Anfechtung des Kaufvertrags durch den getäuschten Käufer nach § 123 BGB - entsteht rückwirkend ein EBV?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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LephanStorenz1000
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Anfechtung des Kaufvertrags durch den getäuschten Käufer nach § 123 BGB - entsteht rückwirkend ein EBV?

Beitrag von LephanStorenz1000 »

Schönen Abend zusammen,

ich habe eine Frage zu einer sehr klausurrelevanten Konstellation. Es geht um die Anfechtung eines Kaufvertrags durch den arglistig getäuschten Käufer (§ 123 BGB).

Meinem Verständnis nach vernichtet die Anfechtung nach § 123 BGB regelmäßig - im Sinne der uno-acto-Theorie - auch das Verfügungsgeschäft (vgl. nur BeckOGK/Beurskens § 142 Rn. 36, Grigoleit, Abstraktion und Willensmängel - die Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäfts, AcP 1999, 379), sodass der Käufer ex tunc (§ 142 I BGB) zum unberechtigten Besitzer wird.
Tätigt der Käufer nun zwischen Kauf und Anfechtung Verwendungen auf die Sache oder zieht er Nutzungen, so müsste dafür grundsätzlich mal das EBV und nicht das Bereicherungsrecht maßgeblich sein.

Das Examinatorium Zivilrecht der LMU, das ich gegenwärtig zur Examensvorbereitung besuche, berücksichtigt das in der einschlägigen Falllösung überhaupt nicht. Es werden sämtliche Ansprüche (auf Wert-, Nutzungs- und Verwendungsersatz) (nur) nach Bereicherungsrecht geprüft und ein Durchschlagen der Anfechtung auf die dingliche Ebene nicht mal erwähnt (die Lösung geht ohne nähere Ausführungen davon aus, der Käufer habe Besitz und Eigentum erlangt). Der Fall ist auch im Beck‘schen Examinatorium Grigoleit/Auer, SchuldR III abgedruckt.

Übersehe ich da etwas oder seht ihr das wie ich? Die Lösung über EBV wirkt unintuitiv und normal macht das Beck‘sche Examinatorium und Prof. Grigoleit auch keine Fehler. Vllt habt ihr ja noch Ideen oder weiterführende Gedanken.

Gerade da es eine „Klassiker“-Konstellation ist, wäre es natürlich gut, da die aufgenommenen Unsicherheiten zu beseitigen.
jona7317
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Re: Anfechtung des Kaufvertrags durch den getäuschten Käufer nach § 123 BGB - entsteht rückwirkend ein EBV?

Beitrag von jona7317 »

Wenn der Sachverhalt nicht eindeutig darauf eingeht, solltest du bei einer Anfechtung eines Kaufvertrages o.ä. wohl grundsätzlich davon ausgehen, dass nur das Verpflichtungsgeschäft angefochten ist. Und das "durschlagen auf die dingliche Ebene" ist eine sehr verbreitete aber eben auch unglückliche Formulierung. Das bedeutet nur, dass aus dem selben Grund beide Rechtsgeschäfte anfechtbar sind, nicht dass mit der Anfechtung des einen auch das andere fällt oder ein Irrtum der schuldrechtlichen Ebene sonst irgendwie in die dingliche Ebene hineinwirkt. Das ist gerade nicht der Fall, die schuldrechtliche und dingliche Ebene leiden beide an einem Irrtum/sonstigen Fehler, der mehr oder weniger zufälligerweise bei beiden der gleiche ist.

EBV durch Anfechtung des Verpflichtungsgeschäft ist eher ein Problem unwirksamer Gebrauchsüberlassungsverträge, bei denen mit Vernichtung des Verpflichtungsgeschäfts auch das Besitzrecht untergeht.
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