Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

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Es kommt drauf an
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Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von Es kommt drauf an »

Hallo liebes Forum,

ich bereite mich derzeit auf die Erste Juristische Prüfung vor und habe mittlerweile rund 50 Probeklausuren im Examensklausurenkurs sowie bei einem kommerziellen Anbieter geschrieben.

Vor einigen Tagen hat ein Korrektor unter einer meiner Klausuren angemerkt, dass ich im Gutachten keine Überschriften verwende und das Gutachten dadurch teilweise unübersichtlich wirke.

Hintergrund ist, dass ich mittlerweile bewusst auf Überschriften im Gutachten verzichte, weil ich so schneller schreiben kann und es mir leichter fällt, die Schwerpunkte in der Klausur richtig zu setzen. Mein Eindruck ist zudem, dass das Gutachten durch zahlreiche Zwischenüberschriften manchmal unnötig langatmig wird und inhaltlich an Substanz verliert (von 25 Seiten Klausur machen am Ende alleine die Überschriften 1-2 Seiten aus).

Mich würde interessieren, wie ihr das in euren Klausuren gehandhabt habt oder aktuell macht: Verwendet ihr durchgehend Überschriften, verzichtet ihr komplett darauf oder entscheidet ihr das je nach Fall?

Und wie schätzt ihr das für das echte Examen ein – wirkt sich das Weglassen von Überschriften eher positiv oder negativ auf den Gesamteindruck beim Korrektor aus?

Vielen Dank und liebe Grüße! 😊

Zur Verdeutlichung, was ich meine, hier ein vom mir ausgedachtes Beispiel:

Zu prüfen ist, ob A von B Herausgabe einer Sache aus § 985 BGB verlangen kann, die B möglicherweise gutgläubig vom Dritten C erworben hat:

Mit Überschriften:

A könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sache aus § 985 BGB haben.

Dies setzt voraus, dass (...)

I. Eigentümerstellung

A müsste Eigentümer der Sache sein.

Eigentümer ist, wer (...)

1. Ursprünglicher Eigentümer

Ursprünglich war A Eigentümer der Sache.

2. Kein Verlust an B nach §§ 929, 932 I BGB

A könnte das Eigentum an der Sache aber nach §§ 929, 932 I BGB an B verloren haben, wenn dieser sie gutgläubig von C erworben hat.

Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929, 932 I BGB setzt voraus (...)

II. Besitzerstellung

B müsste Besitzer sein.

Besitzer ist, wer (...)

Ohne Überschriften:

A könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sache aus § 985 BGB haben.

Dies setzt voraus, dass (...)

I. A müsste Eigentümer der Sache sein.

Eigentümer ist, wer (...)

1. Ursprünglich war A Eigentümer der Sache.

2. A könnte das Eigentum an der Sache aber nach §§ 929, 932 I BGB an B verloren haben, wenn dieser sie gutgläubig von C erworben hat.

Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929, 932 I BGB setzt voraus (...)

II. B müsste Besitzer sein.

Besitzer ist, wer (...)
KMR
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von KMR »

O-Ton hier: Überschriften dienen Ihnen als Bearbeiter als Hilfestellung, sie sollen lt. hiesigem LJPA ausdrücklich nicht mit bewertet werden und sie ersetzen erst recht keine vernünftigen, präzisen Obersätze (was leider sehr oft in Probeexamensklausuren bei vielen Bearbeitern zu beobachten ist).

Das wichtigste ist die Übersichtlichkeit der Klausur, d.h. insbesondere Absätze zu nutzen und ggf. auch den ein oder anderen Gliederungspunkt, soweit es sinnvoll erscheint. Niemand will jedenfalls eine ganze Seite voller Text ohne einzige freie Zeile lesen. Ob du dann am Ende Überschriften gesetzt hast oder nicht, sollte m.E. unerheblich sein, solange der Rest richtig ist und korrekte Obersätze gebildet und verwendet werden.

Auch in den Lösungskizzen dienen die Überschriften eher immer als Hilfestellung/Übersicht für den Korrektor
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von GetMeOut »

Zur Bewertungspraxis kann ich wenig sagen. Zu beachten ist aber, dass Lesbarkeit und Übersichtlichkeit bei jedem längeren juristischen Text beachtet werden sollten, egal ob Gutachten, Anwaltsschriftsatz oder Urteil.

