Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

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Klingeln und Pfeifen
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Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

Hi,

ich bin angestellter Rechtsanwalt in einer Großkanzlei.

Nunmehr werde ich vielleicht "gezwungen" sein, in einer privaten Sache Klage vor dem Amtsgericht zu erheben. Die Kanzlei werde ich aus dem Spiel lassen. Nun stelle ich mir die Frage, ob ich Rechtsanwaltsgebühren geltend machen kann, wenn ich mich selbst vertrete. Grundsätzlich müsste das ja möglich sein, aber wie macht man das mit der Umsatzsteuer? Ich persönlich habe ja keine sonstigen Mandate und stelle eigentlich keine Rechnungen aus.

Hat da jemand Erfahrungen?
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stilzchenrumpel
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von stilzchenrumpel »

Klingeln und Pfeifen hat geschrieben: Samstag 21. Dezember 2019, 21:53 Hi,

ich bin angestellter Rechtsanwalt in einer Großkanzlei.

Nunmehr werde ich vielleicht "gezwungen" sein, in einer privaten Sache Klage vor dem Amtsgericht zu erheben. Die Kanzlei werde ich aus dem Spiel lassen. Nun stelle ich mir die Frage, ob ich Rechtsanwaltsgebühren geltend machen kann, wenn ich mich selbst vertrete. Grundsätzlich müsste das ja möglich sein, aber wie macht man das mit der Umsatzsteuer? Ich persönlich habe ja keine sonstigen Mandate und stelle eigentlich keine Rechnungen aus.

Hat da jemand Erfahrungen?
Schau dir mal Saarländisches OLG Beschluss vom 22.01.2009 - 5 W 273/08-K7 an. Auf den ersten Blick:

Es handelt sich um ein Innengeschäft, das nicht der USt unterfällt.
Hier gibt es nichts zu sehen, ich trolle nur.
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Tibor
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Tibor »

Kein Leistungsaustausch, kein umsatzsteuerliches Entgelt.
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Kasimir
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Kasimir »

Die Kanzlei wirst du nicht so einfach aus dem Spiel lassen können; schon aus versicherungs-, haftungs- und berufsrechtlichen Gründen. Zudem wäre es ungewöhnlich, wenn dein Arbeitsvertrag dies generell gestattet. Lieber vorher abklären, bevor es nachher ein böses Erwachen gibt.
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Ara
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Ara »

Kasimir hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 18:58 Die Kanzlei wirst du nicht so einfach aus dem Spiel lassen können; schon aus versicherungs-, haftungs- und berufsrechtlichen Gründen.
Wo soll es da ein Problem geben? Jeder angestellte Rechtsanwalt hat seine eigene Kanzlei und seine eigene Versicherung. Das ist berufsrechtlich so vorgeschrieben und zwar ganz genau für die Situation des Threaderstellers, damit er da nicht in versicherungs haftungs oder berufsrechtliche Probleme kommt.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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immer locker bleiben
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von immer locker bleiben »

Ara hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 19:28
Kasimir hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 18:58 Die Kanzlei wirst du nicht so einfach aus dem Spiel lassen können; schon aus versicherungs-, haftungs- und berufsrechtlichen Gründen.
Wo soll es da ein Problem geben? Jeder angestellte Rechtsanwalt hat seine eigene Kanzlei und seine eigene Versicherung. Das ist berufsrechtlich so vorgeschrieben und zwar ganz genau für die Situation des Threaderstellers, damit er da nicht in versicherungs haftungs oder berufsrechtliche Probleme kommt.
Du beschreibst den Soll-Zustand. Ob das in allen Kammerbezirken und für jeden Anwalt auch der Ist-Zustand ist, steht auf einem anderen Blatt. Und die arbeitsvertragliche Problematik kommt ggf. noch hinzu, wobei die Vertretung in eigener Sache (nicht: Familie, Freunde etc.) der Arbeitgeber wohl kaum wird untersagen können.
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Praxiskommentar
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Praxiskommentar »

Ara hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 19:28
Kasimir hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 18:58 Die Kanzlei wirst du nicht so einfach aus dem Spiel lassen können; schon aus versicherungs-, haftungs- und berufsrechtlichen Gründen.
Wo soll es da ein Problem geben? Jeder angestellte Rechtsanwalt hat seine eigene Kanzlei und seine eigene Versicherung. Das ist berufsrechtlich so vorgeschrieben und zwar ganz genau für die Situation des Threaderstellers, damit er da nicht in versicherungs haftungs oder berufsrechtliche Probleme kommt.
Angestellte Rechtsanwälte haben nicht ihre eigene Kanzlei, sondern in die Kanzlei ihres Arbeitgebers eingegliedert.
Nach meinem Verständnis will TE sich ja selbst explizit als Anwalt der Kanzlei vertreten und nicht als Privatperson - da macht es durchaus Sinn, vorher einmal abzuklären, ob die Kanzlei damit einverstanden ist.
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Blaumann
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Blaumann »

