tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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Trojan
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von Trojan »

cmddea hat geschrieben:Mein Erfahrungsbericht aus Hessen deckt sich mit dem, was hier teilweise schon gesagt wurde: Es kommt darauf an.

Und zwar auf das Dezernat, in dem man landet, auf die Hilfsbereitschaft der Kollegen und auf die eigenen juristischen und organisatorischen Fähigkeiten.

Ganz entscheident ist zunächst das Dezernat, da man in Hessen nie weiß, wo man landet. Ich selbst hatte am LG angefangen und war gedrittelt in Straf-, Berufungs- und Beschwerdekammer. Das war, kann ich ehrlich zugeben, ein leichter Einstieg. In Strafsachen neben dran sitzen, in Berufungssachen alle 2 Wochen 1 Verhandlungstag in der Kammer und in Beschwerdesachen fast gar keine Verhandlungen. Dazu waren die Dezernate auch nicht überlaufen.

Andere Kollegen, die an meinem jetzigen AG Proberichter sind, wurde voll in die Sch.... geworfen, zT. völlig überlaufene Zivildezernate, zT. halbiert zwischen Zivil- und Strafsachen, und das als Erstverwendung. Die haben ganz schön gekotzt.

Von den Kollegen hängt es natürlich ab, wie viel Hilfe man bekommt. Dass die ersten Wochen eh nur Stückwerk sind und der Versuch, irgendwie rein zu kommen, ist klar. Je mehr Hilfe man da hat, umso schneller geht es.

Sehr wichtig sind auch die eigenen Fähigkeiten, sowohl in juristischer Hinsicht, in Fragen der Organisation und einfach des Erfassens von Akteninhalten. Manches rechtliche ist vom Examen bekannt (die Grundlage ist hier sowiso notwendig), im Übrigen muss man sich viel Neues drauf schaffen. Je schneller das geht und je besser man das versteht, um so besser funktioniert nicht nur das Entscheiden, sondern die Verfahrens- und Verhandlungsleitung (also auch die Hinweiserteilung, das Fassen von Beweisbeschlüssen und letztlich auch das Lesen der Schriftsätze, da man mit der Zeit immer selektierter nach dem liest, was man für notwendig erachtet). Manche müssen eine Akte fünf mal vor, zurück und quer lesen, manche blättern sie einmal durch und wissen, worauf es ankommt und können daher viel effektiver arbeiten, auch die Recherche geht natürlich schneller, wenn man weiß, auf welche rechtlichen Fragen es ankommt.

Wichtig hierbei ist zB. auch, wie die eigene Organisationsfähigkeit ist. Wer vorher schon (zB. als Anwalt) gearbeitet hat, weiß, wie er sich organisiert und kommt besser rein, da ein Mentorensystem für Proberichter nunmal nicht existiert und man am Anfang halt mit einem Berg Akten im Büro sitzt und sich überlegen muss, was man jetzt wohl macht. Auch andere selbstoranisierte Tätigkeiten sind hier von großem Vorteil, wozu ich auch maßgeblich eine Dissertation zähle. Nicht, weil man Vorteile hat durch das, was man dort rechtlich gemacht hat, sondern weil man sich mal für einen langen Zeitraum völlig selbst organsisiert hat, von der Frage, was man eigentlich machen will, über die Recherche, die Planung und die Durchführung, auch Auslandssemester, LLM oder ähnliches bringen Erfahrungen, die man zu Beginn in der Justiz nutzen kann. Wer immer in Lerngruppen und Rep gelernt hat und direkt vom Examen in die Justiz geht, wird sich daher meist auf eine größere organisatorische Eingewöhnung einstellen müssen (was aber auch nicht immer zwingend so sein muss).