In der Anwaltspraxis nervt es mich jedes Mal, wenn die Gegenseite einen umfangreichen Schriftsatz ohne jede Strukturierung (insbesondere keine Überschriften) überlässt. Bei wichtigen Schreiben von 20+ Seiten stelle ich meinen Schriftsätzen regelmäßig sogar eine Inhaltsübersicht voran.

Ich kann mir gut vorstellen, dass eine mangelnde Übersichtlichkeit durch Verzicht auf Überschriften jedenfalls bei Praktikern nicht gut ankommt.
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Urs Blank
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von Urs Blank »

Überschriften im juristischen Gutachten sind grundsätzlich sinnvoll: Dem Verfasser helfen sie, seine Gedanken zu strukturieren, dem Leser erleichtern sie die Übersicht. Aber: In dem obigen Beispiel des TE sind die Überschriften viel zu kleinteilig gesetzt, das hat eher den gegenteiligen Effekt. Besser Überschriften sparsam und nur für größere Sinnabschnitte verwenden.
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von Torsten Kaiser »

Zumindest im zweiten Examen werden im Gutachten Zwischenüberschriften von den meisten Korrektoren sehr gern gesehen. Ich vermute mal, dass das im 1. Examen nicht anders ist.
OJ1988
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von OJ1988 »

Urs Blank hat geschrieben: Freitag 11. April 2025, 21:23 Überschriften im juristischen Gutachten sind grundsätzlich sinnvoll: Dem Verfasser helfen sie, seine Gedanken zu strukturieren, dem Leser erleichtern sie die Übersicht. Aber: In dem obigen Beispiel des TE sind die Überschriften viel zu kleinteilig gesetzt, das hat eher den gegenteiligen Effekt. Besser Überschriften sparsam und nur für größere Sinnabschnitte verwenden.
So habe ich es auch immer gehalten und bin damit gut gefahren: Ausformulierte Überschriften für die großen Blöcke (AGLs im Zivilrecht, Straftatbestände im Strafrecht usw.), weiter ergänzt durch "1.", "a)" usw. (aber eben ohne textliche Zwischenüberschrift) für einzelne Tatbestandsmerkmale o.ä.
Torsten Kaiser
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von Torsten Kaiser »

OJ1988 hat geschrieben: Mittwoch 23. April 2025, 11:34
Urs Blank hat geschrieben: Freitag 11. April 2025, 21:23 Überschriften im juristischen Gutachten sind grundsätzlich sinnvoll: Dem Verfasser helfen sie, seine Gedanken zu strukturieren, dem Leser erleichtern sie die Übersicht. Aber: In dem obigen Beispiel des TE sind die Überschriften viel zu kleinteilig gesetzt, das hat eher den gegenteiligen Effekt. Besser Überschriften sparsam und nur für größere Sinnabschnitte verwenden.
So habe ich es auch immer gehalten und bin damit gut gefahren: Ausformulierte Überschriften für die großen Blöcke (AGLs im Zivilrecht, Straftatbestände im Strafrecht usw.), weiter ergänzt durch "1.", "a)" usw. (aber eben ohne textliche Zwischenüberschrift) für einzelne Tatbestandsmerkmale o.ä.
Und so ist es gewollt!
Joshua
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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von Joshua »

Das oberste Kriterium in Form- und Aufbaufragen ist mE FAST IMMER die prüferpsychologische Perspektive, SELTEN irgendein (AG-Leiter-) Dogma. Wenn man den Prüfer durch Zwischenüberschriften an die Hand nimmt und durch die eigenen Gedanken führt, wird er dafür in 99% der Fälle "dankbar" sein. Wenn man hingegen meint, das sei die Tinte nicht wert, um den Prüfer dann ausschließlich über die Obersätze zu leiten, wird sich eben mancher Prüfer etwas "verloren" fühlen. Prüfer machen das NEBEN vielen anderen Aufgaben, und sie entwickeln nicht unbedingt wissenschaftliche Leidenschaft für irgendein Themenkonglomerat, das im Prüfungsamt zusammengeschustert wurde; umso klarer ist, dass man ihnen die Arbeit so einfach wie möglich machen muss, statt darauf zu vertrauen, dass ihnen die Güte der eigenen Gedanken aus dem Nebel eines unstrukturierten bzw. nicht durch überschriften vorgeordneten Aufbaus schon wie gleissendes Licht entgegenstrahlen werde...