Praxiskommentar hat geschrieben: Freitag 3. Januar 2020, 08:53
Ara hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 19:28
Kasimir hat geschrieben: Sonntag 22. Dezember 2019, 18:58 Die Kanzlei wirst du nicht so einfach aus dem Spiel lassen können; schon aus versicherungs-, haftungs- und berufsrechtlichen Gründen.
Wo soll es da ein Problem geben? Jeder angestellte Rechtsanwalt hat seine eigene Kanzlei und seine eigene Versicherung. Das ist berufsrechtlich so vorgeschrieben und zwar ganz genau für die Situation des Threaderstellers, damit er da nicht in versicherungs haftungs oder berufsrechtliche Probleme kommt.
Angestellte Rechtsanwälte haben nicht ihre eigene Kanzlei, sondern in die Kanzlei ihres Arbeitgebers eingegliedert.
Nach meinem Verständnis will TE sich ja selbst explizit als Anwalt der Kanzlei vertreten und nicht als Privatperson - da macht es durchaus Sinn, vorher einmal abzuklären, ob die Kanzlei damit einverstanden ist.
Doch, gemäß dem Leitbild der BRAO haben sie genau das, § 27 Abs. 1 BRAO. Sie nutzen für ihre Kanzlei lediglich die Infrastruktur des Arbeitgebers.
In meinem Zulassungsantrag stand genau das: "Ich richte meine Kanzlei ein: [Adressfeld]" Sonst nichts. Ich habe meinen Arbeitgeber trotzdem als Firma angegeben, weil ich schon möchte, dass die Post der Anwaltskammer ankommt. :D

Das Leitbild der BRAO ist antiquiert und wird der Lebenswirklichkeit der meisten angestellten Anwälte nicht gerecht, aber das ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts.

Berufsrechtlich kann der Arbeitgeber dem TE deshalb auch nicht untersagen, das Mandat anzunehmen und zu bearbeiten. Er ist unabhängiges Organ der Rechtspflege. Arbeitsrechtlich kann das natürlich ganz anders aussehen. Wenn der Arbeitsvertrag Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Selbstvertretung ein Problem ist, würde ich das mit dem Partner abklären. Ich wette, da kommt eh nur was in der Art: "Wie Sie ihre knappe Freizeit verwenden, ist Ihre Sache."

Knappe Freizeit ist aber in der Frage ein wichtiges Stichwort: Wenn die Freizeit knapp, Kohle dafür aber reichlich vorhanden ist, ist es da wirklich sinnvoll, die Sache selbst zu bearbeiten, anstatt einen Dienstleister damit zu beauftragen?

Bin da selbst nicht frei von Schuld. Streite mich gerade mit einem Kaufmann über eine recht geringfügige Geldsumme, merke aber, dass ich mich darüber ziemlich ärgere, weil das Verhalten der Gegenseite ziemlich frech ist. Ich stelle mir da selbst die Frage, ob es für das eigene Wohlbefinden nicht sinnvoller wäre, die Sache entweder abzuhaken oder auszulagern.
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Ara
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Ara »

Dieses antiquierte Leitbild der BRAO ist aber halt genau für solch Situationen wie hier gemacht. Der Anwalt soll halt als freier Beruf und unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht eingeschränkt sein in seinem Handeln. Ich glaube auch nicht, dass es in der Praxis Anwälte ohne eigene Berufshaftpflicht gibt. Die Kammer war hier total hinterher und wollte z.B. auch eine direkte Bestätigung vom Versicherer haben und nicht eine, die bereits vorher durch meine Hand gegangen ist.

@Blaumann: Das Problem mit externen Dienstleistern ist, dass ich mittlerweile rausgefunden habe, dass es Qualitativ häufig nicht den eigenen Ansprüchen entspricht. Wir haben in der Kanzlei auch manche zivilrechtlichen Streitigkeiten oder private Sachen an Kollegen gegeben, die sich mit dem Rechtsgebiet auskennen. Das Problem: Ein mittelmäßiger Rechtsanwalt in seinem Fachgebiet, bleibt leider ein mittelmäßiger Rechtsanwalt. Wenn man sich selbst für besser als mittelmäßig hält und einem die Sache wirklich wichtig ist, ist meine Erfahrung, dass man es selbst machen sollte. Denn selbst wenn man einen guten Kollegen erwischt, dann wird er noch immer nicht nie soviel Zeit wie man selbst in die Sache stecken. Bei 0815-Sachen wo der Ausgang jetzt nicht so ultra wichtig ist, mag das anders sein.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Sektnase »

..und für gut halten sich halt alle :D
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Kasimir »

Ich hatte noch nie eine eigene Berufshaftpflicht und auch keine meiner Freunde hat eine Berufshaftpflicht. Ich halte diese Vorstellung für praxisfern.

