Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Hörsaalheld
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Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Hörsaalheld »

Hallo allerseits,

ist jemand im höheren Verwaltungsdienst in einem Bundesland tätig und mag mal die Arbeit eines Regierungsrates genau erläutern oder ist das sehr abhängig vom Ministerium/Referat?
Ich will mich dort gerne bewerben, aber kann mir die Arbeit leider nicht so richtig vorstellen und im Referendariat habe ich es verpasst eine Station bei einem Ministerium zu machen.
Besteht es aus Vermerken/Gutachten schreiben? Nimmt man auch an Ausschüssen teil? Werden auch Gesetze/Satzungen entworfen? Inwiefern kann man sich die Teamarbeit vorstellen?
Ich wäre sehr dankbar für einige Erläuterungen.

Besten Dank!
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Solar
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Solar »

Das ist außerordentlich unterschiedlich je nach Verwendung. Ich kann für Baden-Württemberg berichten, dass von rein juristischer Referentenarbeit bis zur Leitung großer Teams ohne jegliche juristische Arbeit alles dabei sein kann.

In BW durchläuft man in der Regel auch verschiedene Verwaltungsebenen (Landratsamt, Regierungspräsidium und Ministerium). Am Landratsamt kommt es gerade auch anfangs häufig vor, dass man Leiter einer Ordnungseinheit ist, meist "Recht und Ordnung". Das sind dann meist weniger juristische Tätigkeiten und viele Personalangelegenheiten. Man kann aber auch im Rechtsreferat eingesetzt werden und bearbeitet dann als Referent sämtliche Rechtsangelegenheiten des Lanratsamts, dann auch gerne mal Zivilrecht (z.B. Insolvenzrecht, Mietrecht etc.). Häufig sind die klassischen Verwaltungsrecht-Angelegenheiten an Sachbearbeiter ausgelagert (die eigentlichen Verwaltungsakte/Widersprüche etc.). An manchen Landratsämtern obliegt sogar die gerichtliche Betreuung Sachbearbeitern. Sehr hemdsärmelig. Wo es professioneller läuft, machen das auch die Regierungsräte.

Mancherorts wird man auch schnell Dezernent, d.h. man ist noch weiter oben in der Hierarchie und kümmert sich um noch mehr Mitarbeiter. In diesen Positionen besteht dann auch enger Kontakt zum Landrat. Häufig nimmt man für diesen auch an Terminen teil, d.h. in Ausschüssen, im Städterat aber auch bei der Öffentlichkeitsarbeit (Vortragsabende, Eröffnung des neuen XYZ-Gebäudes etc.). Häufig schreibt/hält man auch Reden.

Am RP und Ministerium ist die Tätigkeit dagegen häufig juristischer geprägt. Man arbeitet an Gesetzes-/Verordnungsentwürfen oder ist als Rechts-/Fachaufsicht/Widerspruchsbehörde tätig. Auch hier gibt es aber viele Tätigkeiten, die mit Jura gar nichts mehr zu tun haben. Man kann wirklich auf mehr oder weniger jeder Ebene und für jeden Fachbereich eingesetzt werden. Von der Ministeriums-Stabstelle (hier viel Politik und wenig Jura) über den Fachreferenten (viel klassisches Jura) bis hin zum Organisationsamt (reine Verwaltungstätigkeit ohne Jura) ist alles denkbar. Am RP sind wohl die juristischen Tätigkeiten am häufigsten. Ist man politisch interessiert, bietet vor allem das Ministerium attraktive Positionen. Aber auch auf den anderen Verwaltungsebenen bestehen immer wieder Möglichkeiten, politisch tätig zu sein.

Wer damit nichts zu tun haben möchte, kann sich immer auf die Fachreferentenebene konzentrieren. Hier besteht weniger Verantwortung. Team-Arbeit ist meist gegeben aber auch das hängt zu gewissem Grade von der Position ab. Das sieht dann so aus, dass man gemeinsam an Vermerken oder Entwürfen arbeitet oder Strategien für bstimmte Projekte entwickelt. Auch Geschäftsreisen kommen auf Ministeriumsebene häufiger vor.

Insgesamt ist die Laufbahn außerordentlich abwechslungsreich und man erhält insbesondere an Landratsämtern früh erhebliche Verantwortung übertragen. Ich würde fast behaupten, es ist die juristische Laufbahn, die die meisten Möglichkeiten beitet, sich in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Zudem ist die Arbeitsbelastung in aller Regel sehr überschaubar, d.h. mit 41h/Woche kommen die meisten gut hin und wenn nicht, feiern sie ihre Überstunden zumindest fleißig ab. Davon kann man in Justiz und Anwaltschaft nur träumen. Zudem ist die Beförderungspolitik recht großzügig. Dazu (sowohl zur Arbeitszeit als auch zur Karriere) gibt es hier schon ausführliche Threads, einfach mal suchen. Wenn man sich nicht ganz dumm anstellt, geht man mindestens als A15 in Pension, häufig als A16. A14 winkt nahezu immer bereits nach 3-4 Jahren.

