Richterbesoldung

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Antworten
Joshua
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1636
Registriert: Freitag 31. August 2007, 14:53

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Das Thema, wie man sich gegen die Unterbesoldung aktiv wehrt, hatten wir hier schon. Interessanterweise legte der User, der auf seinen Widerspruch hinwies, dar, gerade durch die Diskussion hier im Thread auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts aufmerksam geworden zu sein. So viel also zu dem Argument, eine Diskussion, die im Kern rechtspolitisch geführt wird, anstatt etwa anhand von konkreten Klageverfahren einzelner User, sei ein sinnloses Unterfangen...

Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der User, der jetzt betont, dass eine rechtspolitische Diskussion lediglich weinerlich sei, damals auf die konkreten Schilderungen des Widerspruchs mit einer nach meinem Dafürhalten geschmacklosen Polemik zu kinderreichen Beamtenfamilien reagiert hat.

Aber selbst wenn all das Vorgesagte, welches für den Threadverlauf im Konkreten eine erhebliche Bedeutung hat, nicht zuträfe, bliebe es dabei, dass es logisch unhaltbar ist, für Diskussionsbeiträge zu verlangen, dass die betreffenden Diskussionsteilnehmer die jeweiligen Diskursfrüchte dergestalt für sich nutzen, dass sie Klage erheben. Eine rechtsfolitisch geführte Diskussion hat in einer offenen Gesellschaft immer einen beträchtlichen Eigenwert.

Hier aus der Historie:
Joshua hat geschrieben: Dienstag 9. März 2021, 18:55
Nicco77 hat geschrieben: Dienstag 2. Februar 2021, 15:25 Um dem Thema eventuell eine positivere Note zu geben, möchte ich hiermit allen danken, dass ihr das Thema so ausführlich diskutiert! Ohne euch wären mir die beiden Entscheidungen des BVerfG aus dem letzten Jahr weiter unbekannt geblieben. Ich habe als Betroffener gleich im Dezember Widerspruch gegen die Besoldung im Kalenderjahr 2020 eingelegt (https://www.dbb-nrw.de/aktuelles/news/d ... erfuegung/). Sollte dabei etwas rumkommen, stoße ich in Gedanken auf euch an. :occasion5:
Gut so!
Darauf User Gola:
Ist das schön. Je fleißiger der Beamte im Schlafzimmer ist, umso mehr Steuergelder (...)

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2255
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Strich »

Tibor hat geschrieben: Montag 6. Juni 2022, 11:10 Sachargumente: Die überdehnte bundesverfassungsrechtliche Rspr zur Alimentationsidee nebst Berechnungsfetisch ist falsch und wird zu Recht vom Gesetzgeber unbeachtet belassen. Es ist jenseits von Unterhaltszeiten jedem Erwachsenen zuzumuten sich selbst zu unterhalten. Eine Mitbesoldung eines Ehegatten hat nichts mit amtsangemessen zu tun.

Und jetzt ad personam: Wenn das Geld nicht reicht, obwohl dieses Netto > 90% der arbeitenden Bevölkerung reicht, machst du etwas falsch. Musst du dir halt einen Nebenjob suchen. AG Leiter, Bücher schreiben, Repetitor, alles möglich.
Ich bin hier mal neben anderen der persistent objector: Mit dem ad personam Argument meinst du auch, dass eigentlich alle die mehr als H4 bekommen, sich nicht beschweren dürfen. Die Kapitalisten des 19. Jahrhunderts freut dieses Argument. Richtig ist natürlich, dass üblicherweise der ausgehandelte Lohn angemessen ist und nicht das, was du dazu erklärst oder was irgendeine Bevölkerungsgruppe im Vergleich hat. Es interessiert mich auch überhaupt nicht, ob man von irgendeinem Geld leben kann oder nicht. Wenn letzteres relevant wäre, hätte ich mir die Schule sparen können. Bei Beamten wird nichts ausgehandelt. Da fehlen auch Tarifpartner etc. die diesen Druck erzeugen könnten, ergo muss ein Ausgleich über das Alimentationsprinzip her.

