Es kommt drauf an hat geschrieben: ↑Samstag 11. Januar 2025, 01:12
Danke euch allen für eure Antworten und die hilfreichen Anregungen!

Ich habe die letzten 48 Stunden nochmal intensiv über alles nachgedacht und meinen Plan gefasst:
Ich plane, in etwa 6 Monaten meinen Freiversuch in der Pflichtfachprüfung zu wagen. In der Zeit davor werde ich weiterhin möglichst viele Probeklausuren schreiben, um gezielt an meinen Schwächen zu arbeiten und mehr Sicherheit zu gewinnen. Parallel dazu werde ich aber auch schon mal den Antrag auf den LL.B.-Abschluss stellen. Das gibt mir zumindest eine „Absicherung“, falls es mit dem Staatsexamen (zumindest im ersten Anlauf) nicht so läuft, wie ich es mir erhoffe.
scndbesthand hat geschrieben: ↑Donnerstag 9. Januar 2025, 14:29
Eine konsequente und tiefgründige Fehleranalyse nach den Klausuren ist erfolgt? Wenn nein, solltest Du diese nachholen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse umsetzen. Zeitmangel führt zu knapperen Lösungsskizzen, einem präziseren Stil, zum Auswendiglernen immer wieder vorkommender Standardformulierungen und zum Kurzhalten von Unproblematischen. Grundlagenfehler führen zur Lektüre von Grundlagenwerken, Skripten, Büchern, ggf. Wiederholen der Prüfschemata. Vergessen führt zum Aufsetzen eines Lernsystems mit Wiederholungseinheiten. Es ist sehr individuell.
Ja, ich habe eine Fehleranalyse auf der Grundlage meiner Klausuren durchgeführt. Leider musste ich feststellen, dass meine Fehler tatsächlich aus allen drei von dir genannten Bereichen stammen.
Die Korrektoren haben in meinen Klausuren ganz unterschiedliche Dinge bemängelt. Zum Teil waren es kleinere Flüchtigkeitsfehler oder vermeidbare Schnitzer, wie etwa das Vergessen, eine Beiladung zu prüfen. Aber leider gab es auch schwerwiegendere Fehler. So habe ich beispielsweise in einer Klausur eine Anspruchsgrundlage, die laut Lösungsskizze eine sehr detaillierte Prüfung erforderte, komplett übersehen und gar nicht geprüft. In einer anderen Klausur habe ich ein Grundrecht eines Betroffenen nicht erkannt und daher ebenfalls nicht berücksichtigt.
Mit den Klausuren tue ich mich insgesamt ziemlich schwer, und nüchtern betrachtet habe ich manchmal das Gefühl, dass mir vielleicht das oft beschworene „juristische Talent“ fehlt. Ich hoffe, dass ich das fehlende Talent bis zum Examen wenigstens durch viel Lernen und das Schreiben möglichst vieler Probeklausuren ein wenig ausgleichen kann.
Blödsinn! Dir fehlt sicher nicht das juristische Talent. Ich bin sehr direkt: Dir scheint aktuell das Selbstbewusstsein zu fehlen und zugleich klingst du etwas von Angst ergriffen zu sein. Dein erster Beitrag las sich als würdest du hier den Segen bekommen wollen, dass es doch eine gute Entscheidung sei. Ich habe zwar keine Ahnung in welchem Notenspektrum du so unterwegs bist, aber wenn du schon 30 Stück geschrieben hast, trotzdem keine Besserung eintrat, dann hast du die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht nachbereitet. Hast du vermieden dich damit zu befassen?
Wenn du erstmal den Freiversuch wahrnehmen kannst, wo ist jetzt das Problem? Du kommst jetzt gerade vielleicht an deine Grenzen, aber anstelle jetzt in Betracht zu ziehen die Flinte ins Korn zu werfen, geh es doch nochmal vernünftig an und vor allem überlegt, damit meine ich angepasst an deinen Lerntyp und deine Voraussetzungen.
