Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

KMR
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von KMR »

Schnitte hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 22:15
KMR hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 20:43 Zudem vertraut gerade der Erklärungsempfänger eben auch auf die Erklärung des anderen Teils, das heißt hier ist auch der Schutz des Erklärungsempfängers betroffen.
Das Argument ist zirkulär: Es setzt die Bindungswirkung des Antrags voraus, begründet sie aber nicht. Der Erklärungsempfänger kann nur deshalb auf das Angebot der anderen Seite vertrauen, weil es im BGB eine Vorschrift gibt, die eine Bindung des Antragenden an sein Angebot vorsieht. Wenn wir in einem Rechtssystem leben würden, in dem Angebote grundsätzlich bis zur Annahme frei widerruflich sind (so z.B. im common law), dann gäbe es auch keinen Anlass für den Erklärungsempfänger, auf das Angebot zu vertrauen.
Den Einwand kann ich nicht abtun, das stimmt schon. Ich habe da auch tatsächlich nicht die ausgesprägtesten Kenntnisse zur Historie des BGB.
Ist das historisch so begründet worden? - Könnte man des jedoch nicht auch so sehen, dass die Rechtsordnung diese Bindung gerade deshalb vorsieht, weil der andere Teil darauf vertrauen können soll bzw. dieses Vertrauen vor der Kodifikation eines solchen Bindungssystems ohnehin bestand und daher die rechtliche Kodifikation daher dem gesellschaftlichen Geschäftsverkehr entsprach?; das erscheint mir durchaus im Sinne eines Rechtsfriedens förderlich, erst recht falls (und das weiß ich tatsächlich nicht genau, dafür zu wenig Rechtsgeschichtskenntnisse zum BGB) derAT des BGB ebenso wie das alte Schuldrecht noch stark auf das römische Recht zurückgehen sollte, das sich - so meine begrenzte Erinnerung - auch anhand von Streitigkeiten auf Märkten u.ä. entwickelt hat.

Dass unsere Rechtsordnung anders operiert als die Rechtsordnungen des common law ist insoweit nicht verwunderlich, da der Rechtskreis des common law typischerweise deutlich weniger auf (kodifizierte) Vorgaben zum Rechtsverkehr setzt und es gerade wesentlich stärker allein auf tatsächlich getroffene Vereinbarungen zwischen den Parteien ankommt. Vorschriften zum Vertragsschluss sind - obschon ich das mehr für das US-amerkanische Recht als für das englische beurteilen kann, da mag es womöglich anders sein, wobei ich davon nicht ausgehe - allenfalls dort zu finden, wo es sich um strenger regulierte Bereiche handelt (insbesondere Finanzierungsgeschäfte/privates Bankrecht). Das wird auch dadurch deutlich, dass ein Vertragsschluss schon andere Voraussetzungen hat als nach dem BGB - nämlich "consideration". Wegen Letzterem ist die Schenkung sowohl die Handschenkung als auch das Schenkungsversprechen im common law (jdf. US-amerikanischem Recht) gerade kein Vertrag.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

@KMR
Subsumiere mal den Antrag unter § 242 BGB (venire contra factum proprium; passt haargenau). Wenn das so ist, dann war § 242 BGB vorher schon da. Sie ist eigentlich überall. Damals haben die alle gesagt, dass § 242 BGB nur so eine Art Notnagel sei. Stimmt nicht: Sie ist die Mutter der Vertrauenstatbestände. Mit dem Zugang entsteht im Rechtskreis des anderen sogar ein neues Recht: Ein Minderjähriger kann ein Angebot nicht ablehnen, weil er damit "sein Recht auf den Vertragsschluss" verlieren würde.
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Schnitte
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Wobei unser BGB mit dem antiken römischen Recht, wie es vor zweitausend Jahren in Rom gegolten hat, weniger zu tun hat, als man so meint. Das BGB ist ein Produkt der Pandektistik des 19. Jahrhunderts, die zwar auf römische Ursprünge zurückgeht, diese aber im Vergleich zum echten römischen Recht der Antike ziemlich weiterentwickelt hatte (z.B. hatte das antike römische Recht Typenzwang statt Vertragsfreiheit im Schuldrecht, und einige ziemlich kuriose Formerfordernisse). Fürs common law ist in der Tat consideration das richtige Stichwort: Dort muss der Antrag unverbindlich sein, weil ja der Erklärungsempfänger keine consideration leistet und daher nicht in den Genuss eines verbindlichen Antrags kommen kann. Das führt zu Problemen in den Fällen, in denen wirklich mal ein verbindliches Angebot gewollt ist - dann muss mit irgendwelchen Hilfskonstruktionen consideration herargumentiert werden.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Torsten Kaiser »