Deine Sachargumente übersehen im Übrigen dass die angemessene Alimentation irgendwie auch die Korruption von Beamten unantraktiv machen soll. Das wird halt umso schwerer, je mehr des Gehalts dafür drauf geht, die Familie mit versorgen zu müssen. Der Richter in der 70 m² 3 Zimmer Wohnung in Leipzig Connewitz dürfte der Gesellschaft im Übrigen auch schwieriger zu verkaufen sein.
Joshua hat geschrieben: Sonntag 5. Juni 2022, 21:39
Tibor hat geschrieben: Sonntag 5. Juni 2022, 21:11 Dein Konto schon wieder leer?
Dein Konto sachlicher Argumente ganz gewiss!
Der war jetzt schon irgendwie witzig ^^
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
famulus
Fossil
Fossil
Beiträge: 10254
Registriert: Freitag 12. März 2004, 12:55
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Richterbesoldung

Beitrag von famulus »

Also ich habe mit E13 und E8-Gattin ohne spürbare Entbehrungen so ansparen können, dass wir in einer ostdeutschen Landeshauptstadt ein Einfamilienhaus neu bauen konnten. Jetzt, wo ich (immerhin auch "nur" A13) verbeamtet wurde, weiß ich gar nicht wohin mit dem ganzen Geld, was jetzt über E13 hinaus noch reinkommt. Von den zusätzlichen Familienzuschlägen ganz abgesehen. Jetzt wird sogar noch meine Frau verbeamtet. :(

Klage abgewiesen.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
Joshua
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1636
Registriert: Freitag 31. August 2007, 14:53

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

Zu einer sachlichen Argumentation gehört auch, auf die Argumente der Andersdenkenden zumindest rudimentär einzugehen. Ich habe hier mehrfach eine sehr ausführliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts versucht und dabei insbesondere auch den Begriff der Amtsangemessenheit als zentrales regulatives Prinzip der Besoldung in das Zentrum der Diskussion gerückt.

Wie Strich es in dem oben stehenden Posting auch noch einmal nachdrücklich
darlegt, und wie ich es bereits mehrfach darzulegen versucht habe, fließen in den Begriff der Amtsangemessenheit zahlreiche Faktoren ein, unter anderem und gerade auch die für das für jeweilige Amt vorausgesetzte Qualifikation.

Dennoch wird hier beharrlich an einem völlig falschen regulativen Prinzip festgehalten, indem Nutzer individualwirtschaftlich argumentieren, mit einem bestimmten Gehalt zurechtzukommen.

Wie ausgeführt, ist das eben nicht der Maßstab und damit als solches völlig irrelevant.

Wie kürzlich etwa wieder in einigen norddeutschen Bundesländern diskutiert wurde, zuletzt beispielsweise in Bremen, mussten die Notenanforderungen für das Richteramt zuletzt drastisch nach unten korrigiert werden. Ein Grund dafür, nicht genügend qualifizierte Bewerber zu erhalten, ist nach allgemeinem Dafürhalten auch die in Relation zu der jeweiligen Qualifikation nicht mehr angemessene Besoldung. Wäre es so dass die Besoldung hinreichend attraktiv wäre, müsste man wohl kaum die Notengrenzen dermaßen nach unten korrigieren.

Das Problem wird erst noch an Schärfe gewinnen, da bis 2030 40% der Richter deutschlandweit in den Ruhestand versetzt werden, in den ostdeutschen Bundesländern sogar knapp zwei Drittel. Wenn man nicht schleunigst etwas an den Besoldungsstrukturen ändert, wird man die Stellen nicht mehr annähernd mit qualifizierten Bewerbern auffüllen können. Ganz zu schweigen davon, dass ich persönlich der Meinung bin, dass die Justiz nach wie vor den Anspruch haben sollte, auch die jeweiligen Jahrgangsbesten für sich zu gewinnen, nicht nur – ohne dass ich damit despektierlich sein möchte – die Kandidaten mit knapp oberhalb von 7,5 Punkten.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
gola20
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 865
Registriert: Donnerstag 29. September 2011, 20:11
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Richterbesoldung

Beitrag von gola20 »

