Litigation in der GK oder Boutique - tatsächlicher Arbeitsinhalt?

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Gelöschter Nutzer

Litigation in der GK oder Boutique - tatsächlicher Arbeitsinhalt?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich kann mir grundsätzlich vorstellen. im Bereich Litigation in einer GK oder Boutique anzufangen. Allerdings frage ich mich, wie der tatsächliche tägliche Arbeitsinhalt dort aussieht. Das Ref. habe ich bereits hinter mir, aber dort habe ich statt Litigation nur Corporate gemacht, da ich mir das angesichts der Praxisrelevanz mal anschauen wollte. Zuvor habe ich im Studium Praktika im Bereich Litigation gemacht, aber die waren natürlich kurz und dort habe ich viel zugearbeitet, sodass ich nicht sicher bin, was die Anwälte wirklich über längere Zeit gemacht haben.

Natürlich ist das je nach Kanzlei, Arbeitsgruppe, Fokus, Fall und Person unterschiedlich - deshalb würde ich mich sehr über eure subjektiven Einschätzungen und Erfahrungen freuen. Insbesondere würden mich die folgenden Fragen interessieren:

1. Wie wichtig ist die eigentliche Prozessführung im Sinne von "Verfassen von Schriftsätzen in Gerichtsverfahren (samt Vorarbeit, Recherche usw.)"? Macht das 90-100% aus? Oder ist oft auch viel zu tun im Sinne von "Vermeidung von Streitigkeiten" / Mediation / laufende Beratung?

2. In diesem Zusammenhang: liegt der Schwerpunkt auf der eigentlichen juristischen Arbeit (die mir Spaß macht), im Sinne von: Recherche, argumentieren, Prozessstrategie usw.? Oder gibt es auch große "außerjuristische" Schwerpunkte, die ich übersehe (die ja etwa im M&A sehr wichtig sind)?

3. Ist es idR eher so, dass man ein materielles Rechtsgebiet intensiv, nur eben mit Fokus auf der Prozessführung betreibt (etwa: fast nur Urheberrecht, aber in streitigen Verfahren)? Oder ist man eher "jack of all trades", sodass man mal in diesem, mal in jenem Rechtsgebiet einen Prozess führen muss?

4. Wie viel Spielraum/Einfluss hat man in Bezug auf seine Verfahren innerhalb der Kanzlei bzw. wie viel muss man sich mit anderen Abteilungen abstimmen (mit dem Partner und Mandanten sowieso, das ist mir klar)? Meine Frage geht in die Richtung: ist man eher der "Prozessführungshandlanger", welcher etwa für die Abteilung Arbeitsrecht die "schmutzige Arbeit"/ Durchsetzung von DEREN Vorstellungen vor Gericht erledigen muss? Oder ist es idR eher so, dass man als Abteilung Litigation zusammen mit Partner/Mandant primär eigenständig Verfahren führt?

5. Masse oder Klasse? Ist Litigation oft eher ein Massengeschäft, in dem man v.a. viele ähnliche Schriftsätze fließbandartig heraushauen muss (vgl. Diesel)? Oder stehen eher größere Verfahren im Raum, die man umfassend betreuen muss?

6. Zur Betonung nochmal: Ganz profan - womit verbringt man konkret seine meiste Zeit an einem durchschnittlichen Tag? Recherche für und Arbeit an einem konkreten, komplexen Schriftsatz? Oder eher unjuristische Pseudo-Mediation mit der Gegenseite zur Vermeidung von Prozessen?


Vielen Dank!
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Re: Litigation in der GK oder Boutique - tatsächlicher Arbeitsinhalt?

Beitrag von DogmaTiger »

bump
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Kroate
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Re: Litigation in der GK oder Boutique - tatsächlicher Arbeitsinhalt?

Beitrag von Kroate »


Suchender_ hat geschrieben:Ich kann mir grundsätzlich vorstellen. im Bereich Litigation in einer GK oder Boutique anzufangen. Allerdings frage ich mich, wie der tatsächliche tägliche Arbeitsinhalt dort aussieht. Das Ref. habe ich bereits hinter mir, aber dort habe ich statt Litigation nur Corporate gemacht, da ich mir das angesichts der Praxisrelevanz mal anschauen wollte. Zuvor habe ich im Studium Praktika im Bereich Litigation gemacht, aber die waren natürlich kurz und dort habe ich viel zugearbeitet, sodass ich nicht sicher bin, was die Anwälte wirklich über längere Zeit gemacht haben.

Natürlich ist das je nach Kanzlei, Arbeitsgruppe, Fokus, Fall und Person unterschiedlich - deshalb würde ich mich sehr über eure subjektiven Einschätzungen und Erfahrungen freuen. Insbesondere würden mich die folgenden Fragen interessieren:

1. Wie wichtig ist die eigentliche Prozessführung im Sinne von "Verfassen von Schriftsätzen in Gerichtsverfahren (samt Vorarbeit, Recherche usw.)"? Macht das 90-100% aus? Oder ist oft auch viel zu tun im Sinne von "Vermeidung von Streitigkeiten" / Mediation / laufende Beratung?

