Re: Bedenken eines Berufseinsteigers
Verfasst: Montag 12. März 2018, 20:25
In manchen Ländern droht dem Proberichter auch das Sozialgericht.
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Well...that escalated quickly.Kasimir hat geschrieben:Für mich klingt das viel zu weinerlich. Du machst dir über 1,5 Jahre StA Gedanken und dass du für den Beruf nicht brennst. Du lebst in einem Land, in dem du kostenlos studieren konntest, und hast nun das Glück in einer Zeit auf den Arbeitsmarkt gespült zu werden, in der man nicht nur mit Top-Noten Richter werden kann. Was willst du mehr? Meinst du der Müllwagenfahrer brennt für seine Arbeit und freut sich, dass er morgens um 5 Uhr aufstehen muss?
Du jammerst auf einem ziemlich hohen Niveau. Ja, man muss sich im Leben auch mal anstrengen und mit Dingen klarkommen, die man nicht so supi findet. That't life. Komm mal aus deiner Komfortzone raus.
Möchte man solche Leute wie dich in der Justiz haben? Nein. Ist die Justiz aus deiner Sicht ein guter Arbeitgeber? Ja. Also bewirb dich (ernst gemeint).
... an zwei oder drei örtlich verschiedenen Gerichten.Liz hat geschrieben:Wesentlich undankbarer als 100 % Sozialgericht dürften so Mischdezernate am Amtsgericht à la "40 % Allgemeine Zivilsachen, 40 % Betreuung und 20 % OWiG" sein.
Ich bin als Proberichter am SG äußerst zufrieden. Und meine Bekannten ebenfalls, viele mit GK Hintergrund. Vorerfahrung im Sozialrecht hatte niemand. Dadurch kann man aber seine Ausbildung als Volljurist mal richtig einbringen.Tibor hat geschrieben:In manchen Ländern droht dem Proberichter auch das Sozialgericht.
Das ist hier die Ausstattung jedes richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Arbeitsplatzes ...stilzchenrumpel hat geschrieben:Außerdem ist zumindest in Berlin die technische Ausstattung gut, 2 Bildschirme mit Laptop und sehr umfassenden Zugriff auf die Datenbanken
Ich habe ein wesentliches Wort ergänzt.Tibor hat geschrieben:Nein, ist es leider nicht.
Tibor hat geschrieben:Beck-Paket ist ok. Juris ist hier super; mit Partnermodulen von weiteren Verlagen, inkl. ca. 200 Handbüchern (u.a. Handbuch des Staatsrechts) und ca. weiteren 150 Kommentaren.
Ich habe ja keine Ahnung, was man dazu braucht, aber hinsichtlich des Erbrechts finde ich den MüKo-BGB, der auch das 5. Buch abdeckt, zwei Zeitschriften und einen Fachdienst gar nicht schlecht; zum Straßenverkehrsrecht hat's mit dem Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker einen Kommentar, den Grüneberg für die Haftungsquoten und die NZV. Bei juris dann noch den Staudinger und je einen Praxiskommentar zum BGB und zum StraßenverkehrsrechtSolar hat geschrieben:@thh: "Umfangreicher Zugriff auf die Datenbanken" würde ich so nicht unterschreiben. Gerade bei beck fehlen mir viele hilfreiche Module für die zivilrechtliche Praxis (z.B. Erbrecht, Verkehrsrecht oder dergleichen). Aber die IT passt jetzt neuerdings doch echt gut, bin zufrieden.
Auch ich kann zu Punkt 4 sagen, dass das Strafrecht in der Praxis ganz anders ist als in der Ausbildung. Eigentlich kann fast jeder das Handwerkszeug hierzu schnell erlernen und dann einsetzten.elch1 hat geschrieben:Hallo allerseits,
vorweg ganz kurz zu mir und meiner Situation: Im Ersten habe ich ein knappes VB, im Zweiten 8,3 Punkte, wobei die Staatsnote des ersten Examen übertroffen wurde. In strukureller Hinsicht wohnt meine Familie und ich in einer eher schwächeren Region Deutschlands, so dass hier weder nennenswerte Unternehmen, noch Großkanzleien oder spezialisierte mittelständige Kanzleien angesiedelt sind. Rein faktisch bleiben damit die Selbstständigkeit als solche, die Mitarbeit in einer Sozietät, der Verwaltungsdienst oder der Justizdienst. Die Selbstständigkeit schließe ich wegen einer bereits bestehenden, nichtjuristischen Selbstständigkeit meiner Frau aus.
Wenn ich äußerst ehrlich zu mir bin, dann *brenne* ich für keinen juristischen Beruf, kann mir aber sehr gut vorstellen, die nächsten 30 Jahre die jeweils spezifische Tätigkeit auszuüben. Ich kann mir auch vorstellen, dann die notwendigen Überstunden zu leisten, wenn sie notwendig sind. Allein ich definier mich in keinem Fall über meinen Beruf. Als Teil der sogenannten Generation Y spielt auch für mich die Work-Life-Balance eine ganz erhebliche Rolle. Der Freizeit (bzw. eher Zeit mit meiner Familie) würde ich stets erheblich mehr Bedeutung für mich einräumen, als etwa Gehalt/Sold.
