Einordnung der Vorschrift?
Moderator: Verwaltung
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Einordnung der Vorschrift?
Hi, könnte ihr mir mal bitte helfen? Stehe etwas auf dem Schlauch.
Das ist § 4 Abs. 9 (https://sbahn.berlin/tickets/vbb-tarif- ... gen/#c5349)
(9) Sind bei Tätlichkeiten, Beleidigungen, Hausfriedensbruch, Beschädigung in Verkehrsmitteln und deren Einrichtungen, bei Schäden, die durch die Beförderung von Sachen oder Tieren verursacht werden, bei der Einziehung von Fahrausweisen sowie bei der Ablehnung der Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes die Personalien eines Fahrgastes nicht eindeutig feststellbar, kann er zu diesem Zweck gemäß § 229 BGB bzw. § 127 Absatz 1 und 3 StPO im Fahrzeug bzw. auf dem Bahnsteig festgehalten oder veranlasst werden, mit dem Betriebspersonal die nächste Polizeidienststelle aufzusuchen.
Erste Frage:
Wenn das Verkehrsunternehmen in öffentlicher Hand ist, Betreibergesellschaft privat, dann müsste nach meiner Meinung (Fraport-Entscheidung) auch eine Grundrechtsbindung bestehen. Da die genannte Vorschrift von den gesetzlichen Vorgaben des öffentlichen Beförderungsrechts abweicht, ist sie einer AGB-Kontrolle zugänglich. Damit dürfte man doch § 307 BGB entsprechend prüfen?
Zweite Frage:
Wenn Fahrgast ja sagt, dann müsste er eigentlich einwilligen und somit spielt § 4 Abs. 9 keine Rolle. Wenn nicht? Greifen die dann einfach unmittelbar? Also wie ist dieser Verweis rechtstechnisch zu verstehen? Dient das einfach nur der Klarstellung?
Dritte Frage:
Wenn § 127 I StPO eine Vorschrift des Strafprozessrechts ist, um den allgemeinen Strafverfolgungsanspruch zu schützen, dann bin ich der Meinung, dass man ihn auch deswegen nicht anwenden kann, wenn es lediglich um die Durchsetzung von privaten Ansprüchen geht und nicht um die Interessenlage einer möglichen Strafverfolgung. Die Realität ist die, dass gar nicht beim ersten Mal Schwarzfahren angezeigt wird. Das macht aus meiner Sicht wenig Sinn, wenn die Polizei kommen muss, um die Identität in Erfahrung zu bringen, um einen privatrechtlichen Anspruch durchzusetzen. Das ist doch ein Fall der Privatrechtsklausel? Und damit denke ich, dass § 229 BGB überdies systematisch spezieller wäre.
Vierte Frage:
Selbsthilfe §§ 229, 230, 231 BGB: Meine Frage ist, wenn hypothetisch die Lage bestünde, dass gar kein auf Geld gerichteter Anspruch besteht, sondern möglicherweise nur ein Hilfsanspruch aus Vertrag und gegenseitiger Vertragstreue gem. § 242 BGB, dann macht dieser Hilfsanspruch für mich nur dann Sinn, wenn der Primäranspruch, sprich der auf Geld, auch besteht?
A fährt B auf dem Parkplatz in die Karre und hat damit ein gesetzliches Schuldverhältnis nach § 823 I BGB begründet. Hier funktioniert das ohne Probleme. Wie ist das aber, wenn der Hilfsanspruch auf Identitätsfeststellung, der motivlich ja nur der Durchsetzung als Hilfsanspruch dient, nur selbst besteht. Also konkrete Frage: Soll der akzessorisch sein, oder nicht?
Bin mir nicht sicher, man könnte jetzt sagen, ja "Vertragstreue" lässt das zu.
Aber wenn die Beweislast auch beim Gläubiger liegt, er das beweisen muss, dass er den Anspruch hat, dann würde ich in dem Zusammenhang auch mit Bezug von § 231 BGB sagen, dass der Selbsthilfeübende das Risiko trägt. Also ich bin der Meinung, dass der Hilfsanspruch nur dann tauglich ist, wenn der Primäranspruch besteht. Wie steht ihr das?
Das ist § 4 Abs. 9 (https://sbahn.berlin/tickets/vbb-tarif- ... gen/#c5349)
(9) Sind bei Tätlichkeiten, Beleidigungen, Hausfriedensbruch, Beschädigung in Verkehrsmitteln und deren Einrichtungen, bei Schäden, die durch die Beförderung von Sachen oder Tieren verursacht werden, bei der Einziehung von Fahrausweisen sowie bei der Ablehnung der Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes die Personalien eines Fahrgastes nicht eindeutig feststellbar, kann er zu diesem Zweck gemäß § 229 BGB bzw. § 127 Absatz 1 und 3 StPO im Fahrzeug bzw. auf dem Bahnsteig festgehalten oder veranlasst werden, mit dem Betriebspersonal die nächste Polizeidienststelle aufzusuchen.
Erste Frage:
Wenn das Verkehrsunternehmen in öffentlicher Hand ist, Betreibergesellschaft privat, dann müsste nach meiner Meinung (Fraport-Entscheidung) auch eine Grundrechtsbindung bestehen. Da die genannte Vorschrift von den gesetzlichen Vorgaben des öffentlichen Beförderungsrechts abweicht, ist sie einer AGB-Kontrolle zugänglich. Damit dürfte man doch § 307 BGB entsprechend prüfen?
Zweite Frage:
Wenn Fahrgast ja sagt, dann müsste er eigentlich einwilligen und somit spielt § 4 Abs. 9 keine Rolle. Wenn nicht? Greifen die dann einfach unmittelbar? Also wie ist dieser Verweis rechtstechnisch zu verstehen? Dient das einfach nur der Klarstellung?