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Re: Zur Notwendigkeit von Überschriften im juristischen Gutachten

Beitrag von Gürteltier »

Ich würde mal sagen, das ist unterschiedlich.

Am wichtigsten ist, dass der Korrektor versteht, was du machst. Meiner Meinung nach kann man sie sogar ganz weglassen (s. zweites Examen: im Urteil sind Überschriften ohnehin zum Teil noch verpönt und es ist ja nicht so, als ob die Korrektoren im 2. Examen plötzlich intellektuelle Höchstleistungen vollbringen oder die Referendare plötzlich viel besser formulieren und schreiben - also sollte es, wenn es im 2. Ex ohne Überschriften klappt, auch im 1. Ex ohne klappen können. Aber man kann sich ja der Möglichkeit bedienen, wo es der Struktur zuträglich ist).

Hauptaugenmerk ist m.E. “die Gedanken korrekt anbringen”: Schreibst du eine wirklich kohärente Klausur und kannst du deine Gedanken so ordnen und niederschreiben, dass der andere dir immer folgen kann? Dann sind die Überschriften ab einem bestimmten Punkt nicht notwendig. Hast du eher das Problem, dass häufig in den Korrekturanmerkungen Unklarheiten über deinen Prüfungsaufbau bestehen - dann hilft es vielleicht, die Überschriftendichte zu erhöhen. Vielleicht gibt es auch noch ein paar mehr Pünktchen, wenn die Überschrift richtig ist, aber der Text nicht dazu passt. Viel gewonnen hast du damit nicht. Die Überschrift “Schaden” wird dir bestimmt nicht die Klausurpunkte für komplexe Zurechnungs- und Wertungsfragen i.R.d. §§ 249 ff. BGB ersetzen. Gleichzeitig wird der Korrektor diese auch ohne die Überschrift “Schaden” honorieren und wenn du das Problem erkennst und korrekt löst, wird es vermutlich auch an einer sinnvollen Stelle auftauchen - und wenn nicht, dann mit oder ohne Überschrift nicht.

Meines Erachtens (und aus meiner Korrekturerfahrung bzgl. Probeklausuren) machen viele Leute zu viele Überschriften. Gerade in der Zulässigkeit von VwGO-Klagen braucht man die echt nicht. Als Korrektor kenne ich ja die grundlegenden Aufbauregeln selbst. Das stört also ab einem gewissen Punkt den Lesefluss. Aber erneut: Sehr individuell - du willst ja zum Ende hin eine Klausur, die dem “Durchschnittskorrektor” gefällt.

Ich habe es in meinen Klausuren meistens so gemacht:

Strafrecht: Nur die Norm (also z.B. “§ 212 I StGB” oder “§§ 211, 212, 22, 23 StGB” oder “§§ 242, 244 I Nr. … StGB”) - dann nur Gliederungsziffern in einer Eben, z.B.:

1. (Hier Prüfung: Wegnahme einer fremden beweglichen Sache)

2. (Hier Prüfung: Vorsatz)

3. T handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

Zivilrecht: Nur die AGL (“§ 985 BGB”), Gliederung je nach Anspruch, bei bloßer Ablehnung eines Anspruchs auch mal ganz ohne Gliederungsziffern - im Zivilrecht mache ich eh das meiste nach Bauchgefühl.

ÖRecht:

A. Sachentscheidungskompetenz

I. (nur noch Text)

B. Zulässigkeit

I. (nur noch Text)

C. Begründetheit

-> Hier je nach Fall Überschriften, aber eher nur noch 1-2 Gliederungsebenen. Beim VA ist es manchmal vielleicht noch sinnvoll, tatsächlich TB/RF als Überschrift zu haben (und vlt. auch mal formelle/materielle Rmßkt.), wenn es sonst zu sehr nach “Textwüste” aussieht. An sich aber auch wieder egal, solange du schöne Obersätze machst.
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