Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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sonnenschein234
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Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von sonnenschein234 »

Meine Lieben,

ich bräuchte nochmal Eure Hilfe.

Der Kläger hat eine Forderung gegen den Beklagten. Dem Beklagten steht entsprechend eine Schadensersatzforderung zu, da es eine Fehlberatung gab und der Vertrag bei korrekter Beratung so nicht abgeschlossen worden wäre. Der Beklagte hat nun die Aufrechnung erklärt. In den Bedingungen steht wirksam, dass die Aufrechnung nur gegen rechtskräftig festgestellte oder unstrittige Forderungen erlaubt ist.

Meinem ersten Zugriff nach verstößt die Aufrechnung gegen das Aufrechnungsverbot. Doch welche Rolle spielt hier § 322 Abs. 2 ZPO?

Vielleicht kann mir hier nochmal wer helfen ...
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Schnitte
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von Schnitte »

Ist das nicht ein Fall von dolo agit? Ich verstehe den SV so, dass der Schaden des Beklagten (verursacht durch die Fehlberatung) darin liegt, einen für ihn ungünstigen Vertrag eingegangen zu sein. Dann entsteht der Schaden ja erst dann, wenn er aus dem Vertrag in Anspruch genommen wird; und dann hat er gegenüber dieser Inanspruchnahme die dolo-agit-Einrede aus § 242, so dass er gar nicht aufrechnen muss. Vielleicht interpretiere ich hier aber auch den Sachverhalt falsch.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375
sonnenschein234
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von sonnenschein234 »

Schnitte hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 13:35 Ist das nicht ein Fall von dolo agit? Ich verstehe den SV so, dass der Schaden des Beklagten (verursacht durch die Fehlberatung) darin liegt, einen für ihn ungünstigen Vertrag eingegangen zu sein. Dann entsteht der Schaden ja erst dann, wenn er aus dem Vertrag in Anspruch genommen wird; und dann hat er gegenüber dieser Inanspruchnahme die dolo-agit-Einrede aus § 242, so dass er gar nicht aufrechnen muss. Vielleicht interpretiere ich hier aber auch den Sachverhalt falsch.
Stimmt, noch schönere Lösung ;). Danke!
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FKN993
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von FKN993 »

Frage zu einer möglichen Aufhebung in so einer Konstellation. Das habe ich mich noch nie gefragt:

Ordnet man die vorherige Beratung dann als eigenständige Beratung mit RBW ein oder vorvertraglich? Im ersten Fall kann ich dann über Beratungsvertrag i.V.m. §§ 280 I, 249 I BGB Aufhebung des ungewollten Vertrags verlangen?

Wenn aber vorvertraglich, stelle ich mir die Frage, ob man Aufhebung des später geschlossenen ungewollten Vertrages eigentlich auch über § 346 I BGB i.V.m. § 324 BGB (analog, weil ja vorvertragliche Pflicht) i.V.m. 241 II BGB verlangen kann?
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 14:40 Frage zu einer möglichen Aufhebung in so einer Konstellation. Das habe ich mich noch nie gefragt:

Ordnet man die vorherige Beratung dann als eigenständige Beratung mit RBW ein oder vorvertraglich? Im ersten Fall kann ich dann über Beratungsvertrag i.V.m. §§ 280 I, 249 I BGB Aufhebung des ungewollten Vertrags verlangen?

Wenn aber vorvertraglich, stelle ich mir die Frage, ob man Aufhebung des später geschlossenen ungewollten Vertrages eigentlich auch über § 346 I BGB i.V.m. § 324 BGB (analog, weil ja vorvertragliche Pflicht) i.V.m. 241 II BGB verlangen kann?
Zu §§ 280 I, 249 BGB mit Ziel der Vertragsaufhebung: Das hilft dem Vertragspartner nur teilweise. Denn er will wohl regelmäßig jedenfalls auch den Schaden ersetzt haben, der ihm ggf. als Folge der Fehlberatung (freilich davon abhängig, um was für eine Beratung es sich handelt) entstanden ist.

Sofern hier gemeint ist, dass es eine Art Beratung wie in einem Baumarkt o.ä. gemeint ist, dann könnte man in der Tat über eine vorvertragliche Pflicht nachdenken; wobei hier auch zu überlegen ist, ob die (Fehl-)Beratung überhaupt eine Verletzung einer Pflicht im Sinne des § 241 II BGB darstellt, denn nur solche sind bei vorvertraglichen Schuldverhältnissen nach § 311 II BGB begründet oder ob man nicht hierin bereits eine Leistungspflicht im Sinne des § 241 I BGB sehen müsste, die Teil eines selbstständigen Beratungsvertrages ist, wobei es grundsätzlich unerheblich ist, ob diese Beratung unentgeltlich oder entgeltlich erfolgt. Damit wäre die Fehlberatung u.U. als Schlechtleistung zu klassifizieren. Das halte ich persönlich für überzeugender, wenn man tatsächlich von einer echten "Beratung" ausgeht im Sinne von, dass ausgehend von einer vom Beratungssuchenden vorgetragenen Situation und Problematik eine Hilfestellung/Lösungs-/Informationsvorschläge erfolgen und sich dafür entsprechend für einen gewissen Zeitraum ausschließlich dem Beratungssuchenden zugewandt wird.
Sofern hier jedoch eine Beratung wie bei einem Rechtsanwalt, einem Versicherungsmakler/-vertreter o.ä. gemeint ist, dann stellt dies wohl unstreitig ein eigenes getrenntes Schuldverhältnis dar vom Folgegeschäft, bei dem die Beratung selbst unstreitig als Leistungspflicht im Sinne des § 241 I BGB anzusehen ist.

Sofern man Leistungspflicht nach § 241 I BGB durch einen selbstständigen Beratungsvertrag annimmt, dann wäre ein Rücktritt nach § 323 I BGB denkbar mit entsprechendem Rückgewähranspruch aus § 346 I BGB. Sofern infolge der (Fehl-)Beratung ein weiteres Geschäft abgeschlossen wurde, das ein Schaden darstellt und ersetzt werden soll, dann würde ggf. ein (großer) Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III, 281 I BGB für den Schuldner sinnvoller sein (dieser kann seit der Schuldrechtsreform auch noch nach dem Rücktritt erklärt werden § 325 BGB).
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FKN993
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von FKN993 »

Stimme dir völlig zu, was die erste Situation angeht.

