Examensklausur von heute

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Examensklausur von heute

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo,

heute war mal wieder Zeit für Strafrecht im Examen. Leider hab ich da offensichtlich irgendwie mist gebaut.

Ein Bestandteil des Falles war folgender:

A gerät in eine Verkehrskontrolle und meint er sei aufgrund Alkoholgenusses fahruntüchtig (tatsächlich fast nüchtern). Um damit davon zu kommen, fährt er mit dem Auto und bedingter Tötungsabsicht auf den stoppen Polizisten zu. Dieser kann sich durch einen Sprung retten. A meint zunächst P sei tot; steigt aus und sieht dass er doch noch am leben ist, räumt ihm jedoch nur eine minimale überlebenschance ein, die er ihm aber belassen will....

Ok...neben diversen Verkehrsdelikten natürlich versuchter Mord (P: muss verdeckte Straftat tatsächlich vorliegen). Dann...was ich Idiot voll verbockt hab...natürlich: Rücktritt (P wohl: Rücktrittshorizont).

In dem überschwang und übereifer den man wohl beim Stex an den Tag legt hab ich statt den Rü zu sehen jetz hinten dran (keine Lacher aus der falschen Ecke jetz...) versuchter Mord durch unterlassen geprüft. irgendwie passte es so gut weil es mehrere Probleme aufwarf (insbesondere Verdeckungsabsicht bei Unterlassensdelikten möglich, Ingerenz aus vorsätzlich-pflichtwidrigem verhalten usw.; über die den Tatentschluss zur tötung bin ich mit dol. ev. hinweggekommen.).

Natürlich hat das sonst keiner gemacht (so idiotische Ideen hab nur ich). Allerdings bin ich mir irgendwie trotzdem nich sicher ob das nun tatsächlich falsch is (also vom fehlenden Rücktritt abgesehn). Was würdet ihr meinen?
ElGraf
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Beitrag von ElGraf »

Der Rücktritt lag in der Tat deutlich näher, sorry. Deine Lösung ist relativ nahe am Verstoß gegen "ne bis in idem", außer Du hast wirklich sehr gut begründet, warum auf einmal doch noch ein neuer Tatentschluss gefasst worden sein soll.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

:sad11:

Ok, ich seh schon... Die Klausur kann ich knicken. Dabei lief StR gestern garnich so schlecht...

DIe gute begründung fehlt leider. Ich hab halt nur darauf verwiesen, dass das belassen einer minimalen Überlebenschance nicht den Eventualvorsatz hindert, da ein für-möglich-halten ausreicht und eben ein sicheres wissen nicht notwendig ist.

So ein sch....

Naja wozu gibts den Verbesserungsversuch...was solls...
ElGraf
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Beitrag von ElGraf »

Das allein lässt Die Punkte sicher noch nicht in den Keller sinken. Ich persönlich hatte bei meiner Strafrechtsklausur auch größte Bedenken, weil ich mir meiner Meinung nach einen dicken Schnitzer geleistet hatte (error in objecto nicht erkannt, dadurch Meinungsstreit "verpasst"), zumal der Rest der Baggage natürlich alles anders gelöst hatte. War dann alles nicht so schlimm

Wie hast Du das eigentlich in Sachen Konkurrenzen gelöst? Die Unterlassung tritt zurück, oder?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Das Problem ist, ich hab zusätzlich noch das Problem der Freiheitsberaubung bei einem Bewusstlosen übersehen, von daher hab ich da ernste Bedenken.

Was die Konkurrenzen angeht, hast Du eigentlich Recht. Diejenigen die es überhaupt zulassen, dass ein Unterlassensdelikt aus vorsätzlicher Ingerenz erwächst, lassen es dann hinter dem Begehungdelikt zurücktreten. Das hab ich auch dargestellt, allerdings dann darauf verwiesen, dass in solchen Fällen wie hier der Unfall immer eine Zäsur bildet und die Delikte davor und danach nicht zusammengezogen werden, sodass ich das dann doch beides einzeln hab stehen lassen. Im Grunde macht es die Sache bei Lichte betrachtet noch falscher, aber ich kann jetz eh nix mehr dran machen.

Ob ich das alles mit den Problemen wie fehlende subjektive Verknüpfung beim Raub bei bloßer GewaltFOLGENfortwirkung, Auto als Waffe bzw. Pervertierung des Straßenverkehrs sowie eben Bezugsobjekt der Absicht bei Verdeckungsabsicht und Frage des tatsächlichen Vorleigens des Verdeckten Delikts ausbügeln kann, ist wohl eher zweifelhaft. naja wie würde der lateiner sagen: alea iacta est.