Dritte Frage:
Wenn § 127 I StPO eine Vorschrift des Strafprozessrechts ist, um den allgemeinen Strafverfolgungsanspruch zu schützen, dann bin ich der Meinung, dass man ihn auch deswegen nicht anwenden kann, wenn es lediglich um die Durchsetzung von privaten Ansprüchen geht und nicht um die Interessenlage einer möglichen Strafverfolgung. Die Realität ist die, dass gar nicht beim ersten Mal Schwarzfahren angezeigt wird. Das macht aus meiner Sicht wenig Sinn, wenn die Polizei kommen muss, um die Identität in Erfahrung zu bringen, um einen privatrechtlichen Anspruch durchzusetzen. Das ist doch ein Fall der Privatrechtsklausel? Und damit denke ich, dass § 229 BGB überdies systematisch spezieller wäre.
Vierte Frage:
Selbsthilfe §§ 229, 230, 231 BGB: Meine Frage ist, wenn hypothetisch die Lage bestünde, dass gar kein auf Geld gerichteter Anspruch besteht, sondern möglicherweise nur ein Hilfsanspruch aus Vertrag und gegenseitiger Vertragstreue gem. § 242 BGB, dann macht dieser Hilfsanspruch für mich nur dann Sinn, wenn der Primäranspruch, sprich der auf Geld, auch besteht?
A fährt B auf dem Parkplatz in die Karre und hat damit ein gesetzliches Schuldverhältnis nach § 823 I BGB begründet. Hier funktioniert das ohne Probleme. Wie ist das aber, wenn der Hilfsanspruch auf Identitätsfeststellung, der motivlich ja nur der Durchsetzung als Hilfsanspruch dient, nur selbst besteht. Also konkrete Frage: Soll der akzessorisch sein, oder nicht?
Bin mir nicht sicher, man könnte jetzt sagen, ja "Vertragstreue" lässt das zu.
Aber wenn die Beweislast auch beim Gläubiger liegt, er das beweisen muss, dass er den Anspruch hat, dann würde ich in dem Zusammenhang auch mit Bezug von § 231 BGB sagen, dass der Selbsthilfeübende das Risiko trägt. Also ich bin der Meinung, dass der Hilfsanspruch nur dann tauglich ist, wenn der Primäranspruch besteht. Wie steht ihr das?
- Schnitte
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Re: Einordnung der Vorschrift?
M.E. tut sie das nicht, sondern stellt nur einen deklaratorischen Hinweis auf gesetzliche Vorschriften dar, die unabhängig vom Beförderungsrecht sowieso gelten, auch zugunsten von Hoheitsträgern. Eine Grundrechtsbindung wird wohl bestehen, aber eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff existiert ja (im BGB und der StPO), und es wird wohl im Normalfall auch verhältnismäßig sein, wenn das Betriebspersonal davon Gebrauch macht.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Also kann man den Verweis auch als Ausdruck von § 241 II BGB fassen, dass der Fahrgast darüber informiert wird, und weiß, was ihm droht?Schnitte hat geschrieben: ↑Donnerstag 22. Mai 2025, 16:01M.E. tut sie das nicht, sondern stellt nur einen deklaratorischen Hinweis auf gesetzliche Vorschriften dar, die unabhängig vom Beförderungsrecht sowieso gelten, auch zugunsten von Hoheitsträgern. Eine Grundrechtsbindung wird wohl bestehen, aber eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff existiert ja (im BGB und der StPO), und es wird wohl im Normalfall auch verhältnismäßig sein, wenn das Betriebspersonal davon Gebrauch macht.
Worauf ich unbedingt hinaus will: Also ich verstehe ja, dass es praktische Gründe gibt, warum der fahrlässige Schwarzfahrer mit dem vorsätzlichen gleichgestellt wird. Das ausschlaggebende und die Ungleichbehandlung rechtfertigende Argument lautet: Wie will man es sonst machen? Und es gibt ja eben diesen Erlöschensgrund durch späteren Nachweis der Berechtigung. Völlig okay, da gebe ich grundsätzlich Ruhe.
Meine Argumentationslinie skizziere ich mal: Das Vergessen eines Portemonnaies, und damit von Dauerticket und oder Ausweis, ist eine Alltagsgefahr. Das ist leichteste Fahrlässigkeit, wenn versehentlich dann mal ohne einstiegen wird. Und jetzt habe ich die Situation vor Augen, und das ist kein Einzelfall, dass jemand beruflich auf den ÖPNV angewiesen ist. Das Wegerisiko trägt ja nun der AN. Wenn es dann in so einer Situation zu einer solchen Verzögerung kommt, damit die Identität polizeilich feststellbar ist, dann ist das schon ein erheblicher Nachteil und der eigentlich Vorteil liegt dann lediglich im Erhalt des ermäßigten Beförderungsentgelts als Verwaltungsaufwand in Form eines pauschalisierten Schadensersatzes. Ja, fahrlässig ist es, aber dieser Handlungsunwert ist einfach ungleich dem, weswegen man überhaupt die Vertragsstrafe eingeführt hat. Meine Fallgruppe schädigt den ÖPNV nicht und wollte es nachweislich auch nie. Das Argument, dass man die Kontrolle ansonsten ja nicht anders vollziehen könnte, ist doch damit eigentlich ein zirkuläres Argument? Ich begnüge mich nicht damit, dass man pauschal eine "Strafe" ausspricht, dessen Strafzweck von Anfang an überhaupt nicht berührt wird. Das ist mein Problem in dieser Konstellation.
