Ukraine

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Joshua
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Ukraine

Beitrag von Joshua »

Mir macht das wirklich große Sorgen, was Herr Putin da in dem Ostteil der Ukraine unternimmt. Ein klarer Bruch des Prinzips der staatlichen Souveränität der Ukraine. Als wäre der als "Friedensmission" fehlbezeichnete Truppeneinmarsch irgendwie hinzunehmen - was er nicht ist.

Die Vorgeschichte ist aber auch eine lange - der hochnäsigen Außerachtlassung russischer Sicherheitsinteressen durch den Westen. Es reicht nicht, dass wir uns für die Guten halten und die NATO für ein friedensorientiertes Defensivbündnis. Das trifft schon objektiv nicht zu, wird aber erst recht in anderen Teilen der Welt anders wahrgenommen. Kein Wunder bei all den Diskussionen und Versuchen, das Bündnis offensiv einzusetzen. Daher ist es durchaus nicht verwunderlich, dass die Russen eine NATO-Linie direkt an ihrer Grenze als Bedrohung, aber auch als Respektlosigkeit des Westens auffassen.

Ich weiß, dass das Gegenargument, die Ukraine solle als souveräner Staat selbst bestimmen, wie weit sie die Westbindung treiben will, auch richtig und gewichtig ist. Mich freut dieser Wunsch der Anbindung sogar, er ist mir sympathisch...

Aber das ist eben das Diffizile mancher außenpolitischen Lage, die Kollision mehrerer gleichsam legitimer Interessen und/oder Prinzipien.

Gewinner werden sicher eher die USA sein, da Europa wieder ganz auf den Rat, das Sicherheitsversprechen und bald ggf. auch das Flüssiggas des großen Bruders angewiesen sein wird...

Aber momentan habe ich einfach nur große Angst vor einem heißen Krieg in Europa, der schlimmstenfalls nuklear eskalieren könnte...

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
Seeker
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Re: Ukraine

Beitrag von Seeker »

Das Bestreben, andere Länder als Vasallen und Pufferzonen behandeln zu wollen, ist ganz sicher nicht "gleichsam legitim" wie der Wunsch, über die eigene Souveränität und Bündniszugehörigkeit zu entscheiden.

Abgesehen davon sind die angeblichen Sicherheitsinteressen Russlands doch komplett vorgeschoben. Auch Putin glaubt nicht im Ernst, dass ein paar Tausend NATO-Truppen im Baltikum plötzlich eine Invasion starten. US-Atomraketen gibt es in Osteuropa ohnehin nicht. Russland hat keine Angst vor der NATO, sondern fühlt sich allein in seinem Expansionsstreben durch sie eingeschränkt.
stilzchenrumpel
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Re: Ukraine

Beitrag von stilzchenrumpel »

Seeker hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 10:35 Das Bestreben, andere Länder als Vasallen und Pufferzonen behandeln zu wollen, ist ganz sicher nicht "gleichsam legitim" wie der Wunsch, über die eigene Souveränität und Bündniszugehörigkeit zu entscheiden.

Abgesehen davon sind die angeblichen Sicherheitsinteressen Russlands doch komplett vorgeschoben. Auch Putin glaubt nicht im Ernst, dass ein paar Tausend NATO-Truppen im Baltikum plötzlich eine Invasion starten. US-Atomraketen gibt es in Osteuropa ohnehin nicht. Russland hat keine Angst vor der NATO, sondern fühlt sich allein in seinem Expansionsstreben durch sie eingeschränkt.
Ich schließe mich diesem Kommentar umfassend an.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
gola20
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Re: Ukraine

Beitrag von gola20 »

russisches Sicherheitsinteresse = russische Paranoia
Liz
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Re: Ukraine

Beitrag von Liz »