Choryphäe124 hat geschrieben: Donnerstag 30. Januar 2025, 20:17 Ich hab mir die Normen mal angesehen. Meiner Meinung würde es sich, wenn im vorliegenden Fall bereits ein Vertrag gschlossen worden wäre, um einen Fernabsatzvertrag gemäß §312c BGB handeln, bei dem dem Verbaucher gemäß §312g iVm §355 ein Widerrufsrecht steht. Wenn sogar bei einem bereits geschlossenen Vertrag ein Widerrufsrecht existiert, muss es ja bei einem noch nicht geschlossenen Vertrag erst recht möglich sein, den Antrag zu widerrufen, würde man meinen.
Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Entweder dürfte es schon gar kein Angebot gewesen sein oder jedenfalls dürfte es nicht rechtzeitig angenommen worden sein. Dies ergibt sich aus den von mir genannten Vorschriften des BGB.
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Schnitte
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Hab dazu mal in den Kommentaren nachgesehen (MüKO-Busche, § 145 Rn. 3). Bindung ans Angebot ist eine Besonderheit des deutschen, österreichischen, schweizerischen und niederländischen Rechts; andere aufs römische Recht zurückgehende Rechtsordnungen haben es nicht, auch das common law nicht, auch nicht CISG und Principles of European Contract Law. Das war einfach eine rechtspolitische Entscheidung der Verfasser des BGB ohne zwingenden historischen Grund.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Aber Schnitte? Ist die Bindungswirkung nicht sogar eine systematische Notwendigkeit? Meine das zu erkennen, wenn mit der Abgabe der Erklärung die CIC eigentlich entstehen kann.

Dem Gesetzgeber war das offensichtlich ein äußerst wichtiges Anliegen, wenn er mit § 153 BGB sogar klarstellt, dass die Bindungswirkung ja nichtmal durch den Tod oder eintretende Geschäftsunfähigkeit aufgehoben wird. Warum eigentlich? Dann geht ja die Bindungswirkung auf den Erben über gem. § 1922 I BGB.

Frage: Es war nicht seine Vertragsfreiheit und warum sollte er für eine bis zur Annahme bestehenden Unsicherheitslage dann an einen Vertrag mit jemandem gebunden werden, den er nicht kennt? Und umgekehrt müsste der Annehmende nichtmal Kenntnis davon haben, dass der Antrag des Anträgers, der ihm mit der Postkutsche zugestellt worden ist, so gar nicht mehr existiert. Was genau hat so eine Konstellation eigentlich noch mit Vertragsfreiheit zu tun?
Zuletzt geändert von FKN993 am Freitag 31. Januar 2025, 11:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Eine systematische Notwendigkeit sehe ich hier nicht. Ein System, in dem der Antrag bis zur Annahme frei widerrufen werden kann (nach Annahme natürlich nicht mehr, dann ist der Vertrag ja geschlossen), wäre denkbar und keineswegs unlogisch oder widersprüchlich; gibt es ja, wie gesagt, in vielen anderen Staaten. Das würde auch, denke ich, die schutzwürdigen Interessen des Erklärungsempfängers nicht in untragbarer Weise beeinträchtigen. Man würde dem Erklärungsempfänger einfach sagen: Wenn du dich darauf verlassen willst, dass hier ein Vertrag zustandekommt, nimm den Antrag einfach an, dann hast du deinen Vertrag. Wenn du ihn nicht annimmst, weil du dir alle Optionen offenhalten willst, dann ist das deine Sache, aber dann musst du mit der Möglichkeit rechnen, dass der Antragende seinen Antrag in der Zwischenzeit wieder zurücknimmt. "Schrödingers Vertrag" geht halt nicht..

Dafür hat sich der Gesetzgeber des BGB nicht entschieden; er wollte, aus rechtspolitischen Gründen, eine Bindung an den Antrag (sogar über den Tod hinaus), und als Gesetzgeber hatte er natürlich die Befugnis, das vorzusehen. Daran kommen die Rechtsanwender nun natürlich nicht vorbei, denn Gesetz ist Gesetz. Aber unvermeidbar oder zwingend nötig war das nicht, es war einfach eine Wahl des Gesetzgebers. Und auch für ihn war sie nicht absolut - denn er hat dem Erklärenden die Möglichkeit belassen, die Bindung dann doch auszuschließen.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Ja, stimmt, wenn man das von Anfang an hätte anders machen wollen. Ich lese auch gerade: Es waren eigentlich nur rechtspolitische Vorstellungen (BeckOGK/Möslein BGB § 153 Rn. 3).