Das "motiviert" alles gerade extrem für die letzten beiden Klausuren (ÖR)... :--
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Mir fällt gerade ein, wo hier wohl das eigentliche Problem lag: Rücktritt trotz außertatbestandlicher Zielerreichung (gott, dafür dass ich mich im Strafrecht immer für einigermaßen passabel hielt, grenzt es gerade zu an ne mittelschwere Katastrophe, dass mir das erst einen tag später einfällt - selbst wenn ich auf den Rücktritt eingegangen wäre, bezweifel ich, dass ich in der Klausur darauf gekommen wäre).

Wenn man da also mal der Mindermeinung folge würde, ist er ja nicht zurückgetreten (da es ein beendeter Versuch war - aufhören genügt nicht). Dann wäre zumindest noch im Ansatz Raum für meinen Blödsinn. Vielleicht is ja der Korrektor irgendwie gnädig [-o<

...denn so viel Bleistift wie der Wellenlinien da an den Rand machen müsste, hat er ohnehin nicht...

Mich wurmt v.a. diese Formulierung in der Klausur, dass er ihm eine sehr kleine Überlebenchance einräumte, die er ihm aber belassen wollte. Diese information ist seltsam und auch in Bezug auf den Rücktritt eigentlich überflüssig. Wie immer im Strafrecht sind seltsame Sachverhaltsinformationen meist versteckte Probleme. Ich glaube ich muss dringend irgendwie diesen Fall aus meinem Kopf bekommen...
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Die "Überlebenschance" könnte vielleicht auf zum Rücktrittshorizont lediglich noch verhandenen Verdeckungseventualvorsatz und damit mangelnde Verdeckungsabsicht und damit einen möglichen Rücktritt vom Verdeckungsmord und lediglich überbleibenden Totschlagversuch neben § 315 b und § 224 hindeuten.
Unterlassen (danach weniger Unterlassensmord) wäre demgegenüber zwar grundsätzlich auch erwägenswert aber wohl weitgehend zurücktretend und daher weniger schwerpunktmäßig.
BlaBla
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Beitrag von BlaBla »

Dieser kann sich durch einen Sprung retten. A meint zunächst P sei tot; steigt aus und sieht dass er doch noch am leben ist, räumt ihm jedoch nur eine minimale überlebenschance ein, die er ihm aber belassen will....
1. Da sind aber einige dumme Probleme drin. Imo zunächst 315 b). Den finde ich noch recht unproblematisch

2. Der SP liegt wohl beim Rücktritt von 211, 212
> ich glaube geschickterweise prüft man nur den 212, weil...

a. es um die Kernfrage "Fehlschlag" / "unbeendeter Versuch" geht
Man muss hier erstmal den Fehlschlag ausgrenzen.
> Nach der Einzelakttheorie ist das ein Fehlschlag. Da die aber eingentlich niemand mehr vertritt, kommt man
> zur Gesamtbetrachtungslehre. Hiernach kann der Täter den Erfolg durch Weiterhandeln ja noch herbeiführen.

Nun kommt imo der Gag: Ich würde sagen, das ist das Problem der "Umwandlung" eines irrtümlich als beendet betrachteten Versuches in einen unbeendeten Versuch (lies mal Roxin AT II, § 30, Rz. 163,

Bzw. siehe auch den "Ich lebe noch Fall" - BGHSt 36, 224: hier dachte der Täter zunächst irrtümlich "er hätte alles getan, dass das Opfer stirbt". In einem "engen zeitlich - örtlichen Zusammenhang" (so Formulierung BGH, s. o.) erkennt der Täter aber seinen Irrtum und sieht, dass er noch nicht alles getan hat (also der Versuch unbeendet ist). Dazu sagt nun der BGH nahezu wörtlich: "So rechtfertigt eine nur wenige Augenblicke bestehende falsche Vorstellung nicht die Annahme eines beendeten Versuches. In diesem Fall erscheint das gesamte Tatgeschehen vielmehr als eine Tat im Rechtssinne. (so dass i. E. ein unbeendeter Versuch vorliegt)

Also kann man hier wohl einen unbeendeten Versuch annehmen, weil
a) der örtliche Zusammenhang (+) ist - Erkennen des Irrtums noch am "Tatort"
b) auch zeitlich. Er hält ja direkt an.

Folge: das freiwillige Auföhren reicht aus. Das macht er ja auch.

Die Formulierung "ihm die geringe Überlebenschance noch zu lassen" kann vor dem Gesagten
a) auf das Abgrenzungsproblem hindeuten
b) ev. aber auch darauf, dass er auch endgültig von der Tat Abstand nimmt.

