tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Moderator: Verwaltung
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Nach meiner persönlichen Erfahrung als Proberichter in NRW ist eine 70-Stunden-Arbeitswoche (Wochenende inklusive) normal.
In einer guten Woche bin ich auch mal mit 60 Stunden ausgekommen. Auch für Kollegen jenseits des 50. Lebensjahres war immerhin eine 50-60-Stunden-Arbeitswoche der Regelfall.
Für mich war das ein Grund, den Job nach relativ kurzer Zeit aufzugeben.
Schade, dass diese Arbeitsbedingungen so wenig nach außen kommuniziert werden und im Gegenteil weithin das Bild eines gemütlichen Traumberufs verbreitet ist.
In einer guten Woche bin ich auch mal mit 60 Stunden ausgekommen. Auch für Kollegen jenseits des 50. Lebensjahres war immerhin eine 50-60-Stunden-Arbeitswoche der Regelfall.
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- Zippocat
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Für Niedersachsen: Ich habe bei der StA normalerweise von 9-18 Uhr gearbeitet, also netto acht Stunden. Freitags eher 16 Uhr, Wochenende aus der Erinnerung ca. einmal alle acht Wochen, Jugend/Erwachsenendezernat. Mit steigender Erfahrung eher weniger. 1. Station am Amtsgericht war naturgemäß aufgrund mangelnder Erfahrung und wegen eines besonderen Dezernats (Zivil/Betreuung) mehr, insbesondere mehr Wochenenden. Als Straf/OWi-Richter dann weniger, eher unter 40/h Woche. Am LG ähnlich, sowohl in Zivil- als auch Strafkammern.
Moral: Die konkrete Arbeitsbelastung hängt neben Selbst-Orga und Lernfähigkeit erheblich von Erfahrung und Glück ab. Mit allgemeingülitgen Beurteilungen halte ich mich daher zurück.
Moral: Die konkrete Arbeitsbelastung hängt neben Selbst-Orga und Lernfähigkeit erheblich von Erfahrung und Glück ab. Mit allgemeingülitgen Beurteilungen halte ich mich daher zurück.
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Eine gewisse Einarbeitungszeit (umgangssprachlich Praxisschock genannt) gibt es bei der Justiz natürlich genauso wie bei uns Anwälten. Was ich aber bei Dir nicht verstehe: Warum hast Du es nicht etwas langsamer angehen lassen? Selbst als Proberichter sind doch wohl 50h/Woche ausreichend, zumal Euch keiner an den sprichwörtlichen Karren fahren kann.Insider hat geschrieben:Nach meiner persönlichen Erfahrung als Proberichter in NRW ist eine 70-Stunden-Arbeitswoche (Wochenende inklusive) normal. In einer guten Woche bin ich auch mal mit 60 Stunden ausgekommen.
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Nach meiner Erfahrung ist der Beruf des Richters - insbesondere am AG - schon lange (sofern er es jemals war) "gemütlicher Beruf". Alle meine ehemaligen Kommilitonen oder AG-Mitstreiter, die als Richter tätig sind, haben Arbeitszeiten, die in den Spitzen auch nach der Lebenszeiternennung am Wochenende vor den Akten sitzen. Da ich Studium und Referendariat an verschiedenen Orten verbracht habe, sind meine Bekannten so auch über alle Bundesländer verteilt. Ohne Allgmeingültigkeit kann ich aus deren Erfahrungen sagen, dass es insbesondere in NRW, Berlin, Hamburg und BaWü nicht ohne ist. Derjenige, der den Beruf des Richters ergreifen möchte und sich über die R1-Besoldung mit viel Freizeit hinweg helfen möchte, wird wohl enttäuscht werden.
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Ob 50 h/Woche ausreichen, kann man ohne Kenntnis des Dezernats wohl kaum beurteilen... wenn die Akten da sind, sind sie eben da und müssen bearbeitet werden.Leo12 hat geschrieben:Was ich aber bei Dir nicht verstehe: Warum hast Du es nicht etwas langsamer angehen lassen? Selbst als Proberichter sind doch wohl 50h/Woche ausreichend, zumal Euch keiner an den sprichwörtlichen Karren fahren kann.
Und dass man sein Dezernat nicht (und erst recht nicht gleich am Anfang, wo man noch unter besonderer Beobachtung steht) einfach absaufen lassen will, ist doch verständlich.
