Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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Desperados
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Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Desperados »

Liebes Forum,

ich habe mich hier angemeldet, da ich ein aktuelles "Problem" habe und ich nicht weiß, was ich machen soll.

Kurz zu mir: Ich habe in der hiesigen Justiz als Proberichter am Landgericht (Strafkammer) angefangen, war ein Jahr bei einer Staatsanwaltschaft und wurde nach bereits gut 3 Jahren Proberichterzeit zum RiAG ernannt und war für 1,5 Jahre als Vorsitzender des SchöffG tätig. Anschließend war ich zwei Jahre als Referent in die Staatskanzlei und dann drei Jahre zum BGH als Hiwi abgeordnet. Fließend an die Abordnung zum BGH schloss sich eine verkürzte Erprobungsabordnung beim hiesigen OLG an. Nach entsprechenden Gesprächen "auf dem Dienstweg" habe ich mich noch während dieser OLG-Abordnung auf eine Stelle als VRiLG beworben und bin seit Anfang des Jahres als Vorsitzender einer Großen Strafkammer tätig.

Ich habe jetzt über sechs Monate auf mich wirken lassen und war geduldig. Aber letztendlich muss ich sagen, dass mir das Ganze keinen Spaß macht. Ich finde es nahezu langweilig. Es ist viel zu tun, klar. Aber - anders als meine Stellen zuvor - reizt mich die Tätigkeit überhaupt nicht. Wie soll ich mich jetzt verhalten? Ich habe bisher immer brav das gemacht, was irgendwelche Präsidenten / Personaler für gut für mich hielten und alles verlief irgendwie stromlinienförmig. Jetzt hakt es halt einmal. Wie lange soll ich auf dieser Stelle durchhalten und mit wem wann das Gespräch suchen? Mich würden andere Sachen mehr reizen bspw. eine Abordnung an das BMJ oder solche Dinge. Mir ist bewusst, dass ich recht schnell befördert wurde und auch noch recht jung bin (keine 40).

Danke für euren Rat!
Liz
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Liz »

Mir ist noch nicht so ganz klar, was Dich an Deiner aktuellen Position stört: Liegt Dir die spruchrichterliche Tätigkeit (am LG oder generell) nicht? Ist es Unbehagen irgendwo "angekommen" zu sein, nachdem Dein Weg in den letzten zehn Jahren sehr abwechslungsreich und spannend war? Und umgekehrt: Was erhoffst Du Dir von einer erneuten Abordnung zum BMJ o. ä.? Ist Verwaltung eine dauerhafte Perspektive für Dich? Was wäre die Verwendung, bei der Du Dir vorstellen könntest, auch mal fünf Jahre oder länger zu bleiben?

Wie lange Du auf dieser Stelle bleiben solltest und wann Du das Gespräch mit den Personalverantwortlichen suchen solltest / kannst, dürfte m. E. ein wenig davon abhängen, was Deine weitere Perspektive ist, wie hoch Dein Leidensdruck ist und inwieweit Du den Personalverantwortlichen vermitteln kannst, warum Du jetzt doch lieber was anderes machen möchtest, nachdem man doch gerade eben erst dafür gesorgt hat, dass Du so schnell VRiLG wirst. Wahrscheinlich würde z. B. eine Bewerbung auf eine gerichtsinterne Verwaltungsstelle vor Ablauf eines Jahres weniger Unmut erwecken, als der Wunsch nach einer Abordnung an das BMJ vor Ablauf von zwei bis drei Jahren ("Wohin soll das führen? Der hält ja nichts durch.").
Desperados
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Desperados »

Zunächst: Die Gefahr des Vorwurfs, ich halte ja nichts durch, sehe ich nicht. Wie ich bereits schrieb waren die Abordnungen Ideen von vermeintlich förderungswilligen Präsidenten bzw. Personalern. Und ich glaube, ich habe trotz meines jungen Dienstalters schon ausreichend Durchhaltefähigkeiten bewiesen mit zwei Abordnungen, die mit einiger Arbeitslast und - hinsichtlich BGH - auch mit drastischen privaten Einschnitten verbunden waren.

Die Sorge, die mich eher umtreibt, ist die Gefahr des Vorwurfs, die R2 abgegriffen zu haben, um dann nach kurzer Zeit ein "Eigenleben" zu entwickeln und Dinge zu tun, die die Justizverwaltung so ursprünglich nicht für mich vorgesehen hatte.