Die andere Konstellation, die finde ich schwieriger, würde ich immer mit argumentativem Rückgriff auf den Rechtsgedanken von §§ 311 III 2 BGB, §§ 241 II, 242 BGB lösen: Wenn man genau hinschaut, dann wird hier die Haftung des Dritten und das Schuldverhältnis deswegen begründet, weil es letztlich quasi ein Verstoß gegen venire contra factum proprium wäre. § 311 III 2 BGB verkörpert diesen Tatbestand. Dritter (Berater) beansprucht für sich schutzwürdiges Vertrauen, der andere wird dazu veranlasst ihm zu vertrauen. Das findest du ja überall im BGB vom Prinzip her.

Gedanklich würde ich das auf dein Baumarktbeispiel übertragen unter dem Stichwort "vorvertragliche Informationspflichten". Das würde ich bei gefährlichen oder sehr teuren Produkten so sehen wollen und z.B. der andere Teil diesbezüglich Fragen stellt und er dem anderen damit erkennbar macht, dass er seine Entscheidung bzgl. des VTS davon abhängig macht. Aber problematisches Beispiel:

A will zwecks Reparatur dem Juwelier (z.B. wegen eines Kostenvorschlags) seine enorm teure Uhr überlassen (sagen wir 200.000,00 €). Juwelier hatte aber keinen Versicherungsschutz (irgendwie so). Da könnte man vertreten, über § 242 i.V.m. § 241 II BGB und mit § 311 III 2 BGB, dass der Umstand des Versicherungsschutzes branchenspezifisch üblich wäre und der andere Teil sowas auch grundsätzlich erwarten kann, dass ihm über sowas sogar ungefragt Auskunft erteilt wird. Oder nicht?

Denkt man das jetzt nämlich mal weiter, es käme später dann zum Vertragsschluss, Kunde erfährt dann aber erst, dass seine Uhr bei ihm nicht versichert ist, dann hättest du bezogen auf den Werkvertrag keine Pflichtverletzung an die du den Rücktritt hängen könntest. (Mit § 313 kommst hier nicht weiter; beziehungsweise lassen wir den mal außen vor). Das Kündigungsrecht des Bestellers blenden wir auch mal aus (das passt hier nicht). Muss ja nicht zwingend Werkvertragsrecht sein. Jedenfalls würde ich persönlich den Vertrag sofort loswerden wollen dann. Und dafür würde bräuchte man dann § 324 BGB analog. Meine Meinung.

Aber KMR? Wäre das für dich ein Fall von § 281, wenn du das unter die Hauptleistungspflicht des Beratungsvertrags (damit Pflicht nach § 241 I BGB) fallen lässt? Für mich passt § 281 systematisch nicht, weil die Fristsetzung hier Quatsch wäre (grenze über den zeitlich-dynamischen Ansatz ab). Das müsste doch deswegen ein Schadensersatz neben der Leistung sein, weil der Schaden (späterer Vertragsschluss) endgültig eingetreten wäre und sich eben nicht durch eine Nachberatung kompensieren ließe. Das geht doch gar nicht? Und statt der Leistung wird doch auch nur in Geld kompensiert?
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 17:01 A will zwecks Reparatur dem Juwelier (z.B. wegen eines Kostenvorschlags) seine enorm teure Uhr überlassen (sagen wir 200.000,00 €). Juwelier hatte aber keinen Versicherungsschutz (irgendwie so). Da könnte man vertreten, über § 242 i.V.m. § 241 II BGB und mit § 311 III 2 BGB, dass der Umstand des Versicherungsschutzes branchenspezifisch üblich wäre und der andere Teil sowas auch grundsätzlich erwarten kann, dass ihm über sowas sogar ungefragt Auskunft erteilt wird. Oder nicht?
Wenn es sich gerade um - wie von dir unterstellt - sehr teure Vermögensgegenstände handelt, dann hilft dem A in der Tat auch nicht, dass er ggf. SE-Ansprüche gegen den Juwelier hat, da dieser unabhängig von einer im Regelfall anzunehmenden Solvenz nicht notwendigerweise imstande ist derartige Beträge zu ersetzen. Sofern es tatsächlich auch noch branchenspezifisch/typisch wäre, dann könnte man zumindest darüber nachdenken. Letztlich muss man aber natürlich bedenken, dass sich A im Rahmen der Privatautonomie sich seinen Schuldner selbst aussucht und damit auch ein ggf. bestehendes (In-)Solvenzrisiko zu tragen hat.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 17:01 Denkt man das jetzt nämlich mal weiter, es käme später dann zum Vertragsschluss, Kunde erfährt dann aber erst, dass seine Uhr bei ihm nicht versichert ist, dann hättest du bezogen auf den Werkvertrag keine Pflichtverletzung an die du den Rücktritt hängen könntest. (Mit § 313 kommst hier nicht weiter; beziehungsweise lassen wir den mal außen vor). Das Kündigungsrecht des Bestellers blenden wir auch mal aus (das passt hier nicht). Muss ja nicht zwingend Werkvertragsrecht sein. Jedenfalls würde ich persönlich den Vertrag sofort loswerden wollen dann. Und dafür würde bräuchte man dann § 324 BGB analog. Meine Meinung.
S.o. Richtig ist, dass es keine Pflichtverletzung darstellen würde. Die Frage ist, warum sollte denn der Rücktritt eben gerechtfertigt sein. Selbst der Gesetzgeber sagt, dass wenn es ausschließlich die Verletzung von Schutzpflichten nach § 241 II BGB gegeben ist, dann genügt dies allein nicht für eine Vertraslösung oder Schadensersatz. Vielmehr muss ein Festhalten am Vertrag ihm unzumutbar sein, § 324 BGB / § 282 BGB. Das würde ich wohl bejahen, wenn man annimmt, dass der A gefragt hat nach einem Versicherungsschutz und der Juwelier beispielsweise es bewusst/arglistig wahrheitswidrig bejaht. Aber ob er verpflichtet ist von sich aus darüber zu informieren? Es ist schließlich m.E. auch nicht wie die Informationspflicht über die Unfallfreiheit eines Gebrauchtwagen; denn diese Eigenschaft hat schließlich in der Tat nicht nur einen Einfluss auf den Wert, sondern beeinflusst die Sache selbst bei erfolgter Reparatur die Sache ggf. nachhaltig.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 17:01