2. In diesem Zusammenhang: liegt der Schwerpunkt auf der eigentlichen juristischen Arbeit (die mir Spaß macht), im Sinne von: Recherche, argumentieren, Prozessstrategie usw.? Oder gibt es auch große "außerjuristische" Schwerpunkte, die ich übersehe (die ja etwa im M&A sehr wichtig sind)?

3. Ist es idR eher so, dass man ein materielles Rechtsgebiet intensiv, nur eben mit Fokus auf der Prozessführung betreibt (etwa: fast nur Urheberrecht, aber in streitigen Verfahren)? Oder ist man eher "jack of all trades", sodass man mal in diesem, mal in jenem Rechtsgebiet einen Prozess führen muss?

4. Wie viel Spielraum/Einfluss hat man in Bezug auf seine Verfahren innerhalb der Kanzlei bzw. wie viel muss man sich mit anderen Abteilungen abstimmen (mit dem Partner und Mandanten sowieso, das ist mir klar)? Meine Frage geht in die Richtung: ist man eher der "Prozessführungshandlanger", welcher etwa für die Abteilung Arbeitsrecht die "schmutzige Arbeit"/ Durchsetzung von DEREN Vorstellungen vor Gericht erledigen muss? Oder ist es idR eher so, dass man als Abteilung Litigation zusammen mit Partner/Mandant primär eigenständig Verfahren führt?

5. Masse oder Klasse? Ist Litigation oft eher ein Massengeschäft, in dem man v.a. viele ähnliche Schriftsätze fließbandartig heraushauen muss (vgl. Diesel)? Oder stehen eher größere Verfahren im Raum, die man umfassend betreuen muss?

6. Zur Betonung nochmal: Ganz profan - womit verbringt man konkret seine meiste Zeit an einem durchschnittlichen Tag? Recherche für und Arbeit an einem konkreten, komplexen Schriftsatz? Oder eher unjuristische Pseudo-Mediation mit der Gegenseite zur Vermeidung von Prozessen?


Vielen Dank!
Ich kann natürlich nur von meinen Erfahrungen und den Erfahrungen aus meinem Umfeld berichten. In anderen GKs mag es anders aussehen.

1. Sehr wichtig. Mediation und nicht streitige Beratung spielen eher eine untergeordnete Rolle.

2. Da liegt grds. der Schwerpunkt. Das kann sich in dem ein oder anderen Verfahren aber (zumindest zeitweise) verschieben, bspw. weil man ein Review-Team bei Durchsicht von Dokumenten anleiten und überwachen muss (Dokumente aus einer US-Discovery, Document Production im Schiedsverfahren). Das kann je nach Dokumentenmenge und Anforderungen an die Durchsicht einen erheblichen organisatorischen Aufwand bedeuten.

3. Wir decken in unserem Team eine eher große Bandbreite ab. Spezialrechtsgebiete wie IP, Arbeitsrecht oder auch Kartellrecht werden aber in der Regel von den jeweiligen Abteilungen selbst bearbeitet, selbst wenn sie streitig sind.

4. Der Großteil unserer Mandate sind von Beginn an Dispute-Mandate (wir machen sowohl Litigation als auch Arbitration), da redet naturgemäß niemand rein. Aber auch wenn von einer anderen Praxisgruppe ein Mandat herangetragen wird, weil es plötzlich streitig wird, ist man nicht nur zuarbeitende Kraft. Ich würde das Verhältnis im Hinblick auf das streitige Verfahren eher andersherum beschreiben.

5. Da gibt es tatsächlich beides. Hier eher die großen Verfahren und weniger Massengeschäft. Das kann sich je nach Mandaten die man bearbeitet aber auch schnell ändern. Diesel und Freshfields ist dafür ein gutes Beispiel.

6. Der typische Tag besteht aus Schriftsatzarbeit und allem was damit zusammenhängt (Recherche, Sachverhaltsaufarbeitung, etc).

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Gelöschter Nutzer

Re: Litigation in der GK oder Boutique - tatsächlicher Arbeitsinhalt?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Kroate hat geschrieben: Samstag 8. August 2020, 13:58
Suchender_ hat geschrieben:Ich kann mir grundsätzlich vorstellen. im Bereich Litigation in einer GK oder Boutique anzufangen. Allerdings frage ich mich, wie der tatsächliche tägliche Arbeitsinhalt dort aussieht. Das Ref. habe ich bereits hinter mir, aber dort habe ich statt Litigation nur Corporate gemacht, da ich mir das angesichts der Praxisrelevanz mal anschauen wollte. Zuvor habe ich im Studium Praktika im Bereich Litigation gemacht, aber die waren natürlich kurz und dort habe ich viel zugearbeitet, sodass ich nicht sicher bin, was die Anwälte wirklich über längere Zeit gemacht haben.

