Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

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Legally Confused
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Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Legally Confused »

Hallo zusammen,

im Rahmen meines Projekts „Justice with Compassion“ untersuche ich, wie Gerichtsverfahren für Zeugen, Opfer und andere Beteiligte menschlicher und weniger belastend gestaltet werden können. Gerichtsverfahren sind für viele Menschen psychisch sehr herausfordernd, doch im deutschen Justizsystem wird bisher kaum auf Vernehmungslehre und psychologische Sensibilität eingegangen – Aspekte, die meiner Ansicht nach in der juristischen Ausbildung und Praxis mehr Raum finden sollten.

Worum geht’s in der Umfrage?

Mit dieser Umfrage möchte ich Einblicke in die psychischen Belastungen von Verfahrensbeteiligten und die Rolle von Vernehmungstechniken gewinnen. Die Ergebnisse sollen mir helfen, einen Vortrag zu erarbeiten, in dem ich mögliche Verbesserungen in der Vernehmungspraxis aufzeige. Dieser Vortrag wird auch Teil meiner Bachelorarbeit sein, die die Bedeutung von Sensibilisierung in der juristischen Ausbildung thematisiert.

Warum ist deine Teilnahme wichtig?

Deine praktischen Erfahrungen und Perspektiven sind entscheidend, um fundierte Ansätze für eine menschlichere Justiz zu entwickeln. Dein Feedback kann helfen, konkrete Vorschläge zu erarbeiten, die das Justizsystem in Bezug auf psychische Gesundheit und die Bedürfnisse von Prozessbeteiligten stärken.

Hier geht’s zur Umfrage:
https://docs.google.com/forms/d/1qwTVFv ... 8/viewform

Danke an alle, die sich die Zeit nehmen und damit das Thema Opferschutz und psychische Gesundheit im Justizwesen unterstützen. Rückmeldungen oder Anregungen zu diesem Projekt sind ebenfalls herzlich willkommen!

Beste Grüße,
Legally Confused
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Ara
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Ara »

Mal eine Anmerkung zur Umfrage: Die Umfrage geht offenbar wie selbstverständlich davon aus, dass ein allseitiges Interesse daran besteht, eine Vernehmung möglichst "schonend" und ohne "suggestive Beeinflussung" durchzuführen. Das ist aber nicht zwingend für alle Verfahrensbeteiligte in allen Situationen der Fall, eher das Gegenteil.

Auf der einen Seite kann es sehr wohl Interesse an suggestive Beeinflussung geben: Der Verteidiger, der ne Aussage verdrehen will, der Richter der sein Urteil "Rund bekommen" will usw...

Auf der anderen Seite besteht sowieso ein Spannungsverhältnis zwischen Wahrheitsfindung und "Opferschutz". Je genauer ich den Anzeigeerstatter unter die Lupe nehme, desto eher kann ich mir ein Bild von ihm machen, umso belastender wird es aber auch für ihn.

Und schließlich gibt es auch legitime Gründe den Zeugen unter Stress zu setzen und zu schauen, wie er sich dort verhält.

Im Zivilverfahren kommen dann noch die Verfahren hinzu, die nur geführt werden, um der Gegenseite Ärger zu machen. Da ist es ja gerade Sinn und Zweck möglichst hohe Belastungen herbeizuführen.

Vor diesem Hintergrund sind einige Fragen aus meiner Sicht in der Allgemeinheit schwer zu beantworten, das liegt aber auch daran, dass die Belastung für nen Angeklagten häufig ganz anders ausfallen kann als für einen Geschädigten.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Legally Confused
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Legally Confused »

Ara hat geschrieben: Montag 28. Oktober 2024, 19:15 Mal eine Anmerkung zur Umfrage: Die Umfrage geht offenbar wie selbstverständlich davon aus, dass ein allseitiges Interesse daran besteht, eine Vernehmung möglichst "schonend" und ohne "suggestive Beeinflussung" durchzuführen. Das ist aber nicht zwingend für alle Verfahrensbeteiligte in allen Situationen der Fall, eher das Gegenteil.

Auf der einen Seite kann es sehr wohl Interesse an suggestive Beeinflussung geben: Der Verteidiger, der ne Aussage verdrehen will, der Richter der sein Urteil "Rund bekommen" will usw...

Auf der anderen Seite besteht sowieso ein Spannungsverhältnis zwischen Wahrheitsfindung und "Opferschutz". Je genauer ich den Anzeigeerstatter unter die Lupe nehme, desto eher kann ich mir ein Bild von ihm machen, umso belastender wird es aber auch für ihn.

