Entwidmung Schlüssel

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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foxyloxy
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Entwidmung Schlüssel

Beitrag von foxyloxy »

Hallo zusammen,

ist eine Entwidmung eines Schlüssel gegeben, wenn der Tod der berechtigten Person vermutet wird? Bspw.: Ich erhalte einen Reserveschlüssel von meinem Bruder. Sein Tod wird nur vermutet. Würde ich mich wegen Hausfriedensbruch strafbar machen, wenn ich mir mit dem Schlüssel Zutritt verschaffe? (wenn seine Frau nichts von dem Reserveschlüssel weiß)
Also wäre der Schlüssel dann ein falscher?
Ich wurde bei meiner Recherche leider nicht fündig. Wie würdet ihr das werten?
iammetin
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Re: Entwidmung Schlüssel

Beitrag von iammetin »

Genau hier fängt eigentlich die juristische Arbeit an, in dem man selbst eine vertretbare Lösung entwickelt.

Was heißt in deinem Fall konkret „vermutet“? Beziehst du dich auf die gesetzliche Vermutung? Ich meine, man muss 7 Jahre verschollen sein, um als tot zu gelten.

Wenn im Strafrecht ein Schlüssel grundsätzlich mit dem tatsächlichen Tod der Person entwidmet wäre (davon gehe ich jetzt mal aus, bin in dieser Thematik nicht drin), dann stellt sich die Frage, ob das auch bei vermutetet Verstorbenen gilt. Maßgeblich ist die Feststellung, dass jemand tot ist. Diese Feststellung kann tatsächlich sein. Ob eine gesetzliche Vermutung ausreicht, das wäre die konkrete Frage.

Man könnte auch die gesetzliche Vermutung ausreichen lassen. Im Strafrecht sind zwar Analogien zulasten des Täters verboten. Aber hier könnte man argumentieren, dass dies keine verbotene Analogie stellen würde, sondern nur ein Rückgriff auf gesetzliche Regelungen des Gesetzgebers selbst. Der Gesetzgeber hat diese Vermutung von 7 Jahren aufgestellt, um ab einem bestimmten Zeitpunkt allgemeine Rechtssicherheit zu schaffen (für Erben, Rechtsverkehr etc.). Dieses Bedürfnis besteht auch im Strafrecht. Als Ausfluss des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung kann man argumentieren, dass diese Vermutung in allen Rechtsbereichen gelten soll. Auch im Strafrecht gibt es nämlich ein derartiges Bedürfnis in bestimmten Konstellationen mit der selben Interessenslage. Dein Fall als Paradebeispiel.

Der Bruder soll nicht nach 7 Jahren immer noch in der Ungewissheit leben, ob sein Verhalten strafbar wäre oder nicht. Angehörige sollen nach 7 Jahren in die Rechtsstellung des Erblassers kommen können, um eben nicht von solchen Besuchen überrascht zu werden. Sie müssen sich auch darauf verlassen können, dass ab einem bestimmten Punkt die Unsicherheit des Todes und den damit verbundenen Folgen (wie zB. ein Bruder der mit einem Zweitschlüssel ins Haus gelangen kann) vorbei sind und ihre Vermögensrechte aus der Erbschaft vollkommen geschützt sind.

zB. kann es auch nicht sein, dass die Familie zivilrechtlich Erben sind und alles erhalten, aber nicht diesen Schlüssel, der im Testament zB. nicht dem Bruder zugewiesen war und somit der Familie gehört. Es wäre widersprüchlich, wenn im Zivilrecht der Schlüssel vorbehaltlos der Familie gehört, aber im Strafrecht der Bruder die Befugnis weiterbehält.
Zivilrechtlich könnte er belangt werden, aber strafrechtlich eben nicht.

Man kann noch sehr viel argumentieren. Stellt man auf andere Zeiten ab und nicht auf die gesetzliche Vermutungsregel, wird es schwer. Dann könnte tatsächlich eine unzulässige Analogie zulasten des Täters vorliegen, wenn man unter den 7 Jahren eine nicht gesetzlich festgelegte Vermutung des Todes annimmt und dann die Entwidmung des Schlüssels und eine Strafbarkeit bejaht. Der Tod stände weder tatsächlich noch gesetzlich fest. In dubio pro reo müsste der Bruder dann noch ermächtigt sein.


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FKN993
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Re: Entwidmung Schlüssel

Beitrag von FKN993 »

foxyloxy hat geschrieben: Dienstag 1. Oktober 2024, 13:34 Hallo zusammen,

ist eine Entwidmung eines Schlüssel gegeben, wenn der Tod der berechtigten Person vermutet wird? Bspw.: Ich erhalte einen Reserveschlüssel von meinem Bruder. Sein Tod wird nur vermutet. Würde ich mich wegen Hausfriedensbruch strafbar machen, wenn ich mir mit dem Schlüssel Zutritt verschaffe? (wenn seine Frau nichts von dem Reserveschlüssel weiß)
Also wäre der Schlüssel dann ein falscher?

Ich wurde bei meiner Recherche leider nicht fündig. Wie würdet ihr das werten?

