Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung als Vertragsklausel
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Re: Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung als Vertragsklausel
Ach sorry, ich bin ohne darüber nachzudenken automatisch auf die Verkürzung gesprungen, keine Ahnung warum. Ich weiss nicht, ob der gänzliche Verzicht auf die Verjährungseinrede nicht unter § 307 II Nr. 1 BGB fallen würde. Intuitiv kommt mir der Verzicht zunächst harmlos vor, denn der Verwender könnte ja genauso gut vor Ablauf der Verjährungsfrist klagen und die Verjährung hemmen. Aber der Grundgedanke hinter der Verjährung ist der Rechtsfrieden, der andere soll, wenn der andere nicht vor Fristablauf klagt (oder ein anderer der Hemmungstatbestände eintritt), sicher wissen können, dass da nichts mehr kommt. Die Idee, dass jeder Schuldner nachdem erhebliche Zeit ins Land gegangen ist mit ruhigem Gewissen einschlafen darf, kommt mir sehr grundlegend vor. Ich würde deshalb dazu neigen, zu sagen, dass ein gänzlicher Verzicht auf die Verjährungseinrede unter § 307 II Nr. 1 fällt und unwirksam wäre. Eine maßvolle Verlängerung der Verjährungsfrist wäre eine andere Geschichte, aber der Vollverzicht scheint mir inkompatibel mit der Idee des Rechtsfriedens zu sein.
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Re: Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung als Vertragsklausel
Moin Jona,jona7317 hat geschrieben: ↑Samstag 7. Dezember 2024, 20:02 Ach sorry, ich bin ohne darüber nachzudenken automatisch auf die Verkürzung gesprungen, keine Ahnung warum. Ich weiss nicht, ob der gänzliche Verzicht auf die Verjährungseinrede nicht unter § 307 II Nr. 1 BGB fallen würde. Intuitiv kommt mir der Verzicht zunächst harmlos vor, denn der Verwender könnte ja genauso gut vor Ablauf der Verjährungsfrist klagen und die Verjährung hemmen. Aber der Grundgedanke hinter der Verjährung ist der Rechtsfrieden, der andere soll, wenn der andere nicht vor Fristablauf klagt (oder ein anderer der Hemmungstatbestände eintritt), sicher wissen können, dass da nichts mehr kommt. Die Idee, dass jeder Schuldner nachdem erhebliche Zeit ins Land gegangen ist mit ruhigem Gewissen einschlafen darf, kommt mir sehr grundlegend vor. Ich würde deshalb dazu neigen, zu sagen, dass ein gänzlicher Verzicht auf die Verjährungseinrede unter § 307 II Nr. 1 fällt und unwirksam wäre. Eine maßvolle Verlängerung der Verjährungsfrist wäre eine andere Geschichte, aber der Vollverzicht scheint mir inkompatibel mit der Idee des Rechtsfriedens zu sein.
interessante Frage. Zur Anregung mal meine Gedanken dazu:
Jetzt unabhängig davon, wie genau es zum Verzicht auf die Verjährung gekommen ist, kann ja ggf. vom Schuldner mit dem Schuldner auch ein deklaratorisches Schulanerkenntnis gem. §§ 311, 241 BGB (Vertrag) begründet werden. Das wirkt nicht konstitutiv, sondern bestätigend und soll dem Gläubiger Sicherheit geben, also dass quasi auf alle Fälle erfüllt wird. Die Rechtsfolge ist i.d.R., muss allerdings durch Auslegung ermittelt werden, der Verzicht auf sämtliche Einreden und Einwendungen. Darunter fiele damit auch die Verjährung.
Meiner Meinung nach wäre es treuwidrig und mit dem Prinzip der gegenseitigen Vertragstreue nicht vereinbar, wenn der Schuldner quasi damit seine unbedingte Erfüllungsbereitschaft ausdrückt, dann doch aber nicht erfüllt und sich dann auf die Verjährung beruft. Ich sehe darin ein Fall von venire contra factum proprium, wenn er später dann doch die Notbremse zieht. Dass der Gläubiger das möglicherweise in die Verjährung hat laufen lassen, ändert meiner Meinung nach nichts an seiner Schutzwürdigkeit. Schließlich war für beide das in solchen Fällen erkennbar. Der Schuldner verzichtet ja im Rahmen seiner Privatautonomie auf seinen Schutz selbst.
Ob man das in AGB genauso behandelt, kann man denke ich so und so sehen. Ganz ausgeschlossen halte ich das jedenfalls nicht. Wenn keine B/C-Konstellation vorliegt, hier stellt sich das Problem ja praktisch gar nicht, denke ich schon, dass das gehen kann.
