Zivilrecht und Cannabiskonsum: Welche Grenzen?

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

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tru78
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Beitrag von tru78 »

Hallo zusammen,

ich möchte eine Diskussion zu einem interessanten rechtlichen Punkt eröffnen: die zivilrechtliche Haftung im Zusammenhang mit Cannabiskonsum. Zum Beispiel, wenn eine Person unter dem Einfluss von Cannabis einen Unfall oder Sach‑/Personenschaden verursacht – wie regelt das Gesetz in solchen Fällen die Schadensersatzpflicht?
Welche Unterschiede bestehen zwischen zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verantwortung in diesem Zusammenhang? Und welche Folgen hat das für die Entschädigung?

Ich denke, dieses Thema verdient eine Debatte, da mit der Legalisierung von Cannabis in mehreren Ländern solche Fälle häufiger vorkommen werden. Eure Meinungen, Erfahrungen oder rechtlichen Hinweise sind willkommen!

Übrigens interessieren sich manche Konsumenten auch für den Eigenanbau und unterschiedliche Sorten, wie die feminisierte samen, was in einem legalen Rahmen interessante Diskussionen über Verantwortung und Anwendung aufwirft.
Zuletzt geändert von tru78 am Montag 20. Oktober 2025, 17:50, insgesamt 1-mal geändert.
KMR
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Beitrag von KMR »

Eigene Ideen?
Klingt bislang für mich nach oben groß rot, Rechtsberatung.
Julia
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Beitrag von Julia »

Ich bin auch skeptisch, habe den Thread aber trotz Meldung vorerst offen gelassen, quasi in dubio pro reo. Schauen wir mal.
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Schnitte
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Beitrag von Schnitte »

Ich sehe nicht, inwieweit sich die Grundsätze der zivilrechtlichen Haftung da von anderen legalen Drogen unterscheiden würden. Alkohol ist seit jeher legal, aber wenn ich im Suff einen Schaden anrichte, kann ich dafür haften. Man kann da jetzt darüber diskutieren, ob bereits der Suff allein ausreicht, Fahrlässigkeit anzunehmen, oder ob da eine besondere Sorgfaltspflichtverletzung während des Suffs dazukommen muss. Die Details weiß ich dazu nicht, weil Deliktsrecht nicht so mein Gebiet ist; aber ich bin mir sicher, dass die Rechtsprechung dazu Grundsätze entwickelt hat, und die wird man auch auf Cannabis anwenden können.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Gürteltier
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Beitrag von Gürteltier »

Das wäre doch ein guter Ort, um die eindeutig verfassungswidrige Konstruktion der Alic anzusprechen.

Ansonsten sehe ich nicht, wie der Herr Threadersteller mit den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrecht nicht jedweden konstruierbaren Fall lösen können sollte. Interessant sind hier immer die Frage des Verschuldens und der Zurechnungszusammenhänge.

Für Rechtsberatung scheint es mir übrigens irgendwie bisschen sehr abstrakt. ^^
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FKN993
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Beitrag von FKN993 »

§ 827 BGB^^
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Beitrag von FKN993 »

Gürteltier hat geschrieben: Freitag 10. Oktober 2025, 20:13 Das wäre doch ein guter Ort, um die eindeutig verfassungswidrige Konstruktion der Alic anzusprechen.
Naja, man braucht sie ja schon irgendwie als letzte Mauer.

Wird sie oft in der Praxis angewendet? Kann ich mir kaum vorstellen.
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Schnitte
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Beitrag von Schnitte »

FKN993 hat geschrieben: Freitag 10. Oktober 2025, 22:21§ 827 BGB^^
Ah da schau her, da findet sich im Gesetz tatsächlich was kodifiziertes zu meinen Überlegungen, ob Ansatzpunkt des Vorwurfs das Versetzen in den Rausch ist oder die Handlung im Rausch. Interessant. Ich sollte wirklich öfter mal ins Gesetz kucken.
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Beitrag von Gürteltier »

Irgendwie ist der mir auch noch nie aufgefallen. Systematisch finde ich ihn aber auch etwas an einer komischen Stelle; mE wäre er eher im Schuldrecht AT, entweder beim Verschulden oder beim Schadensrecht aufgehoben.

So wie ich das spontan sehe, regelt er ja eine Art temporäre Deliktsunfähigkeit?

Aber diese Kritik gilt ja parallel für § 828 BGB, der ja auch -vollkommen unbestritten meine ich- außerhalb des Deliktsrechts Anwendung findet.

