Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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KMR
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Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von KMR »

Hallo,

nachdem ich mittlerweile mehrere Klausuren sowohl aus AG als auch Klausurenkurs gelöst habe, haben sich folgende Fragen zum Tatbestand ergeben:

1) Prozessgeschichte. Kleine nur dann notwendig, wenn für Verständnis der Anträge bedeutsam. Im Übrigen die große, aber was kommt rein? Meines Verständnisses nach sind nur solche Punkte aufzunehmen, auch in die große Prozessgeschichte, die sich in den Entscheidungsgründe/dem folgenden Relationsgutachtens (gibt es in Nds noch als eigene Klausur) erforderlich sind, bspw. erfolgtes Mahnverfahren oder PKH wegen der Verjährungshemmung nach § 204 BGB, die Hinzuziehung von Beiakten und natürlich die erfolgte Beweisaufnahme sowie Datum der Klagezustellung.

Gehört eine nach Klageerhebung beantragte und nach Rechtshängigkeit durchgeführte Abgabe des Verfahrens nach § 281 ZPO mit in die große Prozessgeschichte? -> mE basierend auf obigem Verständnis nicht, denn es schlägt sich nicht in der Entscheidung oder Entscheidungsgründen nieder. Ich thematisiere lediglich die örtliche/sachliche Zuständigkeit und spreche dabei es dann ggf. kurz an, dass es zunächst unzuständig erhoben wurde und anschließend verwiesen wurde. Soweit man über Recherche überhaupt etwas findet, findet man beides.


2) Erklären mit Nichtwissen: Im Tatbestand ist es meines Verständnisses nach zu erwähnen, da man anschließend ggf. prüfen muss, ob es überhaupt zulässig ist, d.h. die Voraussetzungen des § 138 IV ZPO vorliegen; sofern das nicht der Fall ist, gilt § 138 III ZPO.

Ist das Erklären mit Nichtwissen, oftmals als bestreiten bezeichnet, einer der seltenen Fälle in denen es des Verständnisses halber zulässig ist, streitiges Kläger-/Beklagtenvorbringen im streitigen Beklagten-/Klägervorbringen zu nennen?

Bsp: Verkehrsunfall beim Überholen/Abbiegen o.ä..
str. Beklagtenvorbringen: Beklagte behauptet, dass er in Seitenspiegel geschaut habe; der Kläger bestreitet dies mit Nichtwissen/erklärt sich dazu mit Nichtwissen.

Das erscheint mir bislang als die günstigste/attraktivste Methode, ohne dass man sich dann wieder merkwürdig wiederholen müsste oder in eine zu vermeidende Replik rutschen würde.
Im Übrigen ist erstmal alles zu nennen, was bestritten wird, explizit natürlich nur das qualifizierte oder mit Nichtwissen; auch wenn es am Ende keine Erwähnung in der Erheblichkeitsprüfung des Beklagten findet, oder?

Habt ihr eine "durchschnittliche" Zeit, in der der Tatbestand fertig zu Papier gebracht sein sollte? Ist bislang ca. 1 h (nach Klausurbeginn) zu viel?
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batman
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von batman »

1. Das Mahnverfahren würde schon in die kleine Prozessgeschichte gehören, wenn ein Vollstreckungsbescheid erlassen worden ist. Ansonsten - wie Du schon gesehen hast - nur für Aspekte der Verjährungshemmung.
Die Verweisung wird man nur erwähnen, wenn eine Kostenentscheidung nach § 281 III 2 ZPO ergeht oder die Parteien auch nach Verweisung noch kontrovers über Zuständigkeitsfragen streiten.

2. Die Erklärung mit Nichtwissen sollte nicht im TB auftauchen, weil sie letztlich - ob zulässig oder nicht - einem einfachen Bestreiten entspricht bzw. entsprechen soll. Es genügt, hierzu ggf. etwas in den Entscheidungsgründen zu sagen.
Bestreiten, das in den Entscheidungsgründen keine Rolle spielt, muss auch nicht im Tatbestand auftauchen. Ich kann den Willen verstehen, ja nichts im Tatbestand zu vergessen. Das führt aber gelegentlich zu etwas kopflastigen Urteilsentwüfen...

Aus den von Dir angesprochenen Gründen ist es für Ausbildung und Klausur übrigens empfehlenswert, erst die Entscheidunsggründe zu schreiben und danach erst den Tatbestand. Ich würde hierfür also Zeit am Ende der Klausurbearbeitung einplanen. Du musst immer vor Augen haben: In der Urteilsklausur spielt die Musik in den Entscheidungsgründen.
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von KMR »

batman hat geschrieben: Mittwoch 23. Oktober 2024, 10:57 1. Das Mahnverfahren würde schon in die kleine Prozessgeschichte gehören, wenn ein Vollstreckungsbescheid erlassen worden ist. Ansonsten - wie Du schon gesehen hast - nur für Aspekte der Verjährungshemmung.
Die Verweisung wird man nur erwähnen, wenn eine Kostenentscheidung nach § 281 III 2 ZPO ergeht oder die Parteien auch nach Verweisung noch kontrovers über Zuständigkeitsfragen streiten.