Mein Fehler, dachte du wolltest praktische Lösungen und Hilfe. Wenn du nur reden willst, dann viel Spaß.
Versicherungsnehmer
Power User
Power User
Beiträge: 368
Registriert: Donnerstag 22. März 2012, 15:42
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Versicherungsnehmer »

Tibor hat geschrieben: Montag 6. Juni 2022, 19:38
Joshua hat geschrieben:
gola20 hat geschrieben: Montag 6. Juni 2022, 15:39 Du streitest ja nicht, du heulst nur herum. Wenn mein Arbeitgeber das Gesetz bricht und mir damit schadet, dann verklage ich ihn. Wo ist deine Klage?
:alright
Also ich habe meinen Dienstherrn schon einmal verklagt.

Now we talkin‘
Und ich habe meinen Dienstherrn schon einmal verurteilt ;-)
Joshua
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1636
Registriert: Freitag 31. August 2007, 14:53

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

gola20 hat geschrieben: Dienstag 7. Juni 2022, 12:09 Mein Fehler, dachte du wolltest praktische Lösungen und Hilfe. Wenn du nur reden willst, dann viel Spaß.
Danke, dein Angebot war so großzügig, mir wird ganz warm ums Herz.

AA zu deinen Intentionen: der Threadverlauf.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
gola20
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 865
Registriert: Donnerstag 29. September 2011, 20:11
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Richterbesoldung

Beitrag von gola20 »

ad hominem!
So langsam glaube ich, dass du mich nicht magst :drinking:
Joshua
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1636
Registriert: Freitag 31. August 2007, 14:53

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Joshua »

w=f(s)
w für Wertschätzung, s für Sinnhaftigkeit der Beiträge. Funktion aufgrund meiner großzügigen Art gerne exponentiell...

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
Theopa
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1328
Registriert: Mittwoch 9. Juli 2014, 18:09
Ausbildungslevel: RA

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Theopa »

Joshua hat geschrieben: Dienstag 7. Juni 2022, 11:57 Wie kürzlich etwa wieder in einigen norddeutschen Bundesländern diskutiert wurde, zuletzt beispielsweise in Bremen, mussten die Notenanforderungen für das Richteramt zuletzt drastisch nach unten korrigiert werden. Ein Grund dafür, nicht genügend qualifizierte Bewerber zu erhalten, ist nach allgemeinem Dafürhalten auch die in Relation zu der jeweiligen Qualifikation nicht mehr angemessene Besoldung. Wäre es so dass die Besoldung hinreichend attraktiv wäre, müsste man wohl kaum die Notengrenzen dermaßen nach unten korrigieren.

Das Problem wird erst noch an Schärfe gewinnen, da bis 2030 40% der Richter deutschlandweit in den Ruhestand versetzt werden, in den ostdeutschen Bundesländern sogar knapp zwei Drittel. Wenn man nicht schleunigst etwas an den Besoldungsstrukturen ändert, wird man die Stellen nicht mehr annähernd mit qualifizierten Bewerbern auffüllen können. Ganz zu schweigen davon, dass ich persönlich der Meinung bin, dass die Justiz nach wie vor den Anspruch haben sollte, auch die jeweiligen Jahrgangsbesten für sich zu gewinnen, nicht nur – ohne dass ich damit despektierlich sein möchte – die Kandidaten mit knapp oberhalb von 7,5 Punkten.
Liegt da wirklich ein kausaler Zusammenhang vor?

X% eines Jahrgangs mit der Personenstärke Y wählen den Weg zur Justiz, wovon dann Z% in Vollzeit tätig werden.

Heute ist die Personenstärke Y geringer, da die Jahrgänge schrumpfen, zudem steigt der Bedarf an Richtern durch die im Vergleich zum 20. Jahrhundert ganz erheblich angestiegene Zahl an Teilzeitstellen (Z sinkt). X könnte damit heute gleich hoch oder sogar noch höher sein als früher, trotzdem entsteht ein Mangel. Es kann also sehr gut sein, dass das Richteramt heute exakt so attraktiv oder unattraktiv wie 1970 oder 1990 ist, man aber ein Missverhältnis an Absolventen und Stellen hat.

