Frage zum Anwartschaftsrecht und Eigentumsvorbehalt bei zeitlicher Zäsur.
Das Anwartschaftsrecht wird in der Praxis häufig zeitgleich mit der obligatorischen Einigung begründet. Wie verhält es sich jedoch, wenn zwischen der obligatorischen Einigung und der Einräumung des Eigentumsvorbehalts eine zeitliche Zäsur besteht?
Zur Veranschaulichung ein konkretes Beispiel:
V verkauft dem K eine Hemdensammlung. Kurz vor der Übergabe, am nächsten Tag, erklärt V, dass der Verkauf nur unter Eigentumsvorbehalt erfolgt (§ 449 Abs. 1 BGB). Es stellt sich die Frage: Bedingt der Eigentumsvorbehalt die Annahme eines neuen Übereignungsangebots durch K gemäß § 145 BGB? Was passiert, wenn K die Annahme verweigert?
1. Hat K in diesem Fall eine Verletzung der Eigentumsverschaffungspflicht (§ 433 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) begangen und macht sich somit schadensersatzpflichtig?
2. Falls ja, müsste V dann nicht im Rahmen der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB sein Streben nach dem Eigentumsvorbehalt aufgeben und dennoch übereignen?
Ich freue mich auf eine kasuistische Diskussion zu dieser Konstellation!
Einseitiger Durchsetzungsversuch eines Anwartschaftsrechtes durch den Verkäufer nach Vertragschluss.
Moderator: Verwaltung
- Ambitiosus_Advocatus
- Noch selten hier
- Beiträge: 18
- Registriert: Samstag 3. August 2024, 14:39
Einseitiger Durchsetzungsversuch eines Anwartschaftsrechtes durch den Verkäufer nach Vertragschluss.
"The clearest way to show what the rule of law means to us in everyday life is to recall what has happened when there is no rule of law." - Dwight D. Eisenhower.
-
- Fleissige(r) Schreiber(in)
- Beiträge: 167
- Registriert: Donnerstag 19. September 2024, 18:06
- Ausbildungslevel: RRef
Re: Einseitiger Durchsetzungsversuch eines Anwartschaftsrechtes durch den Verkäufer nach Vertragschluss.
Hier ist jetzt wichtig zu unterscheiden bzw. zu bedenken, dass der Eigentumsvorbehalt sowohl schuldrechtlich als auch isoliert dinglich vereinbart werden kann. Im Zweifel gilt jedoch nach § 449 I BGB, dass eine schuldrechtliche Vereinbarung auch für die dingliche Ebene gilt. Zudem bei diesem Thema darauf achten, dass Abstraktions- und Trennungsprinzip nicht zu missachten!
Das ist insofern wichtig zu unterscheiden, weil es natürlich Auswirkungen darauf hat, was der Verkäufer schuldet und dementsprechend, ob er eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt.
In dem Beispiel ist die Frage, ob die dingliche Einigung (!) gleichzeitig bereits mit der Einigung über den Kaufvertrag erfolgte, sodass nur noch die Übergabe für die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB notwendig ist oder ob sich lediglich die schuldrechtliche Vereinbarung in Form des Kaufvertrages getroffen wurde. Bei Letzterem kann dann natürlich - auch ohne, dass dies schuldrechtlich vereinbart wurde - die dingliche Einigung dennoch unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 I BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung getroffen werden.
Der Verkäufer kann aber nicht nachträglich sagen, dass der Verkauf (!), d.h. die schuldrechtliche Einigung, nur unter Eigentumsvorbehalt erfolgt sei, wenn das nicht zuvor Gegenstand der schuldrechtlichen Einigung war. Diese Erklärung kann entweder ein neues Angebot darstellen gerichtet auf eine Änderung der bisherigen Vereinbarung durch neue Vertrag, § 311 I BGB oder es kann eine Erklärung sein, die sich darauf bezieht, dass die dingliche Einigung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung stehe. Das ist dann durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
Zu den den Fragen:
1)
Wenn vereinbart wurde, dass der Verkäufer die Verschaffung des Eigentums schuldet - wie in § 433 I 1 BGB für den Kaufvertrag typisiert - dann hat er erstmal auch das vollständige Eigentum dem Gläubiger zu verschaffen. Ggf. kann er natürlich die Einrede aus § 320 I 1 BGB geltend machen, sodass die Leistungen Zug-um-Zug zu erfolgen hätten, § 322 I BGB. In den meisten Fällen würde einem Schadensersatzanspruch dementsprechend entgegenstehen, dass die fällige Leistung des Schuldners (die (bedingungslose) Eigentumsverschaffung) nicht durchsetzbar ist wegen bspw. der Einrede aus § 320 I 1 BGB. Sofern die Einrede (oder andere Einreden ausgeschlossen) sind (oder nicht erhoben wurden), käme ein SE-Anspruch in Betracht.
