Allgemeiner Politik-Thread

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Strich
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Strich »

Joshua hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 11:03
Strich hat geschrieben: Mittwoch 15. Januar 2025, 12:02 Wenn die Debatte vorankommen soll, sollte man zuerst [...]
Klare Wenn-Dann-Funktion. Daraus unmittelbar ableitbar: Die Nur-Aussage. Und die halte ich für falsch.
Jup das sieht aus wie Strawman.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Joshua
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Joshua »

Gar nicht, das ist exakt das, was du geschrieben hast: Wir müssten erst mal die Debattenfehler der Vergangenheit aufarbeiten... Du kannst es ja gerne richtigstellen.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Strich
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Strich »

m.E. steht da was anderes als du daraus gemacht hast ("Stoppregel"). An keiner Stelle habe ich gesagt, dass die Debatte nicht stattfinden kann.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Joshua »

Strich hat geschrieben: Mittwoch 15. Januar 2025, 12:02 Wenn die Debatte vorankommen soll, sollte man zuerst mal analysieren, warum sich heute ein Merz hinstellen kann und Politik der SPD aus den 80ern vertreten kann, oder eben von PI-News oder oder oder.
Strich hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 16:36 m.E. steht da was anderes als du daraus gemacht hast ("Stoppregel"). An keiner Stelle habe ich gesagt, dass die Debatte nicht stattfinden kann.
Nein, aber du hast gesagt, dass sie nur so vorankommt. Das ist mE logisch unhaltbar.
Aber geschenkt. Lass uns doch konkret werden Vielleicht begründest du das mal: Weshalb hängt das Vorankommen der Debatte von der Analyse (oder besser: Beantwortung?) dieser Fragen ab?

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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Strich »

Damit sie sich nicht im Kreis dreht, die Begründung steht schon oben.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Joshua »

Alles gut, Strich...

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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Strich »

Schön, kann ja jedem mal passieren ':).

Gibts eigentlich was zur Trumpeinführung? Die Deutschen Medien kochen ja.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von KMR »

Strich hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 13:29 Schön, kann ja jedem mal passieren ':).

Gibts eigentlich was zur Trumpeinführung? Die Deutschen Medien kochen ja.
Ach, manchmal wäre schön, wenn medial nicht immer so etwas halbes publiziert wird.

https://www.tagesschau.de/ausland/ameri ... k-100.html

Kaum ein Bundesbürger wird wissen - auch nach diesem Artikel - was "executive orders" sind und warum das überhaupt geht im US-System. Die Darstellung, die als Hintergrund Information hier dazugereicht wird, greift dafür viel zu kurz und der wesentlichste Punkt, nämlich dass im politischen Präsidialsystem der USA gerade nicht das Ressortprinzip gilt, wird völlig außer Acht gelassen. Das ist jedoch mit Hauptgrund, warum executive orders funktioieren. Denn letztlich ist jeder "Secretary" (im deutschen oft inkorrekt als Minister übersetzt) nur eine Art Vertreters des Präsidenten (so explizit in der US-Verfassung vorgesehen, die gesamte Exeuktivmacht liegt beim Präsidenten, dieser kann lediglich anderen Personen (wie den "Secretaries") die Aufgabe übertragen für ihn XY zu verwalten/zu leiten u.ä. Deswegen kann der Präsident eben auch im Grundsatz Weisungen an jeden Bundesbeamten erteilen (geringfügige Ausnahmen in Bezug auf den Attorney General und dessen Vertreter) und das geschieht eben durch die "executive orders". Auch dass der US-Präsident die USA einfach aus internationalen Vereinbarungen ziehen kann, liegt daran, dass die meisten internationalen Vereinbarungen der USA durch Präsidialanordnung beigetreten werden, die gleichermaßen umkehrbar ist. Ein echter Vertragsbeitritt erfolgt meist nicht, weil das einen Kongressbeschluss mit bestimmter Mehrheit erfordert, der meist nicht zu erlangen ist. Deswegen sind die meisten internationalen Verpflichtungen der USA eben durch neue US-Präsidenten verhältnismäßig leicht wieder aufzulösen.

Aber durch die bislang hier immer erfolgende Darstellung werden die Menschen eher dazu verleitet: sich eher noch mehr beschweren, warum hier immer alles so langsam ginge und da kann der Präsident alles ganz schnell machen und wir bräuchten auch so etwas.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von Joshua »

Strich hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 13:29 Schön, kann ja jedem mal passieren ':).
Dein Logikbruch bleibt...

