Richterbesoldung

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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Joshua
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Zu wenig Richter, längere Verfahrensdauer, Ansehen sinkt, also müsse auch das Gehalt sinken? Damit das Ansehen noch weiter sinkt? Sollte der Gesetzgeber nicht vielleicht an einem anderen Teil dieser Kette intervenieren?

Oder kürzer: Logiken sind nicht zu isolieren, sondern immer zu kontextualisieren.

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Tibor
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Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

Joshua hat geschrieben:Zu wenig Richter, längere Verfahrensdauer, Ansehen sinkt, also müsse auch das Gehalt sinken? Damit das Ansehen noch weiter sinkt? Sollte der Gesetzgeber nicht vielleicht an einem anderen Teil dieser Kette intervenieren?
Nein, es zeigt nur, dass das „Ansehen“ einfach völlig konturenlos ist. Es ist als Maßstab für Besoldungshöhe schlicht ungeeignet. Und es wird nicht geeigneter, nur weil das BVerfG seinen Textbaustein seit unvordenklicher Zeit immer wieder kopiert.
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Joshua
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Interessant, was du dem BVerfG unterstellst. Jetzt sind es also Textbausteinkopierer, die das Denken eingestellt haben. Gut, dass die Besoldung nicht an deine Überzeugung vom Rechtsstaat gebunden ist - denn dann fiele sie ins Bodenlose.

Im Übrigen ist alles, was du sagst, logisch vollkommen unhaltbar. Du begehst einen klassischen Sein-Sollens-Fehlschluss. Das BVerfG versteht das Ansehen natürlich als Faktor der Besoldung nicht rein empirisch, sondern v.a. iSe normativen Zielmarke, i.Zw. auch kontrafaktisch. Also: Wenn das Ansehen faktisch sinkt, was rechtsstaatlich NICHT ERWÜNSCHT ist, und wozu (soziologisch erwiesenermaßen) auch Witzbesoldungen beitragen, darf die Besoldung natürlich nicht noch weiter sinken (Circulus-vitiosus-Argument=valide), sondern muss die andere Richtung nehmen.

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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

Joshua hat geschrieben: Das BVerfG versteht das Ansehen natürlich als Faktor der Besoldung nicht rein empirisch, sondern v.a. iSe normativen Zielmarke.
Also wie bspw „Gerechtigkeit“? Schön und gut, aber was ist nun Zielmarke von Ansehen? Wann haben Richter ein verfassungsgemäßes Ansehen in der Bevölkerung? Im Ergebnis läuft doch deine Betrachtung immer nur auf hinkende Vergleiche hinaus: Entweder vergleicht man die aktuelle Situation mit einer verklärten „früher war alles besser“ Situation oder mit anderen Berufsgruppen, natürlich nur mit denen, die mehr in der Tasche haben.
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

Joshua hat geschrieben:Interessant, was du dem BVerfG unterstellst. Jetzt sind es also Textbausteinkopierer, die das Denken eingestellt haben. Gut, dass die Besoldung nicht an deine Überzeugung vom Rechtsstaat gebunden ist - denn dann fiele sie ins Bodenlose.
Meine Überzeugung vom Rechtsstaat und meiner Tätigkeit für diesen ist jedenfalls nicht davon abhängig, dass ich meine Entscheidungen des BVerfG oder eines Obergerichts nicht kritisieren zu dürfen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Der Rechtsstaat lebt von Diskussion, Kritik und Fortentwicklung.
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Das ist keine Kritik am BVerfG (eine solche ist legitim und - wie du vollkommen zutreffend sagst - elementar in einem offenen Diskurs), sondern Dampfplauderei. Dass hier ohne jede Reflexion gearbeitet worden sei, ist nämlich eine Behauptung ins Blaue in Reinkultur.

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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Tibor hat geschrieben: Samstag 11. Juni 2022, 19:37 „früher war alles besser“
Wenn man die Besoldung schlicht jahrzehntelang nicht einmal der Inflation anpasst, ist das wohl kaum ein geordnetes, von einem nachvollziehbaren besoldungspolitischen Willen getragenes Vorgehen. Sondern die übliche "Politik" der leeren Kassen.

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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

Da hast du natürlich recht; aber im Ergebnis weichst du hier nur aus: Wie leitet man aus einer Amtsangemessenheit eine Besoldungshöhe ab? Konkret nicht; es geht nur durch Vergleiche.

Letztlich positioniert sich das BVerfG auch nicht und macht deshalb ebenfalls nur irre Rechenwege/Vergleiche auf, die mal mehr, mal weniger überzeugende Zeitreihen abbilden und mit mehr oder weniger Rabatt/Entscheidungsspielraum mal gehalten und mal verworfen werden. Mehr kannst du ja auch nicht liefern.
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von gola20 »

Das BVerfG hat doch seine 5-stufige Prüfung. Kann da mal jemand subsumieren? Ich will das lange Urteil nicht lesen.
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Theopa »

Joshua hat geschrieben: Samstag 11. Juni 2022, 16:17 Danke, und das sind eben gerade mehr als die 7 oder 7.5 Punkte, auf die man sich in diversen Bundesländern zubewegt.

Mal davon abgesehen, dass das BVerfG gerade nicht sagt, "höchtens etwas über Durchschnitt"; nach oben selbstverständlich offen!

[...]

Wichtig auch "Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft". Damit verbieten sich - bei allem Respekt - Vergleiche mit AOK-Juristen.
Zum Ersten: Überdurchschnittlich ist überdurchschnittlich. Wenn du daraus "zwei VB" lesen möchtest ist das eine Überdehnung der Aussage. Ich kenne den exakten Schnitt der Punkte aller Absolventen nicht, nach der prozentualen Verteilung der Ergebnisse im zweiten Examen (als am besten vergleichbare Prüfung, die im Schnitt ohnehin relevanter für den Zugang zum Richteramt ist) würde ich diesen aber grob im mittleren Befriedigend einordnen.

