Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
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Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Hallo,
während der Zivilstation wiederhole ich zur Zeit neben dem Lernen des Prozessrechtes auch das materielle Recht mithilfe des Kaiserskriptes. Jetzt heißt es hier, dass an die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB für das Vertretenmüssen sich unter Umständen auf die Pflichtverletzung erstrecken kann und zwar im Fall von erfolgsbezogenen Pflichten oder wenn die Schadensursache allein aus dem Verantwortungs-/Organisations- und Gefahrenbereich des Schuldners herrühre (§ 3 Rn. 20/S. 44).
Soweit verständlich geworden ist, nachdem ich die in der Fußnote angegebene Rspr. angesehen habe, die zweite Variante; nämlich, dass es dann auch zur Beweislastumkehr für die PV kommt, wenn die Schadensursache eben allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühre.
Da wird dann - so jedenfalls in der dazu angeführten Rspr - stets ein pflichtwidriges Unterlassen / nicht ausreichende Etablierung von Schutzmaßnahmen zum Schutz der Rechtsgüter des Vertragspartners und dazu auch angeführt, dass dies mit den Verkehrssicherungspflichten im Deliktsrecht identisch sei (BGH NJW-RR 2023, 95) festgestellt und der Schluss gezogen, dass sich dass für die ordnungsgemäße Erfüllung der Schutzpflichten erforderliche nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bemesse und sich die ordnungsgemäße Erfüllung der Schutzpflichten damit mit dem Vertretenmüssen und dessen Maßstab nach §§ 276 I, II BGB überschneide. Daher trage dann der Schuldner für Vertetenmüssen und Pflichtverletzung die Darlegungs- und ggf. auch die Beweislast (BGH, aaO, Rn. 16 f.). Das ist für mich nachvollziehbar; denn wenn der Schuldner ohnehin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt für die Erfüllung der Schutz- und Rücksichtnahmepflichten beachtet haben muss, dann gilt dafür letztlich der "gleiche Maßstab" wie für das Vertetenmüssen.
Wie ist das aber in der ersten Variante bei erfolgbezogenen Pflichten? Was ist damit gemeint? Ist damit dann gemeint Pflichten nach § 241 I?
während der Zivilstation wiederhole ich zur Zeit neben dem Lernen des Prozessrechtes auch das materielle Recht mithilfe des Kaiserskriptes. Jetzt heißt es hier, dass an die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB für das Vertretenmüssen sich unter Umständen auf die Pflichtverletzung erstrecken kann und zwar im Fall von erfolgsbezogenen Pflichten oder wenn die Schadensursache allein aus dem Verantwortungs-/Organisations- und Gefahrenbereich des Schuldners herrühre (§ 3 Rn. 20/S. 44).
Soweit verständlich geworden ist, nachdem ich die in der Fußnote angegebene Rspr. angesehen habe, die zweite Variante; nämlich, dass es dann auch zur Beweislastumkehr für die PV kommt, wenn die Schadensursache eben allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühre.
Da wird dann - so jedenfalls in der dazu angeführten Rspr - stets ein pflichtwidriges Unterlassen / nicht ausreichende Etablierung von Schutzmaßnahmen zum Schutz der Rechtsgüter des Vertragspartners und dazu auch angeführt, dass dies mit den Verkehrssicherungspflichten im Deliktsrecht identisch sei (BGH NJW-RR 2023, 95) festgestellt und der Schluss gezogen, dass sich dass für die ordnungsgemäße Erfüllung der Schutzpflichten erforderliche nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bemesse und sich die ordnungsgemäße Erfüllung der Schutzpflichten damit mit dem Vertretenmüssen und dessen Maßstab nach §§ 276 I, II BGB überschneide. Daher trage dann der Schuldner für Vertetenmüssen und Pflichtverletzung die Darlegungs- und ggf. auch die Beweislast (BGH, aaO, Rn. 16 f.). Das ist für mich nachvollziehbar; denn wenn der Schuldner ohnehin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt für die Erfüllung der Schutz- und Rücksichtnahmepflichten beachtet haben muss, dann gilt dafür letztlich der "gleiche Maßstab" wie für das Vertetenmüssen.
