BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von RechtInteressant »

Hallo, liebes Forum!

Die Betreffzeile zum Thema sagt es im Grunde genommen schon, aber hier für Interessierte nochmal die ausführliche Version:

Nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 2.7.1969 - VIII ZR 172/68, NJW 1969, 1903) ist auf Energielieferungsverträge ganz normal Kaufrecht anzuwenden, und zwar nicht über § 453 BGB (sonstiger Gegenstand) sondern tatsächlich direkt über § 433 BGB; mit anderen Worten: elektrischer Strom ist ein körperlicher Gegenstand und somit eine Sache iSd §§ 433 und 90 BGB.

Alles schön und gut. Ich sehe das übrigens genauso. Elektrischer Strom ist schließlich nichts anderes als der Fluss von Elektronen und Elektronen sind, wenn auch sehr winzig, körperliche Gegenstände.

Allerdings - und deswegen habe ich Bauchschmerzen - sieht das der historische Gesetzgeber anscheinend ganz anders und hat daher vor über 100 Jahren, im Jahre 1900 um genau zu sein, mit § 248c StGB den Straftatbestand der "Entziehung elektrischer Energie" geschaffen, um die Strafbarkeitslücke zu schließen, die dadurch entsteht, dass elektrische Energie -aus Sicht des hist. Gesetzgebers- keine Sache ist und daher der "Diebstahl" von elektrischer Energie -folgerichtig- nicht nach § 242 StGB bestraft werden kann (jedenfalls nicht ohne Verletzung des strafrechtlichen Analogieverbots).

Doch anscheinend hätte er sich die Mühe sparen können. Denn wenn dessen ungeachtet knapp 70 Jahre später der BGH einfach hingeht und sagt, elektrische Energie ist sehr wohl eine Sache iSd § 433 BGB, dann ließe sich die unbefugte Entziehung derselben doch auch problemlos - und vor allen Dingen ohne Verletzung des strafrechtlichen Analogieverbots - unter den Diebstahlsparagrafen, § 242 StGB, subsumieren. Denn wir haben - wenn man dem BGH folgt - bei Strom nun also doch eine fremde bewegliche Sache (bzw. ganz ganz viele, sehr sehr kleine bewegliche Sachen - die süßen, kleinen Elektrönchen ;)) iSv § 242 StGB.

Als Jurist muss ich jetzt aber - strikt normativ und entgegen meiner persönlichen Überzeugung - mit dem historischen Gesetzgeber die Sacheigenschaft von Strom verneinen und mich der Mindermeinung anschließen, die elekrtische Energie als sonstigen Gegenstand unter § 453 BGB subsumiert.

Denn die gegenteilige Auffassung, die auch der BGH vertritt, ist nach meiner bescheidenen -juristischen- Meinung schlicht falsch! Und warum? Darum: Der Wille des Gesetzgebers hat Vorrang. Gerichtsentscheidungen, selbst höchstrichterliche, sind grds. keine Rechtsquellen. Dh. der BGH kann erzählen, was er will, wenn der Tag lang ist. Sein Urteil von 1969 ist jedenfalls contra legem; die darin vertretene Auffassung (Strom=Sache) mag naturwissenschaftlich (auch nach meinem Dafürhalten) zwar richtig sein, juristisch und rechtsdogmatisch ist sie aber schlicht und ergreifend falsch und nicht vertretbar. Denn mit § 248c StGB hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass Strom eben kein körperlicher Gegenstand, also keine Sache ist (vgl. auch Fischer-StGB § 248c Rn. 1: "fehlende Sacheigenschaft elektrischer Energie"). Im Zweifel hat das Gesetz Vorrang vor irgendwelchen Gerichtsentscheidungen. Nicht einmal der BGH ist über das Gesetz erhaben. Auch die höchstrichterliche Rechtsfortbildung findet ihre Grenzen spätestens dort, wo sie dem Willen des Gesetzgebers eindeutig zuwiderliefe (Gewaltenteilung!). Hier hat der BGH ganz klar die gesetzgeberische Wertung und die Einheit der Rechtsordnung verletzt. Nochmal: Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 248c StGB klipp und klar gesagt: Nope! Elektrischer Strom ist KEINE Sache! Basta! Was macht aber der BGH? Der BGH pfeift natürlich einfach drauf, und das mal wieder -wie so oft- ohne jegliche Begründung; er deklariert Strom einfach apodiktisch als (Kauf-)Sache. Die BGH-Richter am Zivilsenat haben das Strafrecht, das sie an der Uni und für die Examina lernen mussten, anscheinend schon wieder komplett vergessen.