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Hinsichtlich Baden-Württemberg sind meine Erfahrungen durchweg andere, aber eine statistisch belastbare Größe an Personen kennen wir nun beide nicht, so dass es sich lediglich um einen nicht-signifikanten Ausschnitt handelt. Nicht umsonst sprichst Du ja von einer fehlenden Allgemeingültigkeit.
(Zu Elbflorenz)
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Und was machst Du jetzt? Verwaltung, Unternehmensjurist, Rechtsanwalt, Notar oder etwas ganz anderes?Insider hat geschrieben:Nach meiner persönlichen Erfahrung als Proberichter in NRW ist eine 70-Stunden-Arbeitswoche (Wochenende inklusive) normal.
In einer guten Woche bin ich auch mal mit 60 Stunden ausgekommen. Auch für Kollegen jenseits des 50. Lebensjahres war immerhin eine 50-60-Stunden-Arbeitswoche der Regelfall.
Für mich war das ein Grund, den Job nach relativ kurzer Zeit aufzugeben.
Schade, dass diese Arbeitsbedingungen so wenig nach außen kommuniziert werden und im Gegenteil weithin das Bild eines gemütlichen Traumberufs verbreitet ist.
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Da wunder ich mich aber: Warum?Elbflorenz hat geschrieben:Nach meiner Erfahrung ist der Beruf des Richters - insbesondere am AG - schon lange (sofern er es jemals war) "gemütlicher Beruf". Alle meine ehemaligen Kommilitonen oder AG-Mitstreiter, die als Richter tätig sind, haben Arbeitszeiten, die in den Spitzen auch nach der Lebenszeiternennung am Wochenende vor den Akten sitzen. Da ich Studium und Referendariat an verschiedenen Orten verbracht habe, sind meine Bekannten so auch über alle Bundesländer verteilt. Ohne Allgmeingültigkeit kann ich aus deren Erfahrungen sagen, dass es insbesondere in NRW, Berlin, Hamburg und BaWü nicht ohne ist. Derjenige, der den Beruf des Richters ergreifen möchte und sich über die R1-Besoldung mit viel Freizeit hinweg helfen möchte, wird wohl enttäuscht werden.
Ich erinnere mich da immer noch an meine erste Woche an der Uni. Wo ein Mitglieder des Richterwahlausschusses vom OLG Hamburg uns bei den Praxistagen recht offen erklärte, dass die Richter sich nicht den Anzug von Dr. Strate nebenan leisten können, dafür aber genug Zeit für Tennis und Kinderzeugen haben. Das sei auch "heute" (so lange ist das nicht her!) noch so, zumindest nach der Probezeit. Wenn ein Richter faul ist dann wird er entlastet und wenn er noch fauler ist dann wird er noch mehr entlastet. Und salomonisch schloss er es ab mit "Der sorgfältige Richter ist weder der schlechtere Richter noch der unbeliebtere Richter am Gericht".
Daher ist doch solche Geschichten wie "70 Stunden auch nach der Lebenszeiternennung" doch dem Ehrgeiz der einzelnen Leute geschuldet? Es gibt doch gar keine Konsequenz, wenn man das Pensum nicht schafft.
Ähnliches wurde uns auch von der Staatsanwaltschaft erzählt. Spätestens wenn man es in ein Spezialdezernat geschafft hat und man da seine Verfahren die man an zwei Händen abzählen kann hat, soll man gut mit der Zeit auskommen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
- Leo12
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Natürlich ist das verständlich. Andererseits zahlt der öffentl. Dienst als Arbeitgeber formal für eine bestimmte Wochenstundenanzahl (in einigen Bundeländern [auch in BW] gibt es für Proberichter meines Wissens sogar eine befristete Besoldungsreduzierung. Argument: Die volle Arbeitsleistung könne nicht schon zu Beginn erbracht werden).Eagnai hat geschrieben:Und dass man sein Dezernat nicht (und erst recht nicht gleich am Anfang, wo man noch unter besonderer Beobachtung steht) einfach absaufen lassen will, ist doch verständlich.
Sofern selbst bei Leistung angemessener Überstunden ein "Absaufen" des Dezernats droht, sehe ich hier eher den Arbeitgeber in der Verantwortung, das Personal ggf. um eine weitere Richterstelle aufzustocken. Ansonsten darf man sich nicht wundern, wenn die besonders qualifizierten Juristen nach wenigen Monaten z.B. in eine Großkanzlei wechseln, wo sie zwar auch 70h/Woche haben, aber dafür auch erheblich höhere Bezüge.