Ein Beispiel mit willkürlichen Zahlen:
- Wenn man heute 1100 Richter bei 10.000 Absolventen bräuchte, aber nur 10% der Absolventen Richter werden wollen und ordentliche Noten haben hat man einen Mangel von 100
- Wenn man früher 900 Richter bei 13.000 Absolventen brauchte und ebenfalls 10% der Absolventen Richter werden wollten und ordentliche Noten hatten, hatte man einen Überschuss von 400, welcher die Notenanforderungen bei der Auswahl drastisch erhöht.

Ob man X wirklich durch einen realistischen Bonus bei der Besoldung erhöhen könnte würde ich mal als sehr fraglich einstufen. Ich habe eigentlich auch nur von wenigen gehört, die nur des Gehalts wegen darauf verzichten, ein wichtiges Argument waren auch stets die Arbeitsbedingungen. Ich war sicher nicht der einzige, dem der Wunsch nach dem Staatsdienst erst durch das Ref absolut gründlich ausgetrieben wurde.
sai
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1579
Registriert: Montag 27. Mai 2013, 10:30
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Richterbesoldung

Beitrag von sai »

famulus hat geschrieben: Dienstag 7. Juni 2022, 10:43 Also ich habe mit E13 und E8-Gattin ohne spürbare Entbehrungen so ansparen können, dass wir in einer ostdeutschen Landeshauptstadt ein Einfamilienhaus neu bauen konnten. Jetzt, wo ich (immerhin auch "nur" A13) verbeamtet wurde, weiß ich gar nicht wohin mit dem ganzen Geld, was jetzt über E13 hinaus noch reinkommt. Von den zusätzlichen Familienzuschlägen ganz abgesehen. Jetzt wird sogar noch meine Frau verbeamtet. :(

Klage abgewiesen.
Das hilft als Argumentation allerdings nicht weiter, weil andere Familie möglicherweise einen anderen Lebensstil pflegen als deine und das Leben in vielen westdeutschen Landeshauptstädten erheblich teurer sein dürfte.
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

ok, let's talk about Amtsangemessenheit.

Wir haben hier Funktions- und Ausbildungsvergleich.

Ausbildungsvergleich = System der Besoldungsgruppen = Universitätsabschluss = höherer Dienst. Check. Also bewegen sich im Vergleich die Richter unweigerlich zwischen A13 und B10.

Nun zur Funktion? Wenn sich dieser Begriff aus althergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums ableiten lässt, dann müssen wir also auch zurückblicken. Der alteingesessene Amtsrichter hatte in der Kleinstadt ein Ansehen wie der Bürgermeister, Schuldirektor, Pfarrer. Der Jungassessor war darunter angesiedelt. Also sind wir auch nicht weiter, als zu sagen ok, ein Äquivalent für Amtsrichter in der Spannbreite A13-A14 wäre wohl ok. Der Landrichter in der Stadt stand eine Stufe höher: Gymnasialdirektor, Klinikchef etc., also eben A14-B2?

Kommen wir so weiter? Nein!

Was ihr meint, ist nämlich, dass es ein hergebrachtes Recht auf Finanzierung eines diffusen und nicht bestimmbaren Lebensstilumfangs geben soll. Das BVerfG bemüht sich deshalb seit je her mit diesen "Eingang höherer Dienst = 200% von Amt sowieso". Das ist reines Standesdenken und in der Funktionsvergleichbarkeit angelegt. Wenn es so sein soll, dann müsste man also nur einen Prozentsatz von H4 finden, der als Untergrenze = R1 Eingang = A13 Eingang dient. Was hat das mit Amtsangemessenheit zu tun? Wahrlich nichts, weil das Amt (Richter!) keine Bedeutung für den persönlichen Lebensstil hat. Auch das wohlfeile Argument der "Nichtbestechlichkeit" ist sehr an den Haaren herbeigezogen, denn genauso könnte man H4 erhöhen, dass die Leute bitte nicht mehr klauen.