Natürlich ist das je nach Kanzlei, Arbeitsgruppe, Fokus, Fall und Person unterschiedlich - deshalb würde ich mich sehr über eure subjektiven Einschätzungen und Erfahrungen freuen. Insbesondere würden mich die folgenden Fragen interessieren:

1. Wie wichtig ist die eigentliche Prozessführung im Sinne von "Verfassen von Schriftsätzen in Gerichtsverfahren (samt Vorarbeit, Recherche usw.)"? Macht das 90-100% aus? Oder ist oft auch viel zu tun im Sinne von "Vermeidung von Streitigkeiten" / Mediation / laufende Beratung?

2. In diesem Zusammenhang: liegt der Schwerpunkt auf der eigentlichen juristischen Arbeit (die mir Spaß macht), im Sinne von: Recherche, argumentieren, Prozessstrategie usw.? Oder gibt es auch große "außerjuristische" Schwerpunkte, die ich übersehe (die ja etwa im M&A sehr wichtig sind)?

3. Ist es idR eher so, dass man ein materielles Rechtsgebiet intensiv, nur eben mit Fokus auf der Prozessführung betreibt (etwa: fast nur Urheberrecht, aber in streitigen Verfahren)? Oder ist man eher "jack of all trades", sodass man mal in diesem, mal in jenem Rechtsgebiet einen Prozess führen muss?

4. Wie viel Spielraum/Einfluss hat man in Bezug auf seine Verfahren innerhalb der Kanzlei bzw. wie viel muss man sich mit anderen Abteilungen abstimmen (mit dem Partner und Mandanten sowieso, das ist mir klar)? Meine Frage geht in die Richtung: ist man eher der "Prozessführungshandlanger", welcher etwa für die Abteilung Arbeitsrecht die "schmutzige Arbeit"/ Durchsetzung von DEREN Vorstellungen vor Gericht erledigen muss? Oder ist es idR eher so, dass man als Abteilung Litigation zusammen mit Partner/Mandant primär eigenständig Verfahren führt?

5. Masse oder Klasse? Ist Litigation oft eher ein Massengeschäft, in dem man v.a. viele ähnliche Schriftsätze fließbandartig heraushauen muss (vgl. Diesel)? Oder stehen eher größere Verfahren im Raum, die man umfassend betreuen muss?

6. Zur Betonung nochmal: Ganz profan - womit verbringt man konkret seine meiste Zeit an einem durchschnittlichen Tag? Recherche für und Arbeit an einem konkreten, komplexen Schriftsatz? Oder eher unjuristische Pseudo-Mediation mit der Gegenseite zur Vermeidung von Prozessen?


Vielen Dank!
Ich kann natürlich nur von meinen Erfahrungen und den Erfahrungen aus meinem Umfeld berichten. In anderen GKs mag es anders aussehen.

1. Sehr wichtig. Mediation und nicht streitige Beratung spielen eher eine untergeordnete Rolle.

2. Da liegt grds. der Schwerpunkt. Das kann sich in dem ein oder anderen Verfahren aber (zumindest zeitweise) verschieben, bspw. weil man ein Review-Team bei Durchsicht von Dokumenten anleiten und überwachen muss (Dokumente aus einer US-Discovery, Document Production im Schiedsverfahren). Das kann je nach Dokumentenmenge und Anforderungen an die Durchsicht einen erheblichen organisatorischen Aufwand bedeuten.

3. Wir decken in unserem Team eine eher große Bandbreite ab. Spezialrechtsgebiete wie IP, Arbeitsrecht oder auch Kartellrecht werden aber in der Regel von den jeweiligen Abteilungen selbst bearbeitet, selbst wenn sie streitig sind.

4. Der Großteil unserer Mandate sind von Beginn an Dispute-Mandate (wir machen sowohl Litigation als auch Arbitration), da redet naturgemäß niemand rein. Aber auch wenn von einer anderen Praxisgruppe ein Mandat herangetragen wird, weil es plötzlich streitig wird, ist man nicht nur zuarbeitende Kraft. Ich würde das Verhältnis im Hinblick auf das streitige Verfahren eher andersherum beschreiben.

5. Da gibt es tatsächlich beides. Hier eher die großen Verfahren und weniger Massengeschäft. Das kann sich je nach Mandaten die man bearbeitet aber auch schnell ändern. Diesel und Freshfields ist dafür ein gutes Beispiel.

6. Der typische Tag besteht aus Schriftsatzarbeit und allem was damit zusammenhängt (Recherche, Sachverhaltsaufarbeitung, etc).

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Herzlichen Dank, das ist sehr hilfreich und klingt äußerst interessant!

Ich bin in HH, wenn du mir für dort eine bestimmte Litigation-Abteilung besonders empfehlen kannst (gerne auch via PM).
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