Warum mir die Arbeit am LG keinen Spaß macht, kann ich so nicht genau sagen. Aber mE trifft es es am ehesten, dass ich es schlicht langweilig finde. Nach nur sechs Monaten wiederholt sich stets vieles und irgendwie reizt mich es nicht. Was ich mir von einer weiteren Abordnung verspreche? Da kann ich ganz klar sagen: Der Wunsch, eine Tätigkeit zu finden, die wieder die Begeisterung in mir auslöst.
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Strich
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Strich »

Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21 Zunächst: Die Gefahr des Vorwurfs, ich halte ja nichts durch, sehe ich nicht. Wie ich bereits schrieb waren die Abordnungen Ideen von vermeintlich förderungswilligen Präsidenten bzw. Personalern. Und ich glaube, ich habe trotz meines jungen Dienstalters schon ausreichend Durchhaltefähigkeiten bewiesen mit zwei Abordnungen, die mit einiger Arbeitslast und - hinsichtlich BGH - auch mit drastischen privaten Einschnitten verbunden waren.
Zunächst: Welcome to the bittervets ^^ Ich habe den "Vorwurf" so gar nicht aus Liz Post herausgelesen, obwohl er zu ihr passen würde ;-P
Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21 Die Sorge, die mich eher umtreibt, ist die Gefahr des Vorwurfs, die R2 abgegriffen zu haben, um dann nach kurzer Zeit ein "Eigenleben" zu entwickeln und Dinge zu tun, die die Justizverwaltung so ursprünglich nicht für mich vorgesehen hatte.
...
Ich würde aus mehreren Gründen aufhören mir über so etwas Gedanken zu machen:

1. Du weißt nicht, was andere denken und hast darauf keinen Einfluss.
2. Regenschirme spannt man auf, wenn es regnet und nicht vorher.
3. Der Umgang mit der Wahrheit ist etwas, dass man erlernen muss. Deine Wahrheit scheint das zu sein, was dich bewegt hat, dich hier anzumelden und das was du im ersten Beitrag geschrieben hast. Wenn das so ist, wovon ich ausgehe, sehe ich keine Probleme. Ich habe lieber einen Kollegen der zu mir kommt und sagt: "Hey ich bin genervt und das Ganze macht mir keinen Spaß ich habe es ernsthaft versucht, ich will was anderers machen" als jemand, der kommt und mit irgendwelchen "um-die-Ecke-Tricks" versucht, seine Lebenssitutation zu ändern, nur um nicht schlecht dazustehen. Umgekehrt sehe ich Probleme bei dem Personaler, der aus so einer Situation einen Strick dreht. Da wäre ich dann aber auch dankbar, dass rechtzeitig erkannt zu haben.

Zur Abordnung: Keine Ahnung ob das dann spannend ist. Aber du solltest einen Plan haben, der die Frage beantwortet nach welchem Modus du herausfindest, was dich reizt. Das können wir dir hier nicht sagen. Ein guter grundsätzlicher Plan ist es jedoch, auf sich selbst zu hören und die Gedanken von oben sein zu lassen. Das scheint mir eher ein recipe for desaster zu sein.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Liz »

@Desparados: Natürlich ist es beachtlich, wenn man Erprobungen, die einem angeboten/ermöglicht worden sind, offenbar erfolgreich absolviert. Aber es hat eben auch einen Wert, wenn man es schafft, auch auf durchschnittlich spannenden Stellen Freude an der Arbeit zu entwickeln, anstatt am Liebsten gleich in die nächste Abordnung zu starten. Ich denke, das Nachdenken darüber, was man eigentlich mittel- bis langfristig möchte, kann man nicht durch eine Aneinanderreihung von Abordnungen (so sinnvoll und spannend sie auch sind) ersetzen. Und wenn man diese eigene „Denkleistung“ vollbracht hat, dürfte es auch einfacher sein, bei den Personalverantwortlichen Verständnis dafür zu wecken, dass man einen dringenden Veränderungswunsch hat.