2. Die Erklärung mit Nichtwissen sollte nicht im TB auftauchen, weil sie letztlich - ob zulässig oder nicht - einem einfachen Bestreiten entspricht bzw. entsprechen soll. Es genügt, hierzu ggf. etwas in den Entscheidungsgründen zu sagen.
Bestreiten, das in den Entscheidungsgründen keine Rolle spielt, muss auch nicht im Tatbestand auftauchen. Ich kann den Willen verstehen, ja nichts im Tatbestand zu vergessen. Das führt aber gelegentlich zu etwas kopflastigen Urteilsentwüfen...

Aus den von Dir angesprochenen Gründen ist es für Ausbildung und Klausur übrigens empfehlenswert, erst die Entscheidunsggründe zu schreiben und danach erst den Tatbestand. Ich würde hierfür also Zeit am Ende der Klausurbearbeitung einplanen. Du musst immer vor Augen haben: In der Urteilsklausur spielt die Musik in den Entscheidungsgründen.
Ich danke für deine Antwort.

1. Genau ein in einem vorangegangenen Mahnverfahren erlassener Vollstreckungsbescheid wäre dann ein Fall, in dem eine kleine Prozessgeschichte notwendig ist, um die gestellten Anträge nachzuvollziehen, die sie dann natürlich auf Aufrechterhaltung bzw. Aufhebung des VB beziehen.
Wenn direkt nach Rechtshängigkeit verwiesen wird z.B.: von AG zu LG oder von AG X zu AG Y, dann sind ja die Kosten nach identisch und die RVG Gebühren dürfen für das einheitliche Verfahren ja auch nur einmal erhoben werden. Dann gibt es keine Mehrkosten über die zu entscheiden ist und die das Gericht, an das abgegeben wurde, dem Kläger nach § 281 III 2 ZPO auch im Fall des Obsiegens auferlegen müsste; soweit richtig? Was wäre denn dann ein Fall, in dem es Mehrkosten gibt? Ich verstehe das bislang so, dass das Gericht im Fall der örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit darauf nach § 139 ZPO hinzuweisen hat bevor es die Klage wegen Unzuständigkeit abweist und für den Fall der nachträglichen sachlichen Unzuständigkeit gilt ja § 506 ZPO für AG zu LG.

2. Interessant, d.h. ich muss - unabhängig ob Urteil oder Relationsgutachten - nur das Bestreiten (und wohl auch nur das unstreitige) erwähnen, das für die Entscheidung bedeutsam ist. Wenn ich mich recht erinnere wurde das bei uns als "Spiegelbildlichkeit" bezeichnet, womöglich das dann noch mehr beachten. Teilweise noch etwas ungewohnt nicht akribisch wie aus Studien- und 1. Examenszeiten jede Information, die gegeben ist, nutzen und unterbringen zu müssen.

3. Das Schreiben der Entscheidungsgründe vor dem Tatbestand habe ich in der Tat schon häufiger gelesen mittlerweile (auch hier an der einen oder anderen Stelle). Das löst natürlich in der Tat das unter 2) genannte Problem direkt. Das heißt man beginnt dann mit dem Entwerfen der Lösung in grober Struktur, schreibt die Gründe und dann entsprechend den Tatbestand, der dann das beinhaltet, was man auch in den Gründen genutzt hat. Würdest du das - sofern du damit Erfahrung hast - in den Relationsgutachten genau so handhaben, d.h. erst das Gutachten und zum Schluss die Sachverhaltsschilderung?
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von batman »

Ob es überhaupt ausscheidbare Mehrkosten infolge der Verweisung gibt, ist bei der Kostengrundentscheidung nicht zu prüfen. Das ist eine Frage des Kostenfestsetzungsverfahrens. Der Richter tenoriert einfach nur, so wie auch bei § 344 ZPO.
Wenn ich mich recht erinnere wurde das bei uns als "Spiegelbildlichkeit" bezeichnet
Ja, der Begriff trifft es gut. Die Klausurakten sind ja für Prüfungszwecke frisiert, so dass das allermeiste schon bedeutsam ist. Aber in der Praxis besteht die Herausforderung u.a. darin, aus zahlreichen Schriftsätzen das Entscheidungserhebliche zu destillieren und auch nur das im Urteil unterzubringen.
Das heißt man beginnt dann mit dem Entwerfen der Lösung in grober Struktur, schreibt die Gründe und dann entsprechend den Tatbestand, der dann das beinhaltet, was man auch in den Gründen genutzt hat.
So würde ich es empfehlen. Für Relationsgutachten fehlt mir leider die Erfahrung.
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von KMR »