Das weitere Problem ist aus meiner Sicht: Selbsthilfe ist eine systematische Ausnahmevorschrift. Unsere Rechtsweggarantie wird ja damit begründet, dass es eben kein Faustrecht geben soll.
Nun stoße ich auf das Problem, dass die Selbsthilfe auch Fälle tragen soll oder kann, das ist wohl auch hM, wenn überhaupt kein Anspruch besteht. Sie wird dann getragen durch den systematisch unstrittigen Hilfsanspruch, der aber gar keinen Vermögenswert hat oder nur 7€. Beziehungsweise sind 60€ auch ziemlich wenig. Daran stoße ich mich oder sehe ich das zu eng?
Wenn jemand im Lokal sitzt und es des Essens wegen Streit gibt, dann kann klar aus § 231 BGB gelesen werden, dass derjenige, der die Selbsthilfe übt, auch das Risiko trägt. Das ist also die normale Normenkonstellation. Völlig in Ordnung. Damit gilt: Kein Anspruch und damit keine Selbsthilfe.
Jetzt das Problem:
(3) Im Falle der Festnahme des Verpflichteten ist, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, der persönliche Sicherheitsarrest bei dem Amtsgericht zu beantragen, in dessen Bezirk die Festnahme erfolgt ist;
Damit Verweis auf §§ 916 ff. ZPO und dessen Antrag. Der Arrestgrund gem. § 918 setzt die Erforderlichkeit aber auch voraus. Anknüpfend aber daran, sind es dann 60€ oder 7€ oder tatsächlich gar nichts.
Dazu sagt die "angeblich" herrschende Meinung, dass der Anspruch zwar in dieser Höhe nicht ausreichte, um den Arrest beantragen zu können, aber in diesem Falle würde es eben auch mal und damit ausnahmsweise ausreichen, wenn zumindest der Identitätsanspruch besteht. Der BGH meint dazu, er müsse "dem Grunde nach" bestehen. Was bedeutet das?
Also was wird hier vertreten, wenn man genau hinguckt? Im Grunde wird damit eine Norm angewendet, die dem erkennbaren Zweck dient zu unterbinden, dass sich ein Schuldner aus der Gläubigersphäre entziehen kann und damit dessen Vermögen schädigt.
Nun würde aber "diese Auslegung" pauschal gar nicht auf den Vermögensschutz abstellen, sondern auf den Identitätsanspruch. Der Identitätsanspruch hat aber nur mittelbaren Vermögenswert, wenn es denn überhaupt einen Anspruch gibt. Wenn nicht, dann ist er wertlos. Und dann muss sich dieses Ergebnis auch mit § 231 BGB anfreunden können?
Ist es gut vertretbar, diese Fallgruppe hier auszunehmen? Zwar wurde auch fahrlässig die Beförderung beansprucht, aber die ist ja nun gezahlt. Und das Problem der Gleichstellung (von oben), taucht damit an dieser Stelle auch wieder auf? Damit wird das Rechtfertigungsrisiko aber auf den Gläubiger verlagert, der es aber "eigentlich" nach § 231 BGB gar nicht zu tragen hätte? Jetzt habe ich es endlich.
Das heißt damit: Für diesen Fall, Züge und Verkehr, wird ausnahmsweise diese Ausnahme gemacht. Grund liegt auf der Hand: Wie sollte man es sonst anders machen? Das bedeutet aber übersetzt: Der Vollzug ist wichtiger als der Schutzgedanke?
- thh
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Wie die beliebten "Hausordnungen" von Jugendzentren, die nicht nur Konsum, sondern auch Besitz, An- und Verkauf von illegalen Betäubungsmitteln verbieten. Wo kämen wir sonst auch hin!
- FKN993
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Deswegen frage ich:
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
Und hier wird von einer vertraglich vereinbarten Befugnis gesprochen (NZV 2014, 548)?
- Schnitte
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Das ist ein Problem, bei dem die Parallelwertung in der Laiensphäre der Bewertung durch die juristische Fachwelt vielleicht voraus ist. Was passiert denn, wenn du eine Dauerkarte hast, diese aber vergessen hast und nun in eine Kontrolle gerätst? Du nimmst zerknirscht die Peinlichkeit der Situation hin und sagst dem Kontrolleur, dass du deine Karte vergessen hast. Der fragt dich nach deinem Ausweis, du zeigst den Ausweis vor, der Kontrolleur nimmt die Daten auf, du kriegst einen Schrieb, gehst am nächsten zum Verkehrsbetrieb, zeigst deine Dauerkarte vor und zahlst sieben Euro. Sache ärgerlich, aber erledigt und kein Weltuntergang. Wenn du nun aber keinen Ausweis dabeihast, wird es komplizierter, und m.E. ist das Interesse des Verkehrsbetriebs, nicht mit erfundenen Personalien abgespeist zu werden, durchaus legitim, das gegen dein Interesse auf Fortsetzung der Fahrt abgewogen werden kann (zumal ja auch die Möglichkeit von Strafverfolgung nach §!265a StGB besteht). Ich habe keine Ahnung, was hier das normale Vorgehen der Kontrolleure ist; ich würde vermuten, die Polizei zu rufen und den Passagier bis dahin festzuhalten. Das führt natürlich zu Verzögerungen, aber die können die auch passieren, wenn du z.B. mit dem Auto fährst und in eine Verkehrskontrolle gerätst.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."
--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Das beste Argument im ersten Satz- Ja, die allermeisten Menschen nehmen das so hin und erkennen auch die pragmatische und alltägliche Notwendigkeit es so zu regeln.
