Kreuzverhör in Deutschland
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Meine Freundin (gebürtige Deutsche) hat in England zunächst Barrister gelernt, dann auf Solicitor umgesattelt und noch rechtzeitig kurz vor Brexit die deutsche EuRAG-Prüfung gemacht; sie ist jetzt in Deutschland als Syndikusanwältin tätig und kennt daher beide Systeme. Auch sie findet es unerhört, dass im deutschen Prozess kein Kreuzverhör stattfindet, weil ja das Austesten, ob der Zeuge die Wahrheit sage, eines der wichtigsten Elemente sei. Ich halte dann immer dagegen, dass ein erfahrener Richter das schon mitkriegt, wenn ein Zeuge ihnen einen Bären aufbindet. Es sind halt unterschiedliche Systeme, jeweils mit ihren eigenen Traditionen, und beide sind der Überzeugung, dass sich das jeweils eigene bewährt hat.
(Und über jury trial haben wir da noch gar nicht gesprochen!)
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"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Schnitte hat geschrieben: ↑Dienstag 28. Mai 2024, 08:22 Meine Freundin (gebürtige Deutsche) hat in England zunächst Barrister gelernt, dann auf Solicitor umgesattelt und noch rechtzeitig kurz vor Brexit die deutsche EuRAG-Prüfung gemacht; sie ist jetzt in Deutschland als Syndikusanwältin tätig und kennt daher beide Systeme. Auch sie findet es unerhört, dass im deutschen Prozess kein Kreuzverhör stattfindet, weil ja das Austesten, ob der Zeuge die Wahrheit sage, eines der wichtigsten Elemente sei. Ich halte dann immer dagegen, dass ein erfahrener Richter das schon mitkriegt, wenn ein Zeuge ihnen einen Bären aufbindet. Es sind halt unterschiedliche Systeme, jeweils mit ihren eigenen Traditionen, und beide sind der Überzeugung, dass sich das jeweils eigene bewährt hat.
(Und über jury trial haben wir da noch gar nicht gesprochen!)
Wow, was für ein Karriereweg! Wie kommts, dass sie umgesattelt hat und schliesslich in Deutschland tätig wurde?
Hab selbst lange überlegt, ob ich später eher Barrister oder Solicitor werden soll, aber wegen der Sache mit der Selbstständigkeit doch eher Solicitor und dann eben Higher Rights of Audience und evtl. vielleicht Staatsanwaltschaft, wobei ich es mir schwerer vorstelle, in England in den CPS (Crown Prosecution Service) reinzukommen, als in Deutschland Staatsanwalt zu werden und dann ist da die Sache, dass ich lieber Mandanten verteidigen als nur anzuklagen würde. Aber mal schauen.
Ich finde es ja in Deutschland faszinierend und irgendwie verwirrend, dass das Kreuzverhör gesetzlich festgehalten ist, aber es a.) nicht existent ist und b.) sich da die Fragestellung nicht ändern würde, sondern nur eine Reihenfolge.
Ich finde das Kreuzverhör auch wichtig, aber bin da eben etwas voreingenommen.
Ja, genau über das Jurytrial müssen wir auch noch reden und ich beginne gleich mal mit einem kleinen Geständnis:
Wofür sind in Deutschland eigentlich Schöffen zuständig und wann und warum werden sie eingesetzt?
Ich weiss nur, dass es ehrenamtliche Richter sind.
Jury gibts in England normalerweise nur vor dem Crown Court, es gibt wenige Ausnahmen beim Zivilrecht, keine Ahnung wie häufig und ob das in der Praxis überhaupt vorkommt.
