Amtsanwalt NRW - Fragen über Fragen

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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RedWraith
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Amtsanwalt NRW - Fragen über Fragen

Beitrag von RedWraith »

Hallo zusammen,

ich hätte folgende Fragen zum Beruf des Amtsanwalts (als Quereinsteiger/Volljurist) in NRW. Ich habe bereits eine Zusage der GStA und auch schon einige Antworten erhalten, ich würde aber gerne ein paar Zeilen der Praktikern dazu lesen.

Zu Mir: Ich arbeite derzeit als Angesteller im Öffentlichen Dienst in einer Rechtsstelle der Bundesagentur für Arbeit. Qualifikation: Volljurist, Examen aber nicht genug um Richter/StA zu werden. Dennoch reizt mich die Robe irgendwie immernoch, die StA Station im Ref hat auch viel Spaß gemacht.

Gehaltsvergleich: TVBA IV FS+2, also irgendwas mit A10 Stufe 5+ wenn man bedenkt das PKV (300€?) noch abgezogen wird bei Beamten. Das Gehalt wäre also wohl mit A12 besser, aber was ist mit dem Rest? :-s

Hier die Fragen:

1.Wie hoch schätzt ihr die Arbeitsbelastung ein?
Mit wieviel Fällen muss man rechnen? Der Amtsanwalt als reiner Fließbandarbeiter?
(Derzeit habe ich ca. 120-140 offene Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit. Dabei 1-2x Gericht pro Monat mit 1-6 Verfahren pro Sitzungstag.)

2.Einzelbüros?
Könnte wohl knapp werden. Wie sieht das bei den Staatsanwaltschaften für die Amtsanwälte aus?
(Finde ich super entspannt und habe derzeit auch eins. Der Horror wäre ein radiohörender, rauchender Kollege der mich am besten auch noch zutexten will... :upsetangry )

3. Homeoffice?
Geht das? Gibt es eine e-Akte?
(Ich sitze derzeit 4 Tage zu Hause komme kurz rein, verschicke alles was nicht per e-Akte geht und fahre wieder. Vor- und Nachteile sind da, aber ich kann zumindest mit einem vollen System über "Citrix" von zu Hause arbeiten und quasi alles erledigen, Sitzungstage natürlich ausgenommen.)

4. Versetzung?
Kann man sich von StA x zu StA y im gleichen OLG Bezirk versetzen lassen? Wie wahrscheinlich ist sowas als Amtsanwalt, soviele scheint es da nicht zu geben.

5. Oberamtsanwalt?
Wie lange muss man idR warten? Was ändert sich? Einzel-Strafrichter bleibt doch auch Einzel-Strafrichter, mehr geht ja nicht als Amtsanwalt.

6. Notdienst o.ä.?
Gibt es sowas auch für Amtsanwälte? Verlasse ich überhaupt jemals mein Büro für irgendas dienstliches, was nicht die Sitzung ist?

7. Alles was ich vergessen habe, Ihr mir aber unbedingt noch sagen wollt, bevor ich den Job wechsel.

Vielen Dank! [-o<
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thh
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Re: Amtsanwalt NRW - Fragen über Fragen

Beitrag von thh »

Vorweg: Die Handhabung ist - je nach Bundesland - sehr unterschiedlich. Mancherorts hält man die OrgStA (vgl. für NRW bspw. https://www.redeker.de/assets/pdf/lehrm ... OrgStA.pdf (Verwaister Link https://www.redeker.de/assets/pdf/lehrmaterial/2019/9/Teil_3 NRW OrgStA.pdf automatisch entfernt)) streng ein, was (Nrn. 19 ff.) die Tätigkeit der Amtsanwälte doch einigermaßen auf Massen- und Bagatellkriminalität begrenzt. Anderswo bearbeiten sie im Prinzip wie Staatsanwälte alle Delikte, die im Allgemein-, Verkehrs- und Jugendbereich auftreten, teilweise auch in Spezialdezernaten, und bearbeiten auch Verbrechen und andere Strafsachen, die vor dem Schöffengericht verhandelt werden, und treten dort auch routinemäßig als Sitzungsvertreter auf (was das GVG erlaubt); das ist bspw. in Baden-Württemberg (oder jedenfalls in Württemberg) Usus.