Zum Thema: Klausurenschreiben? Hast du überhaupt eine Vorstellung davon wie eine gute bis sehr gute Klausur formuliert ist? Die sind nicht so formuliert wie eine Musterlösung aus dem Uniklausurenkurs. Die richtig guten Noten bekommst du indirekt dafür, dass du erkennst, dass im Sachverhalt Rechtsfrage X, Y, Z an Stelle Z,T und I angelegt ist. Der Trick ist, dass du dich da so schnell wie möglich hinformulieren kannst. Konkret: Feststellungs-, Urteils- und verkürzter Gutachtenstil. Das ist aus meiner Sicht noch viel wichtiger als alles andere. Das erzählt einem lustigerweise nur niemand. Aber wenn du entsprechende Klausuren mal liest, dann wirst merken, dass es genauso ist. Um es noch konkreter zu sagen: Beschäftige dich mit den Anwendungsbereichen der Stilistik. Damit sparst du nicht nur erheblich viel Zeit, indem du weniger "drumrumfaselst", sondern du weist nach, dass du wichtig und unwichtig bewusst voneinander trennen kannst. Du konkret klar zeigen kannst, dass du wirklich weißt, "worauf es ankommt." Und an den Stellen kannst du dann das ganz große Ballett aufführen. Jedenfalls musst du dem Korrektor den Eindruck vermitteln, dass du exakt weißt, was du tust. Du musst mit deinem Schriftbild ausdrücken können: "Ey Typ, ich weiß wie das geht!". Und am besten gewöhnt man sich noch diesen imperialen Herrschaftsstil ab ("Komm zur Sache, Junge!") Damit gewinnst du nämlich keinen Blumentopf. Schreib so einfach wie es nur geht! Es muss deine Oma mit 93 im Altersheim verstehen können. Ich bringe dir mal ein Beispiel:
"Fraglich ist, ob die B die Frist erklärte hat gem. XYZ. Problematisch ist jedoch, dass B keine erklärte. Möglicherweise könnte sie ja entbehrlich gem. HRZ sein."
Es drängt sich schon auf wie schlecht das ist. Lass es einfach aussehen: Dass B keine Frist gem. § setzte, kann jedoch nach XY entbehrlich sein.
Merkst du etwas?
Besorg dir mal richtig gute Klausurbearbeitungen von Studenten. Vielleicht geht das bei dir an der Uni.
Und anstatt die Reißleine zu ziehen, reißt du dich zusammen!
Liebe Grüße
PS: Trick17? Wenn du wirklich keine Ahnung hast, was du tun sollst, was ich mir schwer vorstellen kann, dann versuch dir nachdem du die Geschichte (Sachverhalt) auf dich wirken lassen hast, zu fragen, worüber man eigentlich vor Gericht streiten würde? Was wäre da wohl konkret relevant? Und dann denkst du erstmal induktiv und versuchst das auf irgendwelche dir bekannten Rechtsprinzipien (Vertragsfreiheit, Beratungsfunktion der Form oder was auch immer) herunterzubrechen. Wenn du das Wissen hast, dann machst du das automatisch im Kopf ohne darüber nachzudenken oder schreibst blind das hin, was auf deiner Karteikarten steht. Und dann fragst du dich, warum der Gesetzgeber Gesetz XY wohl gemacht hat. Welche widerstreitende Interessenlage mehr geschützt werden soll? (Ein Gesetz will i.d.R. einen sozialen Konflikt (Streit) auflösen; bestenfalls dafür sorgen, dass es gar nicht zu einem kommt). Und dann formulierst du unter Rückgriff auf die Auslegungen. Du arbeitest dann richtig mit dem Gesetz quasi. Wenn das nicht ganz absurder Blödsinn ist, wirst du noch immer besser dastehen als jemand, der es überhaupt nicht probiert hat.
Und wenn du das trainieren willst: Guck dir die Musterlösungen an und bearbeite deine Klausuren nochmal. Schreib die Skizzen so, dass du quasi nur einem Blick drauf, sofort wüsstest wie du das ausdrücken würdest. Ich habe mir beigebracht, dass ich das sofort wörtlich übersetzen kann. Nimm dir mal einen Rotstift und streich alles weg, was du für die Lösung nicht brauchst in Sachen Ausdruck. Und selbst, wenn es nur das berühmte Wörtchen "mithin" ist. Und wenn du damit fertig bist, zählst du die Wörter deiner alten Lösung und deiner neuen. Dir wird wirklich etwas auffallen.
Und das, was ich dir hier erzähle (die anderen auch), hat aus meiner Sicht nichts wirklich mit Talent zu tun.
Das Problem ist eher, dass an der Uni einem gebetsmühlenartig eingetrichtert wird, dass jemand, der den Urteilsstil im Gutachten verwendet, durchfällt. Manche schreiben auch nur (mit wenig Verständnis) saumäßig kompliziert, um einfach nur schlau herüberzukommen oder weil viele denken, man müsste sich so ausdrücken! Antwort: Ne! (Das wird einem nur gesagt, damit die Denkweise, die man aus der Schule noch hat (Ergebnis = Aussage: Und dann schreibste alles hin, was du weißt!), ausgetrieben wird.) Frage: Hast du mal probiert eine Strafrechtsklausur vollständig im Gutachtenstil zu schreiben? Das wäre unmöglich! Man würde nicht fertig; zumindest nicht in fünf Stunden.
Und wenn du Grundrechte übersiehst, prüfst du die gedanklich auch durch? Oder lags wirklich daran, dass dir nicht klar war, dass X in Schutzbereich Y fällt? Wenn´s an der fehlenden gedanklichen Prüfung lag, dann war es fahrlässig.
Das habe ich noch vergessen: Guck dir die Rocky-Filme an!