Aber eben die Fälle mit Dauerberechtigen, ob mit oder Ausweis, ist die Situation doch eine andere:
Ein Erschleichen von § 265a I 3. Var. StGB liegt tatbestandlich nicht vor. Die Mindermeinung, die die vertragswidrige Beförderung ausreichen lässt, ist mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar und damit auch verfassungswidrig. Vielmehr setzt es voraus, dass unter manipulativer Umgehung der Kontrollmechanismen an die Leistung gelangt worden ist und dadurch der Anschein einer ordnungsgemäßen Beförderung entstanden ist. Der damit zusammenfallende Zeitpunkt der Tatbegehung ist im Betreten zu sehen und das bloße Betreten ohne Ticket ist keine Umgehung. Im Gegenteil. Das muss man auch zwingend so sehen, um die systematische Stellung von § 265a I StGB zu achten, denn der Gesetzgeber wollte mit der Einführung nur das Problem auflösen, dass kein Mensch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses getäuscht wird und § 263 StGB mangels Irrtums nicht einschlägig ist. Selbst dann, sähe man es anders, setzt § 265a I StGB aber weiterhin einen Vermögensschaden voraus. Durch die mit dem Erwerb verbundene Zahlung liegt eine antizipierte Erfüllung vor, sodass es damit auch am Schaden fehlt. Und auch dann, wenn der Fahrgast sogar dächte, dass er es nicht dürfte, wäre das ein umgekehrter Verbotsirrtum und wäre auch eine denkbare Versuchsstrafbarkeit gem. § 265a II StGB vom Tisch.
Die unmittelbare Konsequenz daraus ist nun, dass damit nun faktisch und auch rechtlich der Verweis auf § 127 I StPO in diesem Zusammenhang wenig Sinn ergibt. Wenn die Tathandlung des § 265a im Zeitpunkt des Betretens bestehen muss, also das Erschleichen, dann würde selbst das vorsätzliche Schwarzfahren interessanterweise den Tatbestand nicht erfüllen (s.o.), es wäre eben nur eine vertragswidrige Beförderung. Und genauso wäre das im Falle des fahrlässigen Handelns. Auch wenn man der hM folgt und auf einen Tat im prozessualen Sinne abstellt, dann muss aber ex ante mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ohne vernünftige Zweifel davon ausgegangen werden, dass auch Erschleichen von Leistungen begangen worden ist. Wenn die Beförderer Klauseln wie § 4 Abs. 9 aber nutzen, dann sollten auch sie wissen, für welche Fälle § 127 I StPO der Anwendung findet. Er greift aber nicht, denn der Fahrgast wurde ja nicht beobachtet als er eingestiegen ist. Ein solcher Schluss ist von Anfang an ohnehin unmöglich, wenn es ohnehin keine echten Kontrollmechanismen gibt. Man kann das auch nicht anders auslegen. Das entspräche der Situation, dass jemand im Kaufhaus mit einem Gegenstand verdächtig durch den Laden läuft. Nur dann, würde er dabei gesehen, wie er in die Jacke fallen lässt, würde es passen. Warum sollte das mit § 265a StGB anders sein?
Darüber hinaus müsste der Festnehmende auch ohnehin in Kenntnis der Festrahmenlage handeln und in der subjektiven Absicht den Festgehaltenen den Strafverfolgungsbehörden zuzuführen. Der Rechtsgrund der Norm liegt aber ausschließlich darin, dass der Strafverfolgungsanspruch gesichert wird und mit diesem Grund ist die Identitätsfeststellung auch verbunden. Beachtet man das obig Erwähnte, dann wäre es schon sogar fahrlässig die Norm überhaupt anzuwenden, weil er fast nie einschlägig ist. Die Frage, ob angezeigt wird, entscheidet in der Regel auch nicht der Kontrolleur selbst. Zur Sicherung von lediglich möglicherweise bestehenden zivilrechtlichen Ansprüchen ist diese Norm nicht angedacht. Ihre Anwendung scheidet damit aus. Aus meiner Sicht wäre das sogar völlig unvertretbar.
Es kommt damit auf die Selbsthilfe an. Und nun ist es so, dass diese sehr pragmatische und praxisnahe Auslegung, aber ein Problem hat, was sehr beachtlich ist. Kommt es zu einer Eskalation, es muss ja nur ein rabiates Verhalten sein, wofür man persönlich nichts konnte, dann führte die weite und auch praxisnahe Auslegung der Selbsthilfe nun dazu, dass sie die Notwehrlage entfallen lässt. Das heißt aber, das Rechtfertigungsrisiko, was eigentlich beim Selbsthilfeübenden liegt, aus pragmatischen und natürlich auch irgendwie verständlichen Gründen abweichend vom Rechtsgedanken des § 231 BGB auf den Fahrgast verschoben wird. Eskaliert die Situation, das kommt häufiger vor als man denkt, habe das nachgelesen, dann trägt plötzlich der Fahrgast aber auch das Rechtfertigungsrisiko und Strafbarkeitsrisiko. Und §§ 229 ff. BGB dienen ja dem Vermögensschutz. Aber die Situation besteht nicht bei einer solchen antizipierten Erfüllung und einem Hilfsanspruch. Tatsächlich wird auch vertreten, dass die Gleichstellung von Fahrlässigkeit und Vorsatz mit Art. 3 I GG nicht vereinbar ist. Ist das so, gilt das für die Erhebung ebenfalls. Die Anwendung der Selbsthilfe diente dann lediglich der Erzwingung der Preisgabe der Identität, steht aber nicht mehr auf dem Boden des Vermögensschutzes, was ihre Existenz als die Ausnahmevorschrift schlechthin rechtfertigt.