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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von FKN993 »

@KMR
Wundert dich das denn?

Sinnbildlich für diesen Wunsch nach Autorität:

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich doch oft:

https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... e-data.pdf

Die Wahlergebnisse der NSDAP legen nahe, dass ihr Erfolg mit prekären Verhältnissen zusammenhing. Offene Frage: Was haben Trump, AfD und die NSDAP gemeinsam? Die Anti-Establishment-Haltung, die mit aller Konsequenz formuliert wird. Als ich Trumps Rede hörte, ging mir ein Licht auf: Die Gedanken lassen sich nahtlos auf unsere Situation übertragen: Es ist nicht maßgeblich die fehlende Bildung, die diesen Wunsch in den Menschen auslöst, sondern es die Angst vor dem sozialen Abstieg. Helmut Schmidt sagte mal: Der Deutsche ist glücklich, solange er sein Butterbrot schmieren kann. (Das ist wörtlich zu verstehen). Wenn er unglücklich ist, ist er empfänglicher: Das Framing, was alle genannten Vertreter propagieren: Seht ihr denn nicht, die "Elite", das Establishment (Schuldzuweisung; Sündenbock), was dafür ursächlich ist, dass euch das Geld fehlt? Ihr müsst euch die Freiheit zurückholen! Das steckt abstrakt hinter dieser Rhetorik. So einfach ist das Latein der Menschenfänger manchmal. Was fast an Genialität grenzt: Ihre Anti-Muslima-Haltung verpacken sie geschickt mit der Aussage, dass man mit dieser Zuwanderung angeblich Antisemitismus ins Land importieren würde (vgl. S. 48; https://www.afd.de/wp-content/uploads/2 ... nline_.pdf).

Kurios: Sie möchte sogar gern den Tatbestand der "Steuerverschwendung" einführen (S. 14).

Es war unerträglich, aber ich musste mir das anschauen:

https://www.youtube.com/watch?v=BZXZRI23akY

Am Ende wurde Chrupalla gefragt, welches Regierungsamt er sich denn vorstellen könnte: Wirtschaftsminister könnte er sich vorstellen. Etwas selbstironisch anfügend: Wenigstens einer mit Erfahrung (Malermeister mit Betrieb). Mit Verlaub: Aber er wirkte dabei so, als würde er sich das Amt ohne Weiteres wirklich zutrauen. Es ist wirklich grauenhaft.

PS: Was hat das alles mit deinem Beitrag zu tun? Die AfD schlägt genau in diese Kerbe. Ich bin manchmal froh darum, dass die Prozesse in Deutschland doch so verlangsamt sind: Dann kann man wenigstens nicht so schnell etwas kaputtmachen.
Zuletzt geändert von FKN993 am Mittwoch 22. Januar 2025, 00:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 23:11 @KMR
Wundert dich das denn?

Sinnbildlich für diesen Wunsch nach Autorität:

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich doch oft:

https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... e-data.pdf

Die Wahlergebnisse der NSDAP legen nahe, dass ihr Erfolg mit prekären Verhältnissen zusammenhing. Offene Frage: Was haben Trump, AfD und die NSDAP gemeinsam? Die Anti-Establishment-Haltung, die mit aller Konsequenz formuliert wird. Als ich Trumps Rede hörte, ging mir ich ein Licht auf: Die Gedanken lassen sich nahtlos auf unsere Situation übertragen: Es ist nicht maßgeblich die fehlende Bildung, die diesen Wunsch in den Menschen auslöst, sondern es die Angst vor dem sozialen Abstieg. Helmut Schmidt sagte mal: Der Deutsche ist glücklich, solange er sein Butterbrot schmieren kann. (Das ist wörtlich zu verstehen). Wenn er unglücklich ist, ist er empfänglicher: Das Framing, was alle genannten Vertreter propagieren: Seht ihr denn nicht, die "Elite", das Establishment (Schuldzuweisung; Sündenbock), was dafür ursächlich ist, dass euch das Geld fehlt? Ihr müsst euch die Freiheit zurückholen! Das steckt abstrakt hinter dieser Rhetorik. So einfach ist das Latein der Menschenfänger manchmal.

https://www.afd.de/wp-content/uploads/2 ... nline_.pdf

Diesen Schrott hier, es reichen die ersten zwanzig Seiten, muss man mal lesen. Dann bleiben keine Fragen mehr offen. Diese Partei würde sogar gern den Tatbestand der "Steuerverschwendung" einführen (S. 14).

