Digitalisierung der Justiz

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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-Checkmate-
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Digitalisierung der Justiz

Beitrag von -Checkmate- »

Hallo zusammen,

seit Anfang der Woche ist nach langem hin und wer nunmehr das beA tatsächlich in Betrieb - ein weiterer Schritt Rictung elektronischer Rechtsverkehr.

In ein paar Jahren - so ist es wohl vorgesehen - soll der Rechtsverkehr weitgehend digitalisiert werden. Nach Informationen aus dem Netz rüsten die Bundesländer bereits ihre Gerichte nach und auch das beA wird wohl - trotz zunächst nur passiver Nutzungspflicht - von dem ein oder anderen sicherlich auch praktisch genutzt.

Zurzeit bin ich noch Anwalt in einer mittelständischen Kanzlei mit obligatorischer "Facetime". Aus verschiedenen Gründen werde ich jedoch voraussichtlich zu Beginn des nächsten Jahres eine Laufbahn als Richter einschlagen. Einer der Gründe für den Wechsel ist, dass ich mir selbstbestimmteres Arbeiten erhoffe und zumindest die theoretische sowie hoffentlich auch praktische Möglichkeit, nachmittags mal seine Sachen zu packen und noch ein paar Stündchen von Zuhause aus zu arbeiten.

MIt Blick darauf, dass zukünftig die elektronische Akte kommen wird, frage ich mich, ob eine der Vorzüge des Richters, selbst zu bestimmen, von wo man aus arbeitet, auch mit der elektronischen Akte möglich sein wird. Natürlich würde eine elektronische Akte es geradezu nahelegen, auch von Zuhause aus, digital Akten zu bearbeiten und Termine vorzubereiten. Andererseits halte ich es angesichts der technischen Ausstattung öffentlicher Einrichtungen sowie der klammen Haushalte ebenso für naheliegend, dass einem Richter nur ein Zugang zur elektronischen Akte ermöglicht wird: nämlich am Dienst-PC im Gerichtsgebäude.

Gibt es da bereits jetzt Informationen, wie der Zugriff auf elektronische Akten künftig in der Praxis erfolgen kann?. Ebenso habe ich bislang keine Ahnung, ob und inwieweit bereits zum aktuellen Zeitpunkt für Richter die Möglichkeit besteht, etwa über einen Fernzugriff von Zuhause auf das dienstliche E-Mail-Postfach oder dergleichen zuzugreifen. Hat jemand hierzu eventuell nähere Informationen?

Vielen Dank & viele Grüße
-Checkmate-
Zuletzt geändert von -Checkmate- am Dienstag 4. September 2018, 22:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Tibor
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Tibor »

Das wird von Land zu Land unterschiedlich sein. Mancherorts gibt es bereits VPN Zugänge und Dienstlaptops.
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sai
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von sai »

Bei uns kann man VPN Zugänge bekommen. Für die Kammern mit e-Akte gibt es entsprechende Laptops. Es ist wohl auch beabsichtigt, jeden Richter mit Laptops und ggf. Tablets auszustatten, sobald die e-Akte für alle Pflicht wird. Stand jetzt sieht es jedenfalls so aus, als ob es die Heimarbeit eher (deutlich) erleichtern als erschweren wird.
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Ara
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Ara »

Die e-Akte wird, wenn sie so umgesetzt wird wie bisher, aber eher ein Graus für die Justiz. Etwa 50% der heutigen digitalen StA-Akten die wir bekommen sind nahezu nicht zu gebrauchen, insbesondere wenn Farbfotos drin sind. Rekord war glaub ich ne PDF-Datei mit über 2GB. Die sind selbst auf Highend-Laptops (Wir haben hier i7 mit 32GB RAM im Einsatz) nicht anständig zu scrollen. Suchen ist auch quasi nicht möglich. Der Sitzungsvertreter der StA mit seinem Dienstlaptop hat da noch mehr Probleme.

Unsere aktuelle Lösung im Extremfall, das ist kein Scherz: Die Akte wird ausgedruckt und dann mit 300 dpi erneut eingescannt.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Tibor »

EAkte bedeutet gerade nicht, dass ein vollständiges PDF erstellt wird. Das sind die „Zwischenevolutionsstufen“, die zur Zeit gefahren werden.