Und das nur, weil es wirklich keine praktische Lösung gibt? Was ist denn mit digitalisierten Kundendatenbanken, die verschlüsselt abgerufen werden und dann kann mit Einverständnis des Fahrgastes das abgerufen werden?
Habe mir halt in den Kopf gesetzt, dass ich darüber einen Aufsatz schreiben will. Will jetzt auch nicht mehr zurück.
Und mein Rechtsempfinden: Hier ersetzt Pragmatik die Dogmatik. Ich finde das irgendwie nicht so gut. Vielleicht ist es das auch?
Und um das noch herauszustellen: So eine dünne Selbsthilfe soll dann das Notwehrrecht schlagen?
Aber eben die Fälle mit Dauerberechtigen, ob mit oder Ausweis, ist die Situation doch eine andere:
Ein Erschleichen von § 265a I 3. Var. StGB liegt tatbestandlich nicht vor. Die Mindermeinung, die die vertragswidrige Beförderung ausreichen lässt, ist mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar und damit auch verfassungswidrig. Vielmehr setzt es voraus, dass unter manipulativer Umgehung der Kontrollmechanismen an die Leistung gelangt worden ist und dadurch der Anschein einer ordnungsgemäßen Beförderung entstanden ist. Der damit zusammenfallende Zeitpunkt der Tatbegehung ist im Betreten zu sehen und das bloße Betreten ohne Ticket ist keine Umgehung. Im Gegenteil. Das muss man auch zwingend so sehen, um die systematische Stellung von § 265a I StGB zu achten, denn der Gesetzgeber wollte mit der Einführung nur das Problem auflösen, dass kein Mensch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses getäuscht wird und § 263 StGB mangels Irrtums nicht einschlägig ist. Selbst dann, sähe man es anders, setzt § 265a I StGB aber weiterhin einen Vermögensschaden voraus. Durch die mit dem Erwerb verbundene Zahlung liegt eine antizipierte Erfüllung vor, sodass es damit auch am Schaden fehlt. Und auch dann, wenn der Fahrgast sogar dächte, dass er es nicht dürfte, wäre das ein umgekehrter Verbotsirrtum und wäre auch eine denkbare Versuchsstrafbarkeit gem. § 265a II StGB vom Tisch.
Die unmittelbare Konsequenz daraus ist nun, dass damit nun faktisch und auch rechtlich der Verweis auf § 127 I StPO in diesem Zusammenhang wenig Sinn ergibt. Wenn die Tathandlung des § 265a im Zeitpunkt des Betretens bestehen muss, also das Erschleichen, dann würde selbst das vorsätzliche Schwarzfahren interessanterweise den Tatbestand nicht erfüllen (s.o.), es wäre eben nur eine vertragswidrige Beförderung. Und genauso wäre das im Falle des fahrlässigen Handelns. Auch wenn man der hM folgt und auf einen Tat im prozessualen Sinne abstellt, dann muss aber ex ante mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ohne vernünftige Zweifel davon ausgegangen werden, dass auch Erschleichen von Leistungen begangen worden ist. Wenn die Beförderer Klauseln wie § 4 Abs. 9 aber nutzen, dann sollten auch sie wissen, für welche Fälle § 127 I StPO der Anwendung findet. Er greift aber nicht, denn der Fahrgast wurde ja nicht beobachtet als er eingestiegen ist. Ein solcher Schluss ist von Anfang an ohnehin unmöglich, wenn es ohnehin keine echten Kontrollmechanismen gibt. Man kann das auch nicht anders auslegen. Das entspräche der Situation, dass jemand im Kaufhaus mit einem Gegenstand verdächtig durch den Laden läuft. Nur dann, würde er dabei gesehen, wie er in die Jacke fallen lässt, würde es passen. Warum sollte das mit § 265a StGB anders sein?
Darüber hinaus müsste der Festnehmende auch ohnehin in Kenntnis der Festrahmenlage handeln und in der subjektiven Absicht den Festgehaltenen den Strafverfolgungsbehörden zuzuführen. Der Rechtsgrund der Norm liegt aber ausschließlich darin, dass der Strafverfolgungsanspruch gesichert wird und mit diesem Grund ist die Identitätsfeststellung auch verbunden. Beachtet man das obig Erwähnte, dann wäre es schon sogar fahrlässig die Norm überhaupt anzuwenden, weil er fast nie einschlägig ist. Die Frage, ob angezeigt wird, entscheidet in der Regel auch nicht der Kontrolleur selbst. Zur Sicherung von lediglich möglicherweise bestehenden zivilrechtlichen Ansprüchen ist diese Norm nicht angedacht. Ihre Anwendung scheidet damit aus. Aus meiner Sicht wäre das sogar völlig unvertretbar.
Es kommt damit auf die Selbsthilfe an. Und nun ist es so, dass diese sehr pragmatische und praxisnahe Auslegung, aber ein Problem hat, was sehr beachtlich ist. Kommt es zu einer Eskalation, es muss ja nur ein rabiates Verhalten sein, wofür man persönlich nichts konnte, dann führte die weite und auch praxisnahe Auslegung der Selbsthilfe nun dazu, dass sie die Notwehrlage entfallen lässt. Das heißt aber, das Rechtfertigungsrisiko, was eigentlich beim Selbsthilfeübenden liegt, aus pragmatischen und natürlich auch irgendwie verständlichen Gründen abweichend vom Rechtsgedanken des § 231 BGB auf den Fahrgast verschoben wird. Eskaliert die Situation, das kommt häufiger vor als man denkt, habe das nachgelesen, dann trägt plötzlich der Fahrgast aber auch das Rechtfertigungsrisiko und Strafbarkeitsrisiko. Und §§ 229 ff. BGB dienen ja dem Vermögensschutz. Aber die Situation besteht nicht bei einer solchen antizipierten Erfüllung und einem Hilfsanspruch. Tatsächlich wird auch vertreten, dass die Gleichstellung von Fahrlässigkeit und Vorsatz mit Art. 3 I GG nicht vereinbar ist. Ist das so, gilt das für die Erhebung ebenfalls. Die Anwendung der Selbsthilfe diente dann lediglich der Erzwingung der Preisgabe der Identität, steht aber nicht mehr auf dem Boden des Vermögensschutzes, was ihre Existenz als die Ausnahmevorschrift schlechthin rechtfertigt.