Da er von 212 imo insofern zurücktritt, kommt man auf die Prüfung der MM des 211 gar nicht. Womit man das Problem der Verdeckungsabsicht dann wohl diskret knicken kann.

Prf.
212 Versuch
a. Tatentschluß
b. Ansetzen
c. RW und Schuld
d. Rücktritt (+)

211: "Kommt es nicht mehr drauf an, weil Rücktritt, s. o....."
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schlemil
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Beitrag von schlemil »

Aber der Täter glaubt hier doch die ganze Zeit, auch noch unmittelbar nach der Tat mit Eventualvorsatz bereits alles getan zu haben, insofern könnte schon mangels "Irrtumes " ein Unterschied zur angeführten BGH-Rechtsprechung bestehen.
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Also wie gesagt sehe ich das etwas anders. (jetzt von dem käse des versuchs durch unterlassen mal abgesehen.)

Das erste Problem ist in der Tat der korrigierte Rücktrittshorizont. Danach ist es möglich, dass der Täter auch nach der Tathandlung von einem (wie er während der Tathandlung meint) beendeten Versuch zu einem unbeendeten Versuch "wechselt".

Das andere Problem allerdings ist, dass er mit dem "über-den-haufen-fahren" sein außertatbestandliches ziel des nicht-endeckt-werdens bezüglich der vermeintlichen trunkenheitsfahrt, erreicht hat. Nach der meinung der Lit. (ob herrschend oder eher minderheit weiß ich jetz nicht) liegt mit der erreichung des außertatbestandliches zieles ein beendeter versuch vor. damit könnte er also durch bloßes aufhören nicht mehr zurücktreten (anders die Rspr. die nur auf die versuchte tötung selbst blickt und unbeendeten versuch annimmt).

Auch wenn ich einsehe, dass meine Klausurlösung falsch ist, will ich dennoch auch nochmal darauf hinweisen, dass durch einen Rücktritt nicht automatisch der Vorsatz erlischt. vielmehr handelt es sich ja nur um einen strafausschließungsgrund (der vom Rücktritt betroffene Versuch ist ja auch nach wie vor teilnahmefähig.) Jedenfalls kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass meine lösung deshalb falsch ist, weil der vorsatz erloschen sei.
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Beitrag von schlemil »

Ist denn das Verdecken wirklich aussertatbestandlich bei Mord und schon erreicht ?
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

hinsichtlich der tötung ist es schon außertatbestandlich. du hast allerdings recht, in bezug auf den mord nicht. mmm....

erreicht ist es aber schon. der polizist führte die kontrolle allein durch. davon dass er sich das nummernschild gemerkt hat o.ä. stand nichts im sachverhalt. von daherein würde ich das bejahen.

edit: im übrigen erinner ich mich an einen fall aus dem Rep. bei dem auch die verdeckung der täterschaft als außertatbestandliches ziel behandelt wurde. (Tankstellenfall bei AS). Verzeih meine Faulheit, dass ich den jetzt nicht raussuche....
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Beitrag von BlaBla »

Anhand Deiner Ausführungen ist echt erkennbar, dass Du die Probleme kennst. Und das ist echt ärgerlich....
Gelöschter Nutzer

Re: Examensklausur von heute

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Fiktion hat geschrieben:Hallo,
Ok...neben diversen Verkehrsdelikten natürlich versuchter Mord (P: muss verdeckte Straftat tatsächlich vorliegen).
Muss sie das eigentlich? Strafwürdig ist ja eh die Absicht an sich. Hm ...
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In irgendeinem Rhetorik-Buch hat ein Jura-Prof mal geschrieben: Wenn jemand einen anderen töten will, dann sieht, dass der noch Chancen hat und dann weggeht - dann weiß ich jetzt schon, dass 50 % der Kandidaten ein Unterlassungsdelikt prüfen...

Ich glaube also nicht, dass Du der Einzige bist, der das geprüft hat. Falsch ist es allerdings dennoch, denn das Unrecht wird bereits mit dem versuchten aktiven Mord abgedeckt. Da bleibt nichts mehr an Unrecht, was im Unterlassen geprüft werden müsste.

@crooks: Die Straftat muss nicht tatsächlich vorliegen, es ist - wie Du sagst - ja gerade Verdeckungsabsicht. Aber da war das Problem: Oben heisst es "bedingt vorsätzlich", das ist ja gerade keine Absicht. Der Trick war dann, zu sehen, dass die Absicht nicht auf den Erfolg beziehen muss, sondern auf die Handlung. Und die Handlung ist vorliegend das Durchfahren der Sperre, und das macht der Täter mit voller Absicht.
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