Wie ist das aber in der ersten Variante bei erfolgbezogenen Pflichten? Was ist damit gemeint? Ist damit dann gemeint Pflichten nach § 241 I?
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Hi,
wenn ich mal als Autor des von dir genannten Skriptes antworten darf: Ich mach es kurz: Ja, es geht hier v.a. um die von § 241 I BGB erfaßten Fälle. Die Fälle, in denen eine Argumentation über die Verantwortungsbereiche als Grund für die Beweislastumkehr näher liegt, sind allerdings im Examen der Regelfall. Deshalb habe ich im Skript auch die Fundstellen dafür genannt.
Hope that helps.
LG aus Lübeck,
Torsten K.
wenn ich mal als Autor des von dir genannten Skriptes antworten darf: Ich mach es kurz: Ja, es geht hier v.a. um die von § 241 I BGB erfaßten Fälle. Die Fälle, in denen eine Argumentation über die Verantwortungsbereiche als Grund für die Beweislastumkehr näher liegt, sind allerdings im Examen der Regelfall. Deshalb habe ich im Skript auch die Fundstellen dafür genannt.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Torsten Kaiser hat geschrieben: ↑Mittwoch 16. Oktober 2024, 12:43 Hi,
wenn ich mal als Autor des von dir genannten Skriptes antworten darf: Ich mach es kurz: Ja, es geht hier v.a. um die von § 241 I BGB erfaßten Fälle. Die Fälle, in denen eine Argumentation über die Verantwortungsbereiche als Grund für die Beweislastumkehr näher liegt, sind allerdings im Examen der Regelfall. Deshalb habe ich im Skript v.a. auch die Fundstellen dafür genannt.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
In dem Wissen, dass der Autor persönlich hier unterwegs ist, habe ich darauf gehofft. Ich danke für die Klarstellung; letzteres schien mir auch nahe zu liegen; wollte lediglich sicherstellen, dass ich nicht womöglich etwas Wichtiges übersehe.Torsten Kaiser hat geschrieben: ↑Mittwoch 16. Oktober 2024, 12:43 Hi,
wenn ich mal als Autor des von dir genannten Skriptes antworten darf: Ich mach es kurz: Ja, es geht hier v.a. um die von § 241 I BGB erfaßten Fälle. Die Fälle, in denen eine Argumentation über die Verantwortungsbereiche als Grund für die Beweislastumkehr näher liegt, sind allerdings im Examen der Regelfall. Deshalb habe ich im Skript auch die Fundstellen dafür genannt.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Du hast nichts übersehen, alles richtig einsortiert. Du bist auf einem gutem Weg!
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
§ 241 I BGB meint handlungs- und erfolgsbezogene (Leistungs-)Pflichten gleichermaßen.
Dass sich die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB auf die Pflichtverletzung erstrecken könne, wird vor allem für handlungsbezogene Leistungspflichten angenommen (BGH NJW 2009, 142 Rn. 15).
Für erfolgsbezogene Leistungspflichten (Hauptbeispiele: die Pflichten aus § 433 I, 631 I BGB) gilt das im Grundsatz dagegen gerade nicht. Die (vom Anspruchsteller zu beweisende) Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB liegt hier im Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs. Der Schuldner muss dann aber nach § 280 I 2 BGB beweisen, dass er den Nichteintritt des geschuldeten Erfolg nicht zu vertreten hat, m.a.W. dass ihm in Bezug hierauf nicht die Verletzung einer Sorgfaltspflicht (§ 276 II BGB) zur Last fällt. Es gibt hier im Aufbau also zwei „Pflichtverletzungen“: die erste, vom Gläubiger zu beweisende ist der Nichteintritt des geschuldeten Leistungserfolgs als Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB, die zweite, für die der Schuldner sich entlasten muss, betrifft die auf Erreichung des geschuldeten Erfolgs gerichteten Sorgfaltspflichten i.S.v. § 276 II BGB. Indem die Aussage, die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB erstrecke sich im Fall von erfolgsbezogenen Pflichten auf die Pflichtverletzung, suggeriert, hiermit sei die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB gemeint, führt sie zumindest zu Aufbaufehlern in der Klausurlösung (und für den Fall, dass es auf die Beweislast für den Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs ankommt, auch zu falschen Endergebnissen).