Es war unerträglich, aber ich musste mir das anschauen:

https://www.youtube.com/watch?v=BZXZRI23akY

Am Ende wurde Chrupalla gefragt, welches Regierungsamt er sich denn vorstellen könnte: Wirtschaftsminister könnte er sich vorstellen. Etwas selbstironisch anfügend: Wenigstens einer mit Erfahrung (Malermeister mit Betrieb). Mit Verlaub: Aber er wirkte dabei so, als würde er sich das Amt ohne Weiteres wirklich zutrauen. Es ist wirklich grauenhaft.
Mein Post bezog sich nur darauf, was executive orders sind und wie sich eben eine präsidentielle Demokratie von einer parlamentarischen Demokratie mit Ressortprinzip unterscheidet. Auch ein Präsidialsystem hat nicht zwangsläufig eine Autokratie oder Diktatur zurfolge, obschon es ggf. durch die starke qua Verfassung erfolgende Konzentration der Exekutivgewalt in einer Person dem Erscheinungsbild nach solchen System ähneln kann. Dass dies nicht der Fall sein muss, haben wohl beispielsweise die große Zahl nicht-autokratischer US-Präsidenten verdeutlicht sowohl solche mit demokratischen als auch mit republikanischen als auch mit anderem politischen Hintergrund (es gab tatsächlich mal andere Parteien).

Nicht wenige Menschen können sich durch den regelrechten Kult der Populisten, Autokraten und ähnliche Personen umgibt mitreißen lassen. Unverständlich ist das nicht; schließlich ist es eine typische Vorgehensweise, auch bei der Bildung von Gruppen u.ä., das man in der Regel sich für eine Art "Gruppenführer" / "Führungsfigur" entscheidet, die ggf. das letzte Wort hat. Sowohl historisch als auch bei einfacheren Völkern heute noch gibt es in der Regel eine Art Stammesoberhaupt. So gesehen ist eigentlich die parlamentarische Demokratie mit Ressortprinzip (gibt es parlamentarische Demokratien ohne Ressortprinzip?) in dem Sinne womöglich weniger ansprechend. Das kann man wohl auch nicht ganz abtun, wenn man überlegt, dass im Präsidialsystem letztlich die Bürger ihrem Präsidenten vertrauen, dass er alles richten wird. Im parlamentarischen System hat man das kuriose, dass es dann die Minister gibt, denen man für ihr Ressort vertrauen muss, gleichzeitig aber irgendwie auch eine Art "Vorsitzenden" durch im Fall Deutschlands den Bundeskanzler, der irgendwie so eine kuriose Zwitterrolle hat zwischen er hat das Ressortprinzip zu achten und im Zweifel erklär ich etwas als Richtlinie meiner Politik. Wenn etwas nicht funktioniert, kann sich der Bürger fragen, muss er sich an den Minister wenden oder den "Regierungschef" (<- ein unsäglicher Ausdruck, gibt es ein Synonym?) Im Präsidialsystem gibt es das deutlich weniger. Mal ganz davon abgesehen, dass die Gewaltenteilung in Präsidialsystem deutlich stärker ausgeprägt ist und es eine strikte Trennung zwischen jeder Staatsgewalt gibt und jede Gewalt mehr oder weniger getrennt demokratisch legitimiert wird (getrennte Wahlen für Exekutive und Legislative). Auch Letzteres - die Möglichkeit des Bürgers unmittelbar Einfluss auf die Exekutive nehmen zu können - würde ich nicht für völlig unerheblich erachten. Schließlich ist eben das Exekutivorgan, selbst im parlamentarischen System, das, was sichtbar, das was man assoziiert mit der Richtung des Landes, obwohl Gesetzgeber das Parlament ist und es in der Regel dessen Arbeit ist, was man am meisten Einfluss haben wird. Viele wissen indes nicht mal, dass sie jenes Parlament wählen müssen und nicht die Regierung. Da hilft es auch wenig, dass der Wahlkampf immer basierend auf einem "Regierungswahlkampf" gemacht wird. Letztere Punkte sind aber wohl letztlich der unsäglichen Gewaltenverschränkung geschuldet.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von FKN993 »

"Aber durch die bislang hier immer erfolgende Darstellung werden die Menschen eher dazu verleitet: sich eher noch mehr beschweren, warum hier immer alles so langsam ginge und da kann der Präsident alles ganz schnell machen und wir bräuchten auch so etwas." Darauf habe ich mich bezogen.