@Strich: Natürlich ist ein Kollege, der offen das Gespräch sucht, dankbarer, weil man ihm möglicherweise helfen kann. Aber noch besser wäre natürlich ein Kollege, bei dem man nicht befürchten muss, dass der in 4 Jahren nach der 4. Abordnung wieder vor einem sitzt und auf der Suche nach der nächsten Abordnung ist.
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Liz »

Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21 Die Sorge, die mich eher umtreibt, ist die Gefahr des Vorwurfs, die R2 abgegriffen zu haben, um dann nach kurzer Zeit ein "Eigenleben" zu entwickeln und Dinge zu tun, die die Justizverwaltung so ursprünglich nicht für mich vorgesehen hatte.
Den Gedanken halte ich - wie Strich - für nicht zielführend. Es ist niemandem damit geholfen, wenn Du Dich als Vorsitzender einer Großen Strafkammer zu Tode langweilst, nachdem Du da „irgendwie“ gelandet bist.
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thh
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von thh »

Desperados hat geschrieben: Donnerstag 7. September 2023, 15:09bin seit Anfang des Jahres als Vorsitzender einer Großen Strafkammer tätig.
Glückwunsch! Das schafft mancher erst 10 Jahre später oder nie. Andererseits sind dreieinhalb Jahre Erfahrung als Spruchrichter (davon mehr als die Hälfte als Berufsanfänger) für den Vorsitz in einer Großen Strafkammer nicht viel.
Desperados hat geschrieben: Donnerstag 7. September 2023, 15:09Ich habe jetzt über sechs Monate auf mich wirken lassen und war geduldig. Aber letztendlich muss ich sagen, dass mir das Ganze keinen Spaß macht. Ich finde es nahezu langweilig. Es ist viel zu tun, klar. Aber - anders als meine Stellen zuvor - reizt mich die Tätigkeit überhaupt nicht.
Am wichtigsten scheint mir, dass Du Dir darüber klar wirst, wo Du hinwillst.

Die Tätigkeit als Strafkammervorsitzender reizt Dich nicht, im Gegensatz zu den vorherigen Stellen; das umfasst dann ja auch die gut zweijährige Tätigkeit als Beisitzer einer Strafkammer während der Probezeit. Was macht die Tätigkeit als Beisitzer - die ja im Wesentlichen im, nun ja, Sitzen und Zuhören und dann als Berichterstatter der Verfassung des Urteilsentwurfs besteht - interessanter als die Tätigkeit als Vorsitzender, der die Verhandlung leitet?

Was würde Dich denn dann reizen?
Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21Warum mir die Arbeit am LG keinen Spaß macht, kann ich so nicht genau sagen. Aber mE trifft es es am ehesten, dass ich es schlicht langweilig finde. Nach nur sechs Monaten wiederholt sich stets vieles und irgendwie reizt mich es nicht.
Naja, vermutlich werden die verhandelten Fälle sich schon unterscheiden, aber die Abläufe im großen und ganzen natürlich nicht. Das dürfte allerdings bei jeder richterlichen (und staatsanwaltschaftlichen) Tätigkeit so sein. Der Schwurgerichtsvorsitzende verhandelt immer wieder und wiederholt Tötungsdelikte, der Vorsitzende einer allgemeinen Strafkammer immer wieder Drogen-, Raub- und Sexualdelikte, beim Schöffen- oder Strafrichter ähnelt sich das Progamm auch; der Zivilrichter am Amtsgericht macht 1/3 Miete, 1/3 Verkehrsunfälle und 1/3 Rest, am Landgericht entweder eine Spezialmaterie, die dann auch wenig Abwechslung bietet, oder - je nach Sitz - Dieselverfahren, der Familienrichter macht Scheidungen und Folgesachen sowie Kinderschutz, der Arbeitsrichter vermutlich im Wesentlichen Kündigungen ...
Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21Und ich glaube, ich habe trotz meines jungen Dienstalters schon ausreichend Durchhaltefähigkeiten bewiesen mit zwei Abordnungen, die mit einiger Arbeitslast und - hinsichtlich BGH - auch mit drastischen privaten Einschnitten verbunden waren.
Das ist das eine. Das andere ist, dass sich an solche Abordnungen dann üblicherweise eine längere kontinuierliche Tätigkeit anschließt (oder statt der Abordnungen schon vorher erfolgt).
Desperados hat geschrieben: Donnerstag 7. September 2023, 15:09Wie soll ich mich jetzt verhalten? Ich habe bisher immer brav das gemacht, was irgendwelche Präsidenten / Personaler für gut für mich hielten und alles verlief irgendwie stromlinienförmig. Jetzt hakt es halt einmal. Wie lange soll ich auf dieser Stelle durchhalten und mit wem wann das Gespräch suchen? Mich würden andere Sachen mehr reizen bspw. eine Abordnung an das BMJ oder solche Dinge.
Die Begeisterung, Vorsitzende Richter abzuordnen (mit der Folge, dass die Stelle ja fehlt, d.h. nicht besetzt ist), wird vermutlich deutlich geringer sein als bei R1 ...
Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21Was ich mir von einer weiteren Abordnung verspreche? Da kann ich ganz klar sagen: Der Wunsch, eine Tätigkeit zu finden, die wieder die Begeisterung in mir auslöst.
Du bist jetzt ja ein Jahrzehnt dabei und hast einiges gesehen. Was würde Dich denn begeistern? Und was stört Dich an Deiner jetzigen Stelle? Es ist m.E. ganz normal, dass man erst einmal das macht, wofür man "vorgesehen" ist, insbesondere wenn das ein sehr flotter Karriereweg ist, aber irgendwann sollte man sich auch einmal die Frage stellen, wohin denn der persönliche Weg führen soll.

