Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo zusammen,
nur noch wenige Tage und ich fange als Richter auf Probe an. Nun bin ich von Tag zu Tag mehr und mehr verunsichert.

Wie soll man das überstehen?
Wie soll ich mich entscheiden, welche Akte ich zuerst lese? (stelle mir naiv ein kleines Zimmerchen voller staubigen Akten vor)
Wie soll ich andere Entscheidungen ganz allein treffen? Terminieren? Passt die Geschäftsstelle mit auf, dass die Fristen beachtet werden?
Was ist, wenn plötzlich einer eine EV haben will? Und Zeugen mitgebracht hat? Wie Autorität ausstrahlen?


Wann morgens kommen? Was anziehen? (Robe ist ja nur im Saal gefragt, sieht in der Kantine reichlich blöd aus)
Was mitbringen? Eigenes Gesetz? Kaffee-Tasse und Tauchsieder?

Wie habt Ihr es geschafft?
Zuletzt geändert von Gelöschter Nutzer am Mittwoch 21. Juli 2010, 23:15, insgesamt 1-mal geändert.
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batman
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von batman »

oh-mann hat geschrieben:Wie soll man das überstehen?
Wie alle anderen vor Dir auch. Entspannung!
oh-mann hat geschrieben:Wie soll ich mich entscheiden, welche Akte ich zuerst lese? (stelle mir naiv ein kleines Zimmerchen voller staubigen Akten vor)
Wie die Akten kommen. Mal von hinter beginnend reinschauen, sehen was ansteht, Haufen bilden mit dringenden und weniger dringenden Akten.
oh-mann hat geschrieben:Wie soll ich andere Entscheidungen ganz allein treffen? Terminieren? Passt die Geschäftsstelle mit auf, dass die Fristen beachtet werden?
Für die Formalien gibt es Formblätter. Gelegentlich mal erfahrene Kollegen fragen (aber nicht wegen jeder Akte, selbst denken!). Nicht jede Geschäftsstelle achtet darauf. Die Verantwortung liegt bei Dir. Mal mit der Geschäftsstelle sprechen.
oh-mann hat geschrieben:Was ist, wenn plötzlich einer eine EV haben will? Und Zeugen mitgebracht hat? Wie Autorität ausstrahlen?
Das dürfte kaum passieren! In erster Linie Ruhe bewahren und ausstrahlen. Kaum eine EV muss binnen Stundenfrist erlassen werden. Schauen, wie eilig es wirklich aussieht und dann in aller Gelassenheit prüfen, was an der Sache sonst dran ist.
oh-mann hat geschrieben:Wann morgens kommen? Was anziehen? (Robe ist ja nur im Saal gefragt, sieht in der Kantine reichlich blöd aus) Was mitbringen? Eigenes Gesetz? Kaffee-Tasse und Tauchsieder?
9 Uhr ist gut. Sportlich elegant, nicht übertrieben förmlich gekleidet. Gute Laune mitbringen. Gesetz dürfte vorhanden sein, irgendwo auch ´ne Kaffeemaschine. Tasse könnte nicht schaden.
oh-mann hat geschrieben:Wie habt Ihr es geschafft?
Siehe oben, Gelassenheit siegt! :hotsun:
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MobileDeepBlueSea
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von MobileDeepBlueSea »

Genau. Die muss man aber als Überlastung nach außen verkaufen. :-$
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von Satan667 »

Mich würden auch Erfahrungen interessieren, da ich ebenfalls bald anfange. Würde mich freuen, wenn ein paar Profis mal etwas berichten könnten, wie sie versch. Sachen so angegangen sind. Was sollte man sich vorher vielleicht nochmal angucken? Welche Literatur sollte man sich ggbf. besorgen? Tipps & Tricks?
Vielleicht kann man aus dem Thread ja ein bißchen was auch für nachfolgende Proberichter machen.
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batman
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von batman »

MobileDeepBlueSea hat geschrieben:Die muss man aber als Überlastung nach außen verkaufen. :-$
Und das geht so: http://www.lawblog.de/index.php/archive ... chaft-rat/ :D
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@batman:
Vielen herzlichen Dank!