Aber KMR? Wäre das für dich ein Fall von § 281, wenn du das unter die Hauptleistungspflicht des Beratungsvertrags (damit Pflicht nach § 241 I BGB) fallen lässt? Für mich passt § 281 systematisch nicht, weil die Fristsetzung hier Quatsch wäre (grenze über den zeitlich-dynamischen Ansatz ab). Das müsste doch deswegen ein Schadensersatz neben der Leistung sein, weil der Schaden (späterer Vertragsschluss) endgültig eingetreten wäre und sich eben nicht durch eine Nachberatung kompensieren ließe. Das geht doch gar nicht? Und statt der Leistung wird doch auch nur in Geld kompensiert?
Hier wäre aber wohl auch folgendes Problem: Die Leistungsstörung ist im Beratungsvertrag. Wenn man annimmt, dass die Beratung unentgeltlich erfolgte, dann will der A einzig die Rückabwicklung des darauf erfolgten weiteren Vertrages (Kauf-/Werkvertrag/Mietvertrag o.ä.). In diesem Vertragsverhältnis besteht jedoch keine Leistungsstörung. Das kann man dadurch lösen (ähnliche Konstellation vor einigen Wochen in Probeklausuren korrigiert), dass man entweder das alles als einen einheitlichen Vertrag betrachtet (m.E. eher weniger überzeugend) oder jedenfalls so betrachtet, dass die rechtlich selbstständigen Verträge nach dem Parteiwillen eine rechtliche Einheit im Sinne des § 139 BGB bilden. Denn den zweiten Vertrag hat der A nur geschlossen, weil er von der ordnungsgemäßen Leistung im ersten ausging. Es war auch von beiden Seiten so gewollt, dass der Beratungsvertrag in einen weiteren Vertrag (Kauf oder ähnliches) übergeht und dieser weitere Vertrag gerade unter Verwertung der Ergebnisse/Inhalte aus der erfolgten Beratung nach dem Beratungsvertrag geschlossen wird.
So kann dann die Leistungsstörung aus dem Beratungsvertrag mit Berücksichtigung finden für die Rückabwicklung im zweiten Vertragsverhältnis.

In der Tat habe ich auch kurz darüber nachgedacht, ob ich jetzt pauschal § 281 BGB schreibe. Wenn man es die ordnungsgemäße Durchführung der Beratung als Hauptleistungspflicht im Sinne des § 241 I BGB qualifiziert, dann würde hier m.E. der Schadensersatz gerade an die Stelle der Leistung treten. Zudem wäre auch das Äquivalenzinteresse des A betroffen und nicht nur sein Integritätsinteresse. Die Fristsetzung ist tatsächlich unsinnig. Hier dachte ich schon, ob man das dann derart sehen könnte, dass die Beratung einzig vor dem weiteren Kauf erfolgen konnte und es von Anfang an auch von beiden Parteien so gesehen wurde (s.o.), sodass man eine Art (nachträgliche) Unmöglichkeit der weiteren Leistungserbringung/Leistungsnachbesserung hätte und damit zu § 283 BGB gelangt.

Gerichtet ist der SE, wenn man von § 283 BGB ausgeht, in der Tat auf Wertersatz nach § 251 BGB, weil die Herstellung dann unmöglich ist. Im Fall des § 281 BGB würde wegen § 281 IV BGB jedoch das Gleiche gelten.

Beim Schadensersatz statt der Leistung ist im Fall des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung, der hier wohl regelmäßig vorliegen wird, nach (§ 283 S.)§ 281 V in den Rechtsfolgen die §§ 346-348 BGB zu beachten.
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FKN993
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von FKN993 »

/Abs. 1: (Bin zu blöd zum Zitieren)

Ja, aber dein erstes Argument ist doch praktisch einzuordnen, ob ihm das hilft? Anspruch auf Aufhebung haben oder nicht haben ist hier die Frage. Ersteres ist zumindest etwas wert. § 242 BGB nimmt gezielt die Verkehrssitte in den Blick und statuiert damit die Grundlage für den Fahrlässigkeitsmaßstab: Wie hätte sich ein besonnener Dritter in vergleichbarer Lage hätte verhalten müssen? Und wenn der J in dem Fall der Branche angehört, dann ist er daran auch gebunden und darüber schon gegenüber seinem Kundenkreis zur Aufklärung verpflichtet. Das ist genauso wie im Rahmen der Produzentenhaftung, die wird nämlich in der Wurzel auch aus § 242 BGB abgeleitet: Wer gefährliche Produkte auf den Markt bringt, dann fällt es in dessen Sphäre darüber auch aufzuklären. Wenn die Verkehrssitte aber dem entspricht, es damit allgemein so ist, dass über bestimmte Dinge aufgeklärt wird, dann genießt A schon darüber einen abstrakten Vertrauensschutz. Das ist der Unterschied zum Fall mit der unterlassenen Mängelaufklärung. Aber im Grunde hier dasselbe: Wenn der spätere V erkennt, dass dieser Umstand für den Käufer von Bedeutung ist, also erkennt, dass K sich unter Kenntnis ggf. nicht auf den Vertrag mit einlässt, dann kann man nicht mehr davon sprechen, dass hier eine freie privatautonome Entscheidung vorlag. Hilfsweise: Angenommen der J hätte hier von Anfang reinen Tisch gemacht, dann hielt ich es umgekehrt für grob fahrlässig, wenn A seine Uhr dort lassen würde. Das wäre dumm. Dann würde ich die Haftung auch ablehnen. Aber jedenfalls hat J diesen Vorteil, Chance auf den Vertragsschluss damit nicht nur unwesentlich gesteigert. Die anfängliche Risikoverteilung ist damit eine andere: Von Chancengleichheit (da sind wir endlich mal bei Gerechtigkeit) kann man hier nicht mehr sprechen. Ansonsten gebe ich dir recht: Grundsätzlich trägt jeder über die Privatautonomie das Insolvenzrisiko des anderen.