Naja, die Gewaltenverschränkung ist aus meiner Sicht ein staatsarchitektonischer Kompromiss in einer repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Die Argumentation in die Richtung einer strikteren Konzeption, dass sie möglicherweise zu mehr Integrität führt, halte ich für zu kurz gedacht und wird auch der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes nicht gerecht: Das Grundgesetz begreife ich in seinem Aufbau als nahezu perfekt. Was klar auffällt: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten zuoberst das Ideal der Dezentralisierung - als Gegenreaktion des NS-Regimes - vor Augen. Es ging nach meiner Einschätzung darum, das Grundgesetz auch in seiner Struktur wehrhaft zu konstruieren:

"Die Verfassung schreibt nur den Boden des Kampfes vor, nicht aber das Ziel. Wir treten in die gesetzlichen Körperschaften ein und werden auf diese Weise unsere Partei zum ausschlaggebenden Faktor machen. Wir werden dann allerdings, wenn wir die verfassungsmäßigen Rechte besitzen, den Staat in die Form gießen, die wir als die richtige ansehen."

Genau das, sollte zuoberst verhindert werden. Die Weimarer Verfassung war zweifelsohne eine gute Verfassung, wenn man rechtsvergleichend über das Grundgesetz nachdenkt. Die wesentlichen Strukturprinzipien waren in der WRV schon enthalten und wurden letztlich im Grundgesetz nur besser und historisch reflektiert umgesetzt: Art. 79 III GG integriert zwingend die vertikale Gewaltenteilung (Länder: selbst demokratisch legitimiert über Art. 28 I, III GG) in das bundesrechtliche Gesetzgebungsverfahren. Mehr Demokratie geht doch gar nicht. Wenn man den Zusammenhang mit Art. 30 GG nun zieht oder sich die Frage stellt, wann in der Regel Gesetze zustimmungspflichtig sind, dann hat man die Staatsstruktur schon recht gut verstanden. Wenn man die Geschichte versteht, man denke z.B. an den Preußenschlag, dann wird klar sichtbar, warum das Grundgesetz so ausschaut wie es ausschaut. Wenn man sich nun klar darüber wird, welchen Preis wir dafür gezahlt haben, dann würde man auch nicht so einen unsäglichen Bullshit schreiben wie die AfD in ihrem Programm auf Seite 6 zum Thema. Entweder fehlt den ach so "deutschen" Verfassern dieses Programms entweder das Verständnis für unser System, es fehlt sogar höchstwahrscheinlich am notwendigen geschichtlichen Wissen oder es ist schlimmstenfalls eine Mischung aus beidem. Sicher, es mag durch die Dezentralisierung etwas langsamer zugehen, da die Prozesse letztlich komplexer sind, es mehr repräsentative Beteiligungsrechte und Pflichten gibt, aber das ist doch ein Kompromiss, den man gerne in Kauf nimmt? Und diese teuer erkämpfte Errungenschaft wollen diese Dilettanten mit ihrer oberflächlichen Kritik opfern? Also ich bin klar gegen mehr direkte Demokratie. Damit wird doch nur gelockt. Vielleicht ist das Grundgesetz nicht so anschaulich? Aber wie wäre es denn mal, wenn man das in der Schule zum Schulfach machte? Oder ist das zu deutsch dann? Ich denke, dass es vielen, wie auch damals in Weimar, letztlich am demokratischen Bewusstsein und Verständnis fehlt. Das erkenne ich als die Hauptursache an, wenn ein System ins Ungleichgewicht gerät. Genau dann keimt der Wunsch nach Zentralismus wieder auf. Der gute alte Ordnungswahn.

Persönlich glaube ich jedenfalls nicht, dass mehr direkte Wahlintegration unbedingt mehr Legitimität oder praktisch verstanden mehr Vertrauen schafft. Diese ganze kohärente Logik des Grundgesetzes ist absolut faszinierend und ausgeklügelt. Wer hier grundlegend die Axt anlegen will, hat aus meiner Sicht wenig verstanden. Vielleicht ist es so selbstverständlich, dass man gar nicht weiß, wie gut das wirklich ist. Hier trifft das mit Sicherheit auch zu: Denke, nur ein geringer Anteil der Bevölkerung ist sich dessen wirklich bewusst. Eingestanden: Das System ist schon recht kompliziert: Wer hat schon Staatsrecht I im ersten Semester wirklich durchgreifend verstanden? Vielleicht oberflächlich.