Und das nur, weil es wirklich keine praktische Lösung gibt? Was ist denn mit digitalisierten Kundendatenbanken, die verschlüsselt abgerufen werden und dann kann mit Einverständnis des Fahrgastes das abgerufen werden?
Habe mir halt in den Kopf gesetzt, dass ich darüber einen Aufsatz schreiben will. Will jetzt auch nicht mehr zurück.
Und mein Rechtsempfinden: Hier ersetzt Pragmatik die Dogmatik. Ich finde das irgendwie nicht so gut. Vielleicht ist es das auch?
Und um das noch herauszustellen: So eine dünne Selbsthilfe soll dann das Notwehrrecht schlagen?
Zuletzt geändert von FKN993 am Freitag 23. Mai 2025, 10:56, insgesamt 1-mal geändert.
- Schnitte
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Tut es nicht, aber in der Situation der Kontrolle weiß der Kontrolleur das nicht; es steht zumindest ein Tatverdacht im Raum. Und nach der Rechtsprechung kann das für § 127 StPO reichen. Und für § 229 BGB genügt auch der Anspruch auf die sieben Euro bei bloßem Vergessen der Dauerkarte allemal, und dieser Anspruch besteht ja tatsächlich.
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Also mit § 127 I StPO finde ich, dass man es dann im subjektiven Rechtfertigungselement scheitern lassen kann. Das ist dogmatisch keine Grundlage zur bloßen Datenbeschaffung im mehr zivilrechtlichen Kontext.Schnitte hat geschrieben: ↑Freitag 23. Mai 2025, 10:55Tut es nicht, aber in der Situation der Kontrolle weiß der Kontrolleur das nicht; es steht zumindest ein Tatverdacht im Raum. Und nach der Rechtsprechung kann das für § 127 StPO reichen. Und für § 229 BGB genügt auch der Anspruch auf die sieben Euro bei bloßem Vergessen der Dauerkarte allemal, und dieser Anspruch besteht ja tatsächlich.
Aber unterstellt, dass dieser Anspruch mal ausnahmsweise nicht bestünde, wärest du dann der Meinung, dass die Selbsthilfe auch dann Anwendung finden soll, wenn der Anspruch, um den es geht, in Sachen Entstehung strittig ist?
Soll die Selbsthilfe damit auch dann greifen, wenn es damit nur ex ante um die mögliche Durchsetzung eines nur möglichen Anspruchs geht? Und damit zusammengefasst nur der Aufklärung der Rechtslage dient? Dieses Problem stellte sich ja dann, wenn man der Ansicht folgte, dass man die pauschale Gleichstellung von fahrlässigen mit vorsätzlichen Schwarzfahrern für gleichheitswidrig hält. Das ließe sich abbilden.
Die obige Konstellation ist ja offensichtlich eben nicht der Normalfall der Selbsthilfe. Da das aber so ist, verschiebt sich ja damit auch die Motivlage ihres Vollzugs. Da das unklar ist, geht es dann primär um die Identiätsfestellung der Personalien, um möglicherweise den Anspruch noch durchzusetzen. Da aber die Kontrolleure unstreitig dazu nicht berechtigt sind, die Preisgabe der Personalien selbst zu erzwingen, nur fordern dürfen sie es, wäre das in dieser Konstellation aber damit faktisch der Fall. Selbsthilfe muss ja systematisch aufgrund ihres Ausnahmecharakters als ultima-ratio gesehen werden.
Fällt mir noch ein: Wäre das so, dann stellte die Festnahme einen Eingriff in Art. 2 GG dar und dann muss ja die Selbsthilfe auch die Ermächtigungsgrundlage darstellen. Ich würde jetzt sogar meinen, dass das zu unbestimmt ist. Eine Vollstreckungsberechtigung für diesen Fall kann ich da nicht rein lesen.
- Schnitte
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Die Rechtsprechung lässt sowohl für § 127 StPO (BGH NJW 1981, 745) als auch für § 229 BGB (BGHZ 133, 184) Tatverdacht genügen. Man kann jetzt natürlich darüber streiten, welcher Verdachtsgrad hier erforderlich ist, und vor allem kann man in jedem Einzelfall darüber streiten, welcher Verdachtsgrad vorliegt, wenn ein Fahrkartenkontrolleur im ÖPNV einen Passagier antrifft, der behauptet, eine Dauerkarte zu besitzen, aber vergessen zu haben; aber der Grundsatz bleibt. Was meines Erachtens auch legitim ist: seit der Abschaffung von Bahnsteigsperren ist das System, mit dem die Zahlungspflichtigkeit des ÖPNV in Deutschland durchgesetzt wird, auf Fahrkartenkontrollen während der Fahrt aufgebaut ist. Das kann nur funktionieren, wenn die Kontrolleure wirksame Möglichkeiten haben, bei Passagieren ohne Karte auch etwas zu unternehmen. Und das muss auch bei Passagieren gegeben sein, die behaupten, eine Karte zu haben, die aber leider zuhause liege - wenn der Kontrolleur - der ja in dieser Situation keine Gewissheit haben kann - nun das Risiko trägt, dass sich diese Geschichte als wahr herausstellt und sein Vorgehen daher rechtswidrig war (mit all dem Risiko das dranhängt, z.B. Strafbarkeit wegen Nötigung), dann macht man diese Kontrollen im Ergebnis unmöglich. Das ist zwar im Einklang mit der generellen "ist doch alles sch..egal"-Tendenz, die sich in Deutschland breitmacht, aber man muss es ja nicht noch weiter vorantreiben.
