Angebot Preis „unbestimmt“ / Essnentialia negotii

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

Antworten
Michi lernt Jura
Newbie
Newbie
Beiträge: 1
Registriert: Dienstag 18. April 2023, 22:54

Angebot Preis „unbestimmt“ / Essnentialia negotii

Beitrag von Michi lernt Jura »

Hallo zusammen,

ich stehe noch ziemlich am Anfang des Studiums, und setze mich grade mit dem Thema Antrag und Annahme beim Kaufvertrag auseinander.
Prinzipiell ist mir klar, dass der Antrag zumindest die essentialia negotii, also die Vertragspartner, die Vertragsart sowie Leistung und Gegenleistung enthalten muss. Ein einfaches „Ja“ muss reichen, den Vertrag entstehen zu lassen. Beim Kaufvertrag muss also auch der Preis als Gegenleistung bestimmt sein.
Jetzt bin ich auf ein Übungsfall gestoßen, zu dem ich aber leider keine Musterlösung finde. Hier sprechen ein potentieller Käufer und ein Verkäufer miteinander. Klar ist der Kaufgegenstand und auch, dass die beiden ein Geschäft machen wollen. Allerdings sagt keiner den Preis wirklich konkret. Der potentielle Käufer sagt: mehr als 1000 € möchte ich nicht ausgeben. „Mehr als“ ist meine Auffassung nach aber nicht konkret. Auch der Verkäufer sagt: unter 1500 € gebe ich es nicht her. Auch das ist ja nicht wirklich ein konkreter Preis. Im ersten Fall liegt der mögliche Preis zwischen null und 1000 € und im zweiten Fall ist theoretisch jeder Preis über 1500 € denkbar. Liege ich richtig, wenn ich sage, dass somit jeweils kein Angebot vorliegt? Oder kann man das so interpretieren, dass der Verkäufer auf jeden Fall das Maximale rausholen will, und wenn er einfach ja zu dem „Angebot“ des Kunden sagt, der Preis bei Maximum von 1000 € eindeutig ist? Wenn man jetzt rein vom Verständnis einer normalen Person ausgehen würde, könnte man auch in den nicht unter 1800 ein Angebot für 1800 € sehen. Ist das aber auch juristisch so? Je mehr ich darüber nachdenke und versuche, nach zu forschen, desto verwirrter werde ich. Eigentlich dachte ich es wären definitiv keine Angebote, aber dann habe ich zum Beispiel § 315 BGB gefunden. Dieser sagt ja letztendlich aus, dass ein Preis auch nachträglich bestimmt werden kann.
Kann vielleicht jemand etwas Licht ins Dunkel bringen?
jona7317
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 160
Registriert: Dienstag 9. August 2022, 12:03
Ausbildungslevel: Cand. iur.

Re: Angebot Preis „unbestimmt“ / Essnentialia negotii

Beitrag von jona7317 »

Das kommt einfach auf die Umstände an, für die Fallbearbeitung im Studium sind schon alle glücklich wenn du das Problem siehst und nach §§ 133, 157 BGB analog (analog deshalb, weil die ja erst auf WEs anwendbar sind, wir uns hier aber grade noch fragen, ob es überhaupt eine WE ist!) auslegst, ob eine Willenserklärung vorliegt.
Ich würde hier trennen: Wenn unklar ist, über welchen Preis hier ein Vertrag zustandekommen soll, dann fehlt es an den essentialia negotii. Das heisst ein verbindliches Angebot liegt nur dann vor, wenn die Formulierung "nicht mehr als/weniger als X" nur Getue ist, und eigentlich Rechtsbindungswille bezüglich der genannten Zahl bestand.
Da würde ich zwischen Käufer und Verkäufer trennen:

Beim Käufer der "nicht mehr als X" ausgeben will würde ich das persönlich eher verneinen - der Käufer sucht häufig Beratung beim Kauf durch den Verkäufer und muss ihm dafür eben auch einen Rahmen geben, was er sich vorstellt. Dass er damit ein verbindliches Angebot zum Höchstpreis von X machen will würde ich stark bezweifeln - da fehlt mEn der Rechtsbindungswille. Er erhofft sich als Antwort auf diese Aussage eher einen Vorschlag als eine Annahme. Dass der Verkäufer ihn dann an dem Preis festhalten kann will er wohl lieber nicht.

Beim Verkäufer würde ich differenzieren. Wer sagt, eine Sache "nicht unter X" zu verkaufen, weiss eigentlich sicher, dass er nach dieser Äußerung nicht mehr mit einem Angebot rechnen kann, das X noch übersteigt. Der Käufer ist ja nicht blöd. Häufig ist das ja (und hier spielt die Verkehrssitte eine Rolle) nur der Ausgangspunkt, um sich danach "ausnahmsweise" auf einen Preis knapp unter X einzulassen. Das bedeutet aber zugleich, dass der Verkäufer idR mehr als glücklich wäre, wenn der Käufer auf diese Aussage mit "Ok machen wir so" antwortet. Ein dann geschlossener Vertrag käme ihm gelegen und darauf hofft er idR auch, auch wenn es nicht wahrscheinlich ist, dass der Käufer sich sofort darauf einlässt.
Beim Käufer würde ich deshalb Rechtsbindungswillen bzgl. des Preises bejahen.

Das kann man ggf. auch anders sehen und gerade das ist vielleicht etwas unzufriedenstellend. Im Studium geht es bei solchen Problemen eher darum, mit den Grundsätzen der Auslegung gut zu argumentieren und die Besonderheiten des Einzelfalles in der eigenen Lösung zu verarbeiten
jona7317
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 160
Registriert: Dienstag 9. August 2022, 12:03
Ausbildungslevel: Cand. iur.

Re: Angebot Preis „unbestimmt“ / Essnentialia negotii

Beitrag von jona7317 »

Und zum § 315 BGB: Da müsste eben der Rechtsbindungswille der Parteien dahingehen, dass einer einseitig die Leistung bestimmen darf. Das ist für den anderen aber idR eine gefährliche Nummer und deshalb in aller Regel deshalb nicht gewollt.
Brainiac
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1559
Registriert: Montag 10. März 2014, 08:03

Re: Angebot Preis „unbestimmt“ / Essnentialia negotii

Beitrag von Brainiac »

Dein Störgefühl ist berechtigt, Michi. ME sind das beides bloß invitationes ad offerendum: Der jeweils andere Teil möge ein konkretes Angebot in der genannten Preisspanne abgeben, dass dann wiederum noch angenommen werden muss (was auch konkludent geschehen kann). Allenfalls könnte man in den Erklärungen antizipierte Annahmeerklärungen für den Fall, dass die andere Seite ein Angebot in der Preisspanne abgibt, sehen.

Aber wie jona zutreffend schreibt, ist das eine Frage, die sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten lässt. Dieses Phänomen wird dir, Michi, noch vielfach in diesem Studium begegnen.

Was du dir ferner aneignen solltest: Nicht zu lange Absätze verfassen, sondern eher früher als später in eine neue Zeile wechseln. ;)
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
jona7317
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 160
Registriert: Dienstag 9. August 2022, 12:03
Ausbildungslevel: Cand. iur.

Re: Angebot Preis „unbestimmt“ / Essnentialia negotii

Beitrag von jona7317 »

An die antizipierte Annahme hatte ich gar nicht gedacht, das ist bzgl. des Verkäufers deutlich sinnvoller als meine o.g. Interpretation 👍
Antworten