Und schließlich gibt es auch legitime Gründe den Zeugen unter Stress zu setzen und zu schauen, wie er sich dort verhält.

Im Zivilverfahren kommen dann noch die Verfahren hinzu, die nur geführt werden, um der Gegenseite Ärger zu machen. Da ist es ja gerade Sinn und Zweck möglichst hohe Belastungen herbeizuführen.

Vor diesem Hintergrund sind einige Fragen aus meiner Sicht in der Allgemeinheit schwer zu beantworten, das liegt aber auch daran, dass die Belastung für nen Angeklagten häufig ganz anders ausfallen kann als für einen Geschädigten.
Hallo Ara, ich bin nicht per se gegen Suggestivfragen, aber wie du schon erkannt hast, ist nicht jeder Beteiligte gleich, aber genau dort wo es vulnerable Beteiligte gibt, muss man ansetzen.

Wenn mir da jetzt jemand sehr gefasst gegenüber sitzt, dann kann der Druck höher sein, muss ich dagegen eine vulnerablen Person befragen, muss ich die Wirkung abschwächen.

Zwei verschiedene Beobachtungen hierzu und eine Frage um endlich Klarheit darüber zu bekommen:

Ich hatte am Montag mal wieder im Studium das Fach "Oral Advocacy", darin werden alle Fähigkeiten vermittelt die man später als Jurist/in vor Gericht braucht und es werden sich Fortbildungen darin durch die ganze Berufslaufbahn ziehen - unabhängig vom Rechtsgebiet.

Man fragt direkt so, wenn man Suggestivfragen stellen möchte: "Zum Tatzeitpunkt war es sehr dunkel, nicht wahr?"

Der Zeuge wird zustimmen.

Dann weiter:"Die Straße war nicht beleuchtet, da die Strassenlaterne (heißt das so?) defekt war. War es nicht so?"

usw.

Dabei bleibt man ruhig und sachlich nach außen.
Ein Fakt pro Frage.

Eine weitere Möglichkeit wäre, den Widerspruch wie eine Feststellung zu formulieren und nachzufragen wie der Zeuge zu dieser abweichenden Aussage kommt, falls Suggestivfragen in Deutschland nicht zulässig wären.

Das wäre jetzt die allgemeine Herangehensweise.

Apropos Deutschland:
Ich habe etwas interessantes gelesen, ein Anwalt machte darauf aufmerksam, dass seine Kollegen offenbar keine zulässigen Fragen stellen könnten (Zivilverfahren) da sie immer nur Suggestivfragen stellen würden.

Meine abschließende Frage:

Sind Suggestivfragen in Deutschland nun erlaubt oder verboten?


Was es jedoch auf jeden Fall auch in Deutschland braucht, ist bessere Aufklärung gegenüber Prozessparteien, bisher werden die hier nämlich aus heiterem Himmel eiskalt von Suggestivfragen erwischt.
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Strich
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Strich »

Beanstandete Suggestivfragen werden in Deutschland nicht zugelassen. Auch Umgehungen des ganzen, werden bei Beanstandung nicht zugelassen. Ich lasse das ansonsten meist laufen, weil diese Fragetechnisch faktisch wertlos für die Sachaufklärung ist. Dazu hatte ich hier auch irgendwo mal was geschrieben. Da ich zuerst dran bin mit fragen, ist es bei schlechten Verteidigern meist egal, was die fragen. Die guten Verteidiger stellen ihre Fragen ähnlich wie das Gericht und die StA und erreichen damit in aller Regel viel mehr.

Das hier:
Man fragt direkt so, wenn man Suggestivfragen stellen möchte: "Zum Tatzeitpunkt war es sehr dunkel, nicht wahr?"

Der Zeuge wird zustimmen.

Dann weiter:"Die Straße war nicht beleuchtet, da die Strassenlaterne (heißt das so?) defekt war. War es nicht so?"

usw.

Dabei bleibt man ruhig und sachlich nach außen.
Ein Fakt pro Frage.