Dazu kommt eben: Auch jemand mit zwei mal 4,00 hat die Befähigung zum Richteramt. Dass diesen der Zugang faktisch nicht möglich ist liegt einfach am zu hohen Angebot. Wie war das nochmal mit den Staatsnoten zur Zeit der Wende?

Für den völlig unbestimmten Begriff des "Ansehens" dürfte die Besoldung nun wirklich irrelevant sein. Erstens weiß eigentlich niemand der nicht selbst Jurist ist wieviel ein Richter nun wirklich verdient und zweitens kann zu viel Gehalt auch wieder negative Folgen haben, da Richter damit wieder zu "denen da oben, die sowieso nicht verstehen wie es normalen Menschen geht!" werden. Ein Richter der "nur" deutlich überdurchschnittlich verdient und in der Mietwohnung wohnt kann daher auch sehr positiv empfunden werden. Im Ergebnis würde ich den Punkt für die Außenwirkung als neutral bewerten.
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Theopa hat geschrieben: Sonntag 12. Juni 2022, 08:49 Zum Ersten: Überdurchschnittlich ist überdurchschnittlich. Wenn du daraus "zwei VB" lesen möchtest ist das eine Überdehnung der Aussage.
Nein. Lies das BVerfG bitte genauer:
Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt (vgl. BVerfGE 114, 258 <294>; 130, 263 <292>; 150, 169 <182 Rn. 30>), zeigt sich vor diesem Hintergrund auch daran, ob es in dem betreffenden Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben. Gradmesser für die fachliche Qualifikation der eingestellten Richter und Staatsanwälte sind vorrangig die Ergebnisse in der Ersten Prüfung und der Zweiten Staatsprüfung. Sinkt – auch im Vergleich zu den Ergebnissen aller Absolventen im Vergleichszeitraum – das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 117>). Das Gleiche gilt, wenn in größerem Umfang Bewerber zum Zuge kommen, die nicht in beiden Examina ein Prädikatsexamen („vollbefriedigend“ oder besser) erreicht haben.
Für den völlig unbestimmten Begriff des "Ansehens" dürfte die Besoldung nun wirklich irrelevant sein.
Nein, der Zusammenhang ist empirisch gefestigt.

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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Mir fällt anhand der letzten Kritiken, gegen die sich durchgreifende Verteidigungen finden lassen, grundsätzlich auf, dass das BVerfG ein sehr weitsichtiges, auch die Funktionen der Judikative in den Blick nehmendes Urteil zur Richterbesoldung gefasst hat. Saubere Arbeit!

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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt (vgl. BVerfGE 114, 258 <294>; 130, 263 <292>; 150, 169 <182 Rn. 30>), zeigt sich vor diesem Hintergrund auch daran, ob es in dem betreffenden Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst anzuwerben. Gradmesser für die fachliche Qualifikation der eingestellten Richter und Staatsanwälte sind vorrangig die Ergebnisse in der Ersten Prüfung und der Zweiten Staatsprüfung. Sinkt – auch im Vergleich zu den Ergebnissen aller Absolventen im Vergleichszeitraum – das Notenniveau über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise und/oder werden die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst spürbar herabgesetzt, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Ausgestaltung der Besoldung nicht genügt, um die Attraktivität des Dienstes eines Richters oder Staatsanwalts zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 139, 64 <121 Rn. 117>). Das Gleiche gilt, wenn in größerem Umfang Bewerber zum Zuge kommen, die nicht in beiden Examina ein Prädikatsexamen („vollbefriedigend“ oder besser) erreicht haben.
Empirisch belegt?

Woher nimmt man 5 Jahre? Was ist erhebliche Weise? Was ist spürbar herabgesetzt? Was ist größerer Umfang? Das ist eine Aneinanderreihung von wachsweichen Vergleichsparametern, um im Ergebnis jede Entscheidung begründen zu können. Das ist das Gegenteil von empirisch fundiert/belegt.
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Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

"Empirisch belegt" bezog sich doch auf etwas ganz anderes.

Zur Sache:

Es völlig legitim, dass das BVerfG, wenn es eine Vermutung formuliert, zugleich bestimmt, welchen zeitlichen Rahmen es für den Eintritt der vermutungsbegründenden Tatsachen setzt. 5 Jahre erscheinen mir als vernünftiger Kompromiss.

Der Versuch, gerade hier, wo es dir nicht in den Kram passt, unbestimmte Rechtsbegriffe apriorisch zu verdammen, erscheint mir doch albern. Z.B. verbietet sich eine starre %-Grenze für den Umfang der erfolgreichen Bewerber ohne die - nach BVerfG - eigentlich "amtsangemessene" Mindest-Quali (=Doppel-VB), weil es von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedliche base rates bzgl. offener Stellen, verfügbarer Absolventen, Notendurchschnitte der relevanten Durchgänge u.a. geben wird. Dennoch ist es richtig, darauf zu achten, ob die Kandidaten mit Mindest-Doppel-VB den Staatsdienst noch annehmen oder nicht.

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Re: Richterbesoldung

Beitrag von gola20 »

Damit dreht man sich noch immer nur im Kreis. Was bringt die Feststellung, dass die Besoldung zu niedrig war in den vergangenen 5 Jahren? Damit weiß ich noch immer nicht, wie hoch die Besoldung eigentlich sein muss. Du bist hier noch immer konkrete Zahlen schuldig. Tibor hat dich schon mehrmals dazu aufgefordert.
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