Der Gedanke, die russischen Sicherheitsinteressen werden durch die NATO beeinträchtigt und nötige Russland quasi dazu, die Grenzen von 1989 wiederherstellen zu wollen, blendet zugleich aus, dass es genügend andere Möglichkeiten gibt, friedlich miteinander auskommen und die jeweiligen berechtigten Sicherheitsinteressen zu wahren.
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Strich
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Re: Ukraine

Beitrag von Strich »

Richtig. Es ist ohne weiteres möglich, auf Truppenstationierungen in neuen Natostaaten zu verzichten und entsprechende Verträge auszuhandeln.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Liz
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Ukraine

Beitrag von Liz »

Natürlich. Letztlich geht es um das Vertrauen, dass der jeweils andere gar kein Interesse hat, einen militärisch anzugreifen und deshalb eine kleinere Truppenpräsenz in der Grenzregion nicht als relevante Bedrohung wahrgenommen wird und gleichzeitig auf größere Truppenbewegungen an der Grenze verzichtet wird.
stilzchenrumpel
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Re: Ukraine

Beitrag von stilzchenrumpel »

Strich hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 11:30 Richtig. Es ist ohne weiteres möglich, auf Truppenstationierungen in neuen Natostaaten zu verzichten und entsprechende Verträge auszuhandeln.
Ich bin mir sicher, die Beitrittsbestrebungen diverser Staaten mit gemeinsamer Grenze mit Russland wären nicht so ausgeprägt, wenn Russland deren Sicherheitsinteressen ernst nehmen würde \:D/
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
Joshua
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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

Seeker hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 10:35 Das Bestreben, andere Länder als Vasallen und Pufferzonen behandeln zu wollen, ist ganz sicher nicht "gleichsam legitim" wie der Wunsch, über die eigene Souveränität und Bündniszugehörigkeit zu entscheiden.
Das Sicherheitsintetesse als solches ist mE durchaus legitim. Der Einmarsch unter keinen Umständen.

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Re: Ukraine

Beitrag von Seeker »

Was genau soll daran legitim sein, souveränen Nachbarstaaten die Mitgliedschaft in einem Bündnis verwehren zu wollen? Als Jurist sollten dir doch zumindest die Grundlagen des Völkerrechts bekannt sein.

Zumal von Osteuropa evident keine Gefahr für Russland ausgeht, da dort lediglich wenige Tausend NATO-Truppen stationiert sind. Glaubst du ernsthaft, Putin habe Angst vor 12.000 Mann* ohne Atomraketen?

* https://edition.cnn.com/2022/02/10/euro ... index.html
Liz
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Ukraine

Beitrag von Liz »

Joshua hat geschrieben:
Seeker hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 10:35 Das Bestreben, andere Länder als Vasallen und Pufferzonen behandeln zu wollen, ist ganz sicher nicht "gleichsam legitim" wie der Wunsch, über die eigene Souveränität und Bündniszugehörigkeit zu entscheiden.
Das Sicherheitsintetesse als solches ist mE durchaus legitim. Der Einmarsch unter keinen Umständen.
Aber geht es wirklich um ein berechtigtes Sicherheitsinteresse oder darum, dass Russland nicht weiß, wie es seine Nachbarn wieder unter Kontrolle bekommt, wenn die sich lieber Richtung Westen orientieren, anstatt alte Zeiten wiederaufleben zu lassen? Die paar NATO-Soldaten im Baltikum sind doch aus russischer Sicht vor allem deshalb ein „Problem“, weil man da nicht so einfach mit dem Panzer vorfahren kann oder sonstwie seinem Einfluss Nachdruck verleihen kann, ohne seriösen Ärger zu riskieren.
Joshua
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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

Seeker hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 15:49 Was genau soll daran legitim sein, souveränen Nachbarstaaten die Mitgliedschaft in einem Bündnis verwehren zu wollen? Als Jurist sollten dir doch zumindest die Grundlagen des Völkerrechts bekannt sein.

Zumal von Osteuropa evident keine Gefahr für Russland ausgeht, da dort lediglich wenige Tausend NATO-Truppen stationiert sind. Glaubst du ernsthaft, Putin habe Angst vor 12.000 Mann* ohne Atomraketen?