Noch etwas: wahrscheinlich sind die Akten bereits da, wenn ich komme - die von dem Vorgänger, der bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben hat oder so. Soll ich mich bei den "älteren" Sachen bei jeder RA-Kanzlei melden und mich entschuldigen? Ganz nach dem Motto - bin neu, die Bearbeitung kommt. Oder ist es zu viel des Guten?

Wie oft ist im "richtigen Leben" ein Hinweis nach § 139 ZPO tatsächlich angebracht? Vor dem 2.StEX mussteman nur wissen, dass es so etwas überhaupt gibt. Soll ich nun vorsorglich auf alles hinweisen, was mir vor die Flinte kommt?

Ist man als Proberichter überhaupt in den GVPlan eingebunden? Muss ja, oder? Allein schon wg. Anspruch auf ges. Richter. hm...

Mir wurde z.B. noch gar nicht mitgeteilt, was für 'n Dezernat ich kriege (Gott bewahre vor Vormundschaftssachen). Wenn der GVPlan von vorn herein gilt, muss es doch bereits feststehen, was ich sachlich zu tun haben werde. Oder?

Traumhaft wäre Strafrecht für den Anfang [-o< ... Stelle ich mir mit Blick auf die Neuregelung zu den Urteilsabsprachen ganz reizend vor. :headbang:
Aber man nimmt, wie es kommt ...

Es sieht so aus, als würde man den genauen Aufgabenbereich erst NACH der Vereidigung erfahren, wenn es kein Zurück mehr gibt.

A propos Vereidigung. Wie läuft diese ab. Meine Info bisher: die findet in einer beliebigen Strafsache etwa mitten in der Verhandlung statt. Muss man den Text auswendig lernen (gehe doch stark davon aus, dass das nicht der Fall ist)? Wird es einem durch den Vorsitzenden (???) häppchenweise vorgelesen zum "Nachplappern"? Muss man unterschreiben? Muss man dabei die Robe tragen?

Ach, Ihr merkt schon - Fragen über Fragen...

Den anderen dürfte es doch ähnlich gehen. Also: HILFE!!!!
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von Tequila »

oh-mann hat geschrieben: Wie oft ist im "richtigen Leben" ein Hinweis nach § 139 ZPO tatsächlich angebracht? Vor dem 2.StEX mussteman nur wissen, dass es so etwas überhaupt gibt. Soll ich nun vorsorglich auf alles hinweisen, was mir vor die Flinte kommt?
Wenn Du deinen Job gut machen willst, dann darfst Du davon öfters Gebrauch machen. In der Kanzlei, in der ich arbeite, freuen wir uns immer, wenn ein Richter den Schriftverkehr der Anwälte auch liest und aktiv wird.

Viel Erfolg für den 1. Tag!
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batman
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von batman »