Dass sich die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB auf die Pflichtverletzung erstrecken könne, wird vor allem für handlungsbezogene Leistungspflichten angenommen (BGH NJW 2009, 142 Rn. 15).
Für erfolgsbezogene Leistungspflichten (Hauptbeispiele: die Pflichten aus § 433 I, 631 I BGB) gilt das im Grundsatz dagegen gerade nicht. Die (vom Anspruchsteller zu beweisende) Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB liegt hier im Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs. Der Schuldner muss dann aber nach § 280 I 2 BGB beweisen, dass er den Nichteintritt des geschuldeten Erfolg nicht zu vertreten hat, m.a.W. dass ihm in Bezug hierauf nicht die Verletzung einer Sorgfaltspflicht (§ 276 II BGB) zur Last fällt. Es gibt hier im Aufbau also zwei „Pflichtverletzungen“: die erste, vom Gläubiger zu beweisende ist der Nichteintritt des geschuldeten Leistungserfolgs als Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB, die zweite, für die der Schuldner sich entlasten muss, betrifft die auf Erreichung des geschuldeten Erfolgs gerichteten Sorgfaltspflichten i.S.v. § 276 II BGB. Indem die Aussage, die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB erstrecke sich im Fall von erfolgsbezogenen Pflichten auf die Pflichtverletzung, suggeriert, hiermit sei die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB gemeint, führt sie zumindest zu Aufbaufehlern in der Klausurlösung (und für den Fall, dass es auf die Beweislast für den Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs ankommt, auch zu falschen Endergebnissen).
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Danke für diesen differenzierten Beitrag, Torquemada; wobei mich das dazu bewegt hat mich nochmal mit der Differenzierung der handlungs- und erfolgsbezogenen Pflichten im Rahmen des § 241 I BGB zu befassen.Torquemada hat geschrieben: ↑Mittwoch 16. Oktober 2024, 22:37 § 241 I BGB meint handlungs- und erfolgsbezogene (Leistungs-)Pflichten gleichermaßen.
Dass sich die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB auf die Pflichtverletzung erstrecken könne, wird vor allem für handlungsbezogene Leistungspflichten angenommen (BGH NJW 2009, 142 Rn. 15).
Für erfolgsbezogene Leistungspflichten (Hauptbeispiele: die Pflichten aus § 433 I, 631 I BGB) gilt das im Grundsatz dagegen gerade nicht. Die (vom Anspruchsteller zu beweisende) Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB liegt hier im Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs. Der Schuldner muss dann aber nach § 280 I 2 BGB beweisen, dass er den Nichteintritt des geschuldeten Erfolg nicht zu vertreten hat, m.a.W. dass ihm in Bezug hierauf nicht die Verletzung einer Sorgfaltspflicht (§ 276 II BGB) zur Last fällt. Es gibt hier im Aufbau also zwei „Pflichtverletzungen“: die erste, vom Gläubiger zu beweisende ist der Nichteintritt des geschuldeten Leistungserfolgs als Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB, die zweite, für die der Schuldner sich entlasten muss, betrifft die auf Erreichung des geschuldeten Erfolgs gerichteten Sorgfaltspflichten i.S.v. § 276 II BGB. Indem die Aussage, die Beweislastumkehr des § 280 I 2 BGB erstrecke sich im Fall von erfolgsbezogenen Pflichten auf die Pflichtverletzung, suggeriert, hiermit sei die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB gemeint, führt sie zumindest zu Aufbaufehlern in der Klausurlösung (und für den Fall, dass es auf die Beweislast für den Nichteintritt des geschuldeten Erfolgs ankommt, auch zu falschen Endergebnissen).
