Hallo,
Nach § 138 I ZPO müssen die Parteien sich die Parteien ja zu den tatsächlichen Umstanden (=Tatsachen) vollständig und wahrheitsgemäß erklären.
Nun habe ich sowohl in AG Fällen, als auch in meinen ersten Akten, die ich bekommen habe, gesehen, dass der Beklagte bzw. regelmäßig durch dessen Vertreter (nach § 85 I ZPO aber unerheblich), einfach behauptet, dass das angerufene Gericht unzuständig sei und dazu einen beliebigen Grund anführt.
Ich habe bislang angenommen, dass die Wahrheitspflicht sich eben gerade nur auf Tatsachen bezieht, nicht aber auf Rechtsausführungen, denn grundsätzlich sind die Parteien eben verpflichtet die Tatsachen vorzutragen und das Gericht für die rechtliche Würdigung zuständig; obschon es natürlich den Parteien freisteht eine rechtliche Würdigung als Anregung für das Gericht beizufügen und im Idealfall damit voll durchdringen.
Daher kann ich es womöglich noch nachvollziehen, wenn evtl. lediglich behauptet wird, dass das Gericht nicht zuständig sei, weil der Beklagte umgezogen ist. Gut, da wird - sofern die Klage noch vor Umzug zugestellt wurde - ja nicht die Unwahrheit über den Wohnort gesagt oder geleugnet, dass ein Umzug erfolgt sei, sondern es erfolgt lediglich eine falsche rechtliche Würdigung; wobei man sich da fragt, wofür? Als Richter würde mich das nur irritieren und an eher die Kompetenz des RAs infrage stellen lassen, sofern es nicht tatsächlich eine schwierige Zuständigkeitskonstellation ist.
Hat eigentlich der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht überhaupt Konsequenzen außer allenfalls berufsrechtliche und § 153 StGB?
Wie ist es aber, wenn es ein Fall des § 15a EGZPO und der Kläger bereits eine Bescheinigung über die erfolglose Schlichtung der Klage beigefügt hat, darf dann der Beklagte einfach behaupten, dass dies nicht der Fall sei? Wie verändert sich das, wenn er behauptet, dass die Bescheinigung nicht nicht vor Klageerhebung ausgestellt wurde (was zutrifft), die Klage aber erst nach der Einreichung zugestellt wurde und auch die Zustellung erst danach veranlasst wurde. Zwar spricht § 15a EGZPO und die landesrechtlichen Regelungen von vor Erhebung der Klage, aber ist das entscheidende nicht eher, dass entweder das Verfahren schon vorher durchgeführt wurde oder dass die Klage jedenfalls nicht zugestellt und damit rechtshängig wird bevor die Bescheinigung vorliegt?
Materielle Wirkungen, bspw. § 291 BGB, § 286 I 2 treten ja erst durch Rechtshängigkeit ein; wiederum bei der Verjährungshemmung § 203 I Nr. 1 BGB heißt es auch Erhebung, aber wäre das nicht systematisch mit den restlichen Alternativen wieder sinniger mit Zustellung der Klage und dann ist ggf. § 167 ZPO maßgeblich?
§ 138 ZPO Wahrheitspflicht und § 15a EGZPO
Moderator: Verwaltung
-
- Fleissige(r) Schreiber(in)
- Beiträge: 168
- Registriert: Donnerstag 19. September 2024, 18:06
- Ausbildungslevel: RRef
- Schnitte
- Super Mega Power User
- Beiträge: 4215
- Registriert: Dienstag 4. März 2008, 17:37
- Ausbildungslevel: Au-was?
Re: § 138 ZPO Wahrheitspflicht und § 15a EGZPO
Er kann zu einer Strafbarkeit nach § 263 StGB führen. Die Argumentation lautet, dass der Richter durch die Täuschung zu einer Vermögensverfügung in Form seiner Entscheidung veranlasst wird.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
-
- Fleissige(r) Schreiber(in)
- Beiträge: 168
- Registriert: Donnerstag 19. September 2024, 18:06
- Ausbildungslevel: RRef
Re: § 138 ZPO Wahrheitspflicht und § 15a EGZPO
Das ist in der Tat durchaus eine interessante Form des Dreiecksbetrugs, die mir bislang nicht bekannt war, allerdings ja weiterhin eine Konsequenz strafrechtlicher Natur. Für mich war eher die Frage, ob es eben neben den genannten Konsequenzen straf- und berufsrechtlicher Natur auch konkrete Folgen für den Zivilprozess hat.
Ggf. kann noch jemand - gern natürlich auch Schnitte - etwas zu den anderen genannten Fragen beisteuern.
- Schnitte
- Super Mega Power User
- Beiträge: 4215
- Registriert: Dienstag 4. März 2008, 17:37
- Ausbildungslevel: Au-was?
Re: § 138 ZPO Wahrheitspflicht und § 15a EGZPO
Zivilrechtlich wäre in einem solchen Fall ggf. eine Wiederaufnahme des Verfahrens trotz Rechtskraft über § 580 ZPO möglich.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)