In der aktuellen DRiZ sind paar erhellende Beiträge.
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Tibor »

Ara hat geschrieben: Unsere aktuelle Lösung im Extremfall, das ist kein Scherz: Die Akte wird ausgedruckt und dann mit 300 dpi erneut eingescannt.
Das zeugt von wenig IT-Sachverstand, denn eine Umwandlung eines großen PDF ist möglich, wenn man Acrobat hat.
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Ara »

Tibor hat geschrieben: Donnerstag 6. September 2018, 08:27
Ara hat geschrieben: Unsere aktuelle Lösung im Extremfall, das ist kein Scherz: Die Akte wird ausgedruckt und dann mit 300 dpi erneut eingescannt.
Das zeugt von wenig IT-Sachverstand, denn eine Umwandlung eines großen PDF ist möglich, wenn man Acrobat hat.
Nein, an das Ausgangsmaterial einer PDF kommst du nicht mehr ran. Da diese Informationen in der Datei fehlen, kann keine Neuerstellung einer PDF aus einer anderen PDF erfolgen. Es kann lediglich nachträglich die PDF komprimiert werden, in dem einzelne Pixel entfernt werden. Dies bringt jedoch bei Text-Dokumenten fast gar nichts, weil in einer PDF nicht mehr unterschieden werden kann zwischen Text-Information und leerem Bereich. Daher versagt hier die nachträgliche Komprimierung. Je nachdem wieviel Fotos in der Akte sind kommt man so auf 25-50% Reduktion der Dateigröße. Da ist man dann bei 500MB bis 1 GB.

Neu eingescannt bist du regelmäßig bei 10-50MB.
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Mimis »

Ich persönlich sehne mich der kompletten Digitalisierung entgegen. Aktuell finde ich die Zwischenlösung einscannen und digital arbeiten allerdings furchtbar. Dieses leicht verpixelte und etwas unscharfe Schriftbild macht mich wahnsinnig. Am Besten noch leicht schief.
Geht das nur mir so??

Aktenteile, die niemals auf Papier existierten (E-Mails, PC Fax usw.) sind dagegen sehr angenehm zu lesen und m.E. einer stofflichen Akte weit überlegen (digitale Anmerkungen, Durchsuchbarkeit, ...)
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von thh »

-Checkmate- hat geschrieben: Dienstag 4. September 2018, 22:30MIt Blick darauf, dass zukünftig die elektronische Akte kommen wird, frage ich mich, ob eine der Vorzüge des Richters, selbst zu bestimmen, von wo man aus arbeitet, auch mit der elektronischen Akte möglich sein wird.
Das ist schon zur Vermeidung von Aufständen das Ziel.

Hier verfügt jeder Richter und StA bereits heute (bzw. mit Abschluss des Rollouts im diesjährigen Hardware-Refresh) über einen Laptop (Lenovo Yoga X1, also durchaus Businessklasse) mit Dockingstation und zwei großen Bildschirmen. Mit Einführung der E-Akte kommt dann der VPN-Zugriff ins Landesnetz, d.h. man kann sich von zuhause aus so ins Netz verbinden, als säße man an seinem Arbeitsplatz, mit Zugriff auf E-Mail, Fachanwendungen usw. Voraussetzung ist natürlich eine - einigermaßen zeitgemäße - Internetanbindung zuhause.
-Checkmate- hat geschrieben: Dienstag 4. September 2018, 22:30Gibt es da bereits jetzt Informationen, wie der Zugriff auf elektronische Akten künftig in der Praxis erfolgen kann?
Siehe oben.
-Checkmate- hat geschrieben: Dienstag 4. September 2018, 22:30Ebenso habe ich bislang keine Ahnung, ob und inwieweit bereits zum aktuellen Zeitpunkt für Richter die Möglichkeit besteht, etwa über einen Fernzugriff von Zuhause auf das dienstliche E-Mail-Postfach oder dergleichen zuzugreifen. Hat jemand hierzu eventuell nähere Informationen?
Die Arbeitsplätze an den Gerichten, an denen bereits auf die E-Akte umgestellt wurde, haben vollen Fernzugriff via VPN. Angestrebt ist das auch für die Bereitschaftsdienste; die haben - derzeit - nur Webzugriff auf ein spezielles Postfach für diese Zwecke.

Grundsätzlich unterscheidet sich sowohl die technische Lösung für die E-Akte wie auch die Ausstattung am Arbeitsplatz wie auch die geplante Ausstattung für den Zugriff auf die E-Akte von Land zu Land, nicht zuletzt je nach Haushaltsansatz. Das gilt schon jetzt bspw. für Arbeitsplatzrechner und Bildschirme oder den Umfang des gebuchten Zugangs zu Juris und Beck-Online (die Erweiterung auf das Modul "Justiz Optimum" hat hier massiv die Verfügbarkeit von Kommentaren auch für die abseitigsten Rechtsgebiete verbessert).
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Solar »

thh hat geschrieben: Donnerstag 6. September 2018, 13:23 Das ist schon zur Vermeidung von Aufständen das Ziel.