Der Absatz zu den erfolgsbezogenen Leistungspflichten: Die habe ich bislang auch tatsächlich so verstanden und gehandhabt, dass es dort ganz normal dabei bleibt, dass die Pflichtverletzung selbst durch den Gläubiger darzulegen und zu beweisen ist und § 280 I 2 BGB eben nur für das Vertetenmüssen gilt.
Ist damit ("handlungsbezogene Leistungspflicht") tatsächlich einfach dem Wortlaut entsprechend gemeint, was geschuldet ist? So schreiben Looschelders/Erm in JA 2014, 161, 163 "Aus der Wendung "bewirkt" in § 362 I BGB folgt, dass die Vornahme der Leistungshandlung für sich genommen nicht zur Erfüllung führt; erforderlich ist vielmehr der endgültige Eintritt des geschuldeten Leistungserfolges." Dabei wird in der Fußnote auch darauf hingewiesen, dass dies anders bei handlungsbezogenen Leistungspflichten, bei denen gerade die Vornahme der geschuldeten Handlung genüge (aaO, Fn. 32).
Das heißt, sofern der Schuldner die Vornahme einer Handlung schuldet, was dann gerade eben wie bereits herausgestellt bei der Sicherung vor Schadensquellen in seinem Organisations- oder Gefahrenbereich, dann erstreckt sich die Beweislastumkehr auch auf die Pflichtverletzung, das heißt, dass der Schuldner muss dann zeigen, dass er die erforderliche, geschuldete Handlung erbracht hat und das bemisst sich gerade nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, weshalb es zu der Erstreckung des § 280 I 2 BGB auf die PV führt. Die Pflichtverletzung ist damit letztlich ein pflichtwidriges Unterlassen und damit wieder die Gemeinsamkeit wie vom BGH angeführt zur Verletzungshandlung im Deliktsrecht und Verkehrssicherungspflichten. Damit stellt diese Pflichtverletzung auch, wenn sie zu adäquat kausalen Schäden beim Gläubiger führt, aber eine Verletzung einer (handlungsbezogenen) Leistungspflicht und nicht einer Pflicht nach § 241 II BGB dar.
Würde das nicht dazu führen, dass dann im Fall der c.i.c. diese Beweistlastumkehr keine Anwendung finden würde, denn § 311 II BGB bezieht sich nur auf § 241 II BGB? -> Oder würde man das so lösen müssen, dass das unerheblich ist, denn durch einen adäquat kausalen Schaden an Rechtsgütern/Integritätsinteresse des Gläubigers liegt gleichzeitig auch eine Verletzung des § 241 II BGB vor? Die Schutzpflichten des § 241 II BGB führen zu der handlungsbezogenen Leistungspflicht des Schuldners in Bezug auf Gefahrenquellen in dessen im Organisations- und Verantwortungsbereich.
Eine kurze Stellungnahme deinerseits, ob dieses Verständnis so zutreffend ist, wäre erfreulich.
- Torquemada
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
1. Man sollte sich vorweg klarmachen, dass § 280 I BGB relativ neu ist, erst gut 20 Jahre alt. Vorher gab es den an sich ziemlich ähnlichen gewohnheitsrechtlichen Tatbestand der „positiven Forderungsverletzung“, der aber keine allgemeine Beweislastumkehr für das Vertretenmüssen kannte. Stattdessen nutzte die Rspr. den Freiraum zur Entwicklung einer Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen. An der will sie jetzt festhalten; sie liegt aber etwas quer zum nunmehr geltenden Gesetzesrecht.