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Kreuzverhör in Deutschland
@Schnitte: Diese unterschiedlichen Herangehensweisen sind schon lustig. Die Erfahrung des Richters ist sicherlich allein keine Richtigkeitsgewähr. Der Richter sollte sich schon mal mit der „Psychologe der Zeugenvernehmung“ (Wie funktioniert erinnern überhaupt? Mit welchen Fragen kann man wahre Erinnerungen ggf noch hervorrufen? Welche Fragen sind manipulativ? Woran kann man eine (eher) wahre Aussage erkennen?) beschäftigt haben. Aber auf der Grundlage wird der Zeuge, nachdem er erstmal im Zusammenhang seine Erinnerung geschildert hat, zunächst ganz freundlich zu einzelnen Aspekten ergänzend befragt, bevor er dann schon vom Richter mit etwaigen Widersprüchen konfrontiert wird und dann zunehmend kritisch befragt („gegrillt“) wird. Und dann wird der Zeuge nochmals von den Anwälten aus einem anderen Blickwinkel befragt. Und da kann man dann zT auch schön sehen, dass dem Zeugen auf die langatmige Frage des Beweisführers, ob es nicht so und so gewesen sei, dann auf einmal plötzlich doch „einfällt“, dass es genau so gewesen sein muss.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Das Umsatteln von Barrister auf Solicitor war, weil es nicht leicht ist, nach dem BVC (also dem Kurz, um Barrister zu werden) auch eine Position als Pupil, also sozusagen als Azubi eines (möglichst angesehenen) Barrister, zu bekommen. Der Stellenmarkt für Solicitors ist viel grösser. Das Umsatteln nach Deutschland war zum Einen, weil sie aus familiären Gründen ohnehin schon mit dem Gedanken an eine Rückübersiedlung nach Deutschland gespielt hat, und zum Zweiten kam dann danach, also schon nach der EuRAG-Prüfung, noch "die Liebe" (also ich) dazu.Legally Confused hat geschrieben: ↑Dienstag 28. Mai 2024, 09:15 Wow, was für ein Karriereweg! Wie kommts, dass sie umgesattelt hat und schliesslich in Deutschland tätig wurde?
Meines Wissens brauchst du für CPS "die richtige" Staatsangehörigkeit - also britisch, irisch oder Commonwealth. Sonstige EU-Bürger sind seit Brexit nur noch über die Übergangsregelungen (wer zum Zeitpunkt des Brexit bereits in UK niedergelassen war) für Stellen im öffentlichen Dienst in UK zugelassen. Das solltest du aber klären, es gibt oft Sonderregelungen für einzelne Stellen.Hab selbst lange überlegt, ob ich später eher Barrister oder Solicitor werden soll, aber wegen der Sache mit der Selbstständigkeit doch eher Solicitor und dann eben Higher Rights of Audience und evtl. vielleicht Staatsanwaltschaft, wobei ich es mir schwerer vorstelle, in England in den CPS (Crown Prosecution Service) reinzukommen, als in Deutschland Staatsanwalt zu werden
Das wäre dann aber auch die grössere Hürde. Von den sonstigen Arbeitsmarktkonditionen her, ist der CPS, glaube ich, nicht so schwer reinzukommen, die schreiben ständig aus (und das Gehalt ist eher mässig: £40k-£45k für einen einfachen Prosecutor, plus ggf. eine kleine London-Zulage).
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Es sind ehrenamtliche Richter, die in Strafverfahren eingesetzt werden. Sie werden für einen bestimmten Zeitraum (also nicht nur für einen einzelnen Fall, wie angelsächsische Jurors) ernannt (meines Wissens auf Vorschlag der Kommunen, wobei man sich da aktiv bewerben kann). In dem jeweiligen Strafverfahren sitzen sie zusammen mit Berufsrichtern am Amtsgericht oder Landgericht, wobei den Vorsizt immer ein Berufsrichter führt. Sie haben sonst aber dieselben Befugnisse wie die Berufsrichter, das heisst, sie entscheiden sowohl über Tatsachen- als auch Rechtsfragen (das ist bei angelsächsischen Jurors anders, die entscheiden nur über die Beweislage) und haben dabei auch dasselbe Stimmrecht wie ein Berufsrichter.Legally Confused hat geschrieben: ↑Dienstag 28. Mai 2024, 09:15 Wofür sind in Deutschland eigentlich Schöffen zuständig und wann und warum werden sie eingesetzt?
Ich weiss nur, dass es ehrenamtliche Richter sind.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Ja, ich fände es auch nützlich wenn man sich in Deutschland mehr damit befassen würde.Liz hat geschrieben: ↑Dienstag 28. Mai 2024, 09:16 @Schnitte: Diese unterschiedlichen Herangehensweisen sind schon lustig. Die Erfahrung des Richters ist sicherlich allein keine Richtigkeitsgewähr. Der Richter sollte sich schon mal mit der „Psychologe der Zeugenvernehmung“ (Wie funktioniert erinnern überhaupt? Mit welchen Fragen kann man wahre Erinnerungen ggf noch hervorrufen? Welche Fragen sind manipulativ? Woran kann man eine (eher) wahre Aussage erkennen?) beschäftigt haben. Aber auf der Grundlage wird der Zeuge, nachdem er erstmal im Zusammenhang seine Erinnerung geschildert hat, zunächst ganz freundlich zu einzelnen Aspekten ergänzend befragt, bevor er dann schon vom Richter mit etwaigen Widersprüchen konfrontiert wird und dann zunehmend kritisch befragt („gegrillt“) wird. Und dann wird der Zeuge nochmals von den Anwälten aus einem anderen Blickwinkel befragt. Und da kann man dann zT auch schön sehen, dass dem Zeugen auf die langatmige Frage des Beweisführers, ob es nicht so und so gewesen sei, dann auf einmal plötzlich doch „einfällt“, dass es genau so gewesen sein muss.
