Dem Vernehmen nach gab es in der Vergangenheit durchaus Phasen, in denen in größerer Anzahl Absolventen mit eher schwachen Noten in den Staatsdienst aufgenommen wurden - beispielsweise in der Boomzeit nach der Wiedervereinigung, als in Ostdeutschland Justiz und Verwaltung neu aufgestellt werden mussten. Statistiken habe ich keine, aber in diesem Forum wurde das bereits thematisiert. Bottom line: Man kann sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass die wahre Schwelle der „Befähigung zum Richteramt“ der Bezeichnung zum Trotz nicht beim Bestehen des zweiten Examens liegen solle, sondern deutlich darüber, aber das entspricht weder der prüfungsrechtlichen Theorie noch lässt es sich aus der althergebrachten Praxis zwingend begründen. Es steht auch im Widerspruch zu dem Grundsatz der deutschen Juristenausbildung, dass vom Prinzip her alle Juristen unabhängig von der konkreten Tätigkeit her gleich qualifiziert sein sollten - denn was sollten dann all die schwachen Absolventen, bei denen es zum Richteramt nicht reicht, noch für Tätigkeiten ausüben?jona7317 hat geschrieben: ↑Sonntag 17. November 2024, 18:20 Naja... Das heisst zwar so, stimmt. Aber die Prüfer wissen doch auch, dass ein 2x4 Kandidat niemals ins Richteramt kommt. Wenn davon ausgegangen würde, dass jeder Absolvent bei der StA oder im Richteramt landet, würde das Examen wohl einfach völlig anders bewertet werden.
Richterbesoldung
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Re: Richterbesoldung
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
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Re: Richterbesoldung
Dass der Grundsatz der deutschen Juristenausbildung die gleiche Qualifizierung aller Absolventen ist, würde ich hinterfragen. Unabhängig von der angestrebten Tätigkeit soll der Absolvent gleichmäßig auf alle juristischen Berufe vorbereitet werden; das heisst aber nicht, dass alle Absolventen untereinander gleich gut in allen Tätigkeitsgebieten sind. Und es lassen sich auch durchaus Argumente finden, warum jemand, der nicht zum Richteramt taugt, trotzdem als Anwalt auf die Allgemeinheit losgelassen werden darf. Den Anwalt kann man sich nämlich aussuchen, den Richter/Staatsanwalt aber nicht.
Ich auch gar nicht unbedingt der Meinung, man dürfe niemanden mit ausreichend auf den Richterstuhl lassen. Ich finde nur diese konkrete Argumentation dafür nicht sehr überzeugend.
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Re: Richterbesoldung
Ein wesentlicheres Argument, als das der freien Wahl des Rechtsanwaltes (die jedenfalls beim BGH wiederum eingeschränkt ist und es bis zu Beginn der 00er Jahre auch an den OLGs war) ist m.E., dass der Richter und auch der Staatsanwalt staatliche Gewalt ausübt - der Rechtsanwalt gerade nicht. Der Rechtsanwalt kann zwar Entscheidungen treffen, die zu Konsequenzen führen können, weil sie eine nachteilige Gerichtsentscheidung herbeiführen o.ä., aber die tatsächliche, mit staatlicher Gewalt durchsetzbare Entscheidung trifft in erster Linie der Richter; und auch der Staatsanwalt als Herr der Ermittlungsverfahrens kann staatliche Gewalt durch sich Bedienens der jeweiligen Landespolizeibeamten und Anordnens von strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen anwenden. Insofern ist es im Übrigen auch konsequent, dass wiederum auch nicht jeder Hinz und Kunz, der es mit ach-und-krach zu zwei Examina geschafft hat, (Anwalts-)Notar werden kann (obschon theoretisch beim Nur-Notar), denn auch der Notar übt staatliche Gewalt aus.jona7317 hat geschrieben: ↑Dienstag 19. November 2024, 11:52 Dass der Grundsatz der deutschen Juristenausbildung die gleiche Qualifizierung aller Absolventen ist, würde ich hinterfragen. Unabhängig von der angestrebten Tätigkeit soll der Absolvent gleichmäßig auf alle juristischen Berufe vorbereitet werden; das heisst aber nicht, dass alle Absolventen untereinander gleich gut in allen Tätigkeitsgebieten sind. Und es lassen sich auch durchaus Argumente finden, warum jemand, der nicht zum Richteramt taugt, trotzdem als Anwalt auf die Allgemeinheit losgelassen werden darf. Den Anwalt kann man sich nämlich aussuchen, den Richter/Staatsanwalt aber nicht.