2. Im Umgang mit § 280 I BGB ist zunächst wichtig, ob die Pflichtverletzung in einer Handlung oder im Eintritt bzw. Nichteintritt eines Erfolgs liegt. Liegt die Pflichtverletzung im Eintritt bzw. Nichteintritt eines Erfolgs, ist das schön für den Gläubiger, weil dessen Eintritt bzw. Nichteintritt meist leicht zu beweisen ist und dann eben der Schuldner dran ist, sich hinsichtlich der Ursachen nach § 280 I 2 BGB zu entlasten. Die Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen braucht man dann i.d.R. gar nicht mehr.
Leider ist aber schon die Vorfrage, ob eine in diesem Sinne erfolgsbezogene Pflicht vorliegt, nicht immer zweifelsfrei zu beantworten. Bei den vertraglichen Hauptleistungspflichten ist man sich über die Zuordnung immerhin mittlerweile ziemlich einig (mit differenzierendem Ergebnis: z.B. bei Kauf- und Werkverträgen erfolgsbezogen, bei Dienst- und Arbeitsverträgen handlungsbezogen). Bei Neben- und Schutzpflichten ist das Meinungsbild ziemlich chaotisch, nach h.M. sind sie meist handlungsbezogen, aber auch nicht immer, nach a.A. sollen sie sogar meist erfolgsbezogen sein (der Erfolg ist dann der Nichteintritt einer Verletzung der Rechtsgüter, Rechte und geschützten Interessen des Vertragspartners). Die Frage stellt sich dann genauso bei den Schutzpflichten aus einem Schuldverhältnis nach § 311 II BGB.
3. Soweit die genannte Vorfrage dahin zu beantworten ist, dass es sich um eine Handlungspflicht handelt, ist deren Verletzung an sich vom Gläubiger zu beweisen; die Beweislastumkehr nach § 280 I 2 BGB bezieht sich dann nur noch auf die Frage, ob der Schuldner die Pflichtverletzung hätte vorhersehen und vermeiden können. Das wird häufig als unangemessen empfunden. Die beiden am meisten verwendeten Argumentationstopoi, um dieses Ergebnis zu vermeiden, sind zum einen die altbekannte Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen, zum anderen die Erstreckung der Beweislastumkehr nach § 280 I 2 BGB auf die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB. Für den Hausgebrauch wird man sagen können, dass die Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen vom BGH wesentlich häufiger bemüht wird, aber manchmal kommt eben auch der andere Ansatz, ohne dass das stimmig erklärt würde.
2. Im Umgang mit § 280 I BGB ist zunächst wichtig, ob die Pflichtverletzung in einer Handlung oder im Eintritt bzw. Nichteintritt eines Erfolgs liegt. Liegt die Pflichtverletzung im Eintritt bzw. Nichteintritt eines Erfolgs, ist das schön für den Gläubiger, weil dessen Eintritt bzw. Nichteintritt meist leicht zu beweisen ist und dann eben der Schuldner dran ist, sich hinsichtlich der Ursachen nach § 280 I 2 BGB zu entlasten. Die Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen braucht man dann i.d.R. gar nicht mehr.
Leider ist aber schon die Vorfrage, ob eine in diesem Sinne erfolgsbezogene Pflicht vorliegt, nicht immer zweifelsfrei zu beantworten. Bei den vertraglichen Hauptleistungspflichten ist man sich über die Zuordnung immerhin mittlerweile ziemlich einig (mit differenzierendem Ergebnis: z.B. bei Kauf- und Werkverträgen erfolgsbezogen, bei Dienst- und Arbeitsverträgen handlungsbezogen). Bei Neben- und Schutzpflichten ist das Meinungsbild ziemlich chaotisch, nach h.M. sind sie meist handlungsbezogen, aber auch nicht immer, nach a.A. sollen sie sogar meist erfolgsbezogen sein (der Erfolg ist dann der Nichteintritt einer Verletzung der Rechtsgüter, Rechte und geschützten Interessen des Vertragspartners). Die Frage stellt sich dann genauso bei den Schutzpflichten aus einem Schuldverhältnis nach § 311 II BGB.
