Erstsemesterproblemchen

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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beutolomäus
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Erstsemesterproblemchen

Beitrag von beutolomäus »

Hey,

ich studiere seit dem letzten WiSe Jura, was mehr eine Bauchgefühlsentscheidung war, doch konnte mich mittlerweile sehr dafür begeistern. Leider habe ich das Lernen etwas vernachlässigt, was nicht zuletzt daran lag, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich damit am besten anfange. Nun habe ich mich, mit den Klausuren im Nacken (in den Fächern Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht (Staatsorganisation)), dazu entschieden, einfach anzufangen, bin mit dem Ergebnis aber nicht sonderlich zufrieden.


Die größten Probleme bereitet mir dabei Staatsorganisationsrecht (Probeklausur 1 Punkt). Die Vorlesung und AG habe ich nur sporadisch besucht, da mir die Art zu lehren des Profs und des AG Leiters nicht zusagte. Leider fällt mir das Fach aber auch am schwersten, da ich es erstens als sehr uninteressant empfinde und zweitens das Gefühl habe, dass man hier am meisten auswendig lernen muss. Wie soll ich beispielsweise die 4 Verfahrensarten, die es zu lernen gilt, am besten angehen? Für Karteikarten sind sie zu lang, weshalb ich sie alle vier aufgeschrieben, abgeheftet und immer wieder durchgelesen habe, was ich als sehr ineffektiv empfand. Ich fände es ohnehin sinnvoller das Herleiten von Schematas aus dem Gesetz zu erlernen, falls das hier möglich ist, da ich die Dinge nicht nur zum Bestehen der Prüfung lernen, sondern verstehen möchte.

Im Strafrecht (Probeklausur 5 Punkte) habe ich prinzipiell keine Verständnisprobleme, hier blieb viel Wissen durch die fehlende Wiederholung auf der Strecke. Auch hier muss ich mir auf jeden Fall die Schematas, Definitionen und Theorien (ich glaube das sind diese Meinungsstreits?) noch mal anschauen, wozu ich mir ein Lehrbuch und ein Fallbuch geholt habe.

Ich denke Zivilrecht (Probeklausur 9 Punkte) sollte keine allzu große Hürde darstellen, da mir das Fach bis jetzt am besten liegt und ich denke, bei den Themen Willenserklärungen, Minderjährigenrecht, Stellvertretung und Anfechtung keine super großen Probleme zu haben. Trotzdem möchte ich auch hier noch was tun, weshalb ich mir auch hier ein Fallbuch gekauft habe.

im Großen und Ganzen stellen sich mir also die Fragen:

1. Wie lerne ich langfristig effektiv? Welche Lernmethoden könnt ihr empfehlen? (Schließlich braucht man das Wissen in Jura ja das ganze Studium lang und ich möchte nicht, dass mir jetzige Fehler später auf die Füße fallen. Davon erhoffe ich mir also eine eventuell stressfreiere Examenszeit :D )
2. Kann man anstelle des Auswendiglernens von Schematas das Herleiten aus den Gesetzestexten üben?
3. Wird mir mein „vergeudetes“ erstes Semester lange begleiten oder lässt sich das gut nacharbeiten?

Ich bin jetzt definitiv sehr motiviert und habe vor mich auch während der Semesterferien intensiv mit Jura zu beschäftigen!
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scndbesthand
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Re: Erstsemesterproblemchen

Beitrag von scndbesthand »

Generell sollten die Tutorien besucht und am besten dafür genutzt werden, Fragen zur Methodik der gutachterlichen Falllösung stellen. Diese Veranstaltungen sollten tunlichst nicht ausgelassen werden.

Man muss sich immer vor Augen führen, dass die in Klausuren abgeprüfte Leistung praktischer Natur ist. Allein das Lehrbuch genügt (den meisten) nicht, da die praktische Fertigkeit in der Falllösung durch dessen Lektüre nicht eingeübt wird. Es sollte daher versucht werden, theoretisches Basiswissen über Lehrbücher (oder sonstige Medien, die der eigenen Quellenkritik standhalten und ein ausreichendes Niveau haben) aufzubauen und über eigene Falllösungsversuche die Kompetenz zur korrekten Verwendung der Gutachtentechnik, zum Erkennen erörterungsbedürftiger Rechtsprobleme im Gegensatz zu kurz abzuhandelnden Selbstverständlichkeiten sowie zur validen rechtswissenschaftlichen Argumentation zu erlangen.

Auswendiglernen wird man nicht ganz vermeiden können, denn der sachgerechte Gang einer juristischen Prüfung muss „sitzen“ und in Klausuren eine Prüfungslogik erst herzuleiten ist einerseits aus Zeitmangel nicht möglich und andererseits gibt es allzu oft ungeschriebene Merkmale, die die Rechtsdogmatik entwickelt hat und die allgemein anerkannt sind, so dass das Gesetz allein oft nicht hilft. Sinnvoll ist es, beim Auswendiglernen immer nah am Gesetz zu arbeiten, dies fördert einerseits das Verständnis und andererseits ist das Gesetz eine gute Erinnerungshilfe. Vorsicht bei Meinungsstreitigkeiten, ein paar Klassiker sollte man sicherlich kennen, aber oft werden Meinungsstreits“überlastete“ Anfänger eine Klausur nicht mehr unbefangen lesen, sondern hauptsächlich daraufhin prüfen, ob ein auswendiggelernter Meinungsstreit „einschlägig“ ist. Dies geht mangels Fallpraxis dann (zunächst) oft schief.