Großes Manko und daher für mich disqualifizierend: Man ist deutlich in hierarchische Strukturen eingebunden, die i.d.R. auch noch politisch geprägt sind. Das bedeutet viel Stellen-Schieberei und "cover my ass" Mentalität bzw. sachfremde Erwägungen und mitunter auch Populismus. Teilweise bewegt sich das nach Erfahrungsberichten meines Freundeskreises auch hart an der Grenze zum Rechtsbruch, oder im Bereich der Untreue (z.B.: Der Landrat hätte gern, dass der Koch seines Lieblingsrestaurants eine Aufenthaltserlaubnis erhält, schauen Sie mal, was Sie da machen können und ziehen Sie das ruhig vor...).
Hörsaalheld
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Hörsaalheld »

Wow! Vielen Dank für den ausführlichen Bericht.

Ich will mich in Brandenburg bewerben und da es dort nur einen zweistufigen Verwaltungsaufbau gibt, werden Stellen für Regierungsräte nur für die Ministerialverwaltung ausgeschrieben. Eine mittlere Ebene existiert wohl gar nicht.

Sehr spannend was du berichtest. Der Abwechslungsreichtum gefällt mir außerordentlich gut, wohingegen deine Schilderung der Stellen-Schieberei eher abschreckend ist, aber wohl in einer zweistufigen Verwaltungsstruktur eher weniger vorkommen kann.
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thh
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von thh »

Hörsaalheld hat geschrieben:ist jemand im höheren Verwaltungsdienst in einem Bundesland tätig und mag mal die Arbeit eines Regierungsrates genau erläutern oder ist das sehr abhängig vom Ministerium/Referat?
Letzeres. "(Regierungs-)Rat" ist eine Amtsbezeichnung, die das Einstiegsamt in den höheren Dienst (A13) bezeichnet, aber keine konkrete Art der Tätigkeit.
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Thandor79 »

Solar hat geschrieben:Das ist außerordentlich unterschiedlich je nach Verwendung. Ich kann für Baden-Württemberg berichten, dass von rein juristischer Referentenarbeit bis zur Leitung großer Teams ohne jegliche juristische Arbeit alles dabei sein kann.

In BW durchläuft man in der Regel auch verschiedene Verwaltungsebenen (Landratsamt, Regierungspräsidium und Ministerium). Am Landratsamt kommt es gerade auch anfangs häufig vor, dass man Leiter einer Ordnungseinheit ist, meist "Recht und Ordnung". Das sind dann meist weniger juristische Tätigkeiten und viele Personalangelegenheiten. Man kann aber auch im Rechtsreferat eingesetzt werden und bearbeitet dann als Referent sämtliche Rechtsangelegenheiten des Lanratsamts, dann auch gerne mal Zivilrecht (z.B. Insolvenzrecht, Mietrecht etc.). Häufig sind die klassischen Verwaltungsrecht-Angelegenheiten an Sachbearbeiter ausgelagert (die eigentlichen Verwaltungsakte/Widersprüche etc.). An manchen Landratsämtern obliegt sogar die gerichtliche Betreuung Sachbearbeitern. Sehr hemdsärmelig. Wo es professioneller läuft, machen das auch die Regierungsräte.

Mancherorts wird man auch schnell Dezernent, d.h. man ist noch weiter oben in der Hierarchie und kümmert sich um noch mehr Mitarbeiter. In diesen Positionen besteht dann auch enger Kontakt zum Landrat. Häufig nimmt man für diesen auch an Terminen teil, d.h. in Ausschüssen, im Städterat aber auch bei der Öffentlichkeitsarbeit (Vortragsabende, Eröffnung des neuen XYZ-Gebäudes etc.). Häufig schreibt/hält man auch Reden.