Unter diesen Bedingungen überrascht es sicher nicht, dass ich kurz nach Abschluss meiner Ausbildung mittlerweile eher dem Justizdienst zugeneigt bin. Ich weiß wohl, dass im Verwaltungsdienst die Arbeitszeiten nahezu garantiert sind, während auch Richter (und gerade Proberichter) immer wieder erhebliche Arbeitsspitzen haben (können). Allerdings empfand ich die Arbeit innerhalb der Verwaltungsstation als ziemlich dröge, darüber hinaus gibt es wohl eher eine spürbare Weisungsabhängigkeit, die - je höher es geht - immer mehr politisch motiviert sein dürfte.
Ich möchte aber trotzdem nochmal klarstellen, dass ich kein Kandidat war, der schon immer davon geträumt hat, Richter zu werden. Ich habe weder mein Studium, noch mein Ref darauf ausgerichtet, sondern habe mein Ref vielmehr sehr weit gefächert, um alles kennenzulernen.
Ich habe mich bereits um Einstellung in den Justizdienst beworben, aber es nagen noch die letzten Bedenken. Ich würde daher unglaublich gern Erfahrungen, insbesondere von derzeitigen Proberichtern, hören.
1. Die o.g. Examensnoten sind ja eher am unteren Ende der Einstellungsvoraussetzungen angesiedelt (hier min. 9 im Ersten, 8 im Zweiten). Ich nehme an, dass ich mir angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle aber keine allzu großen Gedanken machen muss? Bisher gabs nur eine Eingangsbestätigung.
2. Ab jetzt werden die Bedenken - jedenfalls für mich - ernster: Ich weiß vielleicht ganz grob, wie man die Sachurteilsvoraussetzungen einer Klage prüft. Auch eine isolierte Drittwiderklage bringt mich jetzt nicht sofort ins Schwitzen. Allerdings weiß ich ehrlich gesagt wenig über die tatsächlichen prozessualen Abläufe, insbesondere was wann wie zu tun ist. Muss ich zu Thema X einen Hinweis geben? Was diktiere ich alles tatsächlich ins Protokoll (§ 160 ZPO ist bekannt)? Was (außer eben die Sitzung zu unterbrechen und in den Zöller schauen) passiert, wenn mir ein erfahrener Prozessanwalt gegenübersitzt, der mir das Verhandlungsleben zur Hölle macht? Vielleicht versteht Ihr, was ich meine. Mir ist natürlich klar, dass man über die Zeit und Erfahrung stabiler in seiner Verhandlungsfühung wird, dennoch...
3. Die rechtliche Durchdringung des Sachverhalts. Sicher, es gibt im absoluten Notfall immernoch Rechtsmittel, aber das kann unmöglich der eigene Anspruch sein ("Im Notfall werden es schon andere wieder geradebiegen"). Nicht nur einmal habe ich bei der Lektüre eines Urteils gedacht, dass es in juristischer Hinsicht doch nicht ganz unbedeutend von dem abweicht, wie ich es aufgebaut/gelöst/entschieden hätte. Manchmal hätte ich beispielsweise eine nicht ganz abwegige AGL übersehen, manchmal hätte ich auf einige Aspekte nichtmal im Ansatz in dem Umfang abgestellt, wie es im Urteil getan wurde. Manchmal wird an Punkten ein Fass aufgemacht ("epische Breite"), wo ich es nicht unmittelbar verortet hätte. Sicher kann man immer zu unterschiedlichen Ansichten kommen, aber einige Akten in der amtsgerichtlichen Gerichtsstation waren in rechtlicher Hinsicht schon sehr anspruchsvoll - hier habe ich Bedenken, dass ich den entscheidenden Punkt einfach nicht finde/treffe. Immerhin sind es ja auch keine Klausurakten mit 20 Seiten, so dass sich der Schwerpunkt der Argumentation und eigentlich auch die grobe Stoßrichtung quasi aufdrängt.
4. Ein größeres Problem für mich ist auch, dass es das Prinzip der Durchlässigkeit geben wird, so dass ich etwa 1,5 Jahre als StA tätig sein werde. Meine strafrechtlichen Kenntnisse fallen doch relativ deutlich hinter die anderen zurück. Dazu kommt, dass ich nicht gerade ein großer Freund des Strafrechts bin. Es war für mich im Rahmen der Ausbildung eben immer nur notwendiges Übel, aber nie Quell' der Freude. Und 18 Monate sind nun nicht gerade ein Pappenstiel.
Sicher fiele mir noch mehr ein, aber das sind derzeit die Knackpunkte meiner Bedenken.
Ich freue mich über jeden Beitrag und danke schonmal im Voraus.
Grüße
Art. 97 GGbatman hat geschrieben:Mag schon sein. Aber inwiefern wollen GG und ZPO das oder schreiben es sogar vor?Herr Anwalt hat geschrieben:Dass unterschiedliche Bearbeiter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen ist nichts schlimmes.