Im Kern geht es nur um Perpetuierung einer Überversorgung der verklärten Vergangenheit. Das lässt aber vollständig außen vor, dass es mehr Richter je Einwohner gibt, als noch 1870, 1920, 1950 oder 1970. Es gibt auch vielfältig andere Aufgaben. Der Richter ist auch viel mehr in das staatliche System eingebunden, als ein kleiner Amtsrichterkönig 1925. Zudem verkennt diese Rückschauverklärung, dass der Richter früher ungerechtfertigt ungleich behandelt wurde. Richterberuf oder akademische Berufe waren gerade nicht für Jedermann zugänglich und das Gros der Gesellschaft hatte einen bewusst gesteuerten niedrigeren Lebensstandard. Wir sind aber davon weg, dass es niedrige Stände gibt, denen wir Armut, Sorge und kurzes Leben einfach so aufoktroyieren könnten. Es gibt eben keine begründbaren Abstände im Lebensstil zwischen Filialleiter Aldi und Amtsrichter. Entsprechend gibt es keinen begründbaren Anspruch als langjähriger Richter mit einem Großkanzleianwalt verglichen zu werden etc pp.

Ihr dreht euch mit der Alimentationsidee alle im Kreis, weil es vermeintlich schöne Begründungen liefert.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2255
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Strich »

Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 08:53 ok, let's talk about Amtsangemessenheit.

Wir haben hier Funktions- und Ausbildungsvergleich.

Ausbildungsvergleich = System der Besoldungsgruppen = Universitätsabschluss = höherer Dienst. Check. Also bewegen sich im Vergleich die Richter unweigerlich zwischen A13 und B10.

Nun zur Funktion? Wenn sich dieser Begriff aus althergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums ableiten lässt, dann müssen wir also auch zurückblicken. Der alteingesessene Amtsrichter hatte in der Kleinstadt ein Ansehen wie der Bürgermeister, Schuldirektor, Pfarrer. Der Jungassessor war darunter angesiedelt. Also sind wir auch nicht weiter, als zu sagen ok, ein Äquivalent für Amtsrichter in der Spannbreite A13-A14 wäre wohl ok. Der Landrichter in der Stadt stand eine Stufe höher: Gymnasialdirektor, Klinikchef etc., also eben A14-B2?

Kommen wir so weiter? Nein!
Ich finde den Ansatz nicht verkehrt. Wieso kommt man so nicht weiter?
Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 08:53 ...Auch das wohlfeile Argument der "Nichtbestechlichkeit" ist sehr an den Haaren herbeigezogen, denn genauso könnte man H4 erhöhen, dass die Leute bitte nicht mehr klauen.
Das ist ein schlechter Witz oder? Der Grund, warum sich Sozialhilfesysteme politikrichtungsübergreifend durchgesetzt haben, ist gerade, dass die Leute dann weniger klauen und "nerven". Oder anders ausgedrückt: Die Linke will die Sozialhilfe, wegen der "sozialen Ungerechtigkeit" wie auch immer das im Einzelfall gerade ausdekliniert wird. Die Rechte will die Sozialhilfe, weil man schon vor über 300 Jahren erkannt hat, dass eine ausgeprägte Schicht an Einkommenslosen destabilisierend auf die Gesellschaft wirkt. Irgendwo dazwischen handelt die Gesellschaft dann Harz 4 aus.