Am RP und Ministerium ist die Tätigkeit dagegen häufig juristischer geprägt. Man arbeitet an Gesetzes-/Verordnungsentwürfen oder ist als Rechts-/Fachaufsicht/Widerspruchsbehörde tätig. Auch hier gibt es aber viele Tätigkeiten, die mit Jura gar nichts mehr zu tun haben. Man kann wirklich auf mehr oder weniger jeder Ebene und für jeden Fachbereich eingesetzt werden. Von der Ministeriums-Stabstelle (hier viel Politik und wenig Jura) über den Fachreferenten (viel klassisches Jura) bis hin zum Organisationsamt (reine Verwaltungstätigkeit ohne Jura) ist alles denkbar. Am RP sind wohl die juristischen Tätigkeiten am häufigsten. Ist man politisch interessiert, bietet vor allem das Ministerium attraktive Positionen. Aber auch auf den anderen Verwaltungsebenen bestehen immer wieder Möglichkeiten, politisch tätig zu sein.

Wer damit nichts zu tun haben möchte, kann sich immer auf die Fachreferentenebene konzentrieren. Hier besteht weniger Verantwortung. Team-Arbeit ist meist gegeben aber auch das hängt zu gewissem Grade von der Position ab. Das sieht dann so aus, dass man gemeinsam an Vermerken oder Entwürfen arbeitet oder Strategien für bstimmte Projekte entwickelt. Auch Geschäftsreisen kommen auf Ministeriumsebene häufiger vor.

Insgesamt ist die Laufbahn außerordentlich abwechslungsreich und man erhält insbesondere an Landratsämtern früh erhebliche Verantwortung übertragen. Ich würde fast behaupten, es ist die juristische Laufbahn, die die meisten Möglichkeiten beitet, sich in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Zudem ist die Arbeitsbelastung in aller Regel sehr überschaubar, d.h. mit 41h/Woche kommen die meisten gut hin und wenn nicht, feiern sie ihre Überstunden zumindest fleißig ab. Davon kann man in Justiz und Anwaltschaft nur träumen. Zudem ist die Beförderungspolitik recht großzügig. Dazu (sowohl zur Arbeitszeit als auch zur Karriere) gibt es hier schon ausführliche Threads, einfach mal suchen. Wenn man sich nicht ganz dumm anstellt, geht man mindestens als A15 in Pension, häufig als A16. A14 winkt nahezu immer bereits nach 3-4 Jahren.

Großes Manko und daher für mich disqualifizierend: Man ist deutlich in hierarchische Strukturen eingebunden, die i.d.R. auch noch politisch geprägt sind. Das bedeutet viel Stellen-Schieberei und "cover my ass" Mentalität bzw. sachfremde Erwägungen und mitunter auch Populismus. Teilweise bewegt sich das nach Erfahrungsberichten meines Freundeskreises auch hart an der Grenze zum Rechtsbruch, oder im Bereich der Untreue (z.B.: Der Landrat hätte gern, dass der Koch seines Lieblingsrestaurants eine Aufenthaltserlaubnis erhält, schauen Sie mal, was Sie da machen können und ziehen Sie das ruhig vor...).
Das kam der Herr Landrat ja gerne wollen. Er kann auch gerne wollen, dass ich sein Boot streiche. Wen kümmert das jetzt konkret?

Ich erwarte ehrlich gesagt, dass man in so einer Position den Schneid (man könnte auch sagen Arsch in der Hose) hat, freundlich zu antworten, dass man den Fall gerne und selbstverständlich wie immer nach Recht und Gesetz entsprechend der Dringlichkeit bearbeiten wird.

So schwer ist das nicht. Genau dafür ist die Lebenszeitverbeamtung doch da um so was ruhig auszuhalten. Und gerade als Führungskraft setzt man Beispiele. Aber meine A 16 ... tja.

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Solar
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Solar »

Thandor79 hat geschrieben:Das kam der Herr Landrat ja gerne wollen. Er kann auch gerne wollen, dass ich sein Boot streiche. Wen kümmert das jetzt konkret?
Ich erwarte ehrlich gesagt, dass man in so einer Position den Schneid (man könnte auch sagen Arsch in der Hose) hat, freundlich zu antworten, dass man den Fall gerne und selbstverständlich wie immer nach Recht und Gesetz entsprechend der Dringlichkeit bearbeiten wird.
So schwer ist das nicht. Genau dafür ist die Lebenszeitverbeamtung doch da um so was ruhig auszuhalten. Und gerade als Führungskraft setzt man Beispiele. Aber meine A 16 ... tja.
So ist es - Schneid ungleich Karriere. Das ist nicht schön aber Realität. So muss man sich dann eben häufig (nicht immer) zwischen dem ein oder anderen entscheiden - und im Übrigen auch damit klar kommen, dass man mitunter Vorgesetzte hat, die unqualifiziert sind und ihre Positione in erster Linie gerade dadurch erlangt haben, dass sie keinen Schneid aber das richtige Parteibuch haben.
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famulus
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von famulus »

Jo, sagt sich leicht. In der Realität hat man aber ggf. Vorgesetzte, die sich Rechtmäßigkeitsbedenken nicht anschließen oder sie schlicht mit "das nehme ich jetzt auf meine Kappe!" für unbeachtlich erklären. Viele sind einfach nur geil darauf, im Sinne eines vermeintlichen Pragmatismus solche "Macher-Entscheidungen" treffen zu können.