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Danke dir übrigens für deine Hilfe. Habe so lange gewartet, weil ich nicht wusste wie ich sauber aus meiner Einleitung heraus schreiben kann. Da hatte ich mich zu sehr in etwas verbisssen. Aber es stimmt: Die Ursache für diese Problemkonstellation ist wirklich die Entscheidung gegen die Bahnsteigsperre. Das werde ich einbauen. Der damit einhergehende Nachteil muss ja irgendwie praktisch auch ausgeglichen werden. Ein im System liegendes unlösbares Problem? Dann kann ich die Einleitung auch als Anregung für mögliche Reformvorschläge verpacken.
Naja, rund um § 127 I StPO verstehe ich deine Linie auch, wenn du das praktische Problem, ausgehend von den fehlenden Bahnsteigsperren, damit ausgleichst, indem du hier weicher auslegst. Das ist irgendwie der große Kompromiss.
Aber was ist hiermit? "Der Zweck der Festnahme darf nur darin bestehen, den Täter der Strafverfolgung zuzuführen (BeckOK StPO/Krauß StPO § 127 Rn. 10; vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1991, 599; BayObLG JR 1991, 518)." Das würde ich jetzt nicht so einfach vom Tisch wischen können, weil es bedeutet, dass es kein Motivbündel sein darf. Würde jetzt sagen, dass die Strafverfolgung auf jeden Fall der primäre Zweck sein muss. Das bloße Einschalten der Polizei, um Ausweisart Polizei zu erreichen, erfüllt dies ja nun nicht.
Aber jetzt weiß ich auch, was ich an diesem Fall so spannend finde: Er vernetzt einfach so viel und er stellt auch eine Frage danach, ob praktische Notwendigkeiten manchmal die Dogmatik etwas herausfordern dürfen? Das kann aber dazu führen, das zeigt der Fall auch finde ich, dass ein Problem manche andere Auslegungen quasi erfordern muss, da es ansonsten in sich zusammenfällt.
Naja, rund um § 127 I StPO verstehe ich deine Linie auch, wenn du das praktische Problem, ausgehend von den fehlenden Bahnsteigsperren, damit ausgleichst, indem du hier weicher auslegst. Das ist irgendwie der große Kompromiss.
Aber was ist hiermit? "Der Zweck der Festnahme darf nur darin bestehen, den Täter der Strafverfolgung zuzuführen (BeckOK StPO/Krauß StPO § 127 Rn. 10; vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1991, 599; BayObLG JR 1991, 518)." Das würde ich jetzt nicht so einfach vom Tisch wischen können, weil es bedeutet, dass es kein Motivbündel sein darf. Würde jetzt sagen, dass die Strafverfolgung auf jeden Fall der primäre Zweck sein muss. Das bloße Einschalten der Polizei, um Ausweisart Polizei zu erreichen, erfüllt dies ja nun nicht.
Aber jetzt weiß ich auch, was ich an diesem Fall so spannend finde: Er vernetzt einfach so viel und er stellt auch eine Frage danach, ob praktische Notwendigkeiten manchmal die Dogmatik etwas herausfordern dürfen? Das kann aber dazu führen, das zeigt der Fall auch finde ich, dass ein Problem manche andere Auslegungen quasi erfordern muss, da es ansonsten in sich zusammenfällt.
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Schnitte? Ich freue mich etwas, dass ich jetzt sagen kann, dass ich das, was ich begründen wollte, nun auch wirklich belastbar begründen kann. Mein Rohbau ist fast fertig.
Problem jetzt: Wenn man das berücksichtigte, was ich da erzähle, dann würde es wirklich uneinheitlicher werden. Also es bedeutet nicht, dass alles hinfällig ist. Interessant ist nebenbei, dass die "Bahnsteigsperren" in der Ursache es tatsächlich sind, die den Zirkelschluss verursachen, der die Gleichstellung in Sachen EBE tragen soll. Aber auf das EBE kommt es in meiner Betrachtung nicht an.
Jedenfalls ist jetzt die Frage: Was könnte man denn einheitlich technisch erwägen, um diese ganze Verfahrenspraxis überflüssig zu machen. Das entlastet auch die Polizeiarbeit, die nicht ständig ausrücken muss, um Personalien festzustellen, ohne dass ein Strafverfolgungsinteresse tatsächlich in Sichtweite wäre.
Meine Idee, dass man das Konzept von Bahnsteigsperren digital umsetzte. Ein Check-in/Check-out-System an Bahnhöfen/Zügen. Und so könnte man auch ein dynamisches Preis- und Bezahlsystem entwickeln (also Preis richtet sich dann nach Fahrstrecken oder Zonenpreisen).
Meine Idealvorstellung wäre, dass man gar keine Fahrkarte mehr bräuchte und beispielsweise z.B. Fingerabdrucktechnik nutzt: Der Fingerabdruck - konkludente Zustimmung - dient dann als Verifizierungsschlüssel, um verschlüsselt hinterlegte personenbezogene Daten abzurufen. Wäre das nicht umsetzbar?
https://www.personalausweisportal.de/We ... -node.html
Mein Vater meinte aber, dass man das alles vergessen könnte, weil Deutschland teilweise noch immer ein Funkloch wäre. Aber wir könnten ja mal anfangen. In Sachen Digitalisierung hängen wir ja wirklich hinterher.