- non-liquet
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Das bezieht sich wohl weithin auf den badischen Landesteil (oder die Verwaltungsgerichte ). Dass die Uhren dort etwas anders gehen als im Stuttgarter Bezirk, sollte man nicht vergessen.Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Hinsichtlich Baden-Württemberg sind meine Erfahrungen durchweg andere
Nun ja. Sorgfalt ist das eine. Entscheidungsschwäche, fehlende Selbstorganisation und Fall-Zelebrieren etwas anderes, auch wenn es da und dort als sorgfältige Arbeit verkauft werden mag.Ara hat geschrieben:Und salomonisch schloss er es ab mit "Der sorgfältige Richter ist weder der schlechtere Richter noch der unbeliebtere Richter am Gericht". Daher ist doch solche Geschichten wie "70 Stunden auch nach der Lebenszeiternennung" doch dem Ehrgeiz der einzelnen Leute geschuldet? Es gibt doch gar keine Konsequenz, wenn man das Pensum nicht schafft.
Und, wie gesagt, für einen Proberichter sieht die Geschichte in puncto "Konsequenzen" dann nochmal spezieller aus.
Nein, in BaWü ist das Argument "Das Land muss sparen."Leo12 hat geschrieben:(in einigen Bundeländern [auch in BW] gibt es für Proberichter meines Wissens sogar eine befristete Besoldungsreduzierung. Argument: Die volle Arbeitsleistung könne nicht schon zu Beginn erbracht werden).
- Einwendungsduschgriff
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Nein, gleichmäßig verteilt. Die Kollegen im Stuttgarter OLG-Bezirk haben sogar noch ein lockereres Leben allem Anschein nach, gerade im LG-Bezirk Stuttgart.non-liquet hat geschrieben:Das bezieht sich wohl weithin auf den badischen Landesteil (oder die Verwaltungsgerichte ). Dass die Uhren dort etwas anders gehen als im Stuttgarter Bezirk, sollte man nicht vergessen.Einwendungsduschgriff hat geschrieben:Hinsichtlich Baden-Württemberg sind meine Erfahrungen durchweg andere
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
In der Theorie ist das sicher alles gut und richtig - in der Praxis hilft einem das nur leider nicht weiter.Leo12 hat geschrieben:Sofern selbst bei Leistung angemessener Überstunden ein "Absaufen" des Dezernats droht, sehe ich hier eher den Arbeitgeber in der Verantwortung, das Personal ggf. um eine weitere Richterstelle aufzustocken.
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
http://ploetzlichrichterin.wordpress.com/ (Verwaister Link automatisch entfernt)
Ein eindrucksvoller Blog einer jungen Proberichterin, der zeigt, dass (1) die Arbeitsbelastung anfangs mörderisch sein kann, aber (2) der Spass an der Arbeit darunter nicht zwangsläufig leiden muss.
Ein eindrucksvoller Blog einer jungen Proberichterin, der zeigt, dass (1) die Arbeitsbelastung anfangs mörderisch sein kann, aber (2) der Spass an der Arbeit darunter nicht zwangsläufig leiden muss.
Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Mir steht das alles zwar erst ggf. noch bevor, allerdings muss ich da ganz ehrlich sagen: 14-Stunden-Tage bei 7-Tage-Wochen möchte ich nicht und könnte ich auch gar nicht arbeiten. Und demzufolge würde ich das auch nicht *ansatzweise* überhaupt versuchen, egal was dabei an Akten liegenbleibt. Wenn man deswegen rausfliegt, ist das eben so. Glaube ich aber eher weniger. Es sei denn, diese Zeiten hat sich der Bearbeiter tatsächlich selbst - warum auch immer - zuzuschreiben.Spencer hat geschrieben:http://ploetzlichrichterin.wordpress.com/ (Verwaister Link automatisch entfernt)
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- Bart Wux
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA
Also erstmal: Es gibt NICHTS, was ich 14 Stunden täglich für 7 Tage in der Woche tun könnte, was dann noch Spaß macht. NICHTS! Und zweitens: Ich kenne kaum einen Richter, der nachmittags noch zu erreichen wäre. Und dieses nachmittags fängt manchmal schon um 1 an. Spätestens um 3 ist kein Robenträger mehr im Haus. Okay, das sind keine Proberichter mehr, aber trotzdem kann ein derartiger Unterschied nicht mehr mit Routine erklärt werden. Ach ja, Aktenberge hatten die auch, aber die haben sich halt ihr Leben nicht kaputt machen lassen, nur weil da halt jeden Tag was nach kommt.
"Attempted murder. Now honestly, what is that? Do they give a Nobel Prize for attempted chemistry?"
Robert Underdunk Terwilliger
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