batman hat geschrieben: Mittwoch 23. Oktober 2024, 15:06 Ob es überhaupt ausscheidbare Mehrkosten infolge der Verweisung gibt, ist bei der Kostengrundentscheidung nicht zu prüfen. Das ist eine Frage des Kostenfestsetzungsverfahrens. Der Richter tenoriert einfach nur, so wie auch bei § 344 ZPO.
Wenn ich mich recht erinnere wurde das bei uns als "Spiegelbildlichkeit" bezeichnet
Ja, der Begriff trifft es gut. Die Klausurakten sind ja für Prüfungszwecke frisiert, so dass das allermeiste schon bedeutsam ist. Aber in der Praxis besteht die Herausforderung u.a. darin, aus zahlreichen Schriftsätzen das Entscheidungserhebliche zu destillieren und auch nur das im Urteil unterzubringen.
Das heißt man beginnt dann mit dem Entwerfen der Lösung in grober Struktur, schreibt die Gründe und dann entsprechend den Tatbestand, der dann das beinhaltet, was man auch in den Gründen genutzt hat.
So würde ich es empfehlen. Für Relationsgutachten fehlt mir leider die Erfahrung.

Ich danke erneut.
Okay, soweit nachvollziehbar, ja - Kostengrundentscheidung muss immer ergehen. Nach § 281 III 2 ZPO sind ja beim angegangenen Gericht entstandenen Kosten von dem entscheidenden Gericht mit zu entscheiden und dem Kläger aufzuerlegen, auch wenn er obsiegt. Muss man das dann seperat mittenorieren als Ausnahme vom Grds. der Kosteneinheit? Bei einem VU tenoriert man ja für eine vergleichbare Situation "Der Kläger/Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis". Das basiert auf § 344 ZPO. Wie lautet denn die Tenorierung bei den Kosten der Verweisung? In der AG wurde nur über die Möglichkeit des § 281 grds. gesprochen und dass die Kosten halt mit übergehen, aber nichts zur Tenorierung von diesen zusätzlichen Kosten; selbiges im Anders/Gehle. Tenoriert man dann "Der Kläger trägt die Kosten der Verweisung."/"Der Kläger trägt die bei dem AG Hintertupfingen in dem Verfahren XX entstandenen?" / "Der Kläger trägt die infolge der Verweisung entstandenen Mehrkosten."

Das kommt mir zu unbestimmt vor oder ist das nicht der Fall? Man findet erstaunlicherweise im Vergleich zum materiellen Recht nur einen Bruchteil an Informationen zu solchen prozessualen Fragen.
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von batman »

Ja, § 281 III 2 ZPO ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenenscheidung.
Eine gängige Formulierung des Tenors lautet:
"Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts … entstanden sind; diese hat der Kläger zu tragen."
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von KMR »

batman hat geschrieben: Mittwoch 23. Oktober 2024, 17:20 Ja, § 281 III 2 ZPO ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenenscheidung.
Eine gängige Formulierung des Tenors lautet:
"Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts … entstanden sind; diese hat der Kläger zu tragen."
Ich danke dir. Eine letzte Frage:
batman hat geschrieben: Mittwoch 23. Oktober 2024, 10:57 Die Verweisung wird man nur erwähnen, wenn eine Kostenentscheidung nach § 281 III 2 ZPO ergeht oder die Parteien auch nach Verweisung noch kontrovers über Zuständigkeitsfragen streiten.
Hier sagtest du, dass man § 281 ZPO nur dann im Tatbestand erwähne (ich nehme mal an in der großen Prozessgeschichte), wenn eine Kostenentscheidung nach § 281 III 2 ZPO ergehe. Ist das nicht immer der Fall? - Meines Verständnisses nach ergeht die Kostenentscheidung von Amts wegen, § 308 II ZPO.
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von batman »

Wenn der Kläger ohnehin die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 I ZPO zu tragen hat, erübrigt sich ein gesonderter Ausspruch zu den Kosten der Verweisung. Dann muss dieses Thema m.E. auch nicht im TB auftauchen.
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Re: Tatbestand: Prozessgeschichte und Bestreiten mit Nichtwissen

Beitrag von KMR »

batman hat geschrieben: Mittwoch 23. Oktober 2024, 19:23 Wenn der Kläger ohnehin die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 I ZPO zu tragen hat, erübrigt sich ein gesonderter Ausspruch zu den Kosten der Verweisung. Dann muss dieses Thema m.E. auch nicht im TB auftauchen.
Das ist natürlich völlig sinnig.

Ich danke dir.
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