Die gehen sogar so weit, dass die Frist des § 147 II BGB sich ipso iure verlängert, wenn ein Fall des § 153 BGB vorliegt. Sie verlängert sich dann um die Zeit, die es braucht, um den Erben zu finden oder den gesetzlichen Vertreter, wenn der geschäftsunfähig wurde. Dass das geht, halte ich aber trotzdem für einen "Systembruch" und zwar mit der Vertragsfreiheit:

Die Begründung für diese Vorschrift und den Erhalt der Bindungswirkung haben die einfach unterstellend damit begründet, dass ein VTS grundsätzlich von wirtschaftlichen Motiven getragen sei, es ginge um den Erhalt des Rechts auf die Mehrung der Vermögensmasse; der Vertragspartner sei quasi egal. Naja, was ist mit dem Wortlaut des § 662 BGB (unentgelich)? Dann aber: § 672 BGB (Kein Erlöschen des Auftrags durch Tod des Auftraggebers).

Ich verstehe nicht, warum man die Vertragsfreiheit so durchbricht? Was spielt die dann noch für eine Rolle? Ich habe bis heute gedacht, dass der historische Gesetzgeber die Vertragsschließenden eben als edle Menschen betrachtet hat. Das stimmt offensichtlich überhaupt nicht?

Können die Erben sich davon lösen, wenn so ein VTS entsteht? Anfechtung analog? Aber wenn man das zuließe, dann würde man ja die glasklare Wertung des § 153 BGB unterlaufen? § 313? Würde aber eigentlich auch nicht passen?
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Man wird sicher zwischen höchstpersönlichen und sonstigen Verträgen differenzieren müssen.

Beispiel 1: A (Arbeitnehmer) bietet dem B (Arbeitgeber) per Post den Abschluss eines Arbeitsvertrags an. Nach Abgabe des Angebots stirbt A, E wird sein Erbe. Es wäre Unsinn, wenn hier B den Antrag noch annehmen und so einen Arbeitsvertrag mit E zustandebringen könnte. Höchstpersönliches Geschäft, hier kann eine Bindung des E an den Antrag nicht stimmen.
(Oder, krasserer Fall, A bietet der B den Eheschluss an und stirbt danach; jetzt kann sicher B nicht durch Erklärung eine Ehe mit E schließen. Allerdings ist dieses Szenario kaum vorstellbar, weil die Ehe sowieso nur unter Anwesenden geschlossen werden kann, § 1311).

Beispiel 2: Umgekehrter Fall, A ist der Arbeitgeber und bietet dem Arbeitnehmer B einen Arbeitsvertrag an, und jetzt stirbt A; E wird sein Erbe. Hier ist es schon eher vorstellbar, dass nun B einen Arbeitsvertrag mit E als Arbeitgeber zustandebringen kann, indem er den Antrag annimmt.

Beispiel 3: A bietet dem B an, ihm sein Auto für 5000 Euro zu verkaufen. A stirbt vor Annahme, E wird sein Erbe. Jetzt kann B sicher wegen § 153 einen Kaufvertrag mit E zustandebringen. E wird Partei eines Vertrags, dem er nie zugestimmt hat. Findet man das wertungsmäßig richtig? Darüber kann man getrennter Meinung sein, der Gesetzgeber des BGB findet ja. Zumindest kann man das Argument bringen, dass E, wenn der A ein wenig später (nach Vertragsschluss) gestorben wäre, auch nur die 5000 Euro bekommen würde, nicht das Auto; wenn A jetzt zufällig ein wenig früher (vor Vertragsschluss) stirbt und dasselbe Ergebnis rauskommt (E bekommt nicht das Auto, aber die 5000 Euro), dann kann man das wertungsmäßig OK finden.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Für F1,2: Einfach § 153 BGB einfach teleologisch reduzieren mit einem Erst-Recht-Schluss über § 1922 BGB? Sprich, wenn § 1922 BGB kein höchstpersönlichen Pfllichten übergehen lässt, dann kann das erst recht nicht mit § 153 erfolgen? Beziehungsweise würde ich gar nicht reduzieren, sondern in § 153 BGB einfach "keine höchstpersönliche Verpflichtung" als ungeschriebene Ausnahme hineinlesen.