2)
Grundsätzlich schuldet der Ersatzpflichtige Naturalrestitution, d.h. Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Das wäre in der Tat die bedingungslose Übertragung des Eigentums. Ein Schadensersatz muss in der Tat im Fall der Naturalrestitution nicht notwendigerweise eine Geldleistung darstellen, beachte jedoch: § 249 II BGB. Vielmehr kann auch eine (vertretbare) Handlung geschuldet sein. Beispielsweise kann sich auch aus §§ 823 I, 249 I BGB ein Herausgabeanspruch ergeben, wenn eine Sache weggenommen wurde.
Das ist insofern wichtig zu unterscheiden, weil es natürlich Auswirkungen darauf hat, was der Verkäufer schuldet und dementsprechend, ob er eine Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt.
In dem Beispiel ist die Frage, ob die dingliche Einigung (!) gleichzeitig bereits mit der Einigung über den Kaufvertrag erfolgte, sodass nur noch die Übergabe für die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB notwendig ist oder ob sich lediglich die schuldrechtliche Vereinbarung in Form des Kaufvertrages getroffen wurde. Bei Letzterem kann dann natürlich - auch ohne, dass dies schuldrechtlich vereinbart wurde - die dingliche Einigung dennoch unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 I BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung getroffen werden.
Der Verkäufer kann aber nicht nachträglich sagen, dass der Verkauf (!), d.h. die schuldrechtliche Einigung, nur unter Eigentumsvorbehalt erfolgt sei, wenn das nicht zuvor Gegenstand der schuldrechtlichen Einigung war. Diese Erklärung kann entweder ein neues Angebot darstellen gerichtet auf eine Änderung der bisherigen Vereinbarung durch neue Vertrag, § 311 I BGB oder es kann eine Erklärung sein, die sich darauf bezieht, dass die dingliche Einigung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung stehe. Das ist dann durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
Zu den den Fragen:
1)
Wenn vereinbart wurde, dass der Verkäufer die Verschaffung des Eigentums schuldet - wie in § 433 I 1 BGB für den Kaufvertrag typisiert - dann hat er erstmal auch das vollständige Eigentum dem Gläubiger zu verschaffen. Ggf. kann er natürlich die Einrede aus § 320 I 1 BGB geltend machen, sodass die Leistungen Zug-um-Zug zu erfolgen hätten, § 322 I BGB. In den meisten Fällen würde einem Schadensersatzanspruch dementsprechend entgegenstehen, dass die fällige Leistung des Schuldners (die (bedingungslose) Eigentumsverschaffung) nicht durchsetzbar ist wegen bspw. der Einrede aus § 320 I 1 BGB. Sofern die Einrede (oder andere Einreden ausgeschlossen) sind (oder nicht erhoben wurden), käme ein SE-Anspruch in Betracht.
2)
Grundsätzlich schuldet der Ersatzpflichtige Naturalrestitution, d.h. Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Das wäre in der Tat die bedingungslose Übertragung des Eigentums. Ein Schadensersatz muss in der Tat im Fall der Naturalrestitution nicht notwendigerweise eine Geldleistung darstellen, beachte jedoch: § 249 II BGB. Vielmehr kann auch eine (vertretbare) Handlung geschuldet sein. Beispielsweise kann sich auch aus §§ 823 I, 249 I BGB ein Herausgabeanspruch ergeben, wenn eine Sache weggenommen wurde.
- Strich
- Mega Power User
- Beiträge: 2525
- Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
- Ausbildungslevel: Anderes
Re: Einseitiger Durchsetzungsversuch eines Anwartschaftsrechtes durch den Verkäufer nach Vertragschluss.
Standardproblem. Sollte eigentlich überall zu finden sein. V kann den Eigentumsvorbehalt auch nachträglich durchsetzen. Er kann ja nach § 320 BGB die Übereignung bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung verweigern.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -
www.richtersicht.de
Seit 31.05.2022 Lord Strich
- Daria -
www.richtersicht.de
Seit 31.05.2022 Lord Strich