Schadet sicher nicht.
Das Umsatteln von Barrister auf Solicitor war, weil es nicht leicht ist, nach dem BVC (also dem Kurz, um Barrister zu werden) auch eine Position als Pupil, also sozusagen als Azubi eines (möglichst angesehenen) Barrister, zu bekommen. Der Stellenmarkt für Solicitors ist viel grösser. Das Umsatteln nach Deutschland war zum Einen, weil sie aus familiären Gründen ohnehin schon mit dem Gedanken an eine Rückübersiedlung nach Deutschland gespielt hat, und zum Zweiten kam dann danach, also schon nach der EuRAG-Prüfung, noch "die Liebe" (also ich) dazu.
Meines Wissens brauchst du für CPS "die richtige" Staatsangehörigkeit - also britisch, irisch oder Commonwealth. Sonstige EU-Bürger sind seit Brexit nur noch über die Übergangsregelungen (wer zum Zeitpunkt des Brexit bereits in UK niedergelassen war) für Stellen im öffentlichen Dienst in UK zugelassen. Das solltest du aber klären, es gibt oft Sonderregelungen für einzelne Stellen.Hab selbst lange überlegt, ob ich später eher Barrister oder Solicitor werden soll, aber wegen der Sache mit der Selbstständigkeit doch eher Solicitor und dann eben Higher Rights of Audience und evtl. vielleicht Staatsanwaltschaft, wobei ich es mir schwerer vorstelle, in England in den CPS (Crown Prosecution Service) reinzukommen, als in Deutschland Staatsanwalt zu werden
Das wäre dann aber auch die grössere Hürde. Von den sonstigen Arbeitsmarktkonditionen her, ist der CPS, glaube ich, nicht so schwer reinzukommen, die schreiben ständig aus (und das Gehalt ist eher mässig: £40k-£45k für einen einfachen Prosecutor, plus ggf. eine kleine London-Zulage).
[/quote]
Danke!
Schade, dass man dafür Brite, Irisch oÄ sein muss.
Also bleibts dabei - ich werd Solicitor und häng dann die Higher Rights of Audience dran.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Oder du machst erstmal den Solicitor, arbeitest eine Weile in dem Beruf und schaust dann, ob sich die Rights of Higher Audience lohnen. Für die allermeisten Solicitors lohnen sie sich nämlich nicht, weil sie nicht auf den Gebieten arbeiten wollen, für die man sie braucht (wenn sie dort arbeiten wollten, wären sie gleich Barrister geworden).
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Man hat sich in Deutschland damit befasst, ist aber zu einem anderen Grundansatz gelangt. Ich wüsste auch nicht, an welcher Stelle das Kreuzverhör einer Vernehmung nach deutscher Rechtspraxis wirklich überlegen sein sollte. Wenn ich den Eindruck habe, dass mir ein Zeuge Unsinn erzählt, wird es für den Zeuge auch insgesamt eher ungemütlich - mit Vorhalten usw. Dafür braucht man nicht die Good Cop / Bad Cop-Struktur eines Kreuzverhörs - zumal die Anwälte im Anschluss an die Vernehmung durch das Gericht auch noch Fragen stellen können und damit ggf. nochmals Aspekte beleuchten können, die das Gericht ggf. so nicht gesehen hat.Legally Confused hat geschrieben: Ja, ich fände es auch nützlich wenn man sich in Deutschland mehr damit befassen würde.
Schadet sicher nicht.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Unterscheidet sich in der Praxis erheblich, weil das Fragerecht im Strafrecht viel weiter geht. Im Strafrecht wird quasi fast jede Frage zugelassen, weil wenn eine Frage zurückgewiesen wird beginnt meist ein Riesentheater um die genaue Formulierung der Frage, auf das auch das Gericht keine Lust hat. Am Ende kriegt ein fähiger Verteidiger seine Frage sowieso irgendwie untergebracht.Legally Confused hat geschrieben: ↑Montag 27. Mai 2024, 07:21 Und unterscheidet sich eigentlich die Art wie gefragt wird im deutschen Strafrecht vom Zivilrecht?
Das liegt auch daran, dass die Verteidigung im Strafprozess quasi alles darf, was ihr nicht ausdrücklich untersagt ist.