Gruß
Dea
Hey Dea,
Dein Beitrag hat mir echt total geholfen. Bin mal auf meine ersten Wochen gespannt (auch an einem AG in He ;-) ).
Gruß
Trojan
mo13
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von mo13 »

Nach sechs Wochen am LG (Zivil und Strafkammer) sind es mo-do 12h/Tag. Freitag mach ich früher Schluss und mach nur 9h. Versuche am WE nichts mit heim zu nehmen, klappt aber nicht immer. Habe allerdings auch ein aufgeräumtes Referat und sehr hilfsbereite Kollegen und einen äußerst netten und verständnisvollen Vorsitzenden erwischt...
Gelöschter Nutzer

Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

mo13 hat geschrieben:Nach sechs Wochen am LG (Zivil und Strafkammer) sind es mo-do 12h/Tag. Freitag mach ich früher Schluss und mach nur 9h. Versuche am WE nichts mit heim zu nehmen, klappt aber nicht immer. Habe allerdings auch ein aufgeräumtes Referat und sehr hilfsbereite Kollegen und einen äußerst netten und verständnisvollen Vorsitzenden erwischt...
Aber Brutto-Anwesenheit am Gericht hoffe ich. Ansonsten wären das fast 60h/ Woche. Das ist nicht wenig.
altersack
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von altersack »

Insider hat geschrieben: Mittwoch 23. Mai 2012, 17:22 Nach meiner persönlichen Erfahrung als Proberichter in NRW ist eine 70-Stunden-Arbeitswoche (Wochenende inklusive) normal.
In einer guten Woche bin ich auch mal mit 60 Stunden ausgekommen. Auch für Kollegen jenseits des 50. Lebensjahres war immerhin eine 50-60-Stunden-Arbeitswoche der Regelfall.
Für mich war das ein Grund, den Job nach relativ kurzer Zeit aufzugeben.
Schade, dass diese Arbeitsbedingungen so wenig nach außen kommuniziert werden und im Gegenteil weithin das Bild eines gemütlichen Traumberufs verbreitet ist.
Also......
Ich bin schon ein paar Jahre im Arbeitsmarkt angekommen. Ich habe eine WP Gesellschaft hinter mir, zwei amerikanische Großkanzleien und eine Tätigkeit in Brüssel (Wirtschaftsverband). Jetzt bin ich Hochschullehrer.

Summe: Arbeitszeiten für Juristen, die etwas erreichen wollen sind IMMER brutal. Auch die selbstständigen Kollegen/-Innen, die eine eigene Kanzlei erfolgreich führen arbeiten gute 60 Stunden in der Woche. Das Privatleben dient weitenteils der Akquisition und Kontaktpflege. Einen Job unter 60 Stunden habe ich gelegentlich bei der Arbeitgeberverbänden gesehen. Sonst gibt es das System 9 to 5 nicht, wenn man vernünftig verdienen und etwas erreichen will. Den Richterdienst kenne ich mittelbar, weil mein Vater den Weg bis zum OLG Senatsvorsitzenden gegangen ist. Ich kannte es nicht anders von ihm, dass er um 18.30 daheim war zum Abendessen und danach mit Akten und Diktiergerät bis ca 22 Uhr in seinem Büro verschwand. Morgend um 7.30h saß er im Bus zum Gericht. Auch die Verfahren meines Vaters habe ich teilweise mitbekommen, NS Gewaltverbrechen am Anfang, dann RAF, schließlich die Aufarbeitung politischer Strafverfahren aus der DDR. Immer die Hand am Puls der Zeit und dies mit viel Verantwortung.
Es gibt Dusselstellen in der Kommunalverwaltung, wo man Zeit hat seine mageren A 13 in der Freizeit auszugeben. Im Übrigen gilt: Was vernünftiges studieren oder ran klotzen. Wir haben ein Studium mit unglaublich vielen Möglichkeiten gewählt. Wer es gemütlich haben will, muss eben die Kommunale Hundekotsatzung entwerfen. Aber habt Ihr dafür um Eurer VB gekämpft?
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von OJ1988 »

altersack hat geschrieben: Donnerstag 11. Oktober 2018, 02:42
Insider hat geschrieben: Mittwoch 23. Mai 2012, 17:22 Nach meiner persönlichen Erfahrung als Proberichter in NRW ist eine 70-Stunden-Arbeitswoche (Wochenende inklusive) normal.
In einer guten Woche bin ich auch mal mit 60 Stunden ausgekommen. Auch für Kollegen jenseits des 50. Lebensjahres war immerhin eine 50-60-Stunden-Arbeitswoche der Regelfall.
Für mich war das ein Grund, den Job nach relativ kurzer Zeit aufzugeben.
Schade, dass diese Arbeitsbedingungen so wenig nach außen kommuniziert werden und im Gegenteil weithin das Bild eines gemütlichen Traumberufs verbreitet ist.
Also......
Ich bin schon ein paar Jahre im Arbeitsmarkt angekommen. Ich habe eine WP Gesellschaft hinter mir, zwei amerikanische Großkanzleien und eine Tätigkeit in Brüssel (Wirtschaftsverband). Jetzt bin ich Hochschullehrer.