Abs.2: Naja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Erkennbar will ich hier ja eine Ausnahme machen, um eine aus meiner Sicht eine unerträgliche Haftungslücke zu schließen. Wir argumentieren hier ja schon mit unbestimmten Rechtsbegriffen am Rande der Rechtsordnung: Ihr Sinn und Zweck besteht ja gerade darin, um im Einzelfall möglichen Gerechtigkeitserwägungen zum Durchbruch zu verhelfen. Oder siehst du das anders?Ja klar bei arglistiger Täuschung, es genügt doch ohnehin Eventualvorsatz, da erst recht!

Abs.3: Den Gedanken mit der Einheit aus § 139 BGB, also wenn es zum Folgeverträge mit denselben Parteien kommt, finde ich eigentlich ziemlich gut. Genau das habe ich mir nämlich gedacht, weshalb ich § 324 BGB analog auf vorvertragliche Pflichtverletzungen anwenden würde. Für mich macht das Sinn, wenn man sogar (culpa post pactum finitum) nachvertragliche Pflichten anerkennt. Außerdem ist es lebensfremd, wenn man einen einheitlichen Lebensvorgang künstlich auseinanderreißt.
Ggf. könnte man das meiner Meinung auch so lösen, um den Folgevertrag loszuwerden, wenn man § 313 II BGB hier anwendet: § 313 BGB ist für mich die Norm schlechthin, wenn es darum geht, Störungen zu beseitigen, die such aus Motiven des Vertragsschlusses ergeben haben. Das erkennbare Motiv für den späteren Vertragsschluss war jedenfalls eine korrekte Beratung. Ohne die, hätte es den späteren nicht gegeben. Und genau diese falsche Motivbildung durch Falschberatung, dessen Risiko hier der Berater trägt, realisiert sich dann in der Willensbildung des Beratenen zum Folgevertrag. Halte ich dogmatisch für sauber.

Abs.4: Also ich finde den Gedankengang ziemlich schlau. Echt! Also deine Gegenargumente greifen hier nicht, wenn man meiner dogmatischen Ausgangslinie folgt finde ich.

Ich wäre aber nie über § 281 BGB gegangen, weil ich Beratungsverträge grundsätzlich immer als Dienstverträge einordne und ich tue mich grundsätzlich sehr schwer mit statt der Leistung tue i.V.m. Dienstverträgen. Schließlich ist ja kein erfolgsbezogenes Tun geschuldet. Sondern nur eine Beratung mittlerer Art und Güte: Oder nicht?

Bring dir mal ein reales Beispiel von einem Bekannten von mir (ist jetzt in der Berufung): A arbeitete als IT-Dienstleister (5000,00€ Brutto) und wurde außerordentlich gekündigt, da er sich nicht ordnungsgemäß krankgemeldet hat, da er Krankschreibungen durch die Teleklinik benutzt hat (für ihn auch erkennbar nur ausstellbare Erstkrankschreibungen). Er hat Kündigungsschutzklage erhoben mit dem Argument: Krankmeldungen würden ja existieren. Widerklage vom AG: Nö, weil Beweiswert erschüttert. Finde die Widerklage auch richtig.

Interessant aber: § 281 BGB: Da er der einzige gewesen wäre, der das hätte machen können, haben sie einen externen Dienstleister beauftragt, um seine Arbeit durchzuführen als er krank war. Deswegen seien dem Unternehmen 25000,00 € Schaden entstanden. Ist das überhaupt statt der Leistung?

Also ernsthafte Frage: Es ist ein Arbeitsvertrag und er schuldet unterm Strich schlichtweg seine Tätigkeit als solche; nicht aber einen spezifischen Erfolg? Genau das machen die aber der Sache nach geltend. Beziehungsweise ist es hier so, dass aus meiner Sicht den AG grundsätzlich eine Pflicht trifft selbst dafür zu sorgen, dass wenn jemand krank wird auch für Ersatz zu sorgen. Wenn die nur einen einstellen, ist das deren Problem? Also ich verstehe den Ansatz schon, aber es leuchtet mir null ein.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 19:30 /Abs. 1: (Bin zu blöd zum Zitieren)