Im Zivilprozess ist das Fragethema dagegen viel eingeschränkter. Es dürfen nur Fragen zum Beweisthema gestellt werden und keine "Ausforschungsfragen" ins Blaue hinein. In der Regel interessieren sich die Beteiligten für "die Wahrheit" in der Gesamtheit im Zivilrecht auch weniger, es geht viel formeller darum, was der Zeuge konkret zur Beweisfrage beitragen kann und was überhaupt umstritten ist.
Die Erfahrung von Zivilanwälten bei Zeugenbefragung ist daher in der Regel auch deutlich weniger ausgeprägt als bei Strafrechtlern, die damit viel häufiger und intensiver zu tun haben.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Kreuzverhör in Deutschland
@Ara: Das sind aber eher keine Unterschiede bei der Art, wie gefragt wird, sondern Unterschiede bei der Frage, zu welchen Themen und wie weitreichend darüber hinaus gefragt wird. Im Zivilprozess ergeben sich aus dem Beibringungsgrundsatz natürlich Grenzen bei der Befragung, während viele Anwälte im Rahmen einer Zeugenvernehmung versuchen, möglichst viel Ausforschung zu Themen zu betreiben, die vorher noch nicht mal ansatzweise vorgetragen worden waren („wenn der Zeuge doch schon mal da ist“). Das wird natürlich seitens des Gerichts irgendwann relativ rigoros unterbunden, weil fernab eines geordneten Zivilprozesses. Und ein Zivilrichter wird auch bei (angeblichen) Fragen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen wesentlich früher fragen, was diese Frage denn jetzt noch mit dem eigentlichen Beweisthema zu tun haben soll, wenn sich die Relevanz der Frage nicht ohne weiteres erschließt.
Wenn es in der Sache aber zB um einen Verkehrsunfall geht, dürfte die Befragung eines Unfallzeugen wahrscheinlich doch sehr ähnlich aussehen.
Wenn es in der Sache aber zB um einen Verkehrsunfall geht, dürfte die Befragung eines Unfallzeugen wahrscheinlich doch sehr ähnlich aussehen.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Du hast die Unterschiede aber ja schon gut dargestellt. Im Strafrecht interessiert in der Regel die Kernaussage des Zeugen die Verfahrensbeteiligten relativ wenig für die weitere Befragung. Die ist ja eh meist schon in der Akte dokumentiert und den Verfahrensbeteiligten bekannt. Das heißt in der Regel weiß ich was ein Zeuge aussagt vorher. Relevant sind die Punkte, in denen er abweichend aussagt oder aber Randthemen, bei denen man aufzeigen kann, dass die Aussage nicht mit der objektiven Beweislage übereinstimmt.Liz hat geschrieben: ↑Dienstag 28. Mai 2024, 18:53 @Ara: Das sind aber eher keine Unterschiede bei der Art, wie gefragt wird, sondern Unterschiede bei der Frage, zu welchen Themen und wie weitreichend darüber hinaus gefragt wird. Im Zivilprozess ergeben sich aus dem Beibringungsgrundsatz natürlich Grenzen bei der Befragung, während viele Anwälte im Rahmen einer Zeugenvernehmung versuchen, möglichst viel Ausforschung zu Themen zu betreiben, die vorher noch nicht mal ansatzweise vorgetragen worden waren („wenn der Zeuge doch schon mal da ist“). Das wird natürlich seitens des Gerichts irgendwann relativ rigoros unterbunden, weil fernab eines geordneten Zivilprozesses. Und ein Zivilrichter wird auch bei (angeblichen) Fragen zur Glaubwürdigkeit eines Zeugen wesentlich früher fragen, was diese Frage denn jetzt noch mit dem eigentlichen Beweisthema zu tun haben soll, wenn sich die Relevanz der Frage nicht ohne weiteres erschließt.
Wenn es in der Sache aber zB um einen Verkehrsunfall geht, dürfte die Befragung eines Unfallzeugen wahrscheinlich doch sehr ähnlich aussehen.
Sowas fehlt ja häufig im Zivilverfahren. Viele Zeugen werden da erstmalig angehört. Es gibt kaum "drumrum" wo man die Zeugen angreifen kann.