Hi, vielleicht ein bissl spät, aber hier mal meine Gedanken dazu:

Ob ein Hausfriedensbruch gem. § 123 I StGB vorliegt, ist davon abhängig, ob ein widerrechtliches Eindringen vorliegt. Hier muss man schauen, dass ggf. zwei getrennt voneinander bestehende Hausrechte bestehen. Für ein Eindringen, ob nun mit gewidmeten Schlüssel oder nicht, ist lediglich relevant, ob der Täter körperlich in das Tatobjekt - hier Wohnung - hineingelangt. Das Wie des Eindringens ist damit nicht maßgeblich.

Das Merkmal der Widerrechtlichkeit ist strittig. Hier kommt es drauf an, ob ohne den Willen des Berechtigten (Hausrechtsinhabers) eingedrungen worden ist (eA) oder gegen dessen Willen. Die herrschende Meinung stellt auf den mutmaßlichen Willen des Berechtigten ab. Damit ergibt sich hier folgendes Problem:

Stellst du auf die Überlassung (vom Bruder) des hier "richtigen Schlüssels" ab, der ist auch nicht entwidmet worden (darauf kommt es an; sein Verschollensein ändert nichts an der Widmung), und damit auf den mutmaßlichen Willen, (kenne den SV nicht genau) würde man die Widerrechtlichkeit wohl verneinen (Was hätte er wohl gesagt?)

Nun ist aber folgendes zu beachten: Du könntest aber das Hausrecht der Frau verletzt haben. Für die Frage des Hausrechts kommt es nicht darauf an, wer Eigentümer oder Mietpartei ist, insofern hätte die Frau auch dann ein Hausrecht, wenn sie nicht selbst Mietpartei ist (Ehewohnung). Ggf. würde sie aber ohnehin gem. § 563 I BGB zur Mietpartei werden, wenn der Ehemann tot ist. Da er nicht tot ist, könnte man diskutieren, wenn der jetzt aber tatsächlich im Rechtssinne als verschollen gilt, ob das dem gleich steht. So gilt aber gem. § 10 VerschG die Vermutung, dass solange der nicht für tot erklärt worden ist, die Person noch lebt.

Damit bliebe die Frage, wie es sich auswirkt, dass der Bruder ggf. zustimmte und es somit an der Widerrechtlichkeit fehlte und die Frau dies nun nicht weiß. Ich würde jetzt aus dem Bauch heraus sagen, da der Bruder ja verschollen ist, dass das einer räumlichen Trennung quasi entspricht. Damit hätte sie das alleinige Hausrecht über die Wohnung und somit wäre für die Bejahung der Widerrechtlichkeit nur ihr Wille und oder mutmaßlicher Wille maßgeblich. Eine mutmaßliche Einwilligung seinerseits wäre damit auf jeden Fall unbeachtlich.
Jedenfalls haben beide separat ein eigenes Hausrecht.

Das OLG Hamm sieht das ähnlich und meint, dass es darauf ankommt, ob dem anderen einen Teil die Gestattung quasi zuzumuten ist (OLG Hamm, Urteil vom 20. 1. 1955 - (2) Ss 1554/54). Ich würde sagen, dass wenn der Bruder erkennbar verschollen war, dass diese Schlüsselüberlassung ihr gegenüber nicht zu einer Duldungspflicht führt.

Tatbestandlich kommt es natürlich drauf an, was du gedacht hast. Das ist eine komplexe Rechtsfrage, insofern kannst du dich in einem Tatbestandsirrtum gem. § 16 I 1 StGB befunden haben. Hier ist aber zu schauen, ob ein unbeachtlicher Subsumtionsirrtum vorlag oder ein normativer Tatbestandsirrtum. Ein solcher liegt vor, wenn die Vorstellung des Täters vom Merkmal der Widerrechtlichkeit in seiner Laienssphäre falsch war. Dann ist er beachtlich. Es kommt nur darauf an, ob der Täter den sozialen Bedeutungsgehalt richtig erfasst hat. Ansonsten ist das ein unbeachtlicher Subsumtionsirrtum. Beispiel hier: Wenn du gedacht hättest, dass die Überlassung des Schlüssels dich dazu berechtigt, das ggf. für möglich gehaltene bestehende Hausrecht der Ehefrau zu brechen, so wäre das rechtlich falsch. Du hättest ja den Bedeutungsgehalt richtig erfasst, es nur falsch gewertet (Subsumtionsirrtum: Wertungsfehler über das Erlaubtsein).

(3) Weder eine tatsächliche Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung der Frau läge vor.

(4) Hier kannst du fragen, ob ein Erlaubnistatbestandsirrtum vorlag, ist aber nicht der Fall, ggf. war es ein Verbotsirrtum. Der Verbotsirrtum beruht im Kern auf Fahrlässigkeit. Aus meiner Sicht ist so eine Situation vermeidbar gem. § 17 Satz 2 StGB.

Also ich würde wohl eine Strafbarkeit bejahen. Es kommt aber auf einen Strafantrag nach § 123 II StGB an.

Naja, ist das jetzt ein Klausurfall? Oder wo kommt der her?
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