* https://edition.cnn.com/2022/02/10/euro ... index.html
Die (unnötige) Polemik mal außen vor:

Im North Atlantic Treaty heißt es:
Article 10

The Parties may, by unanimous agreement, invite any other European State in a position to further the principles of this Treaty and to contribute to the security of the North Atlantic area to accede to this Treaty. Any State so invited may become a Party to the Treaty by depositing its instrument of accession with the Government of the United States of America. The Government of the United States of America will inform each of the Parties of the deposit of each such instrument of accession.
Es gibt kein Recht auf Beitritt!

Und ob es für einen BESTIMMTEN Beitrittskandidaten zur jeweiligen ZEIT die Zustimmung der anderen Staaten gibt, ist doch wohl eine politische Entscheidung.

Im Übrigen stimme ich deinem Tenor aber zu: Putin ist hier eindeutig der (aktuelle) Aggressor, sein Völkerrechtsbruch ist durch nichts zu rechtfertigen (was nicht ausschließt, dennoch nach Hintergründen zu fragen; dann Pathologisierung führt selten weiter).

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Re: Ukraine

Beitrag von Joshua »

Liz hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 16:14
Aber geht es wirklich um ein berechtigtes Sicherheitsinteresse oder darum, dass Russland nicht weiß, wie es seine Nachbarn wieder unter Kontrolle bekommt, wenn die sich lieber Richtung Westen orientieren, anstatt alte Zeiten wiederaufleben zu lassen?
Die Frage stelle ich mir auch. Es ist eine - wenn nicht die - Schlüsselfrage. Denndass es objektiv denkbare Sicherheitsinteressen gibt, heißt noch lange nicht, dass sie für den Aggressor wirklich relevant sind. Meine Meinungsbildung zu dieser Kernfrage ist noch nicht abgeschlossen...

Putins Rede gestern zeigt allerdings sehr vertiefte Gedanken hierzu; es lohnt sich, die Rede zu lesen:
Kiew hat seit langem einen strategischen Kurs in Richtung NATO-Mitgliedschaft verkündet. Ja, natürlich hat jedes Land das Recht, sein eigenes Sicherheitssystem zu wählen und Militärbündnisse einzugehen. Und das wäre auch alles so, wenn es nicht ein „aber“ gäbe. In den internationalen Dokumenten ist ausdrücklich der Grundsatz der gleichen und unteilbaren Sicherheit verankert, der bekanntlich die Verpflichtung beinhaltet, die eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten zu stärken. Ich kann hier auf die 1999 in Istanbul verabschiedete OSZE-Charta für europäische Sicherheit und die OSZE-Erklärung von Astana 2010 verweisen.

Mit anderen Worten: Die Wahl der Sicherheit darf keine Bedrohung für andere Staaten darstellen und der Beitritt der Ukraine zur NATO ist eine direkte Bedrohung für die Sicherheit Russlands.

Ich erinnere daran, dass die USA im April 2008 auf dem Bukarester Gipfel des Nordatlantischen Bündnisses die Entscheidung durchgesetzt haben, dass die Ukraine und übrigens auch Georgien Mitglieder der NATO werden. Viele europäische Verbündete der USA waren sich bereits aller Risiken einer solchen Perspektive bewusst, mussten sich aber dem Willen ihres Seniorpartners beugen. Die Amerikaner haben sie einfach dazu benutzt, eine eindeutig anti-russische Politik zu verfolgen.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten des Bündnisses stehen einem NATO-Beitritt der Ukraine schon jetzt sehr skeptisch gegenüber. Gleichzeitig erhalten wir ein Signal aus einigen europäischen Hauptstädten, das besagt: „Worüber macht ihr euch Sorgen? Es wird nicht buchstäblich morgen passieren.“ Tatsächlich sprechen auch unsere amerikanischen Partner darüber. „Gut“, sagen wir, „nicht morgen, aber übermorgen. Was ändert sich dadurch in der historischen Perspektive? Im Grunde genommen nichts.“

Mehr noch, uns sind der Standpunkt und die Worte der Führung der Vereinigten Staaten bekannt, dass die aktiven Feindseligkeiten in der Ostukraine die Möglichkeit eines NATO-Beitritts dieses Landes nicht ausschließen, wenn es die Kriterien des Nordatlantischen Bündnisses erfüllen und die Korruption besiegen kann.