Eine weitere Möglichkeit wäre, den Widerspruch wie eine Feststellung zu formulieren und nachzufragen wie der Zeuge zu dieser abweichenden Aussage kommt, falls Suggestivfragen in Deutschland nicht zulässig wären.
Gibt es in Deutschland also im Idealfall nicht. Ich hab auch keine Ahnung, warum man das angesichts der Studienlage zur Aussagenpsychologie überhaupt ausbilden sollte.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von gola20 »

Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einen Richter irgendwie in eine oder andere Richtung überzeugst, nur weil du den Zeugen mit Wortspielchen verwirrt hast. Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Wenn ein Zeuge eine glaubhafte Erzählung gemacht hat und du ihn verwirrst, weil er sich nicht mehr daran erinnert, ob das karierte Hemd eine Brusttasche hatte oder nicht, wird das die glaubhafte Erzählung nicht wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen.

"War es nicht so?" und ",nicht wahr?" sind jetzt auch nicht wirklich Fragen.
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von thh »

Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53muss ich dagegen eine vulnerablen Person befragen, muss ich die Wirkung abschwächen.
Aus Sicht eines Strafverteidigers muss ich das gar nicht. Je mehr ich die Person aus dem Konzept bringe, desto geringer der Beweiswert ihrer Aussage.

Zwei verschiedene Beobachtungen hierzu und eine Frage um endlich Klarheit darüber zu bekommen:
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53Ich hatte am Montag mal wieder im Studium das Fach "Oral Advocacy", darin werden alle Fähigkeiten vermittelt die man später als Jurist/in vor Gericht braucht und es werden sich Fortbildungen darin durch die ganze Berufslaufbahn ziehen - unabhängig vom Rechtsgebiet.

Man fragt direkt so, wenn man Suggestivfragen stellen möchte: "Zum Tatzeitpunkt war es sehr dunkel, nicht wahr?"

Der Zeuge wird zustimmen.

Dann weiter:"Die Straße war nicht beleuchtet, da die Strassenlaterne (heißt das so?) defekt war. War es nicht so?"

usw.

Dabei bleibt man ruhig und sachlich nach außen.
Dabei wird man - selbst vor dem Amtsgericht, wo das niemand so genau nimmt, und selbst bei einem sehr geduldigen Sitzungsvertreter und Vorsitzenden - spätestens hier aller Voraussicht nach unterbrochen, weil Suggestivfragen unzulässig sind.
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53Eine weitere Möglichkeit wäre, den Widerspruch wie eine Feststellung zu formulieren und nachzufragen wie der Zeuge zu dieser abweichenden Aussage kommt, falls Suggestivfragen in Deutschland nicht zulässig wären.
Das setzt allerdings voraus, dass diese Feststellung in den Prozess eingeführt wurde (oder zumindest, dass sie einführbar ist).
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53Was es jedoch auf jeden Fall auch in Deutschland braucht, ist bessere Aufklärung gegenüber Prozessparteien, bisher werden die hier nämlich aus heiterem Himmel eiskalt von Suggestivfragen erwischt.
Ich könnte mir vorstellen, dass es etwas schwierig ist, zu beurteilen, was Prozessparteien brauchen, wenn man den Prozess selbst offensichtlich nicht - ausreichend - kennt.
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Legally Confused »

thh hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 16:15
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53muss ich dagegen eine vulnerablen Person befragen, muss ich die Wirkung abschwächen.
Aus Sicht eines Strafverteidigers muss ich das gar nicht. Je mehr ich die Person aus dem Konzept bringe, desto geringer der Beweiswert ihrer Aussage.

Zwei verschiedene Beobachtungen hierzu und eine Frage um endlich Klarheit darüber zu bekommen:
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53Ich hatte am Montag mal wieder im Studium das Fach "Oral Advocacy", darin werden alle Fähigkeiten vermittelt die man später als Jurist/in vor Gericht braucht und es werden sich Fortbildungen darin durch die ganze Berufslaufbahn ziehen - unabhängig vom Rechtsgebiet.

Man fragt direkt so, wenn man Suggestivfragen stellen möchte: "Zum Tatzeitpunkt war es sehr dunkel, nicht wahr?"

Der Zeuge wird zustimmen.

Dann weiter:"Die Straße war nicht beleuchtet, da die Strassenlaterne (heißt das so?) defekt war. War es nicht so?"

usw.