LG
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Re: Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung als Vertragsklausel
Kann ich soweit nachvollziehen. Ich würde zwischen dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis und der Vereinbarung eines Verjährungsverzichts in den AGB aber einen relevanten Unterschied sehen, nämlich den Rechtsbindungswillen. Bei ersterem greift deine Argumentation uneingeschränkt. Wer zuerst mit Rechtsbindungswillen erklärt, trotz Einrede leisten zu wollen, sich dann aber auf ebendiese Einrede beruft, sagt erst A und tut dann B; verhält sich also widersprüchlich.Meiner Meinung nach wäre es treuwidrig und mit dem Prinzip der gegenseitigen Vertragstreue nicht vereinbar, wenn der Schuldner quasi damit seine unbedingte Erfüllungsbereitschaft ausdrückt, dann doch aber nicht erfüllt und sich dann auf die Verjährung beruft. Ich sehe darin ein Fall von venire contra factum proprium, wenn er später dann doch die Notbremse zieht. Dass der Gläubiger das möglicherweise in die Verjährung hat laufen lassen, ändert meiner Meinung nach nichts an seiner Schutzwürdigkeit. Schließlich war für beide das in solchen Fällen erkennbar. Der Schuldner verzichtet ja im Rahmen seiner Privatautonomie auf seinen Schutz selbst.
Ob man das in AGB genauso behandelt, kann man denke ich so und so sehen.
Bei AGB würde ich das anders sehen: Die sind zwar Vertragsbestandteil geworden, aber nicht durch Angebot und Annahme, sondern nach § 305 II BGB. Einen konkreten Rechtsbindungswillen auf die einzelne AGB-Klausel gibt es hier gerade nicht und gerade auf diesem beruht, so würde ich es verstehen, die Widersprüchlichkeit im Ausgangsfall. A wurde gerade nicht gesagt, weshalb B tun nicht widersprüchlich ist.
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Re: Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung als Vertragsklausel
(nur auf das Zitat bezogen, ohne Beachtung des gesamten Fadens)jona7317 hat geschrieben: ↑Montag 9. Dezember 2024, 13:14Kann ich soweit nachvollziehen. Ich würde zwischen dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis und der Vereinbarung eines Verjährungsverzichts in den AGB aber einen relevanten Unterschied sehen, nämlich den Rechtsbindungswillen. Bei ersterem greift deine Argumentation uneingeschränkt. Wer zuerst mit Rechtsbindungswillen erklärt, trotz Einrede leisten zu wollen, sich dann aber auf ebendiese Einrede beruft, sagt erst A und tut dann B; verhält sich also widersprüchlich.Meiner Meinung nach wäre es treuwidrig und mit dem Prinzip der gegenseitigen Vertragstreue nicht vereinbar, wenn der Schuldner quasi damit seine unbedingte Erfüllungsbereitschaft ausdrückt, dann doch aber nicht erfüllt und sich dann auf die Verjährung beruft. Ich sehe darin ein Fall von venire contra factum proprium, wenn er später dann doch die Notbremse zieht. Dass der Gläubiger das möglicherweise in die Verjährung hat laufen lassen, ändert meiner Meinung nach nichts an seiner Schutzwürdigkeit. Schließlich war für beide das in solchen Fällen erkennbar. Der Schuldner verzichtet ja im Rahmen seiner Privatautonomie auf seinen Schutz selbst.
Ob man das in AGB genauso behandelt, kann man denke ich so und so sehen.
Bei AGB würde ich das anders sehen: Die sind zwar Vertragsbestandteil geworden, aber nicht durch Angebot und Annahme, sondern nach § 305 II BGB. Einen konkreten Rechtsbindungswillen auf die einzelne AGB-Klausel gibt es hier gerade nicht und gerade auf diesem beruht, so würde ich es verstehen, die Widersprüchlichkeit im Ausgangsfall. A wurde gerade nicht gesagt, weshalb B tun nicht widersprüchlich ist.
Nimmt jedoch nicht der Vertragspartner, dass Angebot des Verwenders an in Kenntnis der AGB und damit erstreckt sich sein in der Annahme enthaltener Rechtsbindungswille auf das Angebot als Ganzes, d.h. auch, dass diese AGB Vertragsbestandteil werden? Der Vertragspartner wird wohl kaum behaupten können "ich wurde auf die AGB aufmerksam gemacht/darauf wurde verwiesen o.ä." und gleichzeitig, dass diese 'für ihn' nicht Vertragsbestandteil geworden sind.
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Re: Erklärung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung als Vertragsklausel
[/quote]
(nur auf das Zitat bezogen, ohne Beachtung des gesamten Fadens)
Nimmt jedoch nicht der Vertragspartner, dass Angebot des Verwenders an in Kenntnis der AGB und damit erstreckt sich sein Rechtsbindungswille auf das Angebot als Ganzes, d.h. auch, dass diese AGB Vertragsbestandteil werden? Der Vertragspartner wird wohl kaum behaupten können "ich wurde auf die AGB aufmerksam gemacht/darauf wurde verwiesen o.ä." und gleichzeitig, dass diese 'für ihn' nicht Vertragsbestandteil geworden sind.