Ja, Fall 3 halte ich genauso abgebildet für eine Beerdigung der Vertragsfreiheit. Im Trierer Weinversteigerungsfall lässt der BGH zwar der Sache nach einen fahrlässigen VTS zu, macht auch Sinn und ist überzeugend mit Blick auf § 116 BGB, aber billigt dann genauso als Ausgleich das Anfechtungsrecht analog zu.

Frage: Sollte man so einen Vertrag analog anfechten können?

In dieser Konstruktion entsteht die Bindung ja nur ipso iure. Was ich problematisch finde:

Also etwas in der Zeit zurück: Aus deinem Auto wird ein Pferd mit Geburtsjahr "1900". A trägt dem B ins weit entfernte Timbuktu den Antrag zu; er wollte ihm sein letztes Pferd verkaufen. Die Sache ist abgegeben und steckt in der Postkutsche. A stirbt, während die Postkutsche noch unterwegs ist. Erbe E reitet "unverzüglich" nach Kenntnis des Todes mit dem gesattelten Pferd hinterher, er tut alles und gibt richtig Gas, schafft es aber nun nicht mehr, weil der Gaul zu langsam war. B nimmt an, als E ankommt. Warum sollte B schutzwürdiger sein? Was ich so merkwürdig finde: Warum sollte ein potenzielles Wahlrecht (Annahme/Ablehnung) nun wichtiger sein als die Erbmasse? Das raffe ich nicht und mit Vertragsfreiheit hat es auch nicht zu tun? Auch hier liegt ein Eingriff vor. Oder ist das eine Art Nachlassverbindlichkeit? Weiß nicht. Die Vertragsfreiheit ist betroffen und die Erbmasse auch. Auf der anderen Seite steht nur dieses quasi vertragliche Anwartschaftsrecht. Mhm-
Zuletzt geändert von FKN993 am Freitag 31. Januar 2025, 20:03, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von Schnitte »

Die Überlegung des Gesetzgebers wird gewesen sein, dass der Erbe im Zuge der Universalsukzession den Nachlass so übernimmt, wie ihn der Erblasser im Moment seines Todes hatte, mit allen Rechten, Pflichten und Belastungen. Und wenn der Erblasser sozusagen mit einem ausstehenden Antrag (und der daraus folgenden Möglichkeit des Erklärungsempfängers zur Annahme) belastet war, dann ist auch das eine Belastung, die der Erbe mit übernimmt. Wenn er das nicht will, muss er ausschlagen. Jedenfalls kann ich mir anders nicht erklären, warum der Gesetzgeber sich so etwas ausgedacht hat.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Mhm, müssen wir wohl mit um-
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von KMR »

Rechtsvergleichend: Das US-amerikanische Erbrecht kennt die Universalsukzession bspw. nicht. Dort werden bspw. Verbindlichkeiten grundsätzlich nicht geerbt, vielmehr werden lediglich bestehende Verbindlichkeiten mit bestehendem Nachlassvermögen verrechnet bevor der Erbe den Rest erhält, aber eine Übernahme/Eintritt in die Rechtsposition des Erblassers im Rahmen von Verbindlichkeiten mit der Folge der grundsätzlichen Haftung der Erben auch mit ihrem Privatvermögen besteht nicht. Soll heißen: Das System der Universalsukzession ist zwar m.E. völlig logisch und nachvollziehbar, aber offensichtlich tatsächlich eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen.
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

Beitrag von FKN993 »

Aber schau mal: Das Problem sehe ich deswegen, dass man § 1922 nicht getrennt von § 1967 BGB sehen kann. Also eine einheitliche Betrachtung: Und damit gehen bestehende Rechtspositionen nach § 1922 I BGB (positives Vermögen) über und nach § 1967 eben die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten (negatives Vermögen). Jetzt sagt der Kommentar, dass § 153 BGB eben vor dem Hintergrund zu sehen sei, dass es nicht um die Person ginge des anderen Teils ginge (damit wird die Vertragsfreiheit für unbeachtlich erklärt), sondern dass die "Motivation" einer WE (generell im Vermögensausgleich) zu sehen sei; und das sei ja "unterstellt" für beide gut.
Ja, das stimmt ja offensichtlich nicht ganz oder generell. Wenn man dieser veralteten Vorstellung folgt, dass Leistung und Gegenleistung dem Werte nach immer gleich sind, macht das Sinn. Beide wären ja nach Vollziehung pari.