Zur Effektivität: Da wird jeder seine eigenen Tricks haben. Karteikarten/eigene Exzerpte kann man machen, aber sparsam und nur für Essentials, da das Risiko des Verzettelns besteht. Ein Wiedervorlagesystem für Wiederholungseinheiten ist meist auch nicht schlecht, damit Wissen aus den älteren Semestern immer mal wieder aufgefrischt werden kann.

Dass am Anfang auch schlechte Arbeiten abgeliefert werden, sollte weder verwundern noch Anlass dazu geben, nicht weiter am Ball zu bleiben. Der Erfolg stellt sich manchmal erst spät ein.

Gerade bei rein staatsorganisationsrechtlichen Klausuren scheint es abseits der Zulässigkeitsprüfung Vielen zunächst schwer zu fallen, die Prüfung zielführend zu gliedern und eine vertretbare Argumentation zu entwickeln, das sollte sich jedoch mit fortschreitender Wissensaneignung geben, da dann meist ein gewisser Wiedererkennungseffekt in der Klausur eintreten wird. Das Spektrum prüfungsgeeigneter Probleme scheint mir in diesem Fach zum Glück begrenzt zu sein. Insoweit gilt m. E. auch eine gewisse Ausnahme zum oben Gesagten und man kann sich gut klassische klausurgeeignete Rechtsfälle nebst Struktur und Argumentationsmustern einprägen. Einschlägige Werke mit didaktischer Aufbereitung sollten verfügbar sein (keine Scheu vor Repetitorskripten, ruhig auch mal andere Kommilitonen fragen). Zudem sollten über die Fachschaft erhältliche Altklausuren nebst Orginallösungen älterer Kommilitonen hilfreich sein.

Viel Erfolg.
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jona7317
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Re: Erstsemesterproblemchen

Beitrag von jona7317 »

Mit den Verfahrensarten in Staatsorga liegst du leider einfach falsch. Du wirst nicht drum herum kommen dir alle Punkte der Zulässigkeit (mit den zu zitierenden Normen!) + Obersatz zur Begründetheit auf Karteikarten zu schreiben und auswendig zu lernen.

Ich habe mir als Aufgabe auf der Karteikarte immer "formuliere klausurmäßig aus" gestellt, sodass ich zur Beantwortung oft einige Minuten gedanklich oder laut ausgesprochen eine ganze fiktive Prüfung, bei der ich jeden Punkt bejahe, ausformuliere. Das ist auch bei 4 Schemata kein besonders großer Aufwand, innerhalb von 15 Minuten hast du alle Verfahren einmal wiederholt. Macht keinen Spaß und ist nicht gerade geistiges Hochreck aber zahlt sich sehr aus:
Erstens bist du mit einer sauberen Routineprüfung des Unproblematischen allein schon meist im Bestehensbereich und zweitens sparst du extrem viel Zeit, die du dann für die wirklichen Probleme des Falls aufwenden kannst.
Saubere Grundlagen und vertretbare Problembearbeitung ist schon befriedigend, mit guter Argumentation auch deutlich besser.

Auf physischen Karteikarten ist der Platz dafür natürlich zu knapp, deshalb würde ich dir elektronische empfehlen. Da gibt es sehr viele verschiedene Anbieter und ich bin erst in der Examensvorbereitung auf elektronische umgestiegen. Kann gar nicht sagen wie oft ich mir gewünscht hab das hätte ich von Anfang an gemacht, denn Systematisieren und regelmäßiges Wiederholen wird ab ein paar Fächern schnell unmöglich.
Kann persönlich repetico empfehlen. Premiumversion kostet 20 € pro Jahr, braucht man aber auch erst ab einer bestimmten Anzahl von Karten. Das Programm ist zw. PC und Smartphone synchronisiert und trackt bei jeder Karte, wie oft du sie gewusst/nicht gewusst hast.
Mit jedem mal, dass du eine Karte in Folge gewusst hast, steigt sie eine "Lernstufe" höher. Dann wird sie dir mit einem immer größer werdenden Zeitabstand automatisch wieder vorgelegt. Wenn du sie nicht weisst, wird sie zurückgesetzt oder mehrere Stufen zurückgestuft. Wenn man Zeit und Lust hat damit rumzuspielen (ich habs gemacht) kann man die Zeitabstände und Stufen alle customizen, ist aber kein muss.
Wenn man wirklich langfristig lernen will ist das extrem sinnvoll, für meine Examensvorbereitung hat mir das sehr geholfen.

Kannst dich auch gut nach Alternativen umschauen, von solchen Programmen gibt es zigtausend Anbieter, die mit Sicherheit ebenfalls alle der beschriebenen Features haben.
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