Ja, aber dein erstes Argument ist doch praktisch einzuordnen, ob ihm das hilft? Anspruch auf Aufhebung haben oder nicht haben ist hier die Frage. Ersteres ist zumindest etwas wert. § 242 BGB nimmt gezielt die Verkehrssitte in den Blick und statuiert damit die Grundlage für den Fahrlässigkeitsmaßstab: Wie hätte sich ein besonnener Dritter in vergleichbarer Lage hätte verhalten müssen? Und wenn der J in dem Fall der Branche angehört, dann ist er daran auch gebunden und darüber schon gegenüber seinem Kundenkreis zur Aufklärung verpflichtet. Das ist genauso wie im Rahmen der Produzentenhaftung, die wird nämlich in der Wurzel auch aus § 242 BGB abgeleitet: Wer gefährliche Produkte auf den Markt bringt, dann fällt es in dessen Sphäre darüber auch aufzuklären. Wenn die Verkehrssitte aber dem entspricht, es damit allgemein so ist, dass über bestimmte Dinge aufgeklärt wird, dann genießt A schon darüber einen abstrakten Vertrauensschutz. Das ist der Unterschied zum Fall mit der unterlassenen Mängelaufklärung. Aber im Grunde hier dasselbe: Wenn der spätere V erkennt, dass dieser Umstand für den Käufer von Bedeutung ist, also erkennt, dass K sich unter Kenntnis ggf. nicht auf den Vertrag mit einlässt, dann kann man nicht mehr davon sprechen, dass hier eine freie privatautonome Entscheidung vorlag. Hilfsweise: Angenommen der J hätte hier von Anfang reinen Tisch gemacht, dann hielt ich es umgekehrt für grob fahrlässig, wenn A seine Uhr dort lassen würde. Das wäre dumm. Dann würde ich die Haftung auch ablehnen. Aber jedenfalls hat J diesen Vorteil, Chance auf den Vertragsschluss damit nicht nur unwesentlich gesteigert. Die anfängliche Risikoverteilung ist damit eine andere: Von Chancengleichheit (da sind wir endlich mal bei Gerechtigkeit) kann man hier nicht mehr sprechen. Ansonsten gebe ich dir recht: Grundsätzlich trägt jeder über die Privatautonomie das Insolvenzrisiko des anderen.
Ich meinte mit dem, ob ihm das hilft: Dass er in der Regel der A kein Interesse an der Rückabwicklung des Beratungsvertrages hat, allenfalls dann wenn die Beratung entgeltlich erfolgte, sondern er vielmehr den auf die Beratung / auf Basis der Beratung weiteren geschlossenen Vertrag rückabwickeln möchte. Da kommen dann aber wieder die Ausführungen zu § 139 BGB zum tragen, die das ermöglichen würden.
So es für den V erkennbar war, dass für A dieser Umstand des bestehenden Versicherungsschutzes wichtig ist o.ä., da kann man dann natürlich eine ggf. Hinweispflicht o.ä. aus § 242 BGB sicherlich vertretbar ableiten und begründen. Ich ging jetzt von der Konstellation aus, dass das für den Juwelier erstmal in keiner Weise etwas derartiges erkennbar ist und er dennoch von sich aus das Thema ansprechen müsste; das hätte ich eben für schwierig gehalten. Meinetwegen kann man das auch so (im Sinne von Hinweis-/Aufklärungspflicht (+), wenn es eine gefestigte Verkehrssitte gibt und es zurecht erwartet werden durfte. Das wird das wohl genug einschränken.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 19:30 Abs.2: Naja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Erkennbar will ich hier ja eine Ausnahme machen, um eine aus meiner Sicht eine unerträgliche Haftungslücke zu schließen. Wir argumentieren hier ja schon mit unbestimmten Rechtsbegriffen am Rande der Rechtsordnung: Ihr Sinn und Zweck besteht ja gerade darin, um im Einzelfall möglichen Gerechtigkeitserwägungen zum Durchbruch zu verhelfen. Oder siehst du das anders?Ja klar bei arglistiger Täuschung, es genügt doch ohnehin Eventualvorsatz, da erst recht!
Deswegen ja der Hinweis, dass es bei arglist eben ich es durchaus bejahen würde. In anderen Fällen es eben für schwieriger befinde, aber das wäre wohl etwas - so ich das als Klage o.ä. zu entscheiden hätte - bei dem es recht genau auf die genauen Umstände eben ankäme sowie ggf. inwiefern eine derartige Erwartungshaltung hinsichtlich des Versicherungssschutzes gerechtfertigt ist.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 19:30 Abs.3: Den Gedanken mit der Einheit aus § 139 BGB, also wenn es zum Folgeverträge mit denselben Parteien kommt, finde ich eigentlich ziemlich gut. Genau das habe ich mir nämlich gedacht, weshalb ich § 324 BGB analog auf vorvertragliche Pflichtverletzungen anwenden würde. Für mich macht das Sinn, wenn man sogar (culpa post pactum finitum) nachvertragliche Pflichten anerkennt. Außerdem ist es lebensfremd, wenn man einen einheitlichen Lebensvorgang künstlich auseinanderreißt.
Ggf. könnte man das meiner Meinung auch so lösen, um den Folgevertrag loszuwerden, wenn man § 313 II BGB hier anwendet: § 313 BGB ist für mich die Norm schlechthin, wenn es darum geht, Störungen zu beseitigen, die such aus Motiven des Vertragsschlusses ergeben haben. Das erkennbare Motiv für den späteren Vertragsschluss war jedenfalls eine korrekte Beratung. Ohne die, hätte es den späteren nicht gegeben. Und genau diese falsche Motivbildung durch Falschberatung, dessen Risiko hier der Berater trägt, realisiert sich dann in der Willensbildung des Beratenen zum Folgevertrag. Halte ich dogmatisch für sauber.
§ 324 BGB setzt - auch bei Analogie - aber die Unzumutbarkeit voraus.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 19:30 Abs.4: Also ich finde den Gedankengang ziemlich schlau. Echt! Also deine Gegenargumente greifen hier nicht, wenn man meiner dogmatischen Ausgangslinie folgt finde ich.

Ich wäre aber nie über § 281 BGB gegangen, weil ich Beratungsverträge grundsätzlich immer als Dienstverträge einordne und ich tue mich grundsätzlich sehr schwer mit statt der Leistung tue i.V.m. Dienstverträgen. Schließlich ist ja kein erfolgsbezogenes Tun geschuldet. Sondern nur eine Beratung mittlerer Art und Güte: Oder nicht?
Das bezieht sich jetzt auf die Ausführung zur Unmöglichkeit und § 283 BGB?

Wie gesagt, § 281 BGB hatte ich pauschal ohne nachzudenken als Standardnorm des SE-SdL genannt. Hinsichtlich der Einordnung als Dienstvertrag bin ich d'accord. Jedoch bezieht sich mein SE-SdL hinsichtlich der Leistung nicht auf die Leistung des Dienstvertrages, sondern die Leistung des anderen Vertrages. Denn an dessen Leistung besteht schließlich kein Interesse mehr, wenn die Leistungsstörung im Rahmen des Beratungsvertrages bestand. Den Begriff der (Fehl-)Beratung legte ich derart aus, dass es sich eben nicht mehr um als Beratung mittlerer Art und Güte anzusehende Leistung handelt. Natürlich ist der Dienstverpflichtete nicht verpflichtet, die non-plus-ultra-Lösung zu finden (es sei denn das wurde explizit vereinbart; schließlich steht auch dies zur Disposition der Parteien). M.E. trifft dann eben der Schadensersatz an die Stelle der Leistung des zweiten Vertrages und es ist dort (im zweiten Vertrag) gerade das Äquivalenzinteresse betroffen und nicht das Integritätsinteresse, weshalb der SE als SE-SdL zu klassifizieren ist. Nach meiner obigen Ausführung zu rechtlichen Einheit ist es eben auch zulässig die Pflichtverletzung im Beratungsvertrag als Grundlage für den SE im zweiten Vertrag heranzuziehen.

FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 19:30 Bring dir mal ein reales Beispiel von einem Bekannten von mir (ist jetzt in der Berufung): A arbeitete als IT-Dienstleister (5000,00€ Brutto) und wurde außerordentlich gekündigt, da er sich nicht ordnungsgemäß krankgemeldet hat, da er Krankschreibungen durch die Teleklinik benutzt hat (für ihn auch erkennbar nur ausstellbare Erstkrankschreibungen). Er hat Kündigungsschutzklage erhoben mit dem Argument: Krankmeldungen würden ja existieren. Widerklage vom AG: Nö, weil Beweiswert erschüttert. Finde die Widerklage auch richtig.

Interessant aber: § 281 BGB: Da er der einzige gewesen wäre, der das hätte machen können, haben sie einen externen Dienstleister beauftragt, um seine Arbeit durchzuführen als er krank war. Deswegen seien dem Unternehmen 25000,00 € Schaden entstanden. Ist das überhaupt statt der Leistung?

Also ernsthafte Frage: Es ist ein Arbeitsvertrag und er schuldet unterm Strich schlichtweg seine Tätigkeit als solche; nicht aber einen spezifischen Erfolg? Genau das machen die aber der Sache nach geltend. Beziehungsweise ist es hier so, dass aus meiner Sicht den AG grundsätzlich eine Pflicht trifft selbst dafür zu sorgen, dass wenn jemand krank wird auch für Ersatz zu sorgen. Wenn die nur einen einstellen, ist das deren Problem? Also ich verstehe den Ansatz schon, aber es leuchtet mir null ein.
Dass der AG grundsätzlich SE-Ansprüche gegen den AN haben kann, wenn er unentschuldigt seine geschuldete Leistung nicht erbringt, ist wohl unstreitig. Für den SE statt der Leistung spricht hier § 281 IV BGB. Denn wenn du es als SE-ndL einordnest, dann würde das grundsätzlich bedeuten, dass der AG zum einen Anspruch hat auf die Leistung, die "zugekauft" wurde um die ausgebliebene zu ersetzen als auch immer noch Anspruch auf die ausgebliebene Leistung hat, die der AN dann zu einem anderen Zeitpunkt weiterhin zu erbringen hat. Mir erscheint das vergleichbar zum Deckungskauf. Dort ist es genau so, das man sich fragen kann, warum solle der SE-Gläubiger sowohl vom SE-Schuldner SE in Höhe des für den Deckungskauf gezahlten Kaufpreises verlangen können und weiterhin seinen Anspruch auf die Primärleistung behalten. Das hat der Gesetzgeber auch gesehen und deswegen mit § 281 IV BGB den Anspruch auf die Primärleistung ausgeschlossen. Das wird man wohl auch als Ausfluss des schadensrechtlichen Bereicherungsverbotes erachten können und erfasst m.E. auch die von dir beschriebene Konstellation. Dass hier ein Tätigwerden geschuldet ist, ist dafür m.E. unerheblich, denn er ist überhaupt nicht tätig geworden/nicht beim Arbeitsplatz erschienen. Warum sollte es hier überhaupt darauf ankommen, ob er die Beschaffungspflicht hat? Das ist unerheblich; denn wenn der AG jemanden eingestellt hat die entsprechende Arbeit zu verichten, dann darf er sich grundsätzlich auch darauf verlassen, dass das erfolgt. Warum sollte der AG verpflichte sein mehr AN einzustellen als er benötigt für den Fall das einer ausfällt? Das erscheint äußerst unbillig; schließlich wird ihm damit ein riesiger Kostenfaktor auferlegt und wie soll er wissen wie viel Zusatz er haben muss etc und warum sollte sich jemand explizit als Zusatz einstellen lassen; schließich wird derjenige nur entlohnt, so er denn tätig wird?

Zur Schadenshöhe: Gut, das sollte dem ArbN bewusst sein, dass je nach Funktion und Wichtigkeit seiner Person, das Beschaffen eines kurzfristigen Ersatzes in der Regel durch den Zukauf von Dienstleister zu marktüblichen Stundensätzen zu erfolgen hat und entsprechende Kosten generieren wird. Ganz grundsätzlich gilt eben, dass sämtliche Güter und Dienstleistungen am Markt nicht zwingend aber oftmals (deutlich) teurer sind, wenn sie kurzfristig verschafft werden/verfügbar sein müssen bzw. anders herum deutlich günstiger erlangt werden können, wenn sie frühzeitig bereits vertraglich gesichert werden. Deshalb ist eben auch der spontane Zukauf der Leistung deutlich teurer als die Vergütung eines ArbN für die gleiche Zeit. Der AN ist auch nur dann zum SE verpflichtet, wenn er die Nichtleistung zu vertreten hat, wofür nach § 619a BGB der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet ist. Zudem hat im Regelfall der ArbN die Nichtleistugn nicht zu vertreten, da er normalerweise dann seine Leistung nicht erbringt, wenn er arbeitsunfähig ist und dies entsprechend hat feststellen lassen. (wobei letzteres hier wohl offenbar gescheitert ist).

TL;DR SE-SdL erscheint das einzig sinnvolle zu sein. Das ist im Übrigen auch für den AN besser als SE-ndL wegen § 281 IV BGB.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von FKN993 »

Naja, wenn man § 313 bejahen kann, kannst du auch logisch § 324 BGB analog in der Unzumutbarkeit begründen. Man könnte ja dann über § 313 BGB zurücktreten. Und wenn das funktioniert, dann funktioniert auch der Anspruch über die cic, wenn man Vertragsaufhebung verlangen will. Es kommt halt drauf an, ob man das für so wesentlich hält, dass man zurücktreten können soll und damit pacta servanda sunt durchbrechen soll/kann/muss. Aber klar: Nicht jede Verletzung von § 241 II BGB soll so ein Ergebnis begründen können.

Ich verstehe deine Argumentation schon, dass du dich auf den Folgevertrag beziehst. Aber darüber werde ich nochmal nachdenken. Ganz sauber erscheint mir diese Lösung nämlich nicht. Das weißt du auch selbst. Aber jetzt bin ich zu platt dafür.