Ist das Ziel ein bestimmtes Rechtsgebiet oder eine Subspezialisierung? Oder lieber ein möglichst abwechslungsreiches, breit gestreutes Tätigkeitsfeld? Lieber mit hoher Schlagzahl zügig und praxisorientiert durchentscheiden oder komplexe Sachverhalte erarbeiten? Lieber Verhandlungen leiten oder lieber Entscheidungen entwerfen/absetzen? Reine richterliche Tätigkeit oder ein mehr oder weniger großer Anteil Justizverwaltung? Läge Dir eine reine Verwaltungstätigkeit mehr als die richterliche Tätigkeit? Ist es das Ziel, nach 10 Jahren Vollgas eine Nische zu finden, wo sich "Dienst nach Vorschrift" tun lässt und mehr Zeit für Familie und Hobbies bleibt? Gibt es eine bestimmte Position ("Senatsvorsitzender wäre toll", "ich wollte immer schon ein kleines Amtsgericht leiten und zu den Honoratioren am Ort zählen"), zu der der Weg hinführen soll? Oder vielleicht auch einfach möglichst weit hinaus - LG-Präsident, OLG-Präsident, Vorsitzender Richter am BGH, Justizminister ...?

Wenn Du weißt, was Du willst - oder welche verschiedenen Varianten Du Dir vorstellen könntest; ja, auch dauerhaft, also mehr als 9 Monate oder 2 Jahre ;-) -, kannst Du Dir überlegen, wie Du da hinkommst und was Du wie lange bereit bist, dafür zu akzeptieren.

Eine Arbeit auf ein bestimmtes Ziel hin scheint mir sinnvoller als "keine Ahnung, das ist jetzt langweilig, ich versuch mal was anderes". Selbst wenn die Abordnung ans BMJ klappt: es ist eine Abordnung. Danach wärst Du ja wieder als Vorsitzender Richter in der Justiz.
Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21Die Sorge, die mich eher umtreibt, ist die Gefahr des Vorwurfs, die R2 abgegriffen zu haben, um dann nach kurzer Zeit ein "Eigenleben" zu entwickeln und Dinge zu tun, die die Justizverwaltung so ursprünglich nicht für mich vorgesehen hatte.
Das würde ich für ein Problem der Justizverwaltung halten, und nicht Deines. Zum einen kann man - je mehr man schon gemacht hat, desto eher - auch mal "nein" sagen, zum anderen geht es doch in erster Linie um Dein berufliches Ziel und nicht das der Justizverwaltung. Und je mehr das divergiert, desto egaler kann es Dir doch sein, was die Justizverwaltung von Dir denkt - bzw. wenn Du weißt, wo Du hinwillst, kannst Du Dich entscheiden, wieviel Du dafür schlucken willst, oder auch Deinen Wunsch in den Raum stellen und Dir anhören, was man dazu meint und was man Dir ggf. anbieten will.
Desperados hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 07:21Wie ich bereits schrieb waren die Abordnungen Ideen von vermeintlich förderungswilligen Präsidenten bzw. Personalern.
Im schlechteren Fall geht es bei Vorschlägen der Personalverwaltung primär darum, Stellen zu besetzen und jemanden zu finden, der sich mit Zuckerbrot und Peitsche (meistens mehr mit Zuckerbrot) dazu bewegen lässt. (Das klingt in Deinem Fall nicht so. ;-))

Im besten Fall geht es darum, gute Kräfte - häufig potentielle Führungskräfte - zu erkennen und frühzeitig zu fördern. Auch das macht für Dich aber doch nur dann Sinn, wenn Du auch da hinwillst.