Ich beschränke mich daher im Wesentlichen auf Allgemeinplätze, weil ich die spezifischen Verhältnisse in NRW nicht kenne; da kann vielleicht noch jemand mit entsprechenden Kenntnissen ergänzen.
RedWraith hat geschrieben: Mittwoch 1. Dezember 2021, 17:04 1.Wie hoch schätzt ihr die Arbeitsbelastung ein?
Mit wieviel Fällen muss man rechnen? Der Amtsanwalt als reiner Fließbandarbeiter?
(Ca. 120-140 offene Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit.)
Ja. Amtsanwälte bearbeiten (fast) überall Massensachen - entweder ebenso wie die Staatsanwälte auf denselben Abteilungen, oder mehr, weil die "größeren" oder "spezielleren" Verfahren primär den Staatsanwälten zugewiesen werden. Typisch sind Allgemein-/Regional-/Buchstabenabteilungen, Verkehrsabteilungen und ggf. Jugend-/Btm-Abteilungen (nicht dort, wo man strikt nach OrgStA arbeitet). Das sind auch die Abteilungen oder Dezernate mit besonders hohen Eingangszahlen. Die genauen Zahlen unterscheiden sich; hier sind es in Allgemeinsachen 120-140 Verfahren pro Nase und Monat, die erledigt werden müssen, in Verkehrssachen ~ 200 (allerdings mit einer ganzen Menge Bußgeldverfahren, die praktisch nur durchlaufen).
RedWraith hat geschrieben: Mittwoch 1. Dezember 2021, 17:042.Einzelbüros?
Könnte wohl knapp werden. Wie sieht das bei den Staatsanwaltschaften für die Amtsanwälte aus?
Nach meinem Eindruck sind Einzelbüros für Dezernenten der Regelfall, es sei denn, es gibt Raumnot, bspw. auch durch viele Teilzeitmitarbeiter (oder man arbeitet in einem failed state wie in Berlin).
RedWraith hat geschrieben: Mittwoch 1. Dezember 2021, 17:04 3. Homeoffice?
Geht das? Gibt es eine e-Akte?
Die eStrafakte dürfte wohl überall noch in der Planungs- und Pilotierungsphase sein, die Einführung muss aber IIRC bis Ende 2025 bundesweit erfolgt sein. Wo man mit Papierakten arbeitet, ist Homeoffice möglich, aber nicht einfach.

Generell war Homeoffice bei den Staatsanwaltschaften - die Richter dürfen ja eh arbeiten, wo sie wollen - völlig unüblich und auch technisch nicht in der Breite möglich. Die Pandemie hat da vieles geändert; Laptops gab es eh seit 2018 für jeden, und mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 wurden die bisher den eAkte-Gerichten vorbehaltenen VPN-Zugänge wellenweise justizweit ausgerollt, so dass im Prinzip jeder grundsätzlich (modulo telefonische Erreichbarkeit, modulo Aktentransport) zuhause arbeiten kann. Ob und wie das nach der Pandemie bleibt, wird man sehen müssen; auch in der Pandemie ist die Handhabung natürlich lokal unterschiedlich. Baden-Württemberg hat eine Rahmendienstvereinbarung abgeschlossen, die es gestattet, einzelne Vereinbarungen abzuschließen, die bis zu 2 Tage Homeoffice pro Woche (bei Vollzeitkräften, also 40% der Arbeitszeit) ermöglichen dürfen. Mit dem üblichen Sitzungstag pro Woche ist man also dann noch mindestens zwei Tage im Büro. Die Ausgestaltung wird in der Regel auf Abteilungsebene erfolgen müssen, und zwar so, dass die Handlungsfähigkeit vor Ort, auch in Eilsachen, jederzeit gewährleistet ist und die Kommunikation und Einarbeitung neuer Mitarbeiter nicht leidet.

Das kann in NRW natürlich alles ganz anders sein. :)
RedWraith hat geschrieben: Mittwoch 1. Dezember 2021, 17:044. Versetzung?
Kann man sich von StA x zu StA y im gleichen OLG Bezirk versetzen lassen? Wie wahrscheinlich ist sowas als Amtsanwalt, soviele scheint es da nicht zu geben.
Grundsätzlich ja, dürfte in der Praxis aber eine freie Stelle voraussetzen.
RedWraith hat geschrieben: Mittwoch 1. Dezember 2021, 17:045. Oberamtsanwalt?
Wie lange muss man idR warten? Was ändert sich?
OAA-Stellen wird es in der Regel nicht sehr viele geben; die Beförderung erfolgt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, as usual, hängt also von den Beurteilungen und ggf. der Übernahme von Sonderfunktionen ab. Die Wartezeit kann ich nicht seriös abschätzen; ich kenne aber nicht wenige Amtsanwälte, die seit mehr als einem Jahrzehnt Amtsanwälte sind, ohne dass eine Beförderung erfolgt wäre.

Außer der Besoldung ändert sich dann nicht viel; bei den Staatsanwaltschaften sind Führungsfunktionen für Amtsanwälte idR nicht vorgesehen. Dort, wo es eine eigene Amtsanwaltschaft gibt (das kann man m.W. an den Fingern einer Hand abzählen), mag das ggf. anders aussehen.

-thh
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Re: Amtsanwalt NRW - Fragen über Fragen

Beitrag von T0bi »

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Nein, gibt auch interessante Sondergebiete. Hier Rechtshilfe. Wenn man das einige Jahre macht, wird man zu einem gefragten Ansprechpartner in der Behörde.

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Hier selbstverständlich.

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Ja, hier problemlos. Akten i.d.R. dünn, daher Transport einfach.

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Keine praktische Einsicht.

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Klar, kannst zu jeder deiner Durchsuchungen mit. ;)
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
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