Hallo,
Ich habe gerade Zugriff auf eine Anklageschrift (nur Anklageschrift) eines laufenden Verfahrens mit für mich bislang nicht bekannt gewesenen Anträgen. Es geht zwar um eine recht große Wirtschaftsstrafsache (Anklage auch zur großen Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer) allerdings gibt es neben dem üblichen Eröffnungsantrag (1.) folgende Anträge:
2. Haftbefehle gegen A vom xy (1 Gs blabla) und gegen B vom xy (1 Gs blabla) des AG Hintertupfingen aufzuheben und einen Haftbefehl entsprechend des Anklagevorwurfs zu erlassen und zu verkünden.
->Sinn nehme ich an, dass sich ggf. seit Beantragung des ursprünglichen Haftbefehls der Tatvorwurf verändert hat bzw. die Sachlage und der neue Haftbefehl einer etwaigen Haftprüfung oder Haftbeschwerde besser standhielte? Der Antrag ist für mich also durchaus nachvollziehbar, wenn das die Begründung ist. [Ansonsten ist schließlich die Aufrechterhaltung bisheriger Haftbefehle üblich bzw. die Beantragung der Fortdauer der Untersuchungshaft]
3.
die Haftkontrolle zu übernehmen.
-> diesen Antrag bislang noch nie gesehen. Liegt das einfach daran, dass die Anklage aus einem anderen Land stammt, im Sinne von andere Gepflogenheiten oder hat das eine bestimmte Bedeutung? Ergibt sich dies nicht bereits von Gesetzes wegen aus § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO?
4.
die Akten gem § 122 Abs. 1, 121 StPO bzgl. des Angeschuldigten A dem OLG XY zu Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft vorzulegen
-> m.W.n. gehört das in die Begleit- oder Abschlussverfügung oder hängt das wieder vom Land und/oder sogar der jeweiligen StA ab?
Ich kannte es bislang so, dass in die Anklageschrift selbst nur Eröffnungsantrag und allenfalls der Antrag auf Haftfortdauer gehört (nicht aber der auf erstmaligen Erlass eines HB wegen der Fluchtgefahr nach Zustellung der Anklage) und ansonsten alle übrigen Anträge in die Abschluss-/Begleitverfügung.
Sind das einfach mal wieder regionale Besonderheiten, die m.E. gerade bei den StAs sehr ausgeprägt sind?
Anträge Anklageschrift
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Re: Anträge Anklageschrift
Ja, genau. Gegenstand der Haftbeschwerde ist jeweils immer die letzte Haftentscheidung. Häufig (ganz regelmäßig bei BtM-Verfahren druch Auswertung von Mobiltelefonen) ergeben die Ermittlungen nach Festnahme und Verkündung des Haftbefehls des AG Hinweise auf weitere Straftaten. Dann sollte spätestens mit der Anklage der Haftbefehl des AG eben nicht nur - formelhaft - im EÖB "aus den Gründen seines Erlasses" aufrechterhalten bleiben, sondern ein neuer Haftbefehl nach Maßgabe der Anklageschrift erlassen werden, um die Fortdauer der U-Haft auch auf die weiteren Verdachtstaten stützen zu können bzw. die Haftgründe auch mit diesen weiteren Taten zu rechtfertigen. Unter Umständen führt das sogar dazu, dass sich die Fristen des § 121, 122 StPO verschieben, wenn auch (allein) die späteren Verdachtstaten die U-Haft rechtfertigen, so dass mehr Zeit bis zum Beginn der HV bleibt.KMR hat geschrieben: ↑Donnerstag 12. Juni 2025, 14:22 2. Haftbefehle gegen A vom xy (1 Gs blabla) und gegen B vom xy (1 Gs blabla) des AG Hintertupfingen aufzuheben und einen Haftbefehl entsprechend des Anklagevorwurfs zu erlassen und zu verkünden.
->Sinn nehme ich an, dass sich ggf. seit Beantragung des ursprünglichen Haftbefehls der Tatvorwurf verändert hat bzw. die Sachlage und der neue Haftbefehl einer etwaigen Haftprüfung oder Haftbeschwerde besser standhielte? Der Antrag ist für mich also durchaus nachvollziehbar, wenn das die Begründung ist. [Ansonsten ist schließlich die Aufrechterhaltung bisheriger Haftbefehle üblich bzw. die Beantragung der Fortdauer der Untersuchungshaft]
Hier (NDS) unüblich, ergibt sich - wie du sagst - aus dem Gesetz. Gehört jedenfalls nicht in die Anklage.KMR hat geschrieben: ↑Donnerstag 12. Juni 2025, 14:22 3.
die Haftkontrolle zu übernehmen.
-> diesen Antrag bislang noch nie gesehen. Liegt das einfach daran, dass die Anklage aus einem anderen Land stammt, im Sinne von andere Gepflogenheiten oder hat das eine bestimmte Bedeutung? Ergibt sich dies nicht bereits von Gesetzes wegen aus § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO?
Ja, würde hier ebenfalls in der Begleitverfügung beantragt.KMR hat geschrieben: ↑Donnerstag 12. Juni 2025, 14:22 4.
die Akten gem § 122 Abs. 1, 121 StPO bzgl. des Angeschuldigten A dem OLG XY zu Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft vorzulegen
-> m.W.n. gehört das in die Begleit- oder Abschlussverfügung oder hängt das wieder vom Land und/oder sogar der jeweiligen StA ab?
Die Anträge auf (erstmaligen) Erlass eines HB bzw. Invollzugsetzung eines ausgesetzten HBs nicht in die zuzustellende Anklage hineinzuschreiben, ist ja quasi gesunder Menschenverstand, scheint mir also auch eine merkwürdige Verfahrensweise.KMR hat geschrieben: ↑Donnerstag 12. Juni 2025, 14:22 Ich kannte es bislang so, dass in die Anklageschrift selbst nur Eröffnungsantrag und allenfalls der Antrag auf Haftfortdauer gehört (nicht aber der auf erstmaligen Erlass eines HB wegen der Fluchtgefahr nach Zustellung der Anklage) und ansonsten alle übrigen Anträge in die Abschluss-/Begleitverfügung.
Sind das einfach mal wieder regionale Besonderheiten, die m.E. gerade bei den StAs sehr ausgeprägt sind?
"If we should deal out justice only, in this world, who would escape?"