Dabei bleibt man ruhig und sachlich nach außen.
Dabei wird man - selbst vor dem Amtsgericht, wo das niemand so genau nimmt, und selbst bei einem sehr geduldigen Sitzungsvertreter und Vorsitzenden - spätestens hier aller Voraussicht nach unterbrochen, weil Suggestivfragen unzulässig sind.
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53Eine weitere Möglichkeit wäre, den Widerspruch wie eine Feststellung zu formulieren und nachzufragen wie der Zeuge zu dieser abweichenden Aussage kommt, falls Suggestivfragen in Deutschland nicht zulässig wären.
Das setzt allerdings voraus, dass diese Feststellung in den Prozess eingeführt wurde (oder zumindest, dass sie einführbar ist).
Legally Confused hat geschrieben: Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:53Was es jedoch auf jeden Fall auch in Deutschland braucht, ist bessere Aufklärung gegenüber Prozessparteien, bisher werden die hier nämlich aus heiterem Himmel eiskalt von Suggestivfragen erwischt.
Ich könnte mir vorstellen, dass es etwas schwierig ist, zu beurteilen, was Prozessparteien brauchen, wenn man den Prozess selbst offensichtlich nicht - ausreichend - kennt.
Also eines nach dem anderen, da ich das mit dem Zitieren von Abschnitten nicht hinbekomme.

Zu 1.)
Bei mir im angloamerikanischen Raum muss ich das tatsächlich, wegen den ethischen Standards.
Gibt's in Deutschland da nichts vergleichbares?

2.) Ich höre seitens deutscher Volljuristen entweder dass ss unzulässig ist und dann wieder dass es zulässig ist.

3.) Ist sie das nicht?

4.) Ich werde interdisziplinär zusammenarbeiten damit das von deutscher Seite dann alles stimmt.
Und das geht schon gut, weil Bedürfnisse und Erfahrungen immer allgemein sind.

Aber es würde diese Umfrage nicht geben, wenn eure Erfahrungen nicht so unglaublich wichtig wären.
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Legally Confused »

gola20 hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 13:00 Ich kann mir nicht vorstellen, dass du einen Richter irgendwie in eine oder andere Richtung überzeugst, nur weil du den Zeugen mit Wortspielchen verwirrt hast. Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Wenn ein Zeuge eine glaubhafte Erzählung gemacht hat und du ihn verwirrst, weil er sich nicht mehr daran erinnert, ob das karierte Hemd eine Brusttasche hatte oder nicht, wird das die glaubhafte Erzählung nicht wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen.

"War es nicht so?" und ",nicht wahr?" sind jetzt auch nicht wirklich Fragen.
Letzteres ist aus der internationalen Berufspraxis.
Offene Fragen sind dann also wahrscheinlich in Deutschland am besten.
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Legally Confused »

Strich hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 11:42 Beanstandete Suggestivfragen werden in Deutschland nicht zugelassen. Auch Umgehungen des ganzen, werden bei Beanstandung nicht zugelassen. Ich lasse das ansonsten meist laufen, weil diese Fragetechnisch faktisch wertlos für die Sachaufklärung ist. Dazu hatte ich hier auch irgendwo mal was geschrieben. Da ich zuerst dran bin mit fragen, ist es bei schlechten Verteidigern meist egal, was die fragen. Die guten Verteidiger stellen ihre Fragen ähnlich wie das Gericht und die StA und erreichen damit in aller Regel viel mehr.

Das hier:
Man fragt direkt so, wenn man Suggestivfragen stellen möchte: "Zum Tatzeitpunkt war es sehr dunkel, nicht wahr?"

Der Zeuge wird zustimmen.

Dann weiter:"Die Straße war nicht beleuchtet, da die Strassenlaterne (heißt das so?) defekt war. War es nicht so?"

usw.

Dabei bleibt man ruhig und sachlich nach außen.
Ein Fakt pro Frage.

Eine weitere Möglichkeit wäre, den Widerspruch wie eine Feststellung zu formulieren und nachzufragen wie der Zeuge zu dieser abweichenden Aussage kommt, falls Suggestivfragen in Deutschland nicht zulässig wären.
Gibt es in Deutschland also im Idealfall nicht. Ich hab auch keine Ahnung, warum man das angesichts der Studienlage zur Aussagenpsychologie überhaupt ausbilden sollte.
Ich kann dir nur schon mal verraten, dass es definitiv einen allgemeinen Bedarf an Vernehmungslehre in Deutschland gibt.

