Erfahrungen Richter Familienrecht

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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MissVeilchen
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Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von MissVeilchen »

Hallo ihr Lieben, ich bin seit einem Richterin und soll nun ein familienrechtliches Dezernat übernehmen. Im Studium und im Ref hat bei mir das Familienrecht eine Nebenrolle gespielt. Ich bin gespannt und freue mich auf die neue Aufgabe, allerdings befürchte ich, dass es ewig dauern wird, bis ich in die Materie rein komme - wobei das materielle Recht und das prozessuale Recht gemeint ist. Vielleicht könnt ihr mir von euren Erfahrungen berichten. Wie lange hat die Einarbeitung gedauert? Habt ihr Literaturempfehlungen? Außerdem sagt man ja immer, dass das Familienrecht in der Praxis mitunter sehr belastend sein kann, einem die Fälle sehr nahe gehen. Könnt ihr das bestätigen? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Lieben Dank!
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Strich
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Strich »

Also ich kann nur aus zweiter Hand berichten. Die Kollegen, die das übernummen haben, weil wir Probis das (aus nachvollziehbaren Gründen oder wegen § 23b Abs. 3 S. 2 GVG) nicht machen sollten, haben sich sehr zügig reingefunden. Emotional schien es den Kollegen auch gut zu gehen, obwohl man natürlich die ein oder andere Story zu hören bekommt.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Dike »

Das Land Brandenburg bietet für Familienrichter Supervisionen an. Einen Teil der Kosten dafür muss man aber selbst zahlen.
stilzchenrumpel
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von stilzchenrumpel »

Ich kann auch nur über zwei Proberichter Kollegen berichten, die sich dazu geäußert haben. Beide waren zufrieden, von besonderen Anforderungen an die Einarbeitung haben sie ggü. ihren ersten Stationen nichts berichtet.

Was die belastenden Stories angeht, die hat man am Sozialgericht und am VG in Asylsachen eben auch. Oder am LG in Strafsachen (Kindesmissbrauch, Vergewaltigungen etc.). Da muss man durch. Gespräche mit Kollegen helfen doch immer am meisten.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Strich
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Strich »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Samstag 22. Dezember 2018, 22:03 ... VG in Asylsachen eben auch. ...
Naja geht so. Die Geschichten, die man hier zu hören bkommt, sind in der großen Mehrzahl, detailarm, abgesprochen und gelogen, was es unglaublich schwer macht, diejenigen zu finden die wirklich verfolgt werden. Außerdem sitzen die Leute am Ende des Tages vor einem, haben es also "geschafft". Das stimmt einen dann eher hoffnungsvoll, weil man das Gefühl hat, dass es jetzt nur besser für die Leute wird. Im Strafrecht und im Familienrecht ist das aber anders. Da schaut man eher in die düstere Zukunft der Leute.
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Herr Anwalt »

Ich finde Familienrecht überhaupt nicht belastend. Schlafe wie ein Baby.
Aber es gibt schon einige Chaoten.
Hab erst vor 3 Tagen eine Email der Gegenseite (Nicht der Kanzlei) bekommen. Im Anhang ein Foto einer vollgeschissenen Windel und einem nackten Kinderunterleib. Damit wollte sie verdeutlichen, dass der Junge krank ist.
Da dachte ich mir: "Ok. Öfter mal was neues."
Der IQ ist eben oft nicht so hoch. Gerade in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten.
Das Schamgefühl manchmal nicht vorhanden. Es lässt dich eher erheitert bis fassungslos zurück.
Ich glaube nicht, dass das belastend für dich sein wird. Freu dich. Ist ein abwechslungsreiches Gebiet.
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famulus
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von famulus »

Naja - du musst bei deinen Hinweisen schon berücksichtigen, dass die meisten Leser deutlich empathiefähiger sein dürften als du. Jedenfalls sollte die TE das berücksichtigen.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
Liz
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Liz »

Ich gebe auch zu bedenken, dass es einen Unterschied macht, ob man "nur" in irgendeiner Form am Verfahren beteiligt ist oder ob man tatsächlich die Entscheidung treffen und verantworten muss.
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j_laurentius
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von j_laurentius »

In vielen Familiensachen, vor allem in den emotional eher belastenden Kindschaftssachen, gibt es allerdings regelmäßig gar keine Entscheidung, sondern es werden Vergleiche geschlossen. Da haben dann eher die Anwälte das Heft in der Hand als die Richter.
Liz
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Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Liz »

Klar, wenn sich ein Verfahren am Ende durch einen Vergleich beenden lässt, kommt der Richter um eine möglicherweise schwierige Entscheidung drumherum. Aber gerade wenn schwerste Vorwürfe im Raum stehen (ich denke im Familienrecht etwa an Kindeswohlgefährdungen) muss ggf der Richter entscheiden - was m. E. eine andere Qualität hat, als sich nur mit den schwierigen, hochemotionalen Geschichten befassen zu müssen.
Gelöschter Nutzer

Re: Erfahrungen Richter Familienrecht

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Liz hat geschrieben: Dienstag 25. Dezember 2018, 14:38 Klar, wenn sich ein Verfahren am Ende durch einen Vergleich beenden lässt, kommt der Richter um eine möglicherweise schwierige Entscheidung drumherum. Aber gerade wenn schwerste Vorwürfe im Raum stehen (ich denke im Familienrecht etwa an Kindeswohlgefährdungen) muss ggf der Richter entscheiden - was m. E. eine andere Qualität hat, als sich nur mit den schwierigen, hochemotionalen Geschichten befassen zu müssen.
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