Hier verfügt jeder Richter und StA bereits heute (bzw. mit Abschluss des Rollouts im diesjährigen Hardware-Refresh) über einen Laptop (Lenovo Yoga X1, also durchaus Businessklasse) mit Dockingstation und zwei großen Bildschirmen. Mit Einführung der E-Akte kommt dann der VPN-Zugriff ins Landesnetz, d.h. man kann sich von zuhause aus so ins Netz verbinden, als säße man an seinem Arbeitsplatz, mit Zugriff auf E-Mail, Fachanwendungen usw. Voraussetzung ist natürlich eine - einigermaßen zeitgemäße - Internetanbindung zuhause.

Die Arbeitsplätze an den Gerichten, an denen bereits auf die E-Akte umgestellt wurde, haben vollen Fernzugriff via VPN. Angestrebt ist das auch für die Bereitschaftsdienste; die haben - derzeit - nur Webzugriff auf ein spezielles Postfach für diese Zwecke.
Interessant! Bislang ist man bei uns (wir teilen ja dasselbe Ministerium) mit VPN-Zugängen aus Kostengründen sehr knausrig - soweit ich weiß braucht man dafür einen sachlichen Grund wie Kinderbetreuung, oder? Weißt du, ob sich das dann mit der e-Akte tatsächlich ändern wird und jeder von überall Zugriff hat?
Andernfalls würde ich mich dem Aufstand auf alle Fälle anschließen... :werecomingforyou:
Ich habe gehört, beim JuM soll man aber aktuell Ängste vor ausgestorbenen Gerichtsfluren haben, deshalb rechne ich mit dem Schlimmsten...
thh hat geschrieben: Donnerstag 6. September 2018, 13:23Grundsätzlich unterscheidet sich sowohl die technische Lösung für die E-Akte wie auch die Ausstattung am Arbeitsplatz wie auch die geplante Ausstattung für den Zugriff auf die E-Akte von Land zu Land, nicht zuletzt je nach Haushaltsansatz. Das gilt schon jetzt bspw. für Arbeitsplatzrechner und Bildschirme oder den Umfang des gebuchten Zugangs zu Juris und Beck-Online (die Erweiterung auf das Modul "Justiz Optimum" hat hier massiv die Verfügbarkeit von Kommentaren auch für die abseitigsten Rechtsgebiete verbessert).
Diese Erweiterung ist echt ein absoluter Segen, hab mich gefreut wie ein kleines Kind an Weihnachten und meine Arbeit hat sich dadurch spürbar erleichtert! Ging dir auch so, nehme ich an?
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von Gizmo »

Bei uns im Bundesland kann grundsätzlich jeder eine VPN-Zugang erhalten, genannt "Direct Access". Damit ist es möglich, am heimischen PC genauso zu arbeiten wie im Büro. Zudem werden die Computer gerade auf PC mit Dockingstation umgestellt. Viele Kollegen haben mittlerweile einen Laptop, damit geht das Arbeiten noch deutlich komfortabler. Der große Nachteil ist, dass man sich bei diesen PCs nur in ein WLAN-Netzwerk einloggen kann, wenn keine Eingabe über den Explorer erforderlich ist. Dies ist in den meisten Hotels oder bei der Bahn so. Für spezielle Aufgabenbereiche, z.B. im MJ, können die Laptops auch mit einer SIM-Karte ausgestattet werden, dann ist von überall zugriff möglich (wenn denn ein Netz vorhanden ist).

Bei der eigentlichen eAkte ist noch soviel zu tun, dass sie derzeit außerhalb der Behörden praktisch nicht eingesetzt werden kann. Unpraktisch wäre derzeit insbesondere, dass zum Signieren ein PIN-Eingabegerät erforderlich ist, das bisher nicht mehrfach herausgegeben wird. Hier werden sich aber in Zukunft Lösungen finden lassen.
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von -Checkmate- »

Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Dann ist die Justiz in dieser Hinsicht tatsächlch schon weiter, als ich gedacht hätte.
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thh
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Re: Digitalisierung der Justiz

Beitrag von thh »

-Checkmate- hat geschrieben:Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Dann ist die Justiz in dieser Hinsicht tatsächlch schon weiter, als ich gedacht hätte.
Ja, manchmal wird man durchaus positiv überrascht.
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