oh-mann hat geschrieben:wahrscheinlich sind die Akten bereits da, wenn ich komme - die von dem Vorgänger, der bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben hat oder so. Soll ich mich bei den "älteren" Sachen bei jeder RA-Kanzlei melden und mich entschuldigen? Ganz nach dem Motto - bin neu, die Bearbeitung kommt. Oder ist es zu viel des Guten?
Die Prozessleitung der Gerichts spricht für sich selbst. Es wird sich für nichts entschuldigt. :D Sieht eh jeder, dass es einen Richterwechsel gab. Sowas kommt häufiger vor.
oh-mann hat geschrieben:Wie oft ist im "richtigen Leben" ein Hinweis nach § 139 ZPO tatsächlich angebracht? Vor dem 2.StEX mussteman nur wissen, dass es so etwas überhaupt gibt. Soll ich nun vorsorglich auf alles hinweisen, was mir vor die Flinte kommt?
Nein, Anwälte dürfen selbst denken! ;) Dafür muss man ein Gefühl entwickeln. Hinweise v.a. bei unschlüssiger Klage, unerheblichen Einwänden, fehlendem Beweisantritt. Wenn Du auf jeden Nonsens hinweisen willst, kommst Du sonst zu nichts.
oh-mann hat geschrieben:Ist man als Proberichter überhaupt in den GVPlan eingebunden? Muss ja, oder? Allein schon wg. Anspruch auf ges. Richter. hm...
Mir wurde z.B. noch gar nicht mitgeteilt, was für 'n Dezernat ich kriege (Gott bewahre vor Vormundschaftssachen). Wenn der GVPlan von vorn herein gilt, muss es doch bereits feststehen, was ich sachlich zu tun haben werde. Oder?
Proberichter sind Richter im Sinne des Gestzes wie alle anderen auch. Das Präsidium muss einen GV-Beschluss fassen, wo Du hinkommst. Unbedingt vorher erkundigen, damit es keine Überraschungen gibt. Vormundschaft dürfen Proberichter im ersten Jahr nicht machen! :alright
oh-mann hat geschrieben:A propos Vereidigung. Wie läuft diese ab. Meine Info bisher: die findet in einer beliebigen Strafsache etwa mitten in der Verhandlung statt. Muss man den Text auswendig lernen (gehe doch stark davon aus, dass das nicht der Fall ist)? Wird es einem durch den Vorsitzenden (???) häppchenweise vorgelesen zum "Nachplappern"? Muss man unterschreiben? Muss man dabei die Robe tragen?
Kann auch ´ne Zivilsache sein :D Der Eidestext ist nicht lang und wird vorgesagt. Keine Robe, Du leitest (noch) keine Sitzung.

Na dann viel Erfolg! :x-mas:
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von Swann »

oh-mann hat geschrieben: Traumhaft wäre Strafrecht für den Anfang [-o< ... Stelle ich mir mit Blick auf die Neuregelung zu den Urteilsabsprachen ganz reizend vor. :headbang:
Die deutsche Justiz wird auch dich überleben.
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Swann hat geschrieben: Die deutsche Justiz wird auch dich überleben.
Danke auch für diesen Beitrag . Lieber wären mir aber Menschen, die helfen wollen und können.
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batman
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von batman »

Nicht jeder, der will, kann auch :D
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von pHr3d »

Für BW kann ich sagen: Bei der Vereidigung wird Robe getragen, bekommt man aber gestellt. Und den Text für die Vereidigung auch, man kann also einfach ablesen.

Ansonsten: Wirklich hart ist die erste Woche, da hat man das Gefühl das man das nie im Leben schaffen wird. Aber das legt sich schnell. Ich hatte den Eindruck, dass das wichtigste eine gewisse Entscheidungsfreudigkeit ist. Und wenn mal eine falsche Entscheidung dabei ist, ist das im allgemeinen auch nicht weiter wild. Gerade am AG werden die RA das meist nicht mal merken :).
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von MobileDeepBlueSea »

:lmao:

*murmelt was von Schiedsverfahren als Alternative. :D
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von non-liquet »

pHr3d hat geschrieben:Für BW kann ich sagen: Bei der Vereidigung wird Robe getragen,
An manchen Gerichten vielleicht, aber eine generelle Verfahrensweise ist das nicht.
Ansonsten: Wirklich hart ist die erste Woche, da hat man das Gefühl das man das nie im Leben schaffen wird. Aber das legt sich schnell. Ich hatte den Eindruck, dass das wichtigste eine gewisse Entscheidungsfreudigkeit ist.
Genau. Zudem sollte man sich von der Neigung lösen, aus jedem Fall eine Doktorarbeit zu machen. :D
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Re: Wie übersteht man die ersten Tage als Proberichter???

Beitrag von batman »

non-liquet hat geschrieben:Zudem sollte man sich von der Neigung lösen, aus jedem Fall eine Doktorarbeit zu machen. :D
Ungefähr so:
"Der Kläger meint, er habe einen Anspruch aus § 823 BGB. Das erscheint dem Gericht angemessen. Kosten: § 91 ZPO, Vorl. Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO."
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