Ich möchte diesen Thread am Ende noch nutzen, um ein bisschen Dampf und Frust abzulassen. Das oben beschriebene Problem ist eins von vielen und wieder mal typisch. Und ich finde keine Antworten. Und noch dazu scheint es auch keinen, insbes. nicht den allmächtigen BGH, zu interessieren! Dogmatische Richtigkeit, Konsistenz, Schlüssigkeit, Widerspruchsfreiheit, all das lässt die Juristerei vermissen. Ja, ich bereue es, Jura studiert zu haben. Denn das oben Beschriebene zeigt mal wieder, dass das überhaupt gar keine Wissenschaft ist! Es ist einfach nur Rumgelabere. ](*,)

Hätte ich doch lieber was Richtiges studiert. Ich war damals eigentlich schon für BWL eingeschrieben und bin im letzten Augenblick vor Studienbeginn noch schnell zu Jura rübergewechselt. Ja, selbst BWL wäre noch besser als Jura gewesen! Physik hätte ich sehr interessant gefunden, hatte dann aber doch Angst davor, wegen Mathe...

Wie dem auch sei, das sind die Momente, wo ich es wirklich bereue, diesen Blödsinn studiert zu haben... Meine besten Jahre habe ich verschwendet... ::roll:

Und bitte: Ja, ich weiß, dass sich das o.g. Problem nicht auf das Ergebnis auswirkt. Kaufrecht ist auf Energielieferverträge so oder so auf jeden Fall anwendbar. Aber mich nerven diese Widersprüchlichkeiten und Logikfehler einfach tierisch! Es tut richtig weh!

Ach ja, meine Frage: Kennt jemand vielleicht einen Aufsatz zu dem Thema oder hat sich damit mal beschäftigt? Ich bin dankbar für jede Antwort/Anregung/Meinung/Idee, etc.

Viele Grüße! Und sorry für meinen kleinen Anti-Jura-"Rant"! ;)
Zuletzt geändert von RechtInteressant am Montag 1. Mai 2023, 22:36, insgesamt 25-mal geändert.
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Re: Strom bzw. elektr. Engergie lt. Rspr = Kaufsache, aber Widerspr. zu § 248c StGB!!!

Beitrag von gola20 »

Elektronen sind doch Wellen :drinking: (richtigerweise Quantenobjekte).
RechtInteressant hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 21:12 Und noch dazu scheint es auch keinen, insbes. nicht den allmächtigen BGH, zu interessieren! Dogmatische Richtigkeit, Konsistenz, Schlüssigkeit, Widerspruchsfreiheit, all das lässt die Juristerei vermissen. Ja, ich bereue es, Jura studiert zu haben. Denn das oben Beschriebene zeigt mal wieder, dass das überhaupt gar keine Wissenschaft ist!
Genau das ist dein Problem. Der BGH ist ein Gericht und keine Universität.
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Re: Strom bzw. elektr. Engergie lt. Rspr = Kaufsache, aber Widerspr. zu § 248c StGB!!!

Beitrag von RechtInteressant »

Ich hab mich vor dem Physikstudium zwar -wie oben schon erwähnt- erfolgreich gedrückt. Aber nach der Quantentheorie sind Elektronen doch nicht nur Wellen, sondern gleichzeitig auch Teilchen (und können somit -richtigerweise- auch juristisch als körperliche Gegenstände und Sachen im Rechtssinne eingeordnet werden, auch wenn sie so winzig sind, dass man sie nicht sehen, geschweige denn anfassen kann; wobei: anfassen kann man sie schon, sollte man aber vielleicht besser nicht, es sei denn, man ist masochistisch veranlagt :D). :-k
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von Theopa »

Dass sich Richter ab einer gewissen Stufe - am ehesten ab der Bezeichnung "Senat" - in manchen Fällen als überlegener Ersatz-Gesetzgeber sehen dürfte wenig überraschend sein. Wenn der Gesetzgeber Strom doch ziemlich eindeutig als Nicht-Sache eingeordnet hat lautete die Aufgaben für den Richter damit klar zu kommen und nach der existierenden Rechtsordnung das Beste daraus zu machen, bzw. ggf. an BVerfG oder EuGH vorzulegen.

Strom mit einer Sache im Sinne des Kaufrechts gleichzusetzen dürfte kaum sinnvoll möglich sein. Selbst wenn man die Diskussion Teilchen/Welle komplett ausnimmt, landet man irgendwann bei der Frage, wie es zur Übergabe der Sache im Sinne des Kaufrechts kommen soll. Stromfluss bedeutet ja nur, dass die Elektronen durch die Leitung zum "Käufer" fließen, dort diverse Umwege nehmen, dann aber zu 100% vollständig auch wieder vom "Käufer" wegfließen. Durch den üblichen Wechselstrom sollte die Betrachtung wohl noch etwas komplizierter werden. Der "Käufer" erhält aber im Regelfall - das Laden von Akkus wären eine interessante Ausnahme - schon keinen auch nur kurzfristigen Besitz an den Elektronen eingeräumt, die in Sekundenbruchteilen durch die Leitungen rauschen und dann den eigenen Machtbereich sofort wieder verlassen. Vielleicht könnte man sogar annehmen, dass die Elektronen teilweise an den Verkäufer zurückfließen?

Wie soll ein Vertrag noch ein Kaufvertrag sein, wenn schon keine Übergabe im Sinne der Verschaffung von Eigentum und Besitz an der Kaufsache vereinbart wird? Selbst wenn man also eine Sache annehmen möchte, würde der Vertrag eher in den Bereich einer Miete gehen: Überlassung der Elektronen zur zeitweisen Nutzung gegen Entgelt. Auch das passt nicht ganz, aber mE deutlich besser.
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von gola20 »

Wo hat der Gesetzgeber festgelegt, dass auf Strom kein Kaufrecht Anwendung finden soll?
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von Theopa »

gola20 hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 11:35 Wo hat der Gesetzgeber festgelegt, dass auf Strom kein Kaufrecht Anwendung finden soll?
Im BGB mE in § 433 Abs. 1 S. 1 und § 90:
"Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen."
"Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände."

Elektrische Energie ist kein körperlicher Gegenstand, jedenfalls nicht nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (sowohl zur Zeit der Entstehung des BGB als auch heute) oder einer Definition, die ich bisher gesehen hätte. Bei durch Stromleitungen kontinuierlich herbeigeführtem Elektronenfluss liegt schon keinerlei Abgrenzung oder Abgrenzbarkeit vor. Strom wird auch nicht nach Volumen/Stückzahl sondern nach Leistung gehandelt. Und diese Leistung hängt von vielen Variablen ab, weshalb es nicht möglich ist diese 1:1 auf eine Masse, ein Volumen, eine Anzahl an Elektronen o.ä. herunterzurechnen.

Dazu kommt die vom TE bereits angesprochene Entscheidung, im Strafrecht extra einen eigenständigen Tatbestand für die Entziehung elektrischer Energie einzuführen, obwohl es bereits den Diebstahl (o.ä.) gibt. Wenn man das Ziel der Einheit der Rechtsordnung unterstellt wäre es schon sehr außergewöhnlich und begründungsbedürftig, wenn die Sache im Sinne des StGB ein punktuell völlig anderer Begriff als die Sache im Sinne des BGB wäre und nur im StGB elektrische Energie ausgeschlossen wird.

Und selbst wenn man tatsächlich eine Sache annehmen will, würde man (siehe meinen Vorpost) an der Vereinbarung von Übergabe und Eigentumsverschaffung als nächsten Tatbestandsmerkmalen scheitern; dies natürlich nicht weil diese nur unmöglich wären, sondern weil sie bei einem Vertrag über Stromlieferungen schon nicht plausibel zu vereinbaren sind und in den Verträgen die ich kenne auch nicht vereinbart werden.

Dort findet man regelmäßig Regelungen, die deutlich eher als Miete/Pacht auszulegen wären: Nutzungsmöglichkeit von elektrischem Energiefluss über den Zeitraum X zu einem Preis Y pro Leistungseinheit.

Wie oben bereits geschrieben könnte man eine indirekte Ausnahme sehen, wenn man über die wenigstens weitgehend abgrenzbare Ladung eines bestimmten Akkus sprechen würde: Dabei ist der Akku der körperliche Gegenstand, der durch die Ladung überprüfbar intern chemisch verändert ist. Die volle Ladung ist feststellbar und unproblematisch auch aus Verkehrssicht vertraglich vereinbar. Verkauft wird dort allerdings auch nur der Akku in einem chemischen Zustand X und damit nicht "der Strom", sondern der körperliche Gegenstand Akku mit dem vertraglich vereinbarten Potenzial eine bestimmte elektrische Energie zu leisten.
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von thh »

RechtInteressant hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 21:12Nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 2.7.1969 - VIII ZR 172/68, NJW 1969, 1903) ist auf Energielieferungsverträge ganz normal Kaufrecht anzuwenden, und zwar nicht über § 453 BGB (sonstiger Gegenstand) sondern tatsächlich direkt über § 433 BGB; mit anderen Worten: elektrischer Strom ist ein körperlicher Gegenstand und somit eine Sache iSd §§ 433 und 90 BGB.
Ist das so? Der BGH bezieht sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, die mir nicht zugänglich ist, so dass m.E. offen bleibt, ob der BGH tatsächlich - dann: irrig - davon ausging, Strom sei ein körperlicher Gegenstand.
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von gola20 »

Laut Kommentaren wendet die Rechtsprechung § 453 BGB an. Die Kommentare verweisen aber alle auf die eine BGH Entscheidung. Da konnte ich das nicht herauslesen (habe sie aber auch nur überflogen).
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von RechtInteressant »

thh hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 18:57
RechtInteressant hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 21:12Nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 2.7.1969 - VIII ZR 172/68, NJW 1969, 1903) ist auf Energielieferungsverträge ganz normal Kaufrecht anzuwenden, und zwar nicht über § 453 BGB (sonstiger Gegenstand) sondern tatsächlich direkt über § 433 BGB; mit anderen Worten: elektrischer Strom ist ein körperlicher Gegenstand und somit eine Sache iSd §§ 433 und 90 BGB.
Ist das so? Der BGH bezieht sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, die mir nicht zugänglich ist, so dass m.E. offen bleibt, ob der BGH tatsächlich - dann: irrig - davon ausging, Strom sei ein körperlicher Gegenstand.
Aus BGH, Urteil vom 2.7.1969 - VIII ZR 172/68, NJW 1969, 1903:

"Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zu folgen daß Verträge über die Lieferung elektrischer Energie nach den Regeln über den Kauf beweglicher Sachen zu beurteilen sind (RG, JW 30, 1924 m.w. Nachw.)."

"Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß elektrischer Strom nur mittels eines Leiters transportiert werden kann. Aus diesem untrennbaren Zusammenhang zwischen Strom und Leiter lassen sich indes die vom Berufungsgericht gezogenen rechtlichen Folgen nicht herleiten. Gegenstand des Liefervertrages war elektrischer Strom. Dieser stellte die Kaufsache dar."


Die RG-Entscheidung hätte ich auch gern in die Finger gekriegt. Aber an die kommt man online wohl nicht ran.

Wenn der BGH nicht davon ausgegangen wäre, dass Strom eine Sache ist, hätte er auch "Kaufgegenstand" statt "Kaufsache" schreiben können.

Hier bleibt m.E. nichts offen. Der BGH hat eindeutig Strom als Sache bzw. als körperlichen Gegenstand qualifiziert.
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von RechtInteressant »

gola20 hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 19:52 Laut Kommentaren wendet die Rechtsprechung § 453 BGB an. Die Kommentare verweisen aber alle auf die eine BGH Entscheidung. Da konnte ich das nicht herauslesen (habe sie aber auch nur überflogen).
LMAO!!! :lmao:

Ich habe ehrlich gesagt noch nicht in die Kommentare geschaut - aber anscheinend ist das wohl auch müßig.

Das ist wieder mal typisch.

Eine Katastrophe nach der anderen...

Als erstes baut der BGH Mist (s.o.). Als nächstes kommt dann irgendein Genie an und zitiert den Murks, den dieses allmächtige und allwissende "Orakel von Delphi" da verzapft hat - und zitiert dann auch noch falsch! Und dann, als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, kommen die anderen Kommentatoren und schreiben von ihm ab. ](*,)

Auf der Grundlage eines Fehlurteils und eines daran anschließenden Fehlzitats entsteht dann ein Zitierkartell von Dozenten, Juraprofessoren, Praktikern, etc., die oft - wie mir scheint - einfach nur voneinander abschreiben. Und als Student/Referendar/Examenskandidat ist man praktisch völlig aufgeschmissen.

That's Jura, baby! ;)

- An dieser Stelle ein gut gemeinter Rat von mir an alle, die das hier lesen und bei denen es noch nicht zu spät ist: Schreibt euch bloß nicht für Jura ein, oder wenn ihr schon den Fehler gemacht habt, dann brecht das Studium ab und studiert was Richtiges oder lasst es bleiben! Werdet Webentwickler, Programmierer, Handwerker, Lackierer, Hausmeister, Arzt, Ingenieur, etc., aber macht bitte bloß kein Jura! -
Zuletzt geändert von RechtInteressant am Dienstag 2. Mai 2023, 21:07, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von RechtInteressant »

gola20 hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 11:35 Wo hat der Gesetzgeber festgelegt, dass auf Strom kein Kaufrecht Anwendung finden soll?
Nirgendwo.

Aber er hat mit § 248c StGB indirekt zu verstehen gegeben, dass Strom keine Sache bzw. kein körperlicher Gegenstand ist.

Somit kann Strom - jedenfalls juristisch/rechtsdogmatisch - auch keine Kaufsache iSd § 433 BGB sein, sondern allenfalls ein sonstiger Gegenstand iSd § 453 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.

Kaufrecht ist anwendbar, aber eben über § 453 BGB, nicht über § 433 BGB.
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von whirrun »

Gemäß Absatz 1 sind die Vorschriften über den Sachkauf
auch auf den Kauf „sonstiger Gegenstände“ entsprechend
anzuwenden. Damit folgt die Vorschrift der Rechtspre-
chung, die schon heute die Vorschriften des Kaufvertrags-
rechts, soweit sie passen, z. B. auf die entgeltliche Übertra-
gung von Unternehmen oder Unternehmensteilen, von frei-
beruflichen Praxen, von Elektrizität und Fernwärme, von
(nicht geschützten) Erfindungen, technischem Know-how,
Software, Werbeideen usw. anwendet
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Re: BGH: Strom bzw. elektrische Energie = (Kauf-)Sache; aber Widerspruch zur Wertung des Gesetzgebers (§ 248c StGB)!!!

Beitrag von Strich »

RechtInteressant hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 19:59
thh hat geschrieben: Dienstag 2. Mai 2023, 18:57
RechtInteressant hat geschrieben: Montag 1. Mai 2023, 21:12Nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 2.7.1969 - VIII ZR 172/68, NJW 1969, 1903) ist auf Energielieferungsverträge ganz normal Kaufrecht anzuwenden, und zwar nicht über § 453 BGB (sonstiger Gegenstand) sondern tatsächlich direkt über § 433 BGB; mit anderen Worten: elektrischer Strom ist ein körperlicher Gegenstand und somit eine Sache iSd §§ 433 und 90 BGB.
Ist das so? Der BGH bezieht sich zur Begründung auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, die mir nicht zugänglich ist, so dass m.E. offen bleibt, ob der BGH tatsächlich - dann: irrig - davon ausging, Strom sei ein körperlicher Gegenstand.
Aus BGH, Urteil vom 2.7.1969 - VIII ZR 172/68, NJW 1969, 1903:

"Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zu folgen daß Verträge über die Lieferung elektrischer Energie nach den Regeln über den Kauf beweglicher Sachen zu beurteilen sind (RG, JW 30, 1924 m.w. Nachw.)."

"Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß elektrischer Strom nur mittels eines Leiters transportiert werden kann. Aus diesem untrennbaren Zusammenhang zwischen Strom und Leiter lassen sich indes die vom Berufungsgericht gezogenen rechtlichen Folgen nicht herleiten. Gegenstand des Liefervertrages war elektrischer Strom. Dieser stellte die Kaufsache dar."


Die RG-Entscheidung hätte ich auch gern in die Finger gekriegt. Aber an die kommt man online wohl nicht ran.

Wenn der BGH nicht davon ausgegangen wäre, dass Strom eine Sache ist, hätte er auch "Kaufgegenstand" statt "Kaufsache" schreiben können.

Hier bleibt m.E. nichts offen. Der BGH hat eindeutig Strom als Sache bzw. als körperlichen Gegenstand qualifiziert.
Keine Ahnung ob das so offensichtlich ist, wie du meinst. § 453 Abs. 1 S. 1 BGB sagt, dass das Kaufrecht auf den Kauf sonstigr Gegenstände entsprechend angewendet wird. Die sonstigen Gegenstände (Strom als nichtkörperlicher Gegenstand) fällt dann darunter. Er wird dann "Kaufsache" im Sinne des § 433 BGB. Der BGH sagt auch ausdrücklich "Gegenstand des Liefervertrages" ;-)

Kann es sein, dass dich Jura so frustriert, weil du nicht genau genug arbeitest? Ich wäre, wenn mich diese Frage tatsächlich in einem Frustausmaß wie bei dir interessieren würde, in die Bibliothek gegangen und wäre dem nachgegangen. Wenn am Ende steht, der BGH hat Unrecht, dann ist das so. Das ist aber an sich nichts juraspezifisches. Wenn du BWL studiert hättest, müsstest du dich auch mit Richtungsentscheidungen des Managements rumschlagen, die falsch sind. Ich verstehe z.B. nicht wieso Volkswagen sein China-Geschäft nicht allmählich zurückbaut. Marktchancen hin oder her, aber da ist der große Knall in den nächsten 5 Jahren doch vorprogrammiert.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

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Seit 31.05.2022 Lord Strich
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