Dennoch versuchen sie immer wieder, uns davon zu überzeugen, dass die NATO ein friedliebendes und rein defensives Bündnis ist. Sie sagen, dass es keinerlei Bedrohung für Russland gibt. Wieder einmal schlagen sie vor, dass wir uns auf ihr Wort verlassen. Aber wir kennen den wahren Wert dieser Worte. Als 1990 die Frage der deutschen Wiedervereinigung erörtert wurde, wurde der sowjetischen Führung von den Vereinigten Staaten zugesagt, dass die Zuständigkeit und die militärische Präsenz der NATO nicht einen Zoll nach Osten ausgedehnt werden würden. Und dass die deutsche Wiedervereinigung nicht zu einer Ausdehnung der militärischen Organisation der NATO nach Osten führen würde. Das ist ein Zitat.

Sie haben geredet, mündliche Zusicherungen gemacht, und es hat sich alles als leeres Geräusch herausgestellt. Später wurde uns versichert, dass die NATO-Mitgliedschaft der mittel- und osteuropäischen Länder die Beziehungen zu Moskau nur verbessern, diesen Ländern die Angst vor dem schwierigen historischen Erbe nehmen und darüber hinaus einen Gürtel russland-freundlicher Staaten schaffen würde.

Das exakte Gegenteil ist eingetreten. Die Regierungen einiger osteuropäischer Länder, die mit ihrer Russophobie hausieren gingen, brachten ihre Komplexe und Stereotypen über die russische Bedrohung in das Bündnis ein und bestanden auf dem Aufbau kollektiver Verteidigungsfähigkeiten, die in erster Linie gegen Russland eingesetzt werden sollten. Und das geschah in den 1990er und frühen 2000er Jahren, als sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen dank der Offenheit und unseres guten Willens auf einem hohen Niveau befanden.

Russland hat alle seine Verpflichtungen erfüllt, einschließlich des Truppenabzugs aus Deutschland und aus den mittel- und osteuropäischen Staaten, und leistete damit einen großen Beitrag zur Überwindung des Erbes des Kalten Krieges. Wir haben stets verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit angeboten, auch im Rahmen des NATO-Russland-Rates und der OSZE.

Mehr noch, ich werde jetzt etwas sagen, was ich noch nie öffentlich gesagt habe, ich werde es zum ersten Mal sagen. Im Jahr 2000, als der scheidende US-Präsident Bill Clinton Moskau besuchte, fragte ich ihn: „Was würde Amerika davon halten, Russland in die NATO aufzunehmen?“

Ich werde nicht alle Einzelheiten dieses Gesprächs preisgeben, aber die Reaktion auf meine Frage sah nach außen hin, sagen wir, sehr zurückhaltend aus, und wie die Amerikaner tatsächlich auf diese Möglichkeit reagierten, sieht man an ihren praktischen Schritten gegenüber unserem Land. Dazu gehören die offene Unterstützung von Terroristen im Nordkaukasus, eine ablehnende Haltung gegenüber unseren Forderungen und Sicherheitsbedenken im Bereich der NATO-Erweiterung, der Ausstieg aus dem ABM-Vertrag über das Verbot einer Raketenabwehr und so weiter. Da fragt man sich: Warum? Wozu das alles? Gut, Sie wollen uns nicht als Freund und Verbündeten sehen, aber warum müssen Sie einen Feind aus uns machen?