Zuletzt geändert von FKN993 am Dienstag 10. Juni 2025, 16:34, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Zumindest datenschutzaffine Menschen sind in keiner Weise daran interessiert, dass Dritte - bspw. ÖPNV-Anbieter - ihre Fahrten bestimmten Personen zuordnen können.FKN993 hat geschrieben: ↑Sonntag 8. Juni 2025, 13:49Meine Idee wäre, dass man das Konzept von Bahnsteigsperren digital umsetzte. Ein Check-in/Check-out-System an Bahnhöfen und in Zügen. Und so könnte man auch ein dynamisches Preis- und Bezahlsystem entwickeln (also Preis richtet sich dann nach Fahrstrecken oder Zonenpreisen).
Ich sehe den Gewinn bei diesen ganzen komplizierten Gedankenspielen nicht. Die Notwendigkeit, jemanden zu identifizieren, entsteht genau dann, wenn er sich vertragswidrig verhält. Dafür ist es egal, ob er einen Zug ohne Fahrschein betritt oder ohne sich einzuchecken oder seinen Fingerabdruck scannen zu lassen. Eine "digitale Bahnsteigsperre" ergibt insoweit keinen mir ersichtlichen Gewinn. Wer sich ordnungsgemäß eincheckt, würde auch eine Fahrtkarte kaufen; wenn jemand die Sperre umgeht, bspw. durch Überspringen eines Drehkreuzes, stellt sich wieder dasselbe Problem.FKN993 hat geschrieben: ↑Sonntag 8. Juni 2025, 13:49Meine Idealvorstellung wäre, dass man gar keine Fahrkarte bräuchte und beispielsweise z.B. Fingerabdrucktechnik nutzt: Der Fingerabdruck dient dann als Verifizierungsschlüssel, um verschlüsselt hinterlegte personenbezogene Daten abzurufen. Wäre das nicht umsetzbar?
Die wirksamen Lösungen - nicht überwindbare Sperren oder personenbesetzte Kontrollstellen an _JEDEM_ Bahnsteig oder an _JEDEM_ Eingang _JEDES_ Zuges - will niemand und kann niemand bezahlen.
(Wie lebensfremd kann man im Übrigen sein?)
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Re: Einordnung der Vorschrift?
Normalerweise ist mir progressives Denken z.B. auch völlig fremd, aber lebensfremd finde ich es nicht darüber im Ausblick mal das ein oder andere Gedankenspiel zu wagen. Vergleicht man unseren Stand der Digitalisierung, dann wirken wir schon jetzt lebensfremd; da sind wir eigentlich das Schlussland. Mit dem Datenschutz zu argumentieren, halte ich nicht mehr für zeitgemäß und hemmt etwas den Prozess. Das griffe doch überzeugend nur durch, wenn die Verkehrsdaten auch ohne Weiteres einsehbar sind. Das sollte nach meiner Überlegung, wenn überhaupt nur verschlüsselt und im Einzelfall möglich sein, wenn ein berechtigtes Interesse daran besteht. Wer viel auf die Bahn angewiesen ist, der wird sicher eine Bahnkarte haben. Das heißt aber, dass dein angesprochenes Problem für viele Kunden der DB und damit zumindest im Fernverkehr schon gar keines mehr ist. Und zugegeben: Für den ÖPNV ist das "so" sicher keine Lösung. Aber interessant ist schon, dass ich für den Erwerb meines Dauertickets z.B. sogar meine Kreditkartennummer hinterlegen musste. Ohne, hätte das ich das Ticket nicht erhalten können. Das finde ich tatsächlich auch nicht toll, weil sie in der APP auch offen einsehbar ist.
Man kann es auch umdeuten: Es ist mehr "ein Gedankenspiel" mit dem Versuch des Blickes in die Zukunft. Gehe mehr davon aus, dass es ein argumentatives Dilemma ist: Wer Digitalisierung wirklich will, wird auch Kompromisse hinnehmen müssen. Andernfalls wird es, da gebe ich dir recht, weiterhin die analoge Fahrkarte geben müssen und das genannte Problem wird auch in zwanzig Jahren noch fortbestehen.
Vielleicht ist es ja irgendwie technisch möglich und dann könnte es zumindest dazu führen, dass weniger Personalbedarf besteht, Dieser Aufwand im ÖPNV dafür ist aber so hoch, dass dadurch gerade mal die Einnahmen durch das EBE getragen werden.
Man kann es auch umdeuten: Es ist mehr "ein Gedankenspiel" mit dem Versuch des Blickes in die Zukunft. Gehe mehr davon aus, dass es ein argumentatives Dilemma ist: Wer Digitalisierung wirklich will, wird auch Kompromisse hinnehmen müssen. Andernfalls wird es, da gebe ich dir recht, weiterhin die analoge Fahrkarte geben müssen und das genannte Problem wird auch in zwanzig Jahren noch fortbestehen.
Vielleicht ist es ja irgendwie technisch möglich und dann könnte es zumindest dazu führen, dass weniger Personalbedarf besteht, Dieser Aufwand im ÖPNV dafür ist aber so hoch, dass dadurch gerade mal die Einnahmen durch das EBE getragen werden.
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Re: Einordnung der Vorschrift?
(Ich war mal so frei, die versehentlichen Mehrfachposts der Übersichtlichkeit halber zu löschen)