Hallo zusammen,
ich bin neu hier im Forum, bin aber kein Jurist. Trotzdem habe ich eine spezielle Frage zum Bundeswahlgesetz, bezogen auf § 4 Grundsätze der Verteilung der Sitze auf Parteien:
Neben der 5%-Hürde steht dort in Absatz (2) eben auch:
"Zwischen den Parteien werden die Sitze im Verhältnis der Zahl der Zweitstimmen [...] verteilt. Nicht berücksichtigt werden dabei die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen Bewerber abgegeben haben, der gemäß § 6 Absatz 2 erfolgreich ist"
Jetzt kann man tiefer in § 6 und dann in § 20 eintauchen, aber ich verstehe den Grund für diese Nichtberücksichtigung erstmal nicht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass meine eigene abgegebene Zweitstimme unabhängig von der abgegebenen Erststimme ist, aber das ist nach dem Satz nicht immer der Fall. Insbesondere lese ich das so, dass die Zweitstimmen komplett verfallen. Es scheint mir auch so, dass es dafür keine Deckelung im Gesetz gibt, sodass in (unrealistischen) Fällen extrem viele Zweitstimmen unberücksichtigt blieben.
Vielleicht kann mir das jemand genauer erklären?
Vielen Dank schon mal im Voraus!
Viele Grüße
Peter
Bundeswahlgesetz - Nichtberücksichtigung von Zweitstimmen
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Re: Bundeswahlgesetz - Nichtberücksichtigung von Zweitstimmen
Die Vorschrift (die letztens vor der Landtagswahl in Brandenburg ins Gespräch kam) besagt, dass in den Fällen, in denen ein unabhängiger Kandidat einen Wahlkreis gewinnt, die Zweitstimmen von den Wählern, die für ihn gestimmt haben, bei der Verteilung der Sitze auf Parteilisten nach Zweitstimme ignoriert werden. Ich halte das auch für ungerechtfertigt, aber es gehört zum derzeit laufenden Bemühen, die Zahl der Überhangmandate zu verringern und so die Parlamente zu verkleinern. Ist Teil der allgemeinen Misere des Wahlrechts in Deutschland: Das BVerfG pfuscht laufend dort herum und stellt neue verfassungsrechtliche Anforderungen auf, die dann aber an anderer Stelle zu einem neuen unerwünschten Effekt im Wahlrecht führen. Der muss dann später wieder durch einen neuen Eingriff behoben werden.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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Re: Bundeswahlgesetz - Nichtberücksichtigung von Zweitstimmen
Danke! Damit verstehe ich zumindest die Logik von dieser Vorschrift etwas. Der Wähler hat mit dem unabhängigen Kandidaten schon seinen Kandidaten im Bundestag sitzen und sollte mit seiner Zweitstimme nicht noch mehr Einfluss für die Parlamentsbesetzung bekommen. Bei einem Parteienkandidaten ist der Gewinn des Mandats ja selbst mit Gewinn des Wahlkreises nicht gesichert, sodass die Zweitstimmen für die Parteien wieder wichtig sind.
Aus dem Gesetzestext kommt für mich nun nicht heraus, ob der unabhängige Kandidat zu einem Überhang führen würde, oder ob der Sitz einfach von der Gesamtzahl abgezogen wird. Habe ich das Überlesen oder wie wird das gehandhabt?
Aus dem Gesetzestext kommt für mich nun nicht heraus, ob der unabhängige Kandidat zu einem Überhang führen würde, oder ob der Sitz einfach von der Gesamtzahl abgezogen wird. Habe ich das Überlesen oder wie wird das gehandhabt?
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Re: Bundeswahlgesetz - Nichtberücksichtigung von Zweitstimmen
Die Wahl eines unabhängigen Kandidaten führt zwangsläufig zu einem Überhangmandat, weil es ja keine über Zweitstimmen berechnete Sitzverteilung gibt, von der man diesen Abgeordneten abziehen könnte. Normal wird ja zunächst die Gesamtzahl der Abgeordneten, die eine Partei erhält, berechnet, davon die Zahl der gewonnenen Direktmandate abgezogen und die Differenz über die Liste aufgefüllt. Beispiel: Nach Zweitstimmen stehen der Partei im jeweiligen Bundesland 10 Sitze zu. Wenn sie 7 Direktmandate im Land hat, kommen die ersten drei von der Landesliste in dem Bundestag. Soweit kein Problem. Hat sie aber 13 Direktmandate gewonnen, bekommt sie diese trotzdem, und es entstehen drei Überhangmandate, die nach der Weisheit des BVerfG wieder an anderer Stelle durch Zusatzmandate ausgeglichen werden müssen. Das ist nicht erwünscht, weil es die Parlamente aufbläht. Beim unabhängigen Kandidaten entsteht zwangsläufig ein Überhangmandat, weil er ja keiner Liste angerechnet werden kann.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
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Re: Bundeswahlgesetz - Nichtberücksichtigung von Zweitstimmen
Aber es ist ja trotzdem einfach eine Regelung, ob man die direkt gewählten unabhängigen Kandidaten als Überhang nimmt oder inkludiert.
In Sachsen 2024, wo das Parlament 120 Sitze hat, gab es ja auch einen direkten gewählten Kandidaten, der nicht von Zweitstimmen abgedeckt war. Für die Zweitstimmenverteilung wurden demnach nur 119 Sitze berücksichtigt.
Es gibt ja auch keine Überhangmandate mehr für Parteien, die mehr Direktmandate gewonnen hat als sie durch Zweitstimmen abdecken können. Das einzige was ich über Überhangmandate im Gesetz finde ist § 4 (4).
"Erhält bei der Verteilung der Sitze eine Partei, auf die mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien entfallen ist, nicht mehr als die Hälfte der Sitze, werden ihr weitere Sitze zugeteilt, bis auf sie ein Sitz mehr als die Hälfte der Sitze entfällt. In einem solchen Fall erhöht sich die Gesamtzahl der Sitze (§ 1 Absatz 1) um die Unterschiedszahl."
In Sachsen 2024, wo das Parlament 120 Sitze hat, gab es ja auch einen direkten gewählten Kandidaten, der nicht von Zweitstimmen abgedeckt war. Für die Zweitstimmenverteilung wurden demnach nur 119 Sitze berücksichtigt.
Es gibt ja auch keine Überhangmandate mehr für Parteien, die mehr Direktmandate gewonnen hat als sie durch Zweitstimmen abdecken können. Das einzige was ich über Überhangmandate im Gesetz finde ist § 4 (4).
"Erhält bei der Verteilung der Sitze eine Partei, auf die mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller zu berücksichtigenden Parteien entfallen ist, nicht mehr als die Hälfte der Sitze, werden ihr weitere Sitze zugeteilt, bis auf sie ein Sitz mehr als die Hälfte der Sitze entfällt. In einem solchen Fall erhöht sich die Gesamtzahl der Sitze (§ 1 Absatz 1) um die Unterschiedszahl."