Es gibt nur eine Antwort: Es liegt nicht an unserem politischen Regime oder an etwas anderem, sie brauchen einfach kein so großes unabhängiges Land wie Russland. Das ist die Antwort auf alle Fragen. Sie ist die Quelle der traditionellen amerikanischen Russlandpolitik. Daher auch die Einstellung zu allen unseren Sicherheitsvorschlägen.

Heute genügt ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, wie die westlichen Staaten ihr Versprechen, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, „eingehalten“ haben. Sie haben uns einfach betrogen. Wir haben fünf Erweiterungswellen der NATO erlebt, eine nach der anderen. Im Jahr 1999 wurden Polen, die Tschechische Republik und Ungarn in das Bündnis aufgenommen. 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien. 2009 Albanien und Kroatien. 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien.

Im Ergebnis ist das Bündnis mit seiner militärischen Infrastruktur direkt an die Grenzen Russlands gekommen. Das war eine der Hauptursachen für die Euro-Sicherheitskrise und hat sich sehr negativ auf das gesamte System der internationalen Beziehungen ausgewirkt und zu dem Verlust des gegenseitigen Vertrauens geführt.

Die Lage verschlechtert sich weiter, auch im strategischen Bereich. So werden beispielsweise in Rumänien und Polen im Rahmen des US-Projekts zur globalen Raketenabwehr Stellungen für Raketenabwehrraketen eingerichtet. Es ist bekannt, dass die dort platzierten Abschussrampen für Tomahawk-Marschflugkörper, also für offensive Angriffssysteme, verwendet werden können. (Anm. d. Übers.: Details dazu finden Sie hier)

Darüber hinaus entwickeln die USA die universelle Standard-6-Rakete, die nicht nur die Probleme der Luft- und Raketenabwehr löst, sondern auch See- und Landziele treffen kann. Mit anderen Worten: Das vermeintlich defensive US-Raketenabwehrsystem wird erweitert und es entstehen neue offensive Fähigkeiten.

Die uns vorliegenden Informationen geben uns allen Grund zu der Annahme, dass der Beitritt der Ukraine zur NATO und die anschließende Stationierung von NATO-Einrichtungen in diesem Land eine ausgemachte Sache sind; es ist nur eine Frage der Zeit. Uns ist klar, dass in einem solchen Szenario die militärische Bedrohung Russlands um ein Vielfaches zunehmen wird. Und ich weise besonders darauf hin, dass die Gefahr eines Überraschungsangriffs auf unser Land um ein Vielfaches steigen wird.

Ich möchte klarstellen, dass die amerikanischen strategischen Planungsdokumente – es sind offiziellen Dokumente! – die Möglichkeit eines so genannten Präventivschlags gegen feindliche Raketensysteme vorsehen. Und wir wissen auch, wer der Hauptgegner der USA und der NATO ist. Es ist Russland. In den NATO-Dokumenten wird unser Land offiziell direkt zur Hauptbedrohung der euro-atlantischen Sicherheit erklärt. Und die Ukraine wird als Sprungbrett für einen solchen Schlag dienen. Wenn unsere Vorfahren das hören würden, würden sie es wahrscheinlich nicht glauben. Und wir wollen es heute nicht glauben, aber es ist wahr. Ich möchte, dass das sowohl in Russland als auch in der Ukraine verstanden wird.
Quelle: https://www.anti-spiegel.ru/2022/praesi ... -wortlaut/

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Re: Ukraine

Beitrag von Seeker »

Joshua hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 18:39
Seeker hat geschrieben: Dienstag 22. Februar 2022, 15:49 Was genau soll daran legitim sein, souveränen Nachbarstaaten die Mitgliedschaft in einem Bündnis verwehren zu wollen? Als Jurist sollten dir doch zumindest die Grundlagen des Völkerrechts bekannt sein.

Zumal von Osteuropa evident keine Gefahr für Russland ausgeht, da dort lediglich wenige Tausend NATO-Truppen stationiert sind. Glaubst du ernsthaft, Putin habe Angst vor 12.000 Mann* ohne Atomraketen?

