Rechtsbehelf gegen Grund-VA UND Zwangsgeldandrohung?

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Windscheid
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Rechtsbehelf gegen Grund-VA UND Zwangsgeldandrohung?

Beitrag von Windscheid »

Ich stehe gerade bzgl. eines Falls aus dem Referendariat etwas auf dem Schlauch, konnte aber auch keine befriedigende Antwort in den mir zur Verfügung stehenden Kommentaren finden... Es handelt sich um eine Anwaltsklausur.

Der Fall liegt wie folgt: Eine Behörde erlässt gegenüber einem Bürger einen Grund-VA, der ihm eine Handlung vorschreibt (Tenor zu 1.) und verbindet diesen mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (Tenor zu 2.) und einer Zwangsgeldandrohung (Tenor zu 3.). Die Zwangsgeldandrohung ist sinngemäß wie folgt formuliert: "Für den Fall, dass Sie der Anordnung zu 1. nicht bis zum ... nachkommen, drohe ich Ihnen ein Zwangsgeld iHv ... an." Das Widerspruchsverfahren ist statthaft, Widerspruch wurde ordnungsgemäß erhoben.

Nun soll darüber hinaus Eilantrag nach § 80 V VwGO gestellt werden. Der Grund-VA ist rechtswidrig, gegen diesen wird also natürlich im Wege des § 80 V VwGO vorgegangen, es wird also die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt. Dieser ist also erfolgreich.

Muss aber darüber hinaus auch zwingend gegen die Zwangsgeldandrohung ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt werden?

Die Zwangsgeldandrohung setzt bekanntermaßen einen bestandskräftigen VA oder - wie hier - einen VA voraus, gegen den ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat, auf die Rechtswidrigkeit kommt es nicht an.

Der Grund-VA ist nunmehr also in unserem Fall nicht mehr sofort vollziehbar und der Widerspruch entfaltet aufschiebende Wirkung. Selbst wenn man gar nicht im Eilverfahren gegen die Androhung des Zwangsgeldes vorgegangen ist, wird dem Betroffenen keine Vollstreckung mehr drohen. Denn durch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist die Voraussetzung der weiteren Stufe der Vollstreckung weggefallen. Denn es würde für einen Festsetzungsbescheid das Vorliegen eines sofort vollziehbaren Grund-VA zu prüfen sein - und der liegt nicht vor, weil die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Grund-VA wiederhergestellt wird. Es kann insofern keine Festsetzung mehr erfolgen.

Man könnte das Zwangsgeld nur dann festsetzen, wenn die Androhung derart wirken würde, dass die Fortexistenz des Grund-VA fingiert wird. Woraus sich eine solche Fiktion ergeben soll, sehe ich nicht.

Noch unsinniger würde es werden, wenn das Gericht in der Zwischenzeit den Verwaltungsakt wegen der Rechtswidrigkeit in der Hauptsache endgültig aufhebt, dann fehlt es völlig an einem Haupt-VA und damit einer vollstreckungsfähigen Haupt-Entscheidung. Wie eine isolierte Zwangsgeldandrohung ohne noch existente (!) Grundverfügung allein lebensfähig sein soll, erschließt sich mir nicht. Mit der Aufhebung des Tenor zu 1. steht dann ja praktisch im Bescheidtenor nur noch Punkt 3 mit dem Inhalt "Für den Fall, dass Sie der Anordnung zu 1. nicht bis zum ... nachkommen, drohe ich Ihnen ein Zwangsgeld iHv ... an". Was soll das denn sein? Das ist nicht vollstreckbar, weil darin keine Handlung steht, die erzwungen werden könnte. Das ist nicht rechtswidrig, sondern dann sogar nichtig, weil dieser "Stumpf" überhaupt keinen Sinn ergibt.

Darüber hinaus bleibt mir auch unklar, was überhaupt selbst bei einem Antrag auch gegen die Zwangsgeldandrohung genau zur Rechtswidrigkeit führen soll. Es kommt zwar nicht auf die Rechtswidrigkeit des Grund-VA an, aber über die Hintertür § 80 V VwGO wird sie dann doch wieder relevant, weil sie Voraussetzung für die sofortige Vollziehbarkeit ist. Das tritt aber erst dann ein, wenn das Gericht tatsächlich die aufschiebende Wirkung des Grund-VA wiederherstellt. Insofern bestünde dann ein Stufenverhältnis zwischen der Entscheidung über den Antrag auf Wiederherstellung auf 1. Stufe und dann den Antrag auf Anordnung auf 2. Stufe. D.h. man begründet die Rechtswidrigkeit auf 2. Stufe aus anwaltlicher Sicht mit einem Umstand, der auf 1. Stufe noch gar nicht vollständig eingetreten ist.

Ich habe kein Problem damit, wenn das letztere juristisch möglich ist, aber mir erschließt sich dann nicht, warum es als "einziges" richtig sein soll. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in einer weiteren Klausur die Musterlösung wiederum trotz Rechtswidrigkeit NUR der Zwangsgeldandrohung keine Erhebung eines Rechtsbehelfs (Eilantrags) dagegen vorsieht, weil der Kläger ja "ohnehin aufgrund der Rechtmäßigkeit des Grund-VA nichts real zu gewinnen habe". Was hat denn der Mandant dann aber gewonnen, wenn man im obigen Fall einen weiteren Rechtsbehelf erhebt, dessen Sinn und Zweck aber ebenso wenig ersichtlich ist, weil auch ohne weiteren Rechtsbehelf kein Schaden droht?
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scndbesthand
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Re: Rechtsbehelf gegen Grund-VA UND Zwangsgeldandrohung?

Beitrag von scndbesthand »

Alles gut und schön. Sollte man nicht trotzdem den „sichersten Weg“ gehen und im Zweifel alles beseitigen, was Schadenspotenzial hat?
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