3. Soweit die genannte Vorfrage dahin zu beantworten ist, dass es sich um eine Handlungspflicht handelt, ist deren Verletzung an sich vom Gläubiger zu beweisen; die Beweislastumkehr nach § 280 I 2 BGB bezieht sich dann nur noch auf die Frage, ob der Schuldner die Pflichtverletzung hätte vorhersehen und vermeiden können. Das wird häufig als unangemessen empfunden. Die beiden am meisten verwendeten Argumentationstopoi, um dieses Ergebnis zu vermeiden, sind zum einen die altbekannte Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen, zum anderen die Erstreckung der Beweislastumkehr nach § 280 I 2 BGB auf die Pflichtverletzung i.S.v. § 280 I 1 BGB. Für den Hausgebrauch wird man sagen können, dass die Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen vom BGH wesentlich häufiger bemüht wird, aber manchmal kommt eben auch der andere Ansatz, ohne dass das stimmig erklärt würde.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
KMR, du hast dich da ggf. in etwas verrant, was dir unendlich viel Zeit kosten wird, wenn du da weiter forschst. Die Praxis benutzt v.a. immer wieder mantramäßig das Argument mit dem Verantwortungs- u. Gefahrenbereich, um eine Beweislastumkehr auch für die obj. Pflichtverletzung zu begründen. Lies doch einfach mal beispielshaft die Fundstellen aus meinem Lehrbuch, da sind fast alles die Klausurfälle gewesen im 2. Examen.
Ob und wann und warum eine ähnliche Beweislastumkehr auch bei erfolgs- o. handlungsbezogenen Pflichten anzunehmen ist, ist heillos umstritten, du wirst dazu im MüKo und BeckOK zB vieles lesen können, vieles wird auch unterschiedlich dargestellt. Oft nimmt die Rspr. auch hier die obige Argumentation mit dem Gefahrenbereich, um im Einzelfall eine Beweislastumkehr zu begründen.
Wenn du das im Hinterkopf hast, dann reicht das fürs Examen. Du kannst dich stets auch anders entscheiden, WENN du überhaupt in den kritischen Fällen diese Frage diskutierst.
Hope that helps.
Ob und wann und warum eine ähnliche Beweislastumkehr auch bei erfolgs- o. handlungsbezogenen Pflichten anzunehmen ist, ist heillos umstritten, du wirst dazu im MüKo und BeckOK zB vieles lesen können, vieles wird auch unterschiedlich dargestellt. Oft nimmt die Rspr. auch hier die obige Argumentation mit dem Gefahrenbereich, um im Einzelfall eine Beweislastumkehr zu begründen.
Wenn du das im Hinterkopf hast, dann reicht das fürs Examen. Du kannst dich stets auch anders entscheiden, WENN du überhaupt in den kritischen Fällen diese Frage diskutierst.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Ja, ich glaube auch bei Torquemadas letztem Beitrag geht es jetzt in Richtung dessen, worüber Lorenz, JuS 2007, 213 ff. schreibt. Ich denke auch, dass das wohl eher dogmatische Probleme dann sind oder ggf. sogar wie hier an anderer Stelle schon mal von Seeker dargestellt wurde bzgl. der Abgrenzung des SE statt/neben der Leistung, dass hier womöglich die Wissenschaft versucht wilde dogmatische Abgrenzungen vorzunehmen, die ggf. mal ihre Berechtigung hatten, aber nicht (mehr) notwendig sind. Womöglich ist das auch vergleichbar mit dieser Darstellung von Lorenz https://lorenz.userweb.mwn.de/schumod/m ... heorie.pdf in der es darum geht, dass man mittlerweile immer nach Surrogations- oder Differenzmethode abrechnen könne und er erklärt, wie das funktioniert im Gegensatz zum alten Recht in dem man oftmals auf eine Methode beschränkt war, § 325 BGB nF behebt das Problem.
Ich finde zwar ehrlich gesagt solche Fragen durchaus sehr spannend und sehe da immer die Faszination am wissenschaftlichen Diskurs. Aber in der Tat, praktisch ist das erstmal nicht wirklich von Bedeutung, solange es sich eben nicht auf das Tatbestandsmerkmal selbst auswirkt.