* https://edition.cnn.com/2022/02/10/euro ... index.html
Die (unnötige) Polemik mal außen vor:

Im North Atlantic Treaty heißt es:
Article 10

The Parties may, by unanimous agreement, invite any other European State in a position to further the principles of this Treaty and to contribute to the security of the North Atlantic area to accede to this Treaty. Any State so invited may become a Party to the Treaty by depositing its instrument of accession with the Government of the United States of America. The Government of the United States of America will inform each of the Parties of the deposit of each such instrument of accession.
Es gibt kein Recht auf Beitritt!

Und ob es für einen BESTIMMTEN Beitrittskandidaten zur jeweiligen ZEIT die Zustimmung der anderen Staaten gibt, ist doch wohl eine politische Entscheidung.

Im Übrigen stimme ich deinem Tenor aber zu: Putin ist hier eindeutig der (aktuelle) Aggressor, sein Völkerrechtsbruch ist durch nichts zu rechtfertigen (was nicht ausschließt, dennoch nach Hintergründen zu fragen; dann Pathologisierung führt selten weiter).
Du hast behauptet, die Interessen Russlands seien genauso legitim wie die der Ukraine. Jetzt versuchst du die Torpfosten zu verschieben. Ob die Ukraine ein Recht hat, der NATO beizutreten, steht gar nicht zur Debatte, sondern allein die von dir behauptete Legitimität der russischen Position.

Nach welchen Maßstäben soll sie denn legitim sein? Die des Völkerrechs sind es jedenfalls nicht.
Liz
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Ukraine

Beitrag von Liz »

@Joshua: Putins Logik ist verkürzt „die gegen uns“ und „die NATO-Staaten als heimliche
Aggressoren, die ihre Versprechen nie einhalten, sondern Russland auf die Pelle rücken“. Dies geht aber bereits insoweit an der Realität vorbei, als dass
a) die Osterweiterung der EU / NATO eben auch was damit zu tun hat, dass sich diese Staaten mehr Sicherheit und Wohlstand von einer stärkeren Westanbindung versprechen (warum bloß?);
b) Russland in den letzten Jahren der Staat in Europa (iwS) war, der immer wieder Gebietsgrenzen gewaltsam verletzt hat;
c) beim besten Willen nicht erkennbar ist, weshalb die NATO / EU ein Interesse daran haben sollte, Russland militärisch anzugreifen, es also für Russland „gefährlich“ sein sollte, eine Grenze mit NATO-Staaten zu haben. Das macht nur Sinn, wenn man Russland in den Grenzen von 1989 vor Augen hat und es als „Angriff“ empfindet, wenn sich die ehemals beherrschten Gebiete anders als erhofft orientieren (hier scheint mir der Begriff der russischen Paranoia durchaus treffend zu sein).

Was die Alternative wäre, zeigt schlichtweg die Entwicklung der EU: Wer hätte vor 100 Jahren gedacht, dass es möglich sein könnte, dass die Erzfeinde Deutschland und Frankreich wirtschaftlich und politisch so stark miteinander verbunden sind, dass sie sogar eine Währung teilen, ohne dass der eine den anderen beherrscht? Ein Knackpunkt im Verhältnis mit Russland scheint mir hier zu sein, dass Russland derzeit wirtschaftlich und politisch nicht wirklich in der Lage ist, in eine dauerhaft friedliche Partnerschaft mit der EU / NATO auf Augenhöhe zu treten (Wobei mir hier das Verhältnis zu den EU-Staaten wichtiger als das Verhältnis zu den USA zu sein scheint).

Natürlich ist es zum Verständnis des Konflikts sinnvoll und wichtig, die russische Perspektive zu verstehen, aber der Lösung des Konflikts wird man mE nicht näher kommen, solange Russland der Illusion nachhängt, die Welt wäre wieder in Ordnung, wenn die NATO nicht in Osteuropa präsent wäre.
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