Für mich ist eines auffallend: Ich vernehme oft viel Kritik, aber was man selten hört, ist, was gut an unserem System ist. Ich bin nicht idealistisch veranlagt, denn ich gehe vom Grundsatz aus, dass jedes Gesetzeswerk als menschengemachtes System Schwächen aufweist. Wer sucht, wird immer einen Fehler finden.

Ich mags mir beide Seiten anzuhören: Neulich hörte ich Dr. Maximilian Krah in einem Interview. Zweifelsohne ein hochintelligenter Mensch; distanziere mich aber zugleich klar von dieser Person. Aber er brachte es gut auf den Punkt, warum die AfD so erfolgreich sei: Früher, damit ist die alte BRD gemeint, sei alles klar und geregelt gewesen. Die großen und entscheidenden Fragen wären immer nach Karlsruhe abgegeben worden. Die Zäsur ist dann vermutlich 1993 mit Maastricht zu erkennen und dieser Entwicklung der Union. Heute sei das logischerweise nicht mehr so: Merkel wirft man ja von rechts grundlegend vor, dass sie vermehrt eine EU-Annäherungspolitik gemacht hätte. Dass Deutschland seine Souveränität verraten hätte. Viele ihrer Wähler wünschen sich halt diese Zeiten zurück: "Die gute alte Deutsche Leitkultur."

Jedenfalls gilt, wenn man Systemkritik üben will, dann sollte man vielleicht mal über die Vorzüge der EU-Integration nachdenken: Die AfD stand anfänglich mal für einen Austritt. Sicher, über die "einfache" Legitimation lässt sich auch hier streiten, aber ich denke, wenn man das mal positiv betrachtet, dann überwiegen - vor allem zu dieser Zeit - die Vorteile klar die Nachteile. Gedankenexperiment: Was würde geschehen, wenn wir austreten würden? Haben die mal darüber nachgedacht, was das wirklich gegenüber der EU bedeuten würde? (Stichwort: Binnenmarkt und Wohlstand)? Man kann ja mal nach England schauen. Ihren Wohlstand hat das sicher nicht gesteigert. Was will ich damit sagen? Vielleicht denken die Leute ihre Visionen mal zu Ende und fragen sich, was das bedeuten würde? Es ärgert mich einfach sehr; glaube man merkt das. Was aber für mich klar ist: Die AfD ist ja eher gegen die EU: Aber ich traue den wenigsten von denen zu, dass sie a) überhaupt wissen, wovon sie da eigentlich sprechen und b) welche Konsequenzen das letztlich auch für sie selbst hätte. Hier zeigen sich einfach grundlegende Verständnisprobleme.

Aber ja, bitte: Bringt uns noch mehr Spaltung herbei und dann können wir ja über Höcke als Kaiser (el Presidente) nachdenken. "Endlich mal einer, der richtig durchgreift und aufräumt!"

PS: Man sollte einfach mal genau in die Bilanz schauen, bevor man anfängt irgendwas wegzuwerfen.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von KMR »

Ich denke, dass niemand grundsätzlich die positiven Charakteristika des Grundgesetzes in Frage stellt. Und natürlich enthält das Grundgesetz viel Geschichte, so ist es bei allen Staatsverfassungen der Fall, schließlich ist keine genau gleich. Gerade mit dem BVerfG und dessen Besetzungsverfahren sowie auch dem dort bestimmten Proporz mit Hochschullehrern, ehem. Bundesrichtern u.w. Personen ist etwas einzigartiges (freilich ist das nicht im GG selbst so geregelt). Nicht umsonst genießt das Gericht auch im Ausland hohes Ansehen.

Das Problem der Gewaltenverschränkung - in Wirklichkeit nur zwischen Legislative und Exekutive - habe ich bereits mehrfach an anderer Stelle angesprochen. Es gibt de facto keinen Einfluss der Opposition. Wie denn auch, die Exekutive hat gleichzeitig automatisch die Mehrheit im Legislativorgan. Bekanntlich stets genannt als stärkstes Recht der Opposition und des Parlamentes zur Kontrolle der Regierung: Das Haushaltsrecht. Das ist hinfällig, wenn die Regierung stets eine Mehrheit im Legislativorgan hat. Rechnungskontrolle durch ein eigenes Bundesorgan Art. 114 Abs. 2 GG? Unnötig, weil dieses nur prüfen aber nichts verbieten oder aufschieben o.ä. kann.