Da du offensichtlich Richter bist:
Wie oft machen sich Anwälte/StA hier derzeit in deinen Verhandlungen mit ihren Fragen alles oder vieles zunichte?
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von thh »

Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:51Also eines nach dem anderen, da ich das mit dem Zitieren von Abschnitten nicht hinbekomme.
Lieber Himmel.
Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:512.) Ich höre seitens deutscher Volljuristen entweder dass ss unzulässig ist und dann wieder dass es zulässig ist.
Man kann manchmal etwas ins Zweifeln kommen, aber: definitiv unzulässig (Artikel I Kontrollratsgesetz Nr. 2, §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a StGB).
Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:59Ich kann dir nur schon mal verraten, dass es definitiv einen allgemeinen Bedarf an Vernehmungslehre in Deutschland gibt.
Wie auch immer man den zu ermitteln gehabt haben glaubt ...
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Legally Confused »

thh hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 22:43
Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:51Also eines nach dem anderen, da ich das mit dem Zitieren von Abschnitten nicht hinbekomme.
Lieber Himmel.
Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:512.) Ich höre seitens deutscher Volljuristen entweder dass ss unzulässig ist und dann wieder dass es zulässig ist.
Man kann manchmal etwas ins Zweifeln kommen, aber: definitiv unzulässig (Artikel I Kontrollratsgesetz Nr. 2, §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a StGB).
Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:59Ich kann dir nur schon mal verraten, dass es definitiv einen allgemeinen Bedarf an Vernehmungslehre in Deutschland gibt.
Wie auch immer man den zu ermitteln gehabt haben glaubt ...
Frag mal deine Kollegen.
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Schnitte »

In Deutschland werden doch die Zeugen ohnehin primär vom Richter befragt. Die Parteien können vielleicht noch Ergänzungsfragen hinterher schieben, aber ein angloamerikanisches Kreuzverhör wird dadurch nicht draus - es wäre zwar nach § 239 StPO zulässig, wird aber in der Praxis selten gemacht. Der Zeuge wird in Deutschland halt vom Richter vernommen.

Jetzt kann man das rechtsvergleichend hinterfragen. Meine Freundin hat in England den BVC, also die Ausbildung zum Barrister, absolviert, und dort werden alle möglichen Techniken, wie man einen Zeugen so richtig in die Zange nimmt, ausführlich gelehrt und eingeübt. Sie findet es empörend, dass das in Deutschland nicht zulässig ist. Je nun, man findet halt immer das am Besten, was man selber am Besten kennt. Im Gegenzug ist es bei den Angloamerikanern dafür so, dass man sich am laufenden Band kleinteilig um die Zulässigkeit von Beweismitteln streitet. In Deutschland ist man da lässiger: Wir nehmen halt im Grundsatz alles, was wir kriegen können, als Beweismittel (im Zweifel auch unrechtmäßig erlangtes), und wenn eines mal besonders schwach ist, wird das im Wege der richterlichen Beweiswürdigung berücksichtigt, führt aber nicht zur völligen Unzulässigkeit. Sind halt verschiedene Traditionen.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Schnitte »

thh hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 22:43 Man kann manchmal etwas ins Zweifeln kommen, aber: definitiv unzulässig (Artikel I Kontrollratsgesetz Nr. 2, §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a StGB).
Hä?
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von Strich »

Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 20:59 ...
Ich kann dir nur schon mal verraten, dass es definitiv einen allgemeinen Bedarf an Vernehmungslehre in Deutschland gibt.

Da du offensichtlich Richter bist:
Wie oft machen sich Anwälte/StA hier derzeit in deinen Verhandlungen mit ihren Fragen alles oder vieles zunichte?
Klar gibt es einen großen Bedarf an Vernehmungslehre. Die sieht aber gerade so aus, wie ich das beschrieben habe. Da kriegt man gesagt, dass die ganze Suggestivfragerei quatsch ist und man kriegt das in aller Regel auch demonstriert. Wer so was mal mitgemacht hat, weiß, dass diese Fragetechnik zu allem führt, nur nicht zur Wahrheitsfindung.

Zur zweiten Frage: Das kommt nicht so häufig vor, wie meine Posts vielleicht den Anschein erwecken, ich bin eher davon ausgegangen, dass, wenn man so fragt, man sich tendenziell den Zeugen kaputt macht. In aller Regel fragen die Beteiligten aber nicht so, sondern vernünftig auf die Wahrheit hin orientiert offen.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Umfrage zur psychischen Belastung in Gerichtsverfahren: Deine Erfahrungen und Perspektiven als Jurist*in zählen!

Beitrag von thh »

Legally Confused hat geschrieben: Samstag 2. November 2024, 23:10Frag mal deine Kollegen.
Vernehmungslehre ist seit Jahrzehnten Teil der juristischen Ausbildung, in der Gerichtspraxis wenig relevant (weil sich die Theorie nur schwer in die Praxis umsetzen lässt) und hat mit der "psychischen Belastung in Gerichtsverfahren" wenig bis nichts zu tun.
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