Ich würde auch den Teufe tun, mich in eigener Angelegenheit selbst zu vertreten. Das Problem mit dem mittelmäßigen Anwalt kananan ja dadurch umgehen, dass man einen guten Anwalt auswählt. Als Jurist und Anwalt kennt man ja die Kriterien anhand derer man einen Anwalt auswählen sollte bzw. kennt jemanden aus dem Studium oder Referendariat, der sich auf das betreffende Rechtsgebiet spezialisiert hat. Ich hätte auch gar keine Lust mich in meiner Freizeit mit meinem Vermieter ö.ä. zu streiten. Hinzu kommt, dass man in eigenen Angelegenheiten zu emotional und daher eine schlechter Anwalt ist.

Ich würde einem unsererem unserer Associates auch nicht erlauben, auf Kanzleibriefkopf in eigener Sache tätig zu werden. Man tut sich auch als Kanzlei keinen Gefallen damit, wenn man öffentlich in Gebieten auftritt, die nicht in den eigenen Fachbereich fallen bzw. macht sich unglaubwürdig.
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thh
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von thh »

Ara hat geschrieben: Samstag 4. Januar 2020, 10:19Das Problem: Ein mittelmäßiger Rechtsanwalt in seinem Fachgebiet, bleibt leider ein mittelmäßiger Rechtsanwalt. Wenn man sich selbst für besser als mittelmäßig hält und einem die Sache wirklich wichtig ist, ist meine Erfahrung, dass man es selbst machen sollte. Denn selbst wenn man einen guten Kollegen erwischt, dann wird er noch immer nicht nie soviel Zeit wie man selbst in die Sache stecken.
Ich würde mich auf meinem Fachgebiet nicht nur für mittelmäßig halten, weiß aber, dass meine Kenntnisse und vor allem meine Erfahrung auf anderen rechtlichen Gebieten überschaubar sind; und je besser ich mich in meinem Fachgebiet auskenne (je mehr ich mich spezialisiert habe), desto weniger verstehe ich von anderen Gebieten. Im Zweifelsfall erreiche ich da noch nicht einmal Mittelmaß, und das mit vergleichsweise großem Aufwand. Daher würde, wenn es um mich oder Menschen geht, die mir wichtig sind, lieber einen Profi beauftragen - und wenn ich darin Zeit investiere (was ich ungern tun würde), dann darin, einen guten Anwalt zu finden und/oder zu schauen, was der treibt.

Das gilt übrigens auch für alle anderen Bereiche außerhalb der Juristerei: natürlich investiert der Arzt, die Kfz-Mechatronikerin, der Friseur oder die Klempnerin nicht soviel Zeit und Sorgfalt in meine Angelegenheiten, wie ich das selbst tun würde - trotzdem wird selbst eine Ärztin, ein Mechatroniker, eine Friseuse, ein Klempner mittlerer Art und Güte seine Aufgabe besser und vor allem so viel schneller erledigen, als ich das könnte.

(Und soweit ich das überblicken kann, ist das verallgemeinerungsfähig. Ich habe noch keinen - spezialisierten - Anwalt erlebt, der außerhalb seines Fachgebiets eine gute Figur gemacht hat, und das können eigentlich schon statistisch nicht nur mittelmäßige Anwälte gewesen sein.)
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Ara
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Ara »

Kasimir hat geschrieben: Samstag 4. Januar 2020, 20:51 Ich hatte noch nie eine eigene Berufshaftpflicht und auch keine meiner Freunde hat eine Berufshaftpflicht. Ich halte diese Vorstellung für praxisfern.
Also DAS ist für mich völlig unverständlich. Wir haben hier Kollegen, die sich in 4 Kammerbezirken zugelassen haben, bei allen musste eine Berufshaftpflicht nachgewiesen werden. Bei mir und einem weiteren Kollegen gab es sogar Verzögerungen, weil der Nachweis des Versicherers nicht richtig übermittelt wurde. Die schienen mir da immer sehr genau zu sein.