Von daher ist mein Gefühl wenn ich mal in Zivilverfahren unterwegs bin: Da werden die Beweisthemen bei Zeugenbefragungen abgearbeitet und man harkt ab was der Zeuge sagt. Kritische Nachfragen gibt es kaum und wenn dann erntet man ein "Der Zeuge hat ja schon X gesagt". Aber das ist halt der ZPO geschuldet. Als Strafrechtler ist man aber immer wieder verwundert, wie so eine zivilrechtliche Zeugenbefragung stattfindet.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
@Ara: Das mag natürlich auch ein wenig daran liegen, dass im Zivilprozess die Bandbreite der Erfahrungen mit Zeugenvernehmungen sowohl bei den Richtern als auch bei den Anwälten eher größer als im Strafrecht ist. Wenn man noch keine Aussage in der Akte und auch sonst eher überschaubare Kenntnisse des Sachverhalts hat, hat man auch weniger Material für eine kritische Befragung des Zeugen, wobei es häufig schon hilft, wenn man erstmal die entsprechende Partei persönlich dazu anhört, wie es denn gewesen sein soll und was der Zeuge dazu sagen können soll.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Ich habe ja ein paar Veranstaltungen zu Zeugenbefragungen besucht und frage mich seit dem, was das "Kreuzverhör" eigentlich bringen soll. Die Aussagen fern ab des freien Berichts des Zeugen sind qualitativ schwierig. Ich taste mich ja nach folgenden Schema an den Sachverhalt:
Frau X erzählen Sie mal was da passiert ist (super allgemein) -> Aha und was ist dann passiert (Aufforderung zum weiterreden) -> können Sie X noch einmal genauer beschreiben (möglichst suggestionsfrei zur Detailschilderung auffordern) -> Ich habe Y noch nicht ganz verstanden (same as before aber konkreter) -> Welche Farbe hatte das Auto (konkrete W-Frage nach Tatsache) -> War es jetzt so oder so (Klarstellung, fall vorher noch nicht klargestellt) -> Ich halte Ihnen mal Z vor, was sagen Sie dazu.
Ich brauche Glaubhaftigkeitsanzeichen, andernfalls kann ich die Aussage des Zeugen in die Tonne treten, weil ich schon nicht ausschließen kann, dass er sich vielleicht irrt.
Vor diesem Hintergrund (Suche nach Glaubhaftigkeitsanzeichen andernfalls Nullhypothese) sehe ich nicht, wie ein Kreuzverhör, dass nicht auch nach diesem Schema abläuft irgendetwas bringen soll. Klar ausgeschlossen ist das nicht, aber die Qualität von Antworten "Ja jetzt wo sies sagen war es vielleicht doch anders" oder auch die absolut sinnlose Frage, ob es der hier sitzende Angeklagte war, bringen faktisch nichts.
Frau X erzählen Sie mal was da passiert ist (super allgemein) -> Aha und was ist dann passiert (Aufforderung zum weiterreden) -> können Sie X noch einmal genauer beschreiben (möglichst suggestionsfrei zur Detailschilderung auffordern) -> Ich habe Y noch nicht ganz verstanden (same as before aber konkreter) -> Welche Farbe hatte das Auto (konkrete W-Frage nach Tatsache) -> War es jetzt so oder so (Klarstellung, fall vorher noch nicht klargestellt) -> Ich halte Ihnen mal Z vor, was sagen Sie dazu.
Ich brauche Glaubhaftigkeitsanzeichen, andernfalls kann ich die Aussage des Zeugen in die Tonne treten, weil ich schon nicht ausschließen kann, dass er sich vielleicht irrt.
Vor diesem Hintergrund (Suche nach Glaubhaftigkeitsanzeichen andernfalls Nullhypothese) sehe ich nicht, wie ein Kreuzverhör, dass nicht auch nach diesem Schema abläuft irgendetwas bringen soll. Klar ausgeschlossen ist das nicht, aber die Qualität von Antworten "Ja jetzt wo sies sagen war es vielleicht doch anders" oder auch die absolut sinnlose Frage, ob es der hier sitzende Angeklagte war, bringen faktisch nichts.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Aussagen, die der eigenen Sache zuträglich sind.
Das ist ja egal, so lange sie die eigene Position stärken oder insbesondere in einem Jury-System Laien hinreichen beeindrucken. Es geht ja nicht um die Erforschung des tatsächlichen Sachverhalts.
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Re: Kreuzverhör in Deutschland
Naja, ich würde halt auch gerne Mandanten vor Gericht vertreten, ohne mich selbstständig machen zu müssen.Schnitte hat geschrieben: ↑Dienstag 28. Mai 2024, 14:43 Oder du machst erstmal den Solicitor, arbeitest eine Weile in dem Beruf und schaust dann, ob sich die Rights of Higher Audience lohnen. Für die allermeisten Solicitors lohnen sie sich nämlich nicht, weil sie nicht auf den Gebieten arbeiten wollen, für die man sie braucht (wenn sie dort arbeiten wollten, wären sie gleich Barrister geworden).