Ich auch gar nicht unbedingt der Meinung, man dürfe niemanden mit ausreichend auf den Richterstuhl lassen. Ich finde nur diese konkrete Argumentation dafür nicht sehr überzeugend.
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Re: Richterbesoldung
Aber den Notar kann ich mir ja gerade anwaltsgleich aussuchen.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Richterbesoldung
Wir könnten ein System haben wie in Frankreich oder Österreich, wo sich die Juristenkarrieren nach dem Studium bald aufspalten: Wer Richter werden will, tritt in einen dedizierten Vorbereitungsdienst für Richter ein, absolviert Kurse an einer Richterschule und tritt dann zu einer entsprechenden Prüfung an; und wer Anwalt werden will, geht in einer Anwaltskanzlei zur Lehre und absolviert eine Anwaltsprüfung. Wir könnten auch ein System wie England haben, wo Prozessanwälte und rechtsberatende Anwälte getrennte Berufsstände sind und Richter (nicht mehr ausschließlich, aber doch immer noch ganz vorwiegend) aus den Reihen der Prozessanwälte mit jahrzehntelanger Erfahrung ernannt werden.
Beides haben wir aber nicht. Wir haben ein System, das sich dem Leitbild verschrieben hat, dass alle praktizierenden Juristen vom Grundsatz her dieselbe einheitliche Ausbildung durchlaufen und dieselbe Qualifikation erworben haben - nämlich die des Richters. Die Sinnhaftigkeit dieser Philosophie kann man hinterfragen, aber das ist das Leitbild der deutschen Juristenausbildung, und diese Gleichwertigkeit von Richtern und Anwälten wird auf Anwaltsseite auch gerne betont - so von wegen unabhängiges Organ der Rechtspflege und so. Das zweite Staatsexamen aufspalten in "Richtermaterial" oberhalb einer Notengrenze und "wir nennen das zwar befähigt zum Richteramt, aber Richter werden darf der natürlich nie" unterhalb dieser Grenze mag zwar dem eigenen Ego der Richter schmeicheln und entspricht vielleicht auch verbreiteter Wahrnehmung auf dem Arbeitsmarkt, wäre aber eine Abkehr vom Grundkonzept des ganzen Systems, wenn man das formalisieren würde.
Staatliche Gewalt übt übrigens auch der "oberes ausreichend"-Absolvent, der auf Grund der Bewerberlage im jeweiligen Recruitment in die Widerspruchsstelle des Landratsamtes auf E13 eingestellt wurde, aus.
Beides haben wir aber nicht. Wir haben ein System, das sich dem Leitbild verschrieben hat, dass alle praktizierenden Juristen vom Grundsatz her dieselbe einheitliche Ausbildung durchlaufen und dieselbe Qualifikation erworben haben - nämlich die des Richters. Die Sinnhaftigkeit dieser Philosophie kann man hinterfragen, aber das ist das Leitbild der deutschen Juristenausbildung, und diese Gleichwertigkeit von Richtern und Anwälten wird auf Anwaltsseite auch gerne betont - so von wegen unabhängiges Organ der Rechtspflege und so. Das zweite Staatsexamen aufspalten in "Richtermaterial" oberhalb einer Notengrenze und "wir nennen das zwar befähigt zum Richteramt, aber Richter werden darf der natürlich nie" unterhalb dieser Grenze mag zwar dem eigenen Ego der Richter schmeicheln und entspricht vielleicht auch verbreiteter Wahrnehmung auf dem Arbeitsmarkt, wäre aber eine Abkehr vom Grundkonzept des ganzen Systems, wenn man das formalisieren würde.
Staatliche Gewalt übt übrigens auch der "oberes ausreichend"-Absolvent, der auf Grund der Bewerberlage im jeweiligen Recruitment in die Widerspruchsstelle des Landratsamtes auf E13 eingestellt wurde, aus.
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