Edit: Dies wohl schon wegen § 276 I 2 BGB. Hierdurch wird das Ganze ja noch skurriler, weil wieso verweise ich im AT auf den BT.
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Beitrag von GetMeOut »

Schnitte hat geschrieben: Samstag 11. Oktober 2025, 09:42 Ah da schau her, da findet sich im Gesetz tatsächlich was kodifiziertes zu meinen Überlegungen, ob Ansatzpunkt des Vorwurfs das Versetzen in den Rausch ist oder die Handlung im Rausch. Interessant. Ich sollte wirklich öfter mal ins Gesetz kucken.
Letzteres hat sich zumindest im Völkerstrafrecht durchgesetzt, siehe Art. 31 Abs. 1 lit. b) ICC-Statut. Hier wird nach dem mala-fide-Gedanken eine Berufung auf den Rausch als Strafausschließungsgrund verwehrt.

Obskurer fun fact am Rande. Die Verfahrenskammer am ICTY hat bei einem vorsätzlich herbeigeführtem Rausch nicht nur die Schuld und etwaige Strafmilderung versagt, sondern darin sogar einen strafschärfenden Umstand erkannt.

"The Žigić Defense submits that committing a crime under the influence of drugs or alcohol serves as a mitigating factor because the defendant’s mental capacity is diminished. In this regard, the Trial Chamber acknowledges that mental impairment is considered relevant in mitigation of sentences in many countries. However, when mental capacity is diminished due to use of alcohol or drugs, account must be taken of whether the person subjected himself voluntarily or consciously to such a diminished mental state. While a state of intoxication could constitute a mitigating circumstance if it is forced or coerced, the Trial Chamber cannot accept Žigić’s contention that an intentionally procured diminished mental state could result in a mitigated sentence. Indeed, the Trial Chamber considers that, particularly in contexts where violence is the norm and weapons are carried, intentionally consuming drugs or alcohol constitutes an aggravating rather than a mitigating factor." (Rz. 706: https://www.icty.org/x/cases/kvocka/tju ... 11002e.pdf)

Habe mich vor vielen Monden recht intensiv mit den Tokioter und Nürnberger Prozessen sowie ICTY/ICTR befasst, insbesondere mit der dortigen Strafzumessung.
Zuletzt geändert von GetMeOut am Samstag 11. Oktober 2025, 14:36, insgesamt 1-mal geändert.
Julia
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Beitrag von Julia »

Schnitte hat geschrieben: Samstag 11. Oktober 2025, 09:42 Ich sollte wirklich öfter mal ins Gesetz kucken.
Ich korrigiere gerade mal wieder. Wie sehr und häufig ich mir diese Erkenntnis von den Studis wünsche *seufz*
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Schnitte
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Beitrag von Schnitte »

GetMeOut hat geschrieben: Samstag 11. Oktober 2025, 14:11 Letzteres hat sich zumindest im Völkerstrafrecht durchgesetzt, siehe Art. 31 Abs. 1 lit. b) ICC-Statut. Hier wird nach dem mala-fide-Gedanken eine Berufung auf den Rausch als Strafausschließungsgrund verwehrt.

Obskurer fun fact am Rande. Die Verfahrenskammer am ICTY hat bei einem vorsätzlich herbeigeführtem Rausch nicht nur die Schuld und etwaige Strafmilderung versagt, sondern darin sogar einen strafschärfenden Umstand erkannt.

"The Žigić Defense submits that committing a crime under the influence of drugs or alcohol serves as a mitigating factor because the defendant’s mental capacity is diminished. In this regard, the Trial Chamber acknowledges that mental impairment is considered relevant in mitigation of sentences in many countries. However, when mental capacity is diminished due to use of alcohol or drugs, account must be taken of whether the person subjected himself voluntarily or consciously to such a diminished mental state. While a state of intoxication could constitute a mitigating circumstance if it is forced or coerced, the Trial Chamber cannot accept Žigić’s contention that an intentionally procured diminished mental state could result in a mitigated sentence. Indeed, the Trial Chamber considers that, particularly in contexts where violence is the norm and weapons are carried, intentionally consuming drugs or alcohol constitutes an aggravating rather than a mitigating factor." (Rz. 706: https://www.icty.org/x/cases/kvocka/tju ... 11002e.pdf)

Habe mich vor vielen Monden recht intensiv mit den Tokioter und Nürnberger Prozessen sowie ICTY/ICTR befasst, insbesondere mit der dortigen Strafzumessung.
Im Common Law ähnlich, dort ist "voluntary intoxication" nur für manche Delikte ein Strafausschließungsgrund ("defence"), für andere nicht. Details hab ich für die Prüfung mal gewusst, sind mir aber zu weiten Teilen entfallen.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen…verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

--- Offizialat Freiburg, NJW 1994, 3375 (Leitsatz der Redaktion)
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