Wenn die Remonstration dann ergebnislos verläuft (oder man nicht verbeamtet ist), kann man eben nur noch zusehen, sich wenigstens selbst bestmöglich abzusichern. Aber auch mit sowas muss man als Verwaltungsbeschäftigter - wo Politik zwangsläufig immer eine Rolle spielt - umzugehen lernen.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Thandor79 »

famulus hat geschrieben:Jo, sagt sich leicht. In der Realität hat man aber ggf. Vorgesetzte, die sich Rechtmäßigkeitsbedenken nicht anschließen oder sie schlicht mit "das nehme ich jetzt auf meine Kappe!" für unbeachtlich erklären. Viele sind einfach nur geil darauf, im Sinne eines vermeintlichen Pragmatismus solche "Macher-Entscheidungen" treffen zu können.

Wenn die Remonstration dann ergebnislos verläuft (oder man nicht verbeamtet ist), kann man eben nur noch zusehen, sich wenigstens selbst bestmöglich abzusichern. Aber auch mit sowas muss man als Verwaltungsbeschäftigter - wo Politik zwangsläufig immer eine Rolle spielt - umzugehen lernen.
Naja, es gilt aber auch, das Politik idR auch mal wechselt, Verwaltung hingegen eher besteht.

Wer A16 werden will, ja, der braucht vermutlich auch politisches Gespür, ohne dass dies eine Garantie ist. Wer aber präventiv jede Laune des Landrats mitmacht, in der Hoffnung damit die Karriere zu ermöglichen, den bedauere ich eher und erlebe persönlich auch nicht, dass solche Typen dann durchbefördert werden. So einfach ist es denn auch nicht ...


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famulus
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von famulus »

Das habe ich damit absolut nicht gemeint - ich bin insofern ganz deiner Meinung.

Ein Bisschen Frustrationstoleranz muss man aber mitbringen, weil es gelegentlich passieren kann, dass man sich mit eindeutigen und überzeugend hervorgebrachten Ratschlägen nicht gegen seine Vorgesetzten durchsetzt, die da einfach "den Hut aufhaben". Das Lustige ist, dass man dann, wenn sich die eigenen Bedenken realisiert haben, ggf. sogar die "Seiten wechseln" und den Alleingang, von dem man ausdrücklich abgeraten hat, weisungsgemäß argumentativ zu verteidigen hat. :)
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Schlumpfi »

Thandor79 hat geschrieben:Das kam der Herr Landrat ja gerne wollen. Er kann auch gerne wollen, dass ich sein Boot streiche. Wen kümmert das jetzt konkret?

Ich erwarte ehrlich gesagt, dass man in so einer Position den Schneid (man könnte auch sagen Arsch in der Hose) hat, freundlich zu antworten, dass man den Fall gerne und selbstverständlich wie immer nach Recht und Gesetz entsprechend der Dringlichkeit bearbeiten wird.

So schwer ist das nicht. Genau dafür ist die Lebenszeitverbeamtung doch da um so was ruhig auszuhalten. Und gerade als Führungskraft setzt man Beispiele. Aber meine A 16 ... tja.
Mach das mal eine Zeitlang mehrmals in der Woche....Ich habe solche Wünsche des LR tatsächlich nicht oder nur mit eindeutiger schriftlicher Weisung ausgeführt. Meine Mitarbeiter haben mich geliebt, weil jemand da war, der gegenüber dem LR ein bisschen Schneid hatte. War eine supertolle Stimmung zwischen mir und dem Herrn LR.

Aber glaub mirs, irgendwann wird man mürbe. Irgendwann hatte ich auch keinen Bock mehr auf diese dauernden Grabenkämpfe. Ich bin nach 2,5 Jahren gegangen, weil mich das Ganze mittelfristig krank gemacht hätte. Oder ich hätte mir irgendwann dieselbe Mir-doch-egal-wen-kümmerts-Einstellung angewöhnen müssen, die mein Vorgänger hatte.
Man kann natürlich hoffen, dass die Wahlperiode endet und dass nach der Wahl ein ganz toller neuer LR kommt und alles besser wird. Aber hallo?!? Bayern?!? Da könnte auch mit der gleichen Wahrscheinlichkeit ein Prinz auf einem Einhorn ins LRA reiten und einen da rausholen.....
"Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet."
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Thandor79 »

Schlumpfi hat geschrieben:Aber glaub mirs, irgendwann wird man mürbe. Irgendwann hatte ich auch keinen Bock mehr auf diese dauernden Grabenkämpfe.
Wenn die Kacke wirklich mal am Dampfen ist, wer ist dann schuld, auf wen zeigt der LR als erstes? Das sollte als Kontrollfrage eigentlich reichen.