Wie ist es denn bei Schenkungsofferten? Da wäre ja sogar der Vertragserbe gem. § 2287 BGB (oder in der analogen Konstellation) geschützt (Mit der Beinträchtigungsabsicht wird ja sehr lasch umgegangen). In der Konstellation wäre es so, dass man dann, selbst wenn der dann postmortem die Offerte annimmt, dass dann wiederum die Schenkung noch annehmbar wäre, dann käme der VTS zustande, aber gleichzeitig müsste der Beschenkte und Annehmende es sofort wieder zurückgeben. Den Anspruch auf Hrsg. könnte er wegen dolo agit gem. § 242 BGB von Anfang gar nicht mehr durchsetzen (Er wüsste das gar nicht: Woher sollte er wissen, dass Nachlasser den Nachlass beeinträchtigt hat?). Gut, zugestanden, das ist jetzt die Ausnahmekonstellation und der Schluss von der Ausnahme auf die Regel ist verboten. § 672, da musste ich erst überlegen, taugt auch nicht zur Argumentation, weil der Sinn und Zweck ist quasi darin zu sehen, dass nicht sein Vermögen geschützt wird (Gegenleistung durch Vertrag), sondern eigentlich ist das charakterlich (meine Meinung) eine "erbrechtliche" Vorschrift: Der Beauftragte ist quasi der verlängerte Arm über den Tod hinaus. Also die Norm schützt nach meinem Verständnis den Geschäftsherrn und dessen Bindungswille (Wille postmortem; so nach dem Motto: "Das letzte Geschäft!)"). Über § 672 BGB bin ich deswegen gestolpert, weil der doch redundant/deklaratorisch ist? Ein Auftrag ist ein Vertrag. Damit gilt ganz normal § 153. Warum dann nochmal § 672 Satz 1? Eigentlich überflüssig.

§ 1967 I BGB ist für mich natürlich völlig klar (als Spiegel von § 1922 BGB). Aber der Grundfall betrifft "bereits entstandene Verbindlichkeiten". Über § 153 BGB entsteht aber eigentlich eine Art vertragliche Anwartschaft unter Vorbehalt der Annahme des Annehmenden. Jetzt will ich wissen, warum das dem GG denn "so" wichtig war?

Öffentlich-rechtlich gedacht: Hier wird jedenfalls eindeutig in die persönliche Vertragsfreiheit des Erben eingegriffen durch die Begründung der Erfüllungsverpflichtung (sogar schwerer Eingriff: Er hat ja nun keine Chance sich das auszusuchen). Gut, er kann das Erbe ausschlagen? (Aber so ausgleichend? Er hat auf jeden Fall das Erfüllungsrisiko auch wirtschaftlich) In die Erbmasse wird zunächst auch eingegriffen, weil der Erbe müsste ja erstmal verfügen und den Vertrag dann vollziehen. Anderer Teil: Was wäre hier der Eingriff? Durch § 153 BGB besteht ja keiner. Gäbe es die Norm nicht, könnte man diskutieren, ob es eine unbeabsichtigte Nebenfolge wäre durch gesetzgeberisches Unterlassen mit Verstoß gegen das Untermaßverbot? Oder sehe ich hier was falsch? Das klingt doch völlig konstruiert? Wird jetzt deutlich, was ich meine?

Und jetzt Folgefrage: Wenn das gehen soll? Was ja offensichtlich im Gesetz steht, dann müsste ja derjenige, der dieses "quasi vertragliche "Anwartschaftsrecht erworben hat, sogar selbst darüber verfügen dürfen? Also er könnte dieses Recht "auf VTS", z.B. wenn sogar befristet, abtreten an irgendwen gem. §§ 387, 413 BGB? Es sogar verkaufen? Das heißt durch diese Konstellation, die der Gesetzgeber geschaffen hat, könnte der potenzielle Vertragspartner mittelbar in die Vertragsfreiheit des Erben eingreifen, in er dieses Recht verkauft? Hä?

Also, wenn hier Fehler in der Argumentation sind, bitte sagen (habe aber auch Rotwein getrunken). Aber jetzt mal ohne Schmarn? Jura ist echt geil, oder? Ich bin immer wieder fasziniert von dieser Denkweise und auch Schreibweise. Auf welchem Niveau waren die damals bitte?
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Re: Widerruf eines Angebots als Verbraucher

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Ich glaube, man überdehnt den Begriff „Anwartschaftsrecht“, wenn man ihn dahin interpretiert, dass der Erklärungsempfänger es sogar abtreten kann (ich denke hier an Medicus‘ Kritik an dem Begriff in seiner BGB-Bibel). Vor dem Tod des Erklärenden kann der Erklärungsempfänger diese „Anwartschaft“ sicher nicht abtreten. Dann kann er das nach dem Tod auch nicht tun. Es ist also nicht etwa ein verselbstständigtes, übertragbares Recht.
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