Solange die Regierungsmehrheit sich nicht selbst zerstückelt, was in der Regel unwahrscheinlich ist (Ampel ausgenommen), gibt es de facto mit ihrer Wahl kein zurück, keine Begrenzungsmöglichkeit, kein nichts. Das Parlament kann auch weder Bundeskanzler und ohnehin keinen Minister das Vertrauen entziehen/abwählen, da es A) für ersteres einen Antrag des BKanzler selbst benötigt und B) Die Opposition keine Mehrheit hat und die Regierungsmehrheit wird wohl seltenst einen Grund haben, das mitzutragen wie ein konstruktives Misstrauensvotum.

Wenn man es genau nimmt, kann man fast die im GG zulässige Gewaltenverschränkung von Exekutive und Legislative für deutlich gefährlicher erachten als die Konzentration im Präsidialsystem, bei dem ggf. auch zwischenzeitlich eine Mehrheit des Präsidentenlagers im Legislativorgan verschwinden kann (durch zwischenzeitliche Wahlen) und der damit tatsächlich durch das Haushaltsrecht im Handeln beschränkt ist.

Ich sage nicht, dass mehr Wahlen die Lösung sind. Allerdings ist es im aktuellen System so, dass theoretisch bis zu 49,99% des Bundestages eigentlich keinen Einfluss haben kann, solange es nicht um GG-Änderungen geht oder der prä-Ampel äußerst bis nicht vorgekommene Fall der zerstrittenen Regierungsmehrheit besteht. Das widerspricht m.E. den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie, bei dem in der Theorie stets die Rechte und Möglichkeiten der Opposition betont werden. Die gibt es so jedenfalls nicht. Und nein, das Zitierrecht oder Untersuchungsausschüsse helfen da - außer dass sie den Haushalt belasten - nicht.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von FKN993 »

Jetzt verstehe ich, aus welcher Richtung du schaust. Das BVerfG beschreibt unsere Demokratie ja gern auch als Minderheitenschutz oder betont ihn gern; das Recht der Minderheit zur Mehrheit zu werden.

Aber warum ist das unbedingt ein Widerspruch für dich? Das Wort "Regierung" (von regere = führen; "leiten"; rex, regis) kann ja auch im repräsentativen Kontext mehr betont werden. Also die Regierung kann ja im Normalfall die Mehrheit der gewählten Stimmen auf sich vereinen und repräsentiert damit den funktional die Mehrheit der Bevölkerung; im Regelfall haben die Regierungsmitglieder ja auch Mandate. Und selbst entsteht sie ja zusätzlich erst durch die Kanzlerwahl. Das ist ja in der Legitimationskette auch eine mittelbare Wahl.

Ich verstehe deinen Punkt, aber letztlich kann man die ganze Veranstaltung eben als einen Regierungsauftrag auf Zeit verstehen. So war es aus meiner Sicht von Anfang an auch gedacht: Damit der nicht gestört wird oder besser auch funktionsfähig gewährleistet wird, muss die Konzeption so sein: Das Weimartrauma hat ja gezeigt, was ein zu starkes Parlament bedeuten würde: Das Problem war m.E. nach, dass man in der WRV auch einen Art. 67 I GG gebraucht hätte. Wäre das so gewesen, wäre es vielleicht anders gelaufen. Man kann vielleicht sagen, dass diese formale Stärke des Parlaments, z.B. betont in Art. 54 WRV (destruktives Misstrauensvotum), gleichzeitig auch ihren Untergang besiegeln sollte. Genau deswegen hat man Art. 67 GG auch eingeführt. Also man kann sagen, dass das Trauma von Weimar dazu geführt hat, genau den umgekehrten Fall im GG zum Regelfall zu statuieren. Es ging um Funktionsfähigkeit der Regierung. Genau das hat man auch geschafft meiner Meinung nach umzusetzen. Vielleicht muss man sich mehr mit dem systemimmanenten Kompromiss anfreunden.