Oder um es noch anders auszudrücken: Wenn du morgen Harz 4 abschaffst, bist du doch nicht ernsthaft der Meinung, dass sich die Leute zum sterben auf die Straße legen? Es ist doch klar was dann passiert. Ergo ist der Ansatz sowohl des BVerfG als auch das Korruptionsargument legitim und bei weitem nicht so einfach wegzuwischen, wie du es versuchst.
Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 08:53 Im Kern geht es nur um Perpetuierung einer Überversorgung der verklärten Vergangenheit. Das lässt aber vollständig außen vor, dass es mehr Richter je Einwohner gibt, als noch 1870, 1920, 1950 oder 1970. Es gibt auch vielfältig andere Aufgaben. Der Richter ist auch viel mehr in das staatliche System eingebunden, als ein kleiner Amtsrichterkönig 1925. Zudem verkennt diese Rückschauverklärung, dass der Richter früher ungerechtfertigt ungleich behandelt wurde.
Ja stimmt, mit Ausnahme der Wertungen (Überversorgung, verklärt, vollständig). Ich frage mich nur, wer diese Rückschau anstellt. Wenn du meinst, die komme daher weil hier auf hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentum abgestellt wird, verkennst du, dass das hergebracht zwar rechtshistorisch gemeint ist, die Gründe für die konkrete Höhe der Versorgung heute aber andere sind. Natürlich will ich keine Versorgung wie 1925.
Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 08:53 Richterberuf oder akademische Berufe waren gerade nicht für Jedermann zugänglich und das Gros der Gesellschaft hatte einen bewusst gesteuerten niedrigeren Lebensstandard. Wir sind aber davon weg, dass es niedrige Stände gibt, denen wir Armut, Sorge und kurzes Leben einfach so aufoktroyieren könnten.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich damit anfangen soll? Einerseits stimmt die Aussage schlicht nicht, dass das Gro der Gesellschaft einen bewusst gesteuerten niedrigeren Lebenststandard hatte. Dieser hat in Europa mit der Industrialisierung doch erheblich in allen Schichten zugelegt. Zum anderen sind Richterberufe auch heute noch nicht für Jedermann zugänglich. Meine Verwirrung mit diesem Argument bleibt im Übrigen auch bestehen, wenn ich einfach mal unterstelle, dass irgendwas aufoktroyiert und der Lebensstandard niedrig gehalten wurde, sodass wir uns darüber eigentlich nicht streiten müssen?
Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 08:53 Es gibt eben keine begründbaren Abstände im Lebensstil zwischen Filialleiter Aldi und Amtsrichter. Entsprechend gibt es keinen begründbaren Anspruch als langjähriger Richter mit einem Großkanzleianwalt verglichen zu werden etc pp.

Ihr dreht euch mit der Alimentationsidee alle im Kreis, weil es vermeintlich schöne Begründungen liefert.
Nein du drehst dich im Kreis: du behauptest einfach, dass die Aldikassiererin/Filialleiterin und der Richter sich gesellschaftlich nicht unterscheiden, was m.E. eine begründungsbedürftie Aussage ist. Das Gegenteil scheint mir nämlich zunächst einmal in Anbetracht der verschiedenen Aufagben plausibler zu sein. Zuallerletzt habe ich auch noch nichts zu meinem eigentlich Kernargument gehört. Das war nämlich mitnichten irgendeine Rückschau, sondern die Aussage, dass das Alimentationsprinzip auch der Ausgleich dafür ist, dass ich mein Gehalt nicht wie Arbeitnehmer verhandeln kann/nicht streiken darf und es keine Tarifvertragsparteien gibt.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Tibor »

@strich:

ad 1) Bestechlichkeit: im Bereich der absoluten Vorsorge gebe ich dir recht, aber ich halte es für falsch zu behaupten, dass in die Richterbesoldung einen Betrag x eingepreist werden müsse, damit sich Richter nicht bestechen lassen. Vermutlich würde eine erhöhte Strafandrohung genügen.

ad 2) Amtsangemessen: Wenn du sagst, dass "verschiedene Aufgaben" im System eine Mehrbesoldung rechtfertigen, verlässt du gerade das System der Ausbildungsgebundenheit (einfacher Dienst = ohne; mittlerer Dienst = Berufsausbildung; gehobener Dienst = Fachhochschule und höherer Dienst = Universität). Dann öffnest du praktisch die Büchse der Pandora, wo jeder Berufszweig seine Wichtigkeit für das Gesamtsystem herausstellt (vgl. Pflegehelden während der Corona-Krise). Natürlich ist auch ein Müllwerker essentiell und wichtig, genauso der Polizist oder der Bundeswehrsoldat, genauso wie die Kindergärtnerin etc. Da kommen wir nicht weiter, weil jeder Berufsgruppe Gründe einfallen, warum sie "wichtige" Aufgaben wahrnimmt, die eine "bessere" Vergütung erfordern. Oder meinst du ehrlich, es gibt nur eine Berufsgruppe im "öffD" (iwS), der das nicht von sich behaupten wird? Und ja, ich denke im Kern sind die Menschen gleich und haben die gleichen Grundbedürfnisse. Deshalb spricht gerade das Wort Alimentation zunächst für gleiche Bezüge für alle. Begründungsbedürftig ist viel mehr die Mehralimentation von besser ausgebildeten (aka wichtigeren Menschen?). Hier haben wir den langen Befund, dass wir einfach an der Ausbildung anknüpfen und gerade nicht an der Tätigkeit. Eine Anknüpfung an Tätigkeit ist mE begründungsbedürftig, siehe bspw. B-Besoldung oder Ministervergütungen.