Die im Kaiser-Skript angegebenen Fundstellen habe ich natürlich angeschaut bevor ich hier gepostet habe, in der Regel haben nämlich an anderen Stellen die Fundstellen stets zum Verständnis einer zunächst nicht völlig nachvollziehbaren Ausführung verholfen.
Ich danke euch beiden.
Ich finde zwar ehrlich gesagt solche Fragen durchaus sehr spannend und sehe da immer die Faszination am wissenschaftlichen Diskurs. Aber in der Tat, praktisch ist das erstmal nicht wirklich von Bedeutung, solange es sich eben nicht auf das Tatbestandsmerkmal selbst auswirkt.
Die im Kaiser-Skript angegebenen Fundstellen habe ich natürlich angeschaut bevor ich hier gepostet habe, in der Regel haben nämlich an anderen Stellen die Fundstellen stets zum Verständnis einer zunächst nicht völlig nachvollziehbaren Ausführung verholfen.
Ich danke euch beiden.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Gern, KMR. Immer darauf achten: Du musst noch so viele Konstellationen und Probleme und Schriftsätze und materielle Sachen lernen, dass es idR wenig ökonomisch ist, sich vertieft in Einzelfragen zu verbeißen.
- Torquemada
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Wenn der arme TE es nicht anderswo nachlesen darf, wäre es aber doch nett, wenn er noch erführe, was es mit der eingangs angesprochenen Aussage aus dem Kaiser-Skript, die Beweislastumkehr nach § 280 I 2 BGB könne sich auch und gerade bei erfolgsbezogenen Pflichten auf die Pflichtverletzung erstrecken, denn nun auf sich hat. Gibt es für diese Aussage irgendeine Quelle? Wird das Skript daran festhalten?
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Torquemada: Die Rspr. und Kommentare formulieren das so, das kann ein jeder - wenn man sich dafür interessiert - fein selber nachlesen. Außerdem habe ich im Skript diverse Fundstellen für die wichtigste Fallgruppe in Rspr. und Examen angegeben. Warum sollte ich nicht im Skript daran festhalten?
Viele Grüße aus Lübeck!
P.S. Neben den in meinem Skript angegebenen Fundstellen sind bei Interesse noch folgende Urteile erhellend, die leicht bei einer kurzen Recherche zur Thematik aufrufbar sind: OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 660 mwN; OLG Nürnberg 1 U 1014/12; KG 12 U 63/06; BAG 8 AZR 562/95; OLG Brandenburg 4 U 136/21; OLG Köln NJW 2013, 3454.
Viele Grüße aus Lübeck!
P.S. Neben den in meinem Skript angegebenen Fundstellen sind bei Interesse noch folgende Urteile erhellend, die leicht bei einer kurzen Recherche zur Thematik aufrufbar sind: OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 660 mwN; OLG Nürnberg 1 U 1014/12; KG 12 U 63/06; BAG 8 AZR 562/95; OLG Brandenburg 4 U 136/21; OLG Köln NJW 2013, 3454.
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
KMR, wie du siehst habe ich in meinem letzten Post nochmal ein paar zusätzliche Fundstellen für das, was ich im Skript beschrieben habe, aufgenommen.
Einen schönen Reformationstag euch!
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Re: Beweistlastumkehr Pflichtverletzung iRd §§ 280 ff. (Kaiserskript)
Das Urteil des OLG Köln NJW 2013, 3454 stellt es tatsächlich ganz gut dar, obschon es dennoch ein anspruchsvolles Thema zu sein scheint.
Ich habe kürzlich auch einen AG-Fall gehabt, in dem die Grundsätze Anwendung finden. Das hat auch etwas geholfen.
Ich habe kürzlich auch einen AG-Fall gehabt, in dem die Grundsätze Anwendung finden. Das hat auch etwas geholfen.