Als Vorsitzender einer Strafkammer siehst Du Dich als Karriereziel ("das mache ich notfalls bis zum Ruhestand") offenbar nicht. Wäre es bei einer Zivilkammer anders? Bei einem Strafsenat? Zivilsenat? Familiensenat? Oder als "Beisitzer" beim BGH?

Die Alternative wäre eine primäre Verwaltungstätigkeit. Siehst Du Dich als Direktor eines Amtsgerichts? Präsident eines AG (wenn es das im Umfeld gibt) oder eines LG? Eines OLG?

Oder würdest eine Kombination zwischen Spruchrichter- und Verwaltungstätigkeit schätzen? Präsidialrichter beim LG wird als VRLG schwierig, ein Wechsel als Beisitzer (und Präsidialrichter) zum OLG eher auch, da Rückschritt auf gleicher Besoldungsebene, aber eine R2-besoldete wauRi-Stelle bei einem grpßen Amtsgericht käme im Zweifel in Betracht, wenn es das gibt.

Oder ist die richterliche Tätigkeit gar nicht das, was Dir vorschwebt, und Du siehst Dich eher in der Verwaltung? Bei einem Landes- oder Bundesministerium? Oder in der Politik?

Vielleicht ist es auch so, dass für Dich der Weg das Ziel ist und Du gerne alle paar Jahre etwas Neues machen möchtest, weil Dir alles irgendwann langweilig wird. Das ist dann etwas schwieriger, weil das Ziel der Personalentwicklung üblicherweise die Entwicklung irgendwo hin ist und nicht der stete Wechsel, aber sicherlich auch irgendwie möglich.

M.E. wäre der erste Schritt aber erstmal eine Bestandsaufnahme. Was willst Du unbedingt? Was könntest Dir Dir auch vorstellen? Was willst Du keinesfalls?
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Desperados »

Hallo,

erst einmal Danke für die langen und anregenden Antworten.

Vielleicht sollte ich für die weitere Diskussion tatsächlich eine "Bestandsaufnahme" abgeben.

Grundsätzlich "leide" ich durchaus im beruflichen Kontext an dem "Problem", dass mir die Dinge recht schnell langweilig werden. Warum das so ist, konnte ich in den vergangenen Jahren noch nicht herausfinden.

Wo will ich hin? Das kann ich recht klar beantworten. Ich möchte in meiner Tätigkeit als Richter im eigentlichen Sinne möglichst hoch hinaus. Dies ist - aufgrund meiner durch die Zeit in die Staatskanzlei guten Kontakte - im Justizministerium hinterlegt. In einem Gespräch dort war nämlich nach zwei Jahren Staatskanzlei die Frage, ob ich zunächst erst einmal einen Laufbahnwechsel in die Ministerialbeamtenschiene mache, um später ggf. als Direktor/Vizepräsident in den sog. Geschäftsbereich zurückzukehren. Dies wollte ich aber nicht, da ich auf eine Verwaltungslaufbahn keine Lust habe. Man hat mich daher dann nach Karlsruhe geschickt, da man der Meinung war, dies würde mich am besten für meinen angestrebten "Karriereweg" wappnen. Bei der Arbeit dort habe ich total Feuer gefangen. Ich sitze gerne am Schreibtisch und knobele Rechtsfragen aus. Nach Gesprächen mit dem Senatsvorsitzenden kam auch von seiner Seite die Frage auf, ob ich mir später eine Rückkehr nach Karlsruhe vorstellen könnte, was ich bejahte. Dann folgte planmäßig meine OLG-Abordnung. Weder menschlich noch fachlich war das auch nur im Ansatz mit dem BGH zu vergleichen. Während es in Karlsruhe recht normal zuging, war es am OLG menschlich gesehen schon recht "strange". Auch fachlich fand ich es dort nicht so prall. Im Strafsenat dort kommen ein paar wenige "Babyrevisionen" vom AG bzw. dem Berufungsgericht an, daneben darf man so "spannende" Sachen wie IRG oder OWiG machen. Also keinesfalls vergleichbar mit dem BGH.

