Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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Im_Vorigen_Stand
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Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Im_Vorigen_Stand »

Hallo zusammen,

ich bin seit ca 1,5 Jahren im Richterdienst der ordentlichen Gerichtsbarkeit tätigt, derzeit am AG in einem Zivildezernat. Während mir die inhaltliche Arbeit gefällt und ich auch mit den Kollegen und anderen Mitarbeitern hier gut klar komme, schlage ich mich trotzdem zunehmend mit der Frage eines Wechsels in die freie Wirtschaft herum. Was mich stört: Der fehlende Leistungsgedanke. Ich weiß zwar durchaus, dass es ein großer Luxus ist, selbst die Jobsicherheit und eine Sorgen darum zu haben, ob genu Umsatz hereinkommt. Mich macht es aber latent unzufrieden, dass man (nicht zuletzt als Proberichter) unter einem ziemlich Erledigungsdruck steht, während ich bisher nur sehr begrenzt das Gefühl habe, dass die richterliche Leistung (über das Zusammenhalten des Dezernats hinaus) wirklich honoriert wird. In der Geschäftsstelle und der Verwaltung funktioniert hier wenig richtig gut. Dass es von Seiten der Gerichtsspitze große Bemühungen gibt, das zu ändern, sehe ich nicht. Das Problem ist erkannt, aber die Motivation/Gestaltungsmöglichkeit das anzugehen, fehlt. So wird vieles ausgessessen, was für mich sehr unbefriedigend ist.

Meine Frage an Euch:
Gibt es hier Erfahrung mit dem Wechsel aus dem Richter- und Staatsdienst raus? Und primär mit Blick auf Zivilrichter: In welchem Bereich ist aus Eurer Sicht bzw. nach Eurer Erfahrung ein solcher (Quer-)einstieg sinnvoll?

Danke und Grüße in das Forum
Im_Vorigen_Stand
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Strich
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Strich »

Interessante Beobachtungen. Mir sind Wechsel aus dem persönlichen Umfeld nicht bekannt. Nur die umgekehrte Richtung kenne ich.
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Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Liz »

@TE: Hast Du bislang nur Zivilsachen am AG gemacht oder hast Du auch schon mal was anderes gemacht bzw. warst Du schon mal an einem anderen Gericht?
Als Zivilrichter wird man sich ein Stück weit immer auch selbst motivieren können müssen, weil meist mindestens eine Partei mit der Entscheidung unzufrieden ist und ein anerkennendes Lob von den Parteien und / oder der Gerichtsverwaltung eher selten kommen wird.
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scndbesthand
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von scndbesthand »

Liz hat geschrieben: Dienstag 2. August 2022, 16:11 …anerkennendes Lob von den Parteien ….
kriegt man übrigens auch als Anwalt wenig - auch von seiner eigenen Partei. Vielleicht noch von der Naturalpartei nach langem und hartem Kampf (vulgo nachdem die Akte schon zwei Jahre defizitär geworden ist). Vom Chef auch eher nicht. Wenn in guter Zeit gute Qualität abgeliefert wird werden als stillschweigendes Kompliment noch mehr Akten zur Bearbeitung übertragen.

Im Unternehmen ist der Jurist auch eher der „Verkomplizierer“, im Verkehr mit Juristen freuen sich die Kollegen in der Regel nur, wenn man ausnahmsweise keine Bedenken gegen die neu ausgedachte Vorgehensweise hat.
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Mia »

Falls man nur AG kennt, kann sich anbieten, abzuwarten, bis man was anderes gesehen hat.
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Sonnenschein111 »

Eines solltest du dir vor einem Wechsel genau überlegen: Ein ZURÜCK in die Justiz wird es wohl nicht geben.

Ich persönlich habe auch den Eindruck, dass "Lob" auch in der freien Wirtschaft rar ist. Aber das ist eben der Fluch, wenn man gleich nach dem Referendum in der Justiz einsteigt...
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Strich
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Strich »

Sonnenschein111 hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 19:21 Eines solltest du dir vor einem Wechsel genau überlegen: Ein ZURÜCK in die Justiz wird es wohl nicht geben.

Ich persönlich habe auch den Eindruck, dass "Lob" auch in der freien Wirtschaft rar ist. Aber das ist eben der Fluch, wenn man gleich nach dem Referendum in der Justiz einsteigt...
Ich würde meine Berufswahl auch nicht von einer Abstimmung abhängig machen ^^
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Liz »

Wie gut das funktioniert hat man ja beim Brexit gesehen…
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Strich »

Hey dafür können die Briten jetzt ihre eigenen Regelungen im Umgang mit der Energiekrise machen.
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Re: Wechsel aus Richterdienst in freie Wirtschaft

Beitrag von Blaumann »

Im_Vorigen_Stand hat geschrieben: Montag 1. August 2022, 22:51 Meine Frage an Euch:
Gibt es hier Erfahrung mit dem Wechsel aus dem Richter- und Staatsdienst raus? Und primär mit Blick auf Zivilrichter: In welchem Bereich ist aus Eurer Sicht bzw. nach Eurer Erfahrung ein solcher (Quer-)einstieg sinnvoll?
Entsprechende Erfahrung habe ich, ja. Für den Wechsel in die Wirtschaft empfiehlt sich naturgemäß ein Rechtsgebiet mit starker forensischer Ausrichtung. Ist allerdings nicht zwingend. Wie immer beim Berufseinstieg in die Anwaltschaft würde ich das Rechtsgebiet nach fachlicher Neigung und Lukrativität auswählen. Wie sich die Tätigkeit als Proberichter in den Lebenslauf einfügt, ist meines Erachtens nachrangig.
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