Exakt, der Beweiswert wurde erschüttert. Aus meiner Sicht auch völlig richtig. Ansonsten könnte man ja das System dribbeln. Eine Erstbescheinigung gibt es damit, aber keine Folgenbescheinigungen und genau das war ihm bzw. hätte ihm bekannt sein müssen. Dass man damit keinen Erfolg haben wird, liegt auch auf der Hand: Würde man das gerichtlich so stehen lassen, dann würde man praktisch über den Weg der Teleklinik beliebig lange Krankschreibungen mit bloßen Erstbescheinigungen zulassen. Das kann mit Sicherheit der Gesetzgeber niemals so gewollt haben.

Also so unstreitig finde ich das hier nicht. Also wie die darauf kommen, ist nicht unnachvollziehbar für mich: Aber § 281 BGB halte ich dennoch nicht für richtig: Wenn dann müsste es § 283 BGB sein, denn schließlich ist die Arbeitsleistung eine Fixschuld. Dann brauchst du § 281 IV als Erlöschensgrund auch nicht. Sie ist ja nicht nachholbar. Zum Nachsitzen musste er nicht. Und gerade wegen dieser Einordnung, irgendwas zwickt da was im Bauch. Ich weiß nur nicht was. Jedenfalls trage ich diese Frage schon lange mit mir rum. Ich halte es ja auch nicht für abwegig, sonst würde ich das hier auch nicht rausholen.

Ich kenne aber die Entscheidung der Erstinstanz: Gut, die Richterin hatte da auch kein Bock drauf, darauf kams ja eh nicht mehr an, aber sie hat den Anspruch mit Verweis auf Sowiesokosten abgebügelt in zwei Sätzen. Es war aber auch eh klar, dass AG in Berufung gehen wird. Das wusste sie auch. Die haben daran aber vehement festgehalten. Muss morgen mal die Berufungsbegründung
g heraussuchen. Die war auch echt stark begründet. Aber ich bin heute durch.
Zuletzt geändert von FKN993 am Samstag 11. Januar 2025, 22:14, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 21:22 Naja, wenn man § 313 bejahen kann, kannst du auch logisch § 324 BGB analog in der Unzumutbarkeit begründen. Man könnte ja dann über § 313 BGB zurücktreten. Und wenn das funktioniert, dann funktioniert auch der Anspruch über die cic, wenn man Vertragsaufhebung verlangen will. Es kommt halt drauf an, ob man das für so wesentlich hält, dass man zurücktreten können soll und damit pacta servanda sunt durchbrechen soll/kann/muss. Aber klar: Nicht jede Verletzung von § 241 II BGB soll so ein Ergebnis begründen können.
Ohh, da habe ich mich tatsächlich verlesen und statt § 313 in deinem vorherigen Beitrag § 311 gelesen. Da würde in der Tat wohl § 313 II BGB und § 324 BGB analog wertungsmäßig auf das Gleiche hinauslaufen, obschon ggf. unterschiedlich begründen müsste.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 21:22 Ich verstehe deine Argumentation schon, dass du dich auf den Folgevertrag beziehst. Aber darüber werde ich nochmal nachdenken. Ganz sauber erscheint mir diese Lösung nämlich nicht. Das weißt du auch selbst. Aber jetzt bin ich zu platt dafür.
Ja, das ist eine der Lösungen, bei denen ich entweder denke, dass die unfassbar genial ist oder es dogmatisch zu sehr knartscht. Aber im Grunde erscheint es mir durchaus sauber und vor allem sehr konistent, wenn ich das auch vergleiche mit der ähnlichen Konstellation, die ich hier in der Probeklausurlösung sehe (freilich ging es da um etwas anderes und nicht um SE, sondern um Rücktritt und letztlich waren es zwei Kaufverträge, also schon etwas "einfacher" als unser Fall). Jedenfalls gefällt mir das so deutlich besser als das über eine Neben(leistungs-)pflicht und § 241 II BGB zu lösen.


FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 21:22 Also so unstreitig finde ich das hier nicht. Also wie die darauf kommen, ist nicht unnachvollziehbar für mich: Aber § 281 BGB halte ich dennoch nicht für richtig: Wenn dann müsste es § 283 BGB sein, denn schließlich ist die Arbeitsleistung eine Fixschuld. Dann brauchst du § 281 IV als Erlöschensgrund auch nicht. Sie ist ja nicht nachholbar. Zum Nachsitzen musste er nicht. Und gerade wegen dieser Einordnung, irgendwas zwickt da im Bauch. Ich weiß nur nicht was. Jedenfalls trage ich diese Frage schon lange mit mir rum. Ich halte es ja auch nicht für abwegig, sonst würde ich
das hier auch nicht rausholen.
Gut, da schimmert sicherlich durch nicht allzusehr im Arbeitsrecht bewandert zu sein. Der Grundtypus des Arbeitsvertrages liegt eine (absolute) Fixschuld zugrunde und es wäre damit § 283 BGB maßgeblich, mea culpa.

Zwingend ist die Arbeitsleistung nicht eine Fixschuld indes nicht, sondern das hängt vom Arbeitsvertrag ab. Je nach dem wie das gestaltet ist, kann die Verpflichtung bestehen unentschuldigte Fehlzeiten nachzuarbeiten und/oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ersetzen. Das ist gerade in solchen Arbeitsverträgen, denen ein Gehaltssystem zugrunde liegt nicht unüblich. Dabei ist das Arbeitsentgelt konstant unabhängig davon der tatsächlich geleisteten Stundenzahl (beim Grundtypus entfällt der Anspruch auf die Vergütung nach § 326 I 1 Hs. 1 BGB). Sofern es zu "Minus"-Stunden gekommen ist, bspw. aufgrund von unentschuldigten Fehlzeiten o.ä., dann sind diese vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch abzuleisten bspw. durch Mehrarbeit oder alternativ die als "Mehr" erhaltene Vergütung dem Arbeitgeber zu erstatten. Freilich ist das hier durch eine zusätzliche Abrede zwischen Parteien begründet.


Ein äußerst spannender Austausch.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von FKN993 »

Spannender Austausch: Ja, finde ich auch. Kann ich nur zurückgeben.