Und nun kommt es das Ganze - im Nachhinein betrachtet - wohl etwas auf die "schiefe Bahn": Ich stand während meiner BGH-Abordnung natürlich im Austausch mit den zuständigen Entscheidungsträgern und es wurde "zart" erwogen, mich nach der Abordnung zum OLG-Richter zu befördern. Das Ganze verlief dann aus zweierlei Gründen im Sand: Zunächst werden VRiLG viel dringender gesucht und seitens des Ministeriums bestand dann ein gewisses Interesse, mich dementsprechend einzusetzen. Auch beim BGH befürwortete man dies. Und: Auch ich war in diesem Moment überzeugt davon, dass dies das richtige für mich sein würde. Ich hatte Lust das beim BGH gewonnene Wissen nun auch praktisch anzuwenden. Zudem war meine Sorge zu groß, beim OLG in einem Zivilsenat zu landen. Schließlich wollte ich nach Jahren der Zuarbeit nun einmal selbst der "spiritus rector" sein. Daher kam ich dann mit den Personalern überein, mich als VRiLG zu bewerben. Im Abschlussgespräch beim BGH wurde dies sehr begrüßt und man gab mir mit, dies "jetzt erst einmal" machen zu sollen und dass man "zu gegebener Zeit" "sprechen" werde.

Die Arbeit am LG macht mich nun unter zwei Gesichtspunkten unzufrieden:

Zunächst ist es kammerintern für mich gefühlt ein Minenfeld. Ich bin noch recht jung, gelte auf Grund meines Karrierewegs so ein bisschen als "Sonderling", meine Beisitzer sind älter als ich und die klassischen - hemdsärmeligen - "R1er". Das führt mich nach einem nach drei Jahren BGH sehr großen Sorgen- und Problembewusstseins zu Konfliktlagen, da ich mit vorgelegten Entwürfen oftmals in großen Teilen nicht einverstanden bin, diese abends bzw. teilweise nachts umschreiben muss und deswegen zum Teil dazu übergangen bin, Teile von Urteilen direkt selbst zu schreiben, da es für mich weniger Arbeit macht. Ich habe aber Sorge meinen dienstälteren Beisitzern auf den Schlips zu treten.

Was mich auch umtreibt: Beim BGH habe ich mein Ziel zwar hinterlegt. Um nach Karlsruhe zu kommen, braucht man aber auch die Unterstützung seiner Heimatjustiz. Es erschien mir nach meiner Rückkehr vom BGH - damals noch auf R1 - größenwahnsinnig, auch im hiesigen Ministerium zu hinterlegen, was ich will. Es wäre mir auch jetzt noch unangenehm. Diesbezüglich habe ich nun Sorge, dass ich mich vorschnell in den "Niederungen" eines Tatgerichts "versenkt" habe, statt weiter mit spannenden Abordnungen bzw. Stellen auf mich aufmerksam zu machen. Dies treibt mich um. Ich habe über die Staatskanzlei auch gute Kontakte zum BVerfG. Vielleicht sollte ich dort noch einmal als Hiwi hin, um mich entsprechend auch auf Bundesebene zu präsentieren? Diese Gedanken gehen mir im Kopf herum. Ohne, dass ich etwas in meiner Heimatjustiz von meinen Zielen preisgegeben hätte, wird aber über mich gemunkelt, so Dinge wie "VRiLG nur als Sprungbrett", "Der ist nicht lange hier", "Der Sprung von R2 auf R6 wird irgendwann passieren" etc. Ich bin also insgesamt irgendwie verunsichert.