Im Kern sehe ich das schon wie du, aber ganz ehrlich: Ich bin froh darüber, dass es so ist. Angenommen es gäbe mehr Notbremsen des Parlaments und damit logischerweise auch stärkere Oppositionsrechte: Was würde eine Partei wie die AfD z.B. damit anstellen? Ich glaube, dass das nicht so gut wäre. Da ertrage ich lieber die Grünen in der Regierung.
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Re: Allgemeiner Politik-Thread

Beitrag von KMR »

FKN993 hat geschrieben: Mittwoch 22. Januar 2025, 11:36 Jetzt verstehe ich, aus welcher Richtung du schaust. Das BVerfG beschreibt unsere Demokratie ja gern auch als Minderheitenschutz oder betont ihn gern; das Recht der Minderheit zur Mehrheit zu werden.

Aber warum ist das unbedingt ein Widerspruch für dich? Das Wort "Regierung" (von regere = führen; "leiten"; rex, regis) kann ja auch im repräsentativen Kontext mehr betont werden. Also die Regierung kann ja im Normalfall die Mehrheit der gewählten Stimmen auf sich vereinen und repräsentiert damit den funktional die Mehrheit der Bevölkerung; im Regelfall haben die Regierungsmitglieder ja auch Mandate. Und selbst entsteht sie ja zusätzlich erst durch die Kanzlerwahl. Das ist ja in der Legitimationskette auch eine mittelbare Wahl.

Ich verstehe deinen Punkt, aber letztlich kann man die ganze Veranstaltung eben als einen Regierungsauftrag auf Zeit verstehen. So war es aus meiner Sicht von Anfang an auch gedacht: Damit der nicht gestört wird oder besser auch funktionsfähig gewährleistet wird, muss die Konzeption so sein: Das Weimartrauma hat ja gezeigt, was ein zu starkes Parlament bedeuten würde: Das Problem war m.E. nach, dass man in der WRV auch einen Art. 67 I GG gebraucht hätte. Wäre das so gewesen, wäre es vielleicht anders gelaufen. Man kann vielleicht sagen, dass diese formale Stärke des Parlaments, z.B. betont in Art. 54 WRV (destruktives Misstrauensvotum), gleichzeitig auch ihren Untergang besiegeln sollte. Genau deswegen hat man Art. 67 GG auch eingeführt. Also man kann sagen, dass das Trauma von Weimar dazu geführt hat, genau den umgekehrten Fall im GG zum Regelfall zu statuieren. Es ging um Funktionsfähigkeit der Regierung. Genau das hat man auch geschafft meiner Meinung nach umzusetzen. Vielleicht muss man sich mehr mit dem systemimmanenten Kompromiss anfreunden.


Im Kern sehe ich das schon wie du, aber ganz ehrlich: Ich bin froh darüber, dass es so ist. Angenommen es gäbe mehr Notbremsen des Parlaments und damit logischerweise auch stärkere Oppositionsrechte: Was würde eine Partei wie die AfD z.B. damit anstellen? Ich glaube, dass das nicht so gut wäre. Da ertrage ich lieber die Grünen in der Regierung.
Sicherlich kann man das so sehen. Aber dreh den Spieß mal um, nämlich derart, dass es eine Regierungsmehrheit bildende AfD-BSW-Müll-Gruppe gibt. Die kann dann quasi für die Dauer der Legislaturperiode legislativ und exekutiv machen, was sie will (freilich innerhalb der Grenzen des GG). Das ist bspw. in der ersten Amtszeit Trumps nur in der erste Hälfte gewesen als seine Partei auch die Mehrheit in beiden Kongresskammern hatte. Als dann mit den Zwischenwahlen die Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Demokraten ging, konnte direkt seine Pläne zu Grenzmauer und anderes einpacken. Denn das Haushaltsgesetz braucht dort die Mehrheit beider Kammern. Diesen zusätzlichen Sicherheitsmechanismus, wo ggf. die Bevölkerung nach einer gewissen Dauer der Amtszeit einer Regierung wenigstens so noch "die Reißleine" ziehen aknn, gibt es eben nach dem GG eben überhaupt nicht. Nach der grundsätzlichen Konzeption, dass die Souveränität beim Volk liegt, halte ich das für jedenfalls nicht gänzlich unbedenklich. 4 (in den meisten Ländern und oft für den Bund auch gefordert 5) Jahre sind eine nicht unerhebliche Zeit seit ursprünglicher Erteilung der demokratischen Legitimation und es kann sehr viel in dieser Zeit geschehen.
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