Bist du dir sicher, dass nicht dein Arbeitgeber einfach für dich eine Berufshaftpflicht abgeschlossen hat? Hier ist es üblich, dass die GKs für ihre Associates die Beruftshaftpflicht abschließt und sich auch um die Zulassungsformalien kümmert.
thh hat geschrieben: Samstag 4. Januar 2020, 21:41 Ich würde mich auf meinem Fachgebiet nicht nur für mittelmäßig halten, weiß aber, dass meine Kenntnisse und vor allem meine Erfahrung auf anderen rechtlichen Gebieten überschaubar sind; und je besser ich mich in meinem Fachgebiet auskenne (je mehr ich mich spezialisiert habe), desto weniger verstehe ich von anderen Gebieten. Im Zweifelsfall erreiche ich da noch nicht einmal Mittelmaß, und das mit vergleichsweise großem Aufwand. Daher würde, wenn es um mich oder Menschen geht, die mir wichtig sind, lieber einen Profi beauftragen - und wenn ich darin Zeit investiere (was ich ungern tun würde), dann darin, einen guten Anwalt zu finden und/oder zu schauen, was der treibt.

Das gilt übrigens auch für alle anderen Bereiche außerhalb der Juristerei: natürlich investiert der Arzt, die Kfz-Mechatronikerin, der Friseur oder die Klempnerin nicht soviel Zeit und Sorgfalt in meine Angelegenheiten, wie ich das selbst tun würde - trotzdem wird selbst eine Ärztin, ein Mechatroniker, eine Friseuse, ein Klempner mittlerer Art und Güte seine Aufgabe besser und vor allem so viel schneller erledigen, als ich das könnte.
Weil du dich bei deinem Beispielen zu sehr vom Fachgebiet entfernst. Ein Staatsanwalt der üblicherweise nur Staatsschutzsachen macht, wird sich sicherlich aber auch in ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren einarbeiten können und mit genug Zeit dieses eine spezielle Verfahren genauso gut erledigen.

Genauso ist es doch auch als Rechtsanwalt. Im Endeffekt kannst du dich in alle Sachen reinarbeiten, man macht es nur nicht, weil der Kostennutzen-Faktor nicht gegeben ist. Es gibt ja keine physischen Gesetze warum ich zB als Arbeitsrechtler kein Familienrecht machen könnte. Zu beachten ist ja auch, dass man sich nicht in ein gesamtes Rechtsgebiet einarbeiten muss, sondern meist nur in ein sehr spezielles Problem, welches sich meist vieles teilt mit dem täglich Brot (Wer täglich in der ZPO unterwegs ist, wird ein großen Teil seines Wissens im Arbeitsrecht verwenden können). Wenn es also um was wirklich Wichtiges geht, wo es zeitlich quasi keine Ressourcenbegrenzung gibt, plädiere ich weiterhin dafür es selbst zu machen. Trotz all der bekannte Nachteilen und Gefahren (Emotionale Gebundenheit, verengter Sicht usw...). Ausnahme natürlich, wenn es prozessuale Nachteile gibt wie zB im Strafrecht, wo jeder Vortrag dann als Einlassung gelten würde.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Tibor »

Ara hat geschrieben:
Kasimir hat geschrieben: Samstag 4. Januar 2020, 20:51 Ich hatte noch nie eine eigene Berufshaftpflicht und auch keine meiner Freunde hat eine Berufshaftpflicht. Ich halte diese Vorstellung für praxisfern.
Also DAS ist für mich völlig unverständlich. ...

Bist du dir sicher, dass nicht dein Arbeitgeber einfach für dich eine Berufshaftpflicht abgeschlossen hat? Hier ist es üblich, dass die GKs für ihre Associates die Beruftshaftpflicht abschließt und sich auch um die Zulassungsformalien kümmert.
So ist mir das auch in Erinnerung, solange man angestellter RA ist.
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Kasimir
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Re: Angestellter Rechtsanwalt in eigener Sache

Beitrag von Kasimir »

Ja, natürlich. Diese Berufshaftpflicht hat aber Bedingungen,Ausschlüsse, Selbstbehalte etc. So muss z.B. ein Partner das Mandat führen. Zudem erhöht sich im Schadensfall die Prämie.

Nun kann man sagen, dass das Haftungsrisiko eher theoretischer Natur ist, aber im Leben kommt es leider oft anders: Was ist, wenn Associate XY seine heutige Freundin gegen ihren Vermieter vertritt und diese dann ein paar Monate später als Ex-Freundin nun Ansprüche gegen die Kanzlei wegen Falschberatung geltend macht.

Hinzu kommt das Risiko des Mandantenverlusts: Was ist, wenn Associate XY eine Fluggesellschaft wegen eines Schadensfalls in Anspruch nimmt, die auch Mandant ist? Was ist, wenn der Associate sich auf Kanzleibriefkopf mit dem Vermieter streitet, der einer der Großmandanten bei Immobilientransaktionen ist? In solchen Fällen erhält der mandatsführende Partner sofort einen unschönen Anruf vom Mandanten (schon erlebt). Deshalb würde ich grundsätzlich immer für eine Trennung von beruflichen und privaten Streitigkeiten plädieren.
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