Es ist sehr vernünftig, zu gehen, wenn es einen krank machen würde, ohne Zweifel. Aber die Antwort kann eben nicht sein: Dann unterschreibe ich um des lieben Friedens willen halt jeden Mist. Mir ist schon klar, dass es "ewige" Landräte gibt, nicht nur in Bayern. Aber man muss - im eigenen Interesse - an bestimmten Stellen nein sagen, wie überall im Leben.
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Schlumpfi »

Thandor79 hat geschrieben:Aber die Antwort kann eben nicht sein: Dann unterschreibe ich um des lieben Friedens willen halt jeden Mist. Mir ist schon klar, dass es "ewige" Landräte gibt, nicht nur in Bayern. Aber man muss - im eigenen Interesse - an bestimmten Stellen nein sagen, wie überall im Leben.
Da stimme ich Dir vollkommen zu. Deswegen bin ich ja gegangen, weil ich diese Unterschreib-ichs-halt-Haltung eben nicht haben wollte. Das hätte ich weder meinen Mitarbeitern zumuten wollen (die ich von meinem Vorgänger extrem gefrustet übernommen hatte) noch mit meinem Selbstbild in Einklang bringen können. Im Zweifelsfall hat immer der LR unterschrieben, wenn irgendwann mal was schief gegangen wäre (Bauvorhaben! Überschwemmungsgebiet! Sch.... doch drauf, da war doch noch nie Hochwasser......), hätte tatsächlich der den Kopf hinhalten müssen. Ich habs auch bis zum Schluss durchgezogen, das gehörte für mich zu meiner Verantwortung für meine Mitarbeiter dazu.
(Mein jetziger Präsident findet es immer noch extrem lustig, dass ich mich bei ihm mit dem Wunsch nach "einem politikerfreien Arbeitsumfeld" vorgestellt habe.)
"Stirbt ein Bediensteter während einer Dienstreise, so ist damit die Dienstreise beendet."
Gelöschter Nutzer

Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

(Nich nur) Wenn man fest im Sattel sitzt, sollte man sich in Fällen evident rechtswidriger Weisungen an die Kommunalaufsicht wenden - oder mitunter auch an die Staatsanwaltschaft, wenn man wirklich in gravierende Bereiche kommt. Das schafft richtig böses Blut, keine Frage - aber eben auch Klarheit für beide Seiten.
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Solar
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Solar »

Schlumpfi hat geschrieben:Da könnte auch mit der gleichen Wahrscheinlichkeit ein Prinz auf einem Einhorn ins LRA reiten und einen da rausholen...
:lmao:
Schlumpfi
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Re: Verwaltungsjurist/in - Regierungsrat

Beitrag von Schlumpfi »

Quantensprung hat geschrieben:(Nich nur) Wenn man fest im Sattel sitzt, sollte man sich in Fällen evident rechtswidriger Weisungen an die Kommunalaufsicht wenden - oder mitunter auch an die Staatsanwaltschaft, wenn man wirklich in gravierende Bereiche kommt. Das schafft richtig böses Blut, keine Frage - aber eben auch Klarheit für beide Seiten.
Das mit der Kommunalaufsicht habe ich einmal tatsächlich in Erwägung gezogen. Dass war ein absoluter krasser Fall, wo der LR trotz eines rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Urteils das abgelehnte Vorhaben trotzdem genehmigen wollte. Wenn der das durchgezogen hätte, dann hätte sich das herumgesprochen und die Bauabteilung wäre für alle Zeit unglaubwürdig geworden. Ein ehemaliger Kollege von mir ist mittlerweile in der entsprechenden Abteilung der Regierung tätig. Seine Auskunft war: Wenn Du Dich an uns wendest, dann ruft der LR beim Regierungspräsidenten an und der weist uns dann an, nicht tätig zu werden. Also lass es lieber gleich, weil Du im Anschluss an die Aktion dann der absolute Feind des LR bist. Ich hab es tatsächlich gelassen.
Das war der Moment, wo ich mich entschlossen habe zu gehen.

Notiz an mich: Mal zum entsprechenden Biotop fahren und schauen, ob das Wochenendhaus da mittlerweile steht.
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