Danke.
Liz
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Liz »

Das scheint mir ja schon eine etwas andere Problemlage als „Vorsitzender einer Großen Strafkammer ist langweilig“ zu sein. Wenn das Wunschziel (BGH-Richter) klar ist und auf höheren Ebenen durchaus auf Wohlwollen stößt, ist die Zeit als VRiLG möglicherweise Deine echte Bewährungsprobe: Kannst Du einen Spruchkörper rein tatsächlich leiten? Kannst Du Deine hohen fachlichen Kenntnisse kammerintern praxistauglich umsetzen und kommunizieren, ohne beständig jemandem auf den Schlips zu treten? Das ist nicht einfach*, aber es dürfte sich lohnen, das zu lernen, wenn man möglichst hoch hinaus möchte. Ich fände ehrlich gesagt einen Vorsitzenden, der nachts lieber Teile von Urteilen selbst schreibt, anstatt mit mir in die Diskussion und Verhandlung zu gehen, was wirklich notwendig ist, ziemlich strange. Möglicherweise stehen Dir hier auch Deine Befürchtungen, unangenehm aufzufallen, unnötig im Weg, was dann erst recht dazu führt, dass man Dich eher schief anschaut. Hier würde ich vielleicht auch mal ein Coaching in Erwägung ziehen, um ggf Lösungsstrategien für Deine aktuelle Kammersituation entwickeln zu können.

Vielleicht lässt sich die Kammerkonstellation auch zu Deinen Gunsten ändern (Stichwort: Proberichter als Beisitzer)? Oder vielleicht bringst Du Dich als Mentor für jüngere Kollegen ein? Oder gibt es sonst nützliche Zusatzaufgaben am LG, bei denen Du zeigen kannst, dass Du mehr kannst und Du Dich, solange Du da bist, auch richtig einbringen willst und nicht nur durchrauschst? Und wenn Du Dich „bei denen da oben“ in Erinnerung halten möchtest, würde sich ja ggf. ein wissenschaftliches Engagement anbieten? Vielleicht auch als Plan B, falls es mit dem BGH aus welchen Gründen auch immer nichts wird?



*Ich war auch schon als Dienstjüngste Kammerälteste und musste den Kollegen möglichst diplomatisch erklären, was geht und was nicht geht.
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Strich »

Liz hat geschrieben: Freitag 8. September 2023, 15:45 ...
@Strich: Natürlich ist ein Kollege, der offen das Gespräch sucht, dankbarer, weil man ihm möglicherweise helfen kann. Aber noch besser wäre natürlich ein Kollege, bei dem man nicht befürchten muss, dass der in 4 Jahren nach der 4. Abordnung wieder vor einem sitzt und auf der Suche nach der nächsten Abordnung ist.
Hmm verstehe ich, würde aber, wie gesagt, beide Kollegen gleich abschätzig behandeln ^^

An TE: Dem letzten Beitrag von Liz kann ich mich nur anschließen. Das klingt tatsächlich so, als hättest du da irgendwie ein Problemlevel erreicht, dass du nicht mehr so einfach lösen kannst, wie die Probleme*, die zuvor aufgetreten sind, und das sorgt jetzt - vermutlich erstmals - für eine gewisse Frustration. Du solltest also prüfen, ob dein als Langeweile beschriebenes Gefühl nicht möglicherweise irgendwie so was wie ein Fluchtwille ist. Wäre dem so, solltest du dieses Problem angehen.

*Probleme, die du aufgrund deines Könnens gar nicht als solche wahrgenommen hast.
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Re: Unzufrieden auf Beförderungsstelle

Beitrag von Cyborg »

Hallo Desperados,

zunächst finde ich es sehr löblich, dass du noch Ziele hast. Das vermisse ich leider viel zu häufig bei unseren Kolleginnen und Kollegen. Wenn ich dir allerdings einen Tipp geben darf, ist es, dass du mindestens einen dauerhaft zufriedenstellenden Zukunftsplan neben dem BGH haben solltest, weil die Chance hierfür sehr sehr klein ist und - das ist das wirklich tragische - überhaupt nicht von dir beeinflusst werden kann.

Ich bin selbst in einem Justizministerium in einer mehr oder weniger politisch abhängigen Position tätig und habe schon mehrere Bundesrichterwahlen mitbekommen. Am Ende sind diese Stellen nur Verhandlungsmasse für andere Themen, die unsere Kragenweite weit übersteigen. Lass es Neuwahlen oder einen Wechsel der Hausleitung in deinem Land oder sogar verändere Mehrheitsverhältnisse in einem anderen Land sein, oder ein geschasster Bundesminister, der noch seinen Büroleiter unterbringen muss etc etc. Ich habe auch schon Bundesrichterwahlen gesehen, bei denen auf den letzten Drücker noch jemand ausgetauscht wurde.

Bleib definitiv am Ball und hab deine Ziele, aber suche dir deine Home Base...

Grüße
M
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