Ja, also ich finde den Gedanken schon krass. Da musste erstmal drauf kommen. Und ganz ehrlich: Ein bisschen Sand im Getriebe schadet uns auch nicht. Ich denke schon, dass wir ziemlich viele Lösungen produziert haben, die aber keiner mehr wirklich tiefer hinterfragt. Ist ja auch verständlich: Wenn man richtig tief bohrt, wirds in diesem Fach immer schwieriger. Das ist irgendwie geil, aber manchmal auch mega frustierend. Und ich glaube, dass die meisten, die die Uni hinter sich gelassen haben, auch froh darüber sind.

Oh ja, stimmt. Uff, das hatte ich ja gar nicht auf dem Schirm. Das sind diese Stundenkonten? Das macht man dann, wenn es flexible Arbeitszeiten sind?

Aber wenn das zusammenfällt mit einer außerordentlichen K?

Dann kann man damit ja nichts anfangen "praktisch"?

Weil 626 II 2 BGB: Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.


Geht das dann? Ich meine, wenn er ihn kündigt, dann wars das halt. Wann soll er das nachholen? Wenn er sie ausspricht, dann wird man ja selten mit einem motivierten Mitarbeiter zu tun haben?
Zuletzt geändert von FKN993 am Samstag 11. Januar 2025, 22:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 22:45 Ja, also ich finde den Gedanken schon krass. Da musste erstmal drauf kommen. Und ganz ehrlich: Ein bisschen Sand im Getriebe schadet uns auch nicht. Ich denke schon, dass wir ziemlich viele Lösungen produziert haben, die aber keiner mehr wirklich tiefer hinterfragt. Ist ja auch verständlich: Wenn man richtig tief bohrt, wirds in diesem Fach immer schwieriger. Das ist irgendwie geil, aber manchmal auch mega frustierend. Und ich glaube, dass die meisten, die die Uni hinter sich gelassen haben, auch froh darüber sind.
Wenn das nicht einfache eine eigentlich wahrscheinlich irrelevante Frage ist, hätte man durchaus das Bedürfnis dazu etwas zu verfassen. Aber letztlich - obschon das durchaus nicht völlig praxisfern ist - ist das schon ein sehr spezielles Problem.
FKN993 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 22:45 Oh ja, stimmt. Uff, das hatte ich ja gar nicht auf dem Schirm. Das sind diese Stundenkonten? Das macht man dann, wenn es flexible Arbeitszeiten sind?
Ja, Arbeitszeitkonten. Wenn man so etwas vereinbart hat, dann gilt das Prinzip, das ich geschildert habe.

Retrospektiv betrachtet stimmt meine Aussage zum Grundtypus womöglich jedoch nicht bzw. ist ungenau gewesen: Die absolute Fixschuld bezieht sich auf die Pflicht die Arbeitsleistung zum vereinbarten Zeitpunkt zu erbringen. Das setzt dann aber die Vereinbarung / regelmäßige Arbeitszeit zu Zeitpunkt xy voraus, ansonsten steht dies im Weisungsrecht des AG § 611a BGB und erst wenn er einen Zeitpunkt festlegt, ist die Leistungerbringung zu diesem Zeitpunkt absolute Fixschuld. D.h. es kommt von Anfang an auf den AV an, zu welcher Zeit die Arbeitsleistung zu erbringen ist und diese Verpflichtung, die Arbeitsleistung zu dem Zeitpunkt zu erbringen, ist dann absolute Fixschuld.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von FKN993 »

Schreib doch was darüber, wenn du Bock darauf hast. Ist ja erstmal egal, ob das "praxisfern" ist oder nicht:

Ich hatte das Problem mit meinem Aufsatz, den ich angefangen habe: Ich weiß, dass ich mit meiner Lösung da ein wenig auf verlorenem Posten stehe, dann wollte ich schon aufhören, weil ich dachte, dass ich mich da einfach verrannt hätte, aber dann hat mir ein Bekannter den Rat gegeben und gesagt, ich soll diese Frage abstrakt öffnen und diesen Komplex schlichtweg neutral ausleuchten; also ohne vorher in eine konkrete Richtung zu stoßen. Das hat zwar den Nachteil, dass ich mich nicht klar positioniere, aber dafür ist meine Arbeit nicht umsonst.

Und man darf halt auch eines nicht vergessen: Das reißt halt zwei Komplexe an, die eigentlich beide für sich genommen nicht geklärt sind: Verhältnis von cic zum späteren Vertrag und dann SE statt oder neben der Leistung. Also was das anbelangt, ist sich ja niemand wirklich einig.

Naja, und außerdem: Und ich finde, wenn man wirklich besser werden will in diesem Fach, dann muss man auch den Mut haben manchmal gegen den Strom zu schwimmen. Ohne die Dialektik würden wir ja nie weiterkommen.
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Re: Aufrechnungsverbot und Prozessaufrechnung

Beitrag von Torsten Kaiser »

sonnenschein234 hat geschrieben: Samstag 11. Januar 2025, 13:11 Meine Lieben,

ich bräuchte nochmal Eure Hilfe.

Der Kläger hat eine Forderung gegen den Beklagten. Dem Beklagten steht entsprechend eine Schadensersatzforderung zu, da es eine Fehlberatung gab und der Vertrag bei korrekter Beratung so nicht abgeschlossen worden wäre. Der Beklagte hat nun die Aufrechnung erklärt. In den Bedingungen steht wirksam, dass die Aufrechnung nur gegen rechtskräftig festgestellte oder unstrittige Forderungen erlaubt ist.

Meinem ersten Zugriff nach verstößt die Aufrechnung gegen das Aufrechnungsverbot. Doch welche Rolle spielt hier § 322 Abs. 2 ZPO?

Vielleicht kann mir hier nochmal wer helfen ...
Eine gute Antwort ist hier nur möglich, wenn du uns verrätst, worin in einem Fall der Schaden liegt. In dem Vertrag mit dem Berater (vermutlich Anwältin oder Anwalt?) selber oder in einem anderen Vertrag? Bei Jura sollte man die Fragen präzise stellen, um auch eine taugliche Antwort zu bekommen. LG aus lübeck!
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