ad 3) Ausgleich für nicht verhandeln: Der faktische Mechanismus ist doch klar, der angestellte ÖffD streikt/streitet um Tarifverträge und die Besoldung folgt dem. Hier würde ich mitgehen und anerkennen, dass Besoldung %-ual immer wenigstens 1:1 mitgehen muss; Abweichungen in beide Richtungen wieder begründungsbedürftig sind.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2255
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: Richterbesoldung

Beitrag von Strich »

Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 11:35 @strich:
ad 2) Amtsangemessen: Wenn du sagst, dass "verschiedene Aufgaben" im System eine Mehrbesoldung rechtfertigen, verlässt du gerade das System der Ausbildungsgebundenheit (einfacher Dienst = ohne; mittlerer Dienst = Berufsausbildung; gehobener Dienst = Fachhochschule und höherer Dienst = Universität). Dann öffnest du praktisch die Büchse der Pandora, wo jeder Berufszweig seine Wichtigkeit für das Gesamtsystem herausstellt (vgl. Pflegehelden während der Corona-Krise). Natürlich ist auch ein Müllwerker essentiell und wichtig, genauso der Polizist oder der Bundeswehrsoldat, genauso wie die Kindergärtnerin etc. Da kommen wir nicht weiter, weil jeder Berufsgruppe Gründe einfallen, warum sie "wichtige" Aufgaben wahrnimmt, die eine "bessere" Vergütung erfordern. Oder meinst du ehrlich, es gibt nur eine Berufsgruppe im "öffD" (iwS), der das nicht von sich behaupten wird? Und ja, ich denke im Kern sind die Menschen gleich und haben die gleichen Grundbedürfnisse. Deshalb spricht gerade das Wort Alimentation zunächst für gleiche Bezüge für alle. Begründungsbedürftig ist viel mehr die Mehralimentation von besser ausgebildeten (aka wichtigeren Menschen?). Hier haben wir den langen Befund, dass wir einfach an der Ausbildung anknüpfen und gerade nicht an der Tätigkeit. Eine Anknüpfung an Tätigkeit ist mE begründungsbedürftig, siehe bspw. B-Besoldung oder Ministervergütungen.
Mir wäre neu, dass NUR an der Ausbildung anzuknüpfen ist. Demnach wären ja alle Ämter ab A13 "Eingangsamt", weil ja auch B3 einen Uniabschluss voraussetzt und die Anknüpfung an die Tätigkeit Abteilungsleiter (or whatever) nicht zulässig wäre. Oder meinst du, die vorherige Tätigkeit sei "Ausbildung" in diesem System? Also nach dem Motto: R3 wird nur, wer Volljurist ist und mindestens einen 5 Jährige "Ausbildung" als R2 Richter + Erprobung vorweisen kann?
Tibor hat geschrieben: Mittwoch 8. Juni 2022, 11:35 ad 3) Ausgleich für nicht verhandeln: Der faktische Mechanismus ist doch klar, der angestellte ÖffD streikt/streitet um Tarifverträge und die Besoldung folgt dem. Hier würde ich mitgehen und anerkennen, dass Besoldung %-ual immer wenigstens 1:1 mitgehen muss; Abweichungen in beide Richtungen wieder begründungsbedürftig sind.
Aber der ÖffD ist doch eigentlich schon die begründungsbedürftige Ausnahme, da der Staat seine Aufgaben zuvörderst durch Beamte erledigen muss. Ich verstehe auch nicht, warum man auf diese Gruppe abstellen sollte. Genau so kann man doch auch auf den Rechtsanwalt abstellen oder auf den Lehrer etc. Ich weiß, du schriebst nur vom faktischen Mechanismus. Das ist auch so. Aber das muss ich ja nicht gut heißen. Rechtfertigen tut es keine der beiden Positionen.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Antworten