Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Liz
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von Liz »

Was soll denn bitte ein partielle Dienstunfähigkeit sein? Ich meine, entweder ist man dienstfähig oder eben nicht.

Andernfalls: Genügt es für eine partielle Dienstunfähigkeit, wenn mich immer so eine Unlust überkommt, wenn ich eine dicke Bauakte sehe oder ein komplizierter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung reinkommt?
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Urs Blank
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von Urs Blank »

Liz hat geschrieben: Dienstag 28. April 2020, 21:12 Was soll denn bitte ein partielle Dienstunfähigkeit sein? Ich meine, entweder ist man dienstfähig oder eben nicht.
Das Beamtenrecht des Bundes und der Länder kennt durchaus eine sog. Teildienstfähigkeit oder begrenzte Dienstfähigkeit, vgl. für den Bundesdienst § 45 BundesbeamtenG, der für Bundesrichter gemäß § 46 DRiG gelten dürfte. Der Grundsatz lautet: "Weiterverwendung vor Frühpensionierung". In § 44 Abs. 2 BBG heißt es: "Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist abzusehen, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit)."

Für Landesbeamte gilt § 27 BeamtenstatusG, der durch entsprechende Verweisungsnormen regelmäßig auch auf Richter im Landesdienst anzuwenden sein dürfte.

Erneut ist dies aber nichts, was ein Gerichtspräsidium zu entscheiden hätte.
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thh
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von thh »

stilzchenrumpel hat geschrieben: Dienstag 28. April 2020, 20:40Macht es da nicht mehr Sinn, dass der Betroffene schlicht für 3 Monate nicht terminiert in einem Zivildezernat und dann Verfahren, die in jedem Fall verhandelt werden müssen, per Präsidiumsbeschluss auf andere verteilt werden?
Wer spricht denn von nur drei Monaten? Das scheint mir eine sehr unrealistische Annahme zu sein. Und das (vorgeplante) Umverteilen bereits anhängiger Verfahren, die zudem einzeln bezeichnet werden, ist auch nicht besser als eine GVP-Regelung, die dann einen Zuständigkeitswechsel ausdrücklich vorsieht.
PerryManson
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von PerryManson »

Sonnenschein111 hat geschrieben: Dienstag 28. April 2020, 19:44 Was haltet ihr denn von einer "Vertretungslösung", also der Richter wird automatisch quasi partiell dienstunfähig, wenn eine mündliche Verhandlung ansteht.
Also quasi "Krankfeiern"?
Im Endeffekt wird die Hauptarbeit wieder nur auf alle anderen verteilt.

Andere Vorschläge:
- § 128a ZPO
-mündliche Verhandlung mit FFP2-Maske unter Wahrung von 2m Mindestabstand.

Falls das nicht möglich ist, kommt m.E. nur die Versetzung oder Dienstunfähigkeit in Betracht. Diese Problem kann und darf das Präsidium nicht lösen, es ist Sache des Dienstherren.
Liz
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von Liz »

thh hat geschrieben:
stilzchenrumpel hat geschrieben: Dienstag 28. April 2020, 20:40Macht es da nicht mehr Sinn, dass der Betroffene schlicht für 3 Monate nicht terminiert in einem Zivildezernat und dann Verfahren, die in jedem Fall verhandelt werden müssen, per Präsidiumsbeschluss auf andere verteilt werden?
Wer spricht denn von nur drei Monaten? Das scheint mir eine sehr unrealistische Annahme zu sein. Und das (vorgeplante) Umverteilen bereits anhängiger Verfahren, die zudem einzeln bezeichnet werden, ist auch nicht besser als eine GVP-Regelung, die dann einen Zuständigkeitswechsel ausdrücklich vorsieht.
Wenn der Kollege monatelang "wegen Corona" nicht verhandelt und in der Folge sein Dezernat langsam, aber sicher absäuft, wird man wohl irgendwann für das Dezernat eine Lösung (Umverteilung oder Proberichter) finden müssen. Allerdings dürfte wohl frühestens im nächsten Frühjahr/Sommer ein "gefahrloses" Verhandeln möglich sein und so lange kann man die Verfahren natürlich nicht liegen lassen.

@Urs Blank: danke für die Erläuterung.
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von Sonnenschein111 »

Also erstmal nochmal danke für die Antworten! Mir hat das emotional sehr geholfen, mit der Situation zurechtzukommen.
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von markus87 »

famulus hat geschrieben:Wäre das nicht ein schwerwiegender Mangel, der sich auf jedes betroffene Verfahren auswirken würde? Wenn ja, würde ich es in der Tat als meine Pflicht ansehen, bestehende - (auch) mein Dezernat betreffende - Bedenken auf dem jeweiligen Dienstweg anzubringen.
Und das dürfte noch nicht einmal genügen. Denn in der Folge dürfte tatsächlich die Pflicht bestehen, alle unter Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zugewiesenen Verfahren erst einmal auszusetzen. Wenn du das nicht machst, dann beugt nicht das Präsidium das Recht, sondern du.

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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von Omnimodofacturus »

markus87 hat geschrieben: Dienstag 5. Mai 2020, 07:18
famulus hat geschrieben:Wäre das nicht ein schwerwiegender Mangel, der sich auf jedes betroffene Verfahren auswirken würde? Wenn ja, würde ich es in der Tat als meine Pflicht ansehen, bestehende - (auch) mein Dezernat betreffende - Bedenken auf dem jeweiligen Dienstweg anzubringen.
Und das dürfte noch nicht einmal genügen. Denn in der Folge dürfte tatsächlich die Pflicht bestehen, alle unter Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zugewiesenen Verfahren erst einmal auszusetzen. Wenn du das nicht machst, dann beugt nicht das Präsidium das Recht, sondern du.

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Die Aussetzungsentscheidung ist allerdings ja auch schon eine Entscheidung in der Sache. Insofern ein Biss in den Schwanz...
PerryManson
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Re: Geschäftsverteilung: wechselnde Zuständigkeit je nach Verfahrensgang

Beitrag von PerryManson »

Sonnenschein111 hat geschrieben: Montag 4. Mai 2020, 23:32 Also erstmal nochmal danke für die Antworten! Mir hat das emotional sehr geholfen, mit der Situation zurechtzukommen.
Halt uns mal auf dem Laufenden.
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