zum zweiten Mal. Im ersten Versuch hatte ich auf Ausloggen geklickt, statt auf Absenden. qed
Ansonsten sehe ich es ähnlich wie Tikka: Oft habe ich schlicht keine Lust mehr, mich in komplizierte Argumentationen hineinzufinden. Nicht selten denke ich auch, welch verstiegenen Quatsch unser Rechtssystem teils produziert: Immer noch eine Umdrehung mehr, noch eine Ausnahme von der Ausnahme von der Ausnahme, unverständliche Normen usw. Dann tröste ich mich damit, dass ich nicht dümmer werde, sondern nur die juristische Welt verrückter.
PS. Ich tippe dies schon zum zweiten Mal. Im ersten Versuch hatte ich auf Ausloggen geklickt, statt auf Absenden. qed
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Es ist doch hauptsächlich ein Gewöhnungsproblem. Wenn man immer wieder alles neu durchdenken muss, weil es der Job so erfordert, dann ist man eben anders gehirnaktiv als wenn man seine Spezialisierung gefunden hat und hauptsächlich Business as usual macht. Im Übrigen behindert einen nur die eigene Trägheit.
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Natürlich performen Ältere im Job (und sonstwo) regelmäßig schlechter. Das ist ja kein Geheimnis. Sieh's positiv: es wird auch nicht mehr ganz so erwartet
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Teilweise habt Ihr recht. Natürlich lassen Notwendigkeit und Motivation zur tiefgehenden Durchdringung zunehmend nach, nicht zuletzt, weil ich jüngere Kollegen damit beauftragen kann. Aber vermeide ich es - soweit es geht - nur wegen fehlender Motivation oder fehlt die Motivation (auch) deshalb, weil ich es nicht mehr so gut und schnell wie früher kann?
- Tikka
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Worüber reden wir nochmal genau?Aber vermeide ich es - soweit es geht - [...]weil ich es nicht mehr so gut [...] wie früher kann?
Tja und zum Thema... vielleicht liegt die Wahrheit wie immer irgendwo dazwischen...
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
äähmm, da gibt es so ein Zentrum für Juristengesundheit, da kann man blaue Pillen mit einem Pararaphenzeichen drauf..ach, lassen wir das.
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Ja, Tennis spielen geht auch immer schlechter. Aber die Frau, die nimmt plötzlich ja soo gern Tennisstunden..
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Ein Thread wie für mich gemacht.
gez. ...j! {Treffpunkt-Captain}
Ortsbekannte Klugscheißer werden gebeten, diesen Post zu ignorieren.
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Ok Boomer
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Aktuell:
Quelle: https://www.theguardian.com/science/202 ... tudy-findsBrains do not slow down until after age of 60, study finds
Findings go against the assumption that mental processing speed declines from a peak at age 20
„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
- Urs Blank
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Re: Lässt die juristische Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nach?
Habe ich auch gelesen; ich helfe daher vorsorglich mit Rotwein nach.
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