[/quote]
Also ich sehe das wie KMR.
Ich glaube, dass das der Dreh- und Angelpunkt ist. Im Kern ist das fast nur im VH B/B denkbar und man wird sicher sagen können, dass es zum allgemeinen unternehmerischen Sorgfaltsmaßstab gehört zuvor die AGB´s zu lesen. Das kann man "quasi" als vorvertragliche Obliegenheit begreifen. Beziehungsweise gehört es gar nicht mal "wirklich" zum Maßstab, denn mit einem KFB braucht man ja überhaupt keine AGB zu lesen für den VTS praktisch gesehen.
Also ich habe nochmal nachgelesen: Stichwort ist § 202 II BGB
BGH, 18.09.2007 - XI ZR 447/06
"Ein ohne zeitliche Einschränkung ausgesprochener Verzicht auf die
Einrede der Verjährung ist regelmäßig dahin zu verstehen, dass er
auf die dreißigjährige Maximalfrist des § 202 Abs. 2 BGB begrenzt
ist, soweit sich aus der Auslegung der Erklärung nichts Abweichendes ergibt."
Das galt aber für den Fall einer Individualvereinbarung. Ich lese das so, dass sie das grds. als Lücke auffassen und nicht an § 134 BGB scheitern lassen. Dann müsste man aber § 202 II BGB als Verbotsgesetz begreifen.
Aber das betrifft ja nur den Fall, wenn man das als Lücke begreift. Der Leitsatz klingt aber irgendwie so, als wäre das nicht unvorstellbar.
Über die Frage, wenn der Parteiwillen dem entspricht, haben sie aber nicht entschieden. Für den AGB-Fall aber, kann man sich sicher daran auch orientieren und meinen, dass irgendwann halt mal Schluss ist. Ich bin mir nicht sicher.
Denke aber, wenn man das als individualvertraglich nicht unmöglich ist, warum sollte das dann nicht in AGBs funktionieren? § 307 II BGB spricht ja auch von "im Zweifel". Also ich bin mir echt nicht sicher.
(nur auf das Zitat bezogen, ohne Beachtung des gesamten Fadens)
Nimmt jedoch nicht der Vertragspartner, dass Angebot des Verwenders an in Kenntnis der AGB und damit erstreckt sich sein Rechtsbindungswille auf das Angebot als Ganzes, d.h. auch, dass diese AGB Vertragsbestandteil werden? Der Vertragspartner wird wohl kaum behaupten können "ich wurde auf die AGB aufmerksam gemacht/darauf wurde verwiesen o.ä." und gleichzeitig, dass diese 'für ihn' nicht Vertragsbestandteil geworden sind.
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Also ich sehe das wie KMR.
Ich glaube, dass das der Dreh- und Angelpunkt ist. Im Kern ist das fast nur im VH B/B denkbar und man wird sicher sagen können, dass es zum allgemeinen unternehmerischen Sorgfaltsmaßstab gehört zuvor die AGB´s zu lesen. Das kann man "quasi" als vorvertragliche Obliegenheit begreifen. Beziehungsweise gehört es gar nicht mal "wirklich" zum Maßstab, denn mit einem KFB braucht man ja überhaupt keine AGB zu lesen für den VTS praktisch gesehen.
Also ich habe nochmal nachgelesen: Stichwort ist § 202 II BGB
BGH, 18.09.2007 - XI ZR 447/06
"Ein ohne zeitliche Einschränkung ausgesprochener Verzicht auf die
Einrede der Verjährung ist regelmäßig dahin zu verstehen, dass er
auf die dreißigjährige Maximalfrist des § 202 Abs. 2 BGB begrenzt
ist, soweit sich aus der Auslegung der Erklärung nichts Abweichendes ergibt."
Das galt aber für den Fall einer Individualvereinbarung. Ich lese das so, dass sie das grds. als Lücke auffassen und nicht an § 134 BGB scheitern lassen. Dann müsste man aber § 202 II BGB als Verbotsgesetz begreifen.
Aber das betrifft ja nur den Fall, wenn man das als Lücke begreift. Der Leitsatz klingt aber irgendwie so, als wäre das nicht unvorstellbar.
Über die Frage, wenn der Parteiwillen dem entspricht, haben sie aber nicht entschieden. Für den AGB-Fall aber, kann man sich sicher daran auch orientieren und meinen, dass irgendwann halt mal Schluss ist. Ich bin mir nicht sicher.
Denke aber, wenn man das als individualvertraglich nicht unmöglich ist, warum sollte das dann nicht in AGBs funktionieren? § 307 II BGB spricht ja auch von "im Zweifel". Also ich bin mir echt nicht sicher.