Summe: Arbeitszeiten für Juristen, die etwas erreichen wollen sind IMMER brutal. Auch die selbstständigen Kollegen/-Innen, die eine eigene Kanzlei erfolgreich führen arbeiten gute 60 Stunden in der Woche. Das Privatleben dient weitenteils der Akquisition und Kontaktpflege. Einen Job unter 60 Stunden habe ich gelegentlich bei der Arbeitgeberverbänden gesehen. Sonst gibt es das System 9 to 5 nicht, wenn man vernünftig verdienen und etwas erreichen will. Den Richterdienst kenne ich mittelbar, weil mein Vater den Weg bis zum OLG Senatsvorsitzenden gegangen ist. Ich kannte es nicht anders von ihm, dass er um 18.30 daheim war zum Abendessen und danach mit Akten und Diktiergerät bis ca 22 Uhr in seinem Büro verschwand. Morgend um 7.30h saß er im Bus zum Gericht. Auch die Verfahren meines Vaters habe ich teilweise mitbekommen, NS Gewaltverbrechen am Anfang, dann RAF, schließlich die Aufarbeitung politischer Strafverfahren aus der DDR. Immer die Hand am Puls der Zeit und dies mit viel Verantwortung.
Es gibt Dusselstellen in der Kommunalverwaltung, wo man Zeit hat seine mageren A 13 in der Freizeit auszugeben. Im Übrigen gilt: Was vernünftiges studieren oder ran klotzen. Wir haben ein Studium mit unglaublich vielen Möglichkeiten gewählt. Wer es gemütlich haben will, muss eben die Kommunale Hundekotsatzung entwerfen. Aber habt Ihr dafür um Eurer VB gekämpft?
Mit Nahbereichsempirie ist das immer so eine Sache. Ich habe z.B. zwei gute Freunde, die schon in ihrer Proberichterzeit i.d.R. nur vier Tage die Woche arbeiten.
surcam
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von surcam »

Auch wenn Leichenfledderei nicht so mein Ding ist ...
altersack hat geschrieben: Donnerstag 11. Oktober 2018, 02:42Wer es gemütlich haben will, muss eben die Kommunale Hundekotsatzung entwerfen. Aber habt Ihr dafür um Eurer VB gekämpft?
ad "gemütlich": Ich bezweifle, dass es in der Kommunalverwaltung notwendigerweise gemütlicher ist als am Gericht. Die Kommunalbeamten sind weisungsgebunden und können deshalb nicht schalten und walten, wie sie wollen im Gegensatz zu Richtern. Der Kommunalbeamte muss deshalb viele Meinungen unter einen Hut bringen. Der Richter nur seine eigene.

ad "dafür": Der Entwurf kommunaler Satzungen dürfte teilweise um einiges schwieriger sein als der Entwurf eines Urteils für einen einzigartigen Fall, bei dem auf Grund der verschiedenen Sichtweisen und der dahinterstehenden zum Teil vermutlich ungeklärten Rechtsfragen jedes Urteil vertret- und begründbar ist. Die kommunale Satzung hingegen muss eine Vielzahl von Fällen bedenken und zudem gerichtsfest sein und schon bestehende Rechtsprechung berücksichtigen.

Disclaimer: Ich bin kein Kommunalbeamter. ^^
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Tibor
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Re: tatsächliche Arbeitsbelastung als Ri auf Probe oder StA

Beitrag von Tibor »

Zur weiteren Diskussion hier entlang: Naturwissenschaften deutlich anspruchsvoller als Jura?
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