§ 823 I BGB: Unterlassen und Schockschäden

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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jona7317
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§ 823 I BGB: Unterlassen und Schockschäden

Beitrag von jona7317 »

Liebe Leute,
wegen der im anderen Post erwähnten Korrektur stellen sich mir zwei Fragen zum § 823 I BGB. Ich hatte diese beiden Sachen immer so behandelt und es wurde mir auch so beigebracht, aber vielleicht kann ja jemand Licht ins Dunkel bringen. Und zwar wurde mir als falsch angestrichen:

Zum Sachverhalt: Sehr verkürzt ging es um einen Aufseher, der bei einem Jugendtreff nicht sofort den Notarzt ruft als ein Kind einen Herzstillstand erleidet. Deutlich später tut er es dann doch, Kind ist schwerbehindert. Mutter erleidet Schockschaden in Form behandlungsbedürftiger schwerer Depression.

1. § 823 I BGB und Unterlassen
Hier hatte ich beim Verhalten des Schädigers recht kurz geprüft, dass ein positives Tun nicht in Betracht kommt, sondern der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf dem Nichtrufen des Notarztes liegt - also einem Unterlassen.
Dass es dazu einer Verletzung einer Rechtspflicht zum Handeln bedarf habe ich erst in der Rechtswidrigkeit problematisiert, die beim Unterlassen ja positiv festzustellen ist.
Dazu wurde sinngemäß geschrieben: Verf. verkennt, dass Unterlassen nur bei Verletzung einer Handlungspflicht Anknüpfungspunkt der Haftung sein kann und greift dieses Problem, wenn auch in der Sache zutreffend, erst in der Rechtswidrigkeit auf.
Ist das denn überhaupt falsch so? Muss man das Fass tatsächlich schon beim Verhalten des Schädigers aufmachen?

2. Schockschäden
Ähnliches Thema, auch hier hat der Korrektor ausführlich die Verortung bemängelt. Und zwar habe ich bei der Rechtsgutverletzung die Behandlungsbedürftigkeit als Voraussetzung der Gesundheitsverletzung thematisiert und nach Bejahung der haftungsbegründenden Kausalität unter einem eigenen Punkte "Schutzzweck der Norm" problematisiert, ob das nun Ausfluss des (von jedem selbst zu tragenden) allgemeinen Lebensrisiko ist oder noch erfasst ist. Habe ich dann i.E. richtig bejaht, aber der Korrektor schien sehr unzufrieden und hat mir bemängelt, dass ich das nicht als Problem der haftungsausfüllenden (????) Kausalität behandelt habe.
Kann mir da jemand erläutern warum?


Ich frage mich eigentlich nur, ob das denn nun wirklich falsch ist oder eben nur ein Aufbau, den der Korrektor nicht gewohnt ist. Mir ist klar, dass die nicht bei allem was ihnen negativ auffällt alle Lehrbücher durchforsten um zu schauen ob das nicht doch irgendwer so vertritt - ich will mich ja gar nicht darüber beschweren.
Für mich selbst wäre es aber gut zu wissen, ob ich das denn so weiter machen kann oder ob ich besser daran tue diesen Teil des Gelernten bis zum Ref zu vergessen :D
Brainiac
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Re: § 823 I BGB: Unterlassen und Schockschäden

Beitrag von Brainiac »

Zu 1: meines Erachtens ist die Korrektur zumindest/nur halbrichtig. Zutreffend ist, dass in Unterlassungsfällen das Bestehen der Verkehrssicherungs-/Handlungspflicht von der hM bereits iRd Verletzungshandlung gefordert wird. Denn nur dann soll ein Unterlassen einem Tun gleichgestellt sein. Die Frage der Verletzung der vorgenannten Pflicht stellt sich jedoch erst iRd Rechtswidrigkeit, die - wie du richtig sagst - in Unterlassungsfällen nicht indiziert wird, sondern positiv festzustellen ist.

Zu 2: Die Zurechnung von Schockschäden (im Sinne der Gesundheitsverletzung, d.h. die Frage der Haftung dem Grunde nach) erfolgt in der haftungsbegründenden Kausalität (sog. psychisch vermittelte Kausalität). Die Korrektur ist mir daher unverständlich, wenn es nicht um Probleme hinsichtlich der geltend gemachten Schadensposten (Haftung der Höhe nach) ging.
"In a real sense, we are what we quote." - Geoffrey O'Brien
jona7317
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Re: § 823 I BGB: Unterlassen und Schockschäden

Beitrag von jona7317 »

Ah, das zu 1 leuchtet mir sofort ein, danke!
Zu 2 hatte ich die gleichen Gedanken, dann behalte ich das mal so bei und hak die Korrektur als in dem Punkt ein bisschen schludrig ab. Der Höhe nach gabs nämlich keine